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Schwarzwälder Tageszeit««?>«« de« Ta«««"

Nr. 202

Bkjchlüiie des Katholikentags

Nürnberg, 29. Aus. In der geschlossenen Versammlung der Teilnehmer am Katholikentag im groben Rathaussaal wurden Lei dem Bericht über den Vertretertag verschiedene Entschliegun- gen einstimmig gefaßt, die u. a. besagen:

Das deutsche Volk ist zur Zeit in biologischem Niedergang be­griffen. Aufgabe der deutschen Politik ist es infolgedessen, die Lebensgesetze zur Anerkennung und die Naturordnung, auf der die Erhaltung und Aufwärtsentwicklung eines jeden Volkes be­ruht. zur Geltung zu bringen. Vor allem sind die wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen für das gesunde Wachstum des Volkes zu verbessern. Das bedeutet eine Gestaltung der Wirt­schaftsordnung derart, daß allen Volksschichten ein naturgetreues Familienleben ermöglicht wird.

Der Vertretertag in Nürnberg har sich mit den Zersetzungser­scheinungen befaßt, die neben dem Kampf gegen die christliche Ehe und Familie gegenwärtig unser Volk bedrohen. Als Ergeb­nis dieser Verhandlungen erbeben wir folgende Forderungen an die Gesetzgebung und öffentliche Verwaltung: Die zerstörende Propaganda des Bolschewismus ist mit unbedingter Entschieden­heit zu bekämpfen. Wirtschafts- und außenpolitische Rücksichten dürfen keineswegs der planmäßigen Unrerwüblung unseres Volkstums freie Bahn geben. Gegen die Freidenker- und Gottlo­senbewegung ist die in der Reichsverfassung verbriefte Vorzugs­stellung der christlichen Religion mit allen gesetzlichen Mitteln zu verteidigen. Die herabsetzende Propaganda gegen die christ­liche Religion, ihre Einrichtungen und Gebräuche ist gemäß dem geltenden Strafrecht und der Notverordnung des Reichspräsiden­ten vom 28. März 1931 zu verhindern. Eine neue Strafrechtsord­nung, die der Religion und der Volksstttlichkeit nicht den not­wendigen Schutz gewährt, ist abzulehnen. Am sozialem Gebier sind vordringlich: die Erhaltung und Pflege echten Volkstums in der Jugend setzt die Freiheit der Jugendpflege und Jugend­bewegung voraus. Die Versammlung beschloß ferner einstim­mig. als Tagungsort für den nächsten Katholikentag 1932 Essen .zu wählen. Schließlich wurde zur Lage in Spanien einstim­mig ein Telegramm an den Apostolischen Nuntius in Madrid ge­sandt, das den Elaubensbrüdern in Spanien den Ausdruck treuester Anteilnahme übermittelt.

Eine Rede des Reichsarbeitsministers

Reichsarbeiisminister Dr. Stegerwald hielt in der im Rah­men des Katholikentages, veranstalteten Arbeiter- und Männer­versammlung eine Ansprache, in -er er u. a. ausfllhrte, es sei falsch zu glauben, daß es bei -er Lohn- und Sozialpolitik in der Hauptsache bloß auf den Willen des Arbeitsministers ankäme. Der Reichsarbeitsminister hätte im letzten Jahre nicht danach handeln können, was er wolle und was er nicht wolle, sondern tr hätte lediglich zu entscheiden gehabt, ob das, was unvermeid­bar sei, jetzr erledigt werde oder ob es verschoben werden solle. Die Stellung des Arbeiters in Staat und Wirtschaft sei ein Problem, an dem solange nicht vrogrammäßig gearbeitet wer­den könne, als Europa noch nicht wahrhaft befriedigt sei. Ohne diese Befriedung Europas könne die Weltkrise nicht gemeistert und das Arbeitslosenproblem Deutschlands nicht bewältigt wer­den. Voraussetzung für ein befriedetes Europa aber sei die An­erkennung der Gleichberechtigung der europäischen Groß-Staa- ten. In den letzten Jahren, so fuhr der Minister fort, seien an die deutsche Wirtschaft Anforderungen gestellt worden, die diese gar nicht habe erfüllen können. Die Siegerstaaten stellten hohe Forderungen und suchten diese zu kommerzialisieren. Deutsch­land seien durch Krieg und Inflation 199 bis 1S9 Milliarden Mark Vermögen vernichtet oder weggenommen worden. Die deutsche Wirtschaft sollte außer Reparationen anständige Löhne zahlen und außerdem hohe Beträge für Sozialversicherung auf­bringen. Das alles zusammengenommen sei eine Unmöglichkeit gewesen. Aber es sei nicht alles düster in Deutschland. Deutsch­land habe einen guten Produktionsapvarat in Gewerbe, Indu­strie und Landwirtschait und ein gutes Verkehrswesen. Das deut­sche Volk zähle zu den intelligentesten und arbeitssamsten Völ­kern der Welt und ihm sei die Unfähigkeit gar nicht zuzutrauen, daß es sich nicht aus der gegenwärtigen Lage herauszuarbeiten vermöchte.

Dritte Verordnung zur SurchWrung der Jevisenbewlrttchaftung

Berlin, 29. Aus. Nach derDritten Verordnung zur Durch­führung der Verordnung des Reichspräsidenten über die Devisen- > bewirtschaftung vom 29. August 1931" werden Devisenbestände im Nennwert von über 1999 RM. aufgerufen, die durch den Aufruf in der ersten Durchführungsverordnung zur Kavitalfluchtver- ordnung vom 21. Juli 1931 nicht erfaßt worden sind. Für die durch die zuletzt genannte Verordnung bereits erfaßt gewesenen Anmeldepflichtigen, soweit sie ihren Verpflichtungen nachgekom­men sind, gilt der neue Aufruf nur für ihre Bestände an Gold (außer Kurs gesetzre Goldmünzen. Feingold oder legiertes Gold roh oder Halbfabrikate) und für solche ausländischen Wertpa­piere. die anders als gegen ausländische Zahlungsmittel oder Forderungen in ausländischer Währung erworben worden sind. Anmeldestellen sind wie bisher die örtlich zuständigen Reichs­bankanstalten. Die wichtigste Neuerung an der Verordnung ist sie Herabsetzung der Freigrenze des Paragraph 11 der Devisen­bewirtschaftungsverordnung von RM. 3999 auf RM. 1999. Die aeue Freigrenze gilt also nicht für den Aufruf, sondern rür das zesamte Gebiet der Devisenbewirtschaiiung. also z. T. auch für >en Erwerb von Devisen, die Verfügung über Devisen usw.

Sie «Mische Lase In England

Baldwin kündigt Parlamentsauslösung an London, 29. Äug. Die bedeutendste Rede, die am Freitag bei den verschiedenen Parteikonferenzen gehalten wurde, war die des konservativen Führers Baldwin. Die Lebensdauer der National- Regierung hänge in jeder Beziehung von den Konservativen ab, und Baldwins Ausführungen lassen mit Bestimmtheit darauf schließen, daß er eine Parlamentsauflösung im Auge hat, sobald die Sparmaßnahmen zum Ausgleich des Etats durchgefllbrt sind. Darüber hinaus aber hat er mit dem allergrößten Nachdruck be- ront, daß der kommende Wahlkampf von seiner Partei auf schutzzöllnerischer Basis geführt werden wird. Zwei Punkte al­lein. so legte er dar. können der Verminderung der Einnahmen und der Verschlechterung der englischen Handelsbilanz entgegen­wirken. Einmal muß die Pumvwirtschaft bei der Erwerbslosen­versicherung aufhören. Die Handelsbilanz andererseits kann nur durch Schutzzölle verbessert werden.

Macdonald soll sein Abgeordnetenmandat niederlegen London, 29. Aus. Die Lokalorganisation der Labour Party in Steaham, dem Wahlort Macdonalds, hat diesen durch eine einstimmig in einer Sitzung gefaßte Resolution aufgefordert, sein Abgeordnetenmandat niederzulegen.

Mittag der Ralionalstzmliilm In Essen

Essen, 31. August. Die N.S.D.A.P. veranstaltete am Samstag und Sonntag einen Ruhrgautag, dessen einzelne Kundgebungen einen starken Besuch auswiesen. Aus einer Kundgebung am Samstag abend sprach der Gauleiter, Reichstagsabgeordneter Terboven. Der Sonntag begann mit einem Vorbeimarsch der SA. vor dem Stabschef der Partei, Hauptmann a. D. Röhm. In einer Nachmittags­kundgebung hielt Hauptmann a. D. Röhm eine kurze An­sprache, in der er nach Ausführungen über die Bedeutung der SA. erklärte, alle Versuche der Gegner der N.S.D.A.P., das Vertrauen zwischen Führer und Geführten zu erschüt­tern, seien gescheitert und würden weiter mißlingen. Zm Anschluß wurde eine Treuekundgebung der SA. gegenüber Hitler und der Partei verlesen. Darauf hielt Dr. Eöbbels eine Rede, in der er die politischen Verhältnisse der Gegen­wart schilderte und betonte, daß zwischen dem Deutschland von heute und dem Deutschland von morgen unter Hitlers Führung keine Verständigung möglich sei; die N.S.D.A.P. denke nicht an die Uebernahme der Verantwortung im Reich und in Preußen, solange noch ein Sozialdemokrat sich in einer verantwortlichen Stellung befinde.

Neues vom Tage

Der Eröffnungstag der Leipziger Herbstmesse.

Leipzig, 30. August. Wie zu erwarten war, hat der eigentliche Zustrom der Messebesucher erst am Sonntag früh eingesetzt, da jeder an Aufenthalts kosten in Leipzig zu sparen sucht. Das geschäftliche Interesse der Kundschaft konzentriert sich auf absatzfähige preiswerte Gebrauchsware. Dagegen wird alles, was unter den Begriff von entbehrlichem Luxus fällt, kaum beachtet. In allen Branchen von Gebrauchswaren hat sich dagegen schon in den Morgenstunden des Sonntags ein verhältnismäßig lebhafter Verkehr entwickelt. Auf der Textil­messe sind die Aussteller, die gute und preiswerte Neuheiten gebracht haben, mit den erteilten Aufträgen teilweise recht zufrieden. Auch Stapelware wird bestellt. Noch mehr trifft das für die Möbelmesse zu, wo sich ein ziemlich flottes Ge­schäft entwickelt hat. Sonst dient der Eröffnungstag der Messt wie stets der Orientierung der Kundschaft. Das Ausland fragt in allen Branchen vorzugsweise nach Neuheiten.

Neichstagsabgeordneter Gemeinder ff Mainz, 39. Aug. Der nationalsozialistische Reichsiagsabgeord- nele Peter Gemeinder, der Gauleiter der NSDAP, im BeznL Hessen, ist am Samstag abend plötzlich verschieden. Gemeinder hatte am Abend noch in einer großen Versammlung in ver Main­zer Stavthalle gesprochen. Nach Schluß der Versammlung wurde Gemeinder von einem Herzschlage getroffen, dem er kurze Zeit darauf erlegen ist.

Ziel des neuen Ost-West-Fluges: Neuvork Hamburg, 29. Aug. Der Hamburger Pilot Christian JoLann- sen, der gegenwärtig mit fernen beiden Begleitern in Lissabon günstige Witterung abwartet, um dann mit einer Junkers W. 33-Maschine einen Ost-West-Ozeanflug anzutreten, hat sich enr- schlossen, nicht die Südamerika-Route, sondern die Strecke nach Nordamerika mit dem Ziel Neuvork zu wählen. Die Maschine ist startbereit, der Start hängt lediglich von der Wetterlage ab.

Briand noch schonungsbedürftig Paris. 29. Aug. Nach einer Mitteilung des französischen Au­ßenministeriums wird Briand sich nicht zum Beginn der Vollver­sammlung des Völkerbundes nach Genf begeben. Professor Va- quez bat Briand besucht und eine erhebliche Besserung seines Gesundheitszustandes festgestellt. Immerhin schien es dem Arzt empfehlenswert, den Außenminister vor Wiederaufnahme seiner vollen Tätigkeit eine weitere Woche Ruhe zu verordnen. ^

Ermordung eines polnischen Politikers Warschau, 39. Aug. Einer der hervorragendsten polnischen Po­litiker, der Abgeordnete Taddäus Holuwko, ist Samstag abend in einem ostgalizischen Badeort von zwei bisher unbekannten Tä­tern ermordet worden. Es bandelt sich vermutlich um ein politi­sches Verbrechen, und die polnische Presse nimmt als gewiß an, daß Ukrainer die Täter sind. Holuwko gehörte zu den Führern des Regierungsblocks und hatte sich als solcher vor allem der Minderheitspolitik in Ostvolen zugewandt. Das polnische Re-. gieruMsblatt Gazeta Polska meint, daß das Verbrechen schwere Folgen nach sich ziehen werde.

Verlängerung des russisch-litauischen Nichtangriffspaktes Kowno, 29. Aug. Samstag wurden die Ratifikationsurkunden zu dem Protokoll Uber die fünfjährige Verlängerung des rus­sisch-litauischen Nichtangriffspaktes ausgetauscht. Gleichzeitig wurde das Protokoll über die Rechtsstellung der russischen Han­delsvertretung in Litauen unterzeichnet.

Brasilien stellt die Amortifiernng der auswärtigen Schulden eil Rio de Janeiro, 39. Aug. Die brasilianische Regierung hat be­schlossen, die Amortifierung der auswärtigen Schulden einstwei­len auszusetzen mit Ausnahme der beiden Fundierungsanleihe» und der Kaffee-Anleihe von 1922. Der Beschluß erfolgte nach eingebenden Besprechungen mit Vertretern der Gläubiger. ,,

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Roman von Richard Skowronneck Copyright 193i by RomandieastDigo" Berlin W 30

8. Fortsetzung

Jetzt laß Dir richtig guten Tag sagen, Väterchen! Vorhin, als der Leutnant dabei stand, konnte man's doch nicht so zeigen."

So so," sagte der Forstmeister,und ich hatte schon ge­glaubt!" ... Was er geglaubt hatte, sagte er nicht, aber die Tochter verstand ihn. Schlang ihm den Arm um den Hals und küßte ihn mitten in den weißen Bart.

Unsinn, Vatting! Nur, weißt Du, man trifft da auf der Rette endlich einen Leutnant von unserm Bataillon, einen ganz neuen noch dazu, und da muß man sich doch ,benehmen'. Sonst erzählt er womöglich im Kasino, er hätte unterwegs ein ganz merkwürdiges Frauenzimmer kennengelernt, das in der Jagd besser Bescheid wüßte als in der modernen Literatur, und alle übrigen Leutnants schreien: ,Das kann nur die Els- betb aus Roknstein gewesen sein'!"

Da lachte der alte Herr übers ganze verwitterte Gesicht, sein Schmaltisrchen war noch das alle geblieben, trotz der zwei Jahre in der vornehmen Pension. Nur größer geworden war es und schöner, und Donnerwetter noch mal, würden die gu­ten Bekannten ringsum Augen machen, wenn er,sich mit seiner Tochter in den Wagen setzte, um in der Nachbarschaft und im Städtchen die üblichen Visiten zu schneiden!... Aber da fuhr ihm etwas in die Kehle, daß er plötzlich husten mußte, der gelbe Flecken" fiel ihm ein, von dem immer die alte Trine gesprochen hatte. Und während Elsbeth munter und luftig von allerhand großen und kleinen Pensionserlebnissen plauderte, sann er über einen fürchterlichen Ukas, der allen Hofmsassen strengstes Stillschweigen zur Pflicht machte. Weshalb sollte er seinen heimgekehrten Liebling unnütz betrüben, wenn's «*- ders zu schaffen war? Vielleicht war das Zerwürfnis mit den Lenzburger Jägern ein paar Tage lang zu verheimlichen, in­zwischen aber mußte irgend etwas geschehen, das die verfah­rene Lage in Ordnung brachte. Im allerschlimmsten Falle pochte man an die Tür des Kommandeurs:Lieber allein Freund Brinkmann, da bin ich.wieder! Und hoffentlich lassen

Sie mich den herben Kelch der Abbitte nicht bis auf den Loden weren""

Zu Hause nachher gab es erst die rechte Begrüßung. Als der Wagen ins Hoftor bog, stand die alte Trine in blüten- weißer Schürze auf der Freitreppe mit dem übrigen Gesinde, der Kuhhirt entlockte seinem langen, mit Bast umwundenen Horn eine Folge greulicher Töne, die eine Freudenfanfare darsteklen sollten, und der Pferdejunge ließ einen Kanonen­schlag steigen, den er sich heimlich aus der Stadt besorgt hatte. Ganz unsinnig jedoch vor Freude gebärdete sich die Schar der Hunde. Die Teckel kläfften, der Hühnerhund Robbie, der sei­nerzeit an der Puppe der Kommandeuse das Apportieren ge­lernt hatte, machte clovn, stieß aber dabei ein ganz unkom­mentmäßiges Heulen aus, sogar Wodan, der edle Schweiß­hund, der neben seiner Gattin Fricka auf einem tischartigen Lager thronte, hob den ernst blickenden Kopf. Ein Luftzug hatte ihm die Witterung der jungen Herrin zugetragen, mit der er so manches liebe Mal im hohen Buchenwald die, Schweißfährte bearbeitet hatte. Da stand er gravitätisch auf, kam gemessen näher und gab mit der glockenähnlichen Stimme den FreuÜenlaut, mit dem er den gestreckten Hirsch bestätigte. Am liebsten hätte er ja auch getanzt, wie die lustigen kleinen Teckel, die sich immer rückwärts überschlugen vor Freude, aber das ziemte sich nicht für einen seit sechzehn Generationen rein gezogenen Schweißhund.

Nach dieser allgemeinen Begrüßung kamen die Iägerlehr- linge an die Reihe. Sie bliesen kunstvoll unter Aufsicht des Forstschreibers den Fürstengruß auf blinkenden Waldhörnern, und während Elsbeth in Heller Rührung ein Dutzend Hände schüttelte, blickte der Forstmeister in etlicher Ratlosigkeit zu der getreuen Alten hinüber, die er in ärgerlichen Stundentörichte Spinatwachtel" zu titulieren pflegte. Und sie verstand ihn ohne viel Worte.

Ich werd' morgen wieder die Seebachin kommen lassen, das gibt Ruh' auf acht Tage. In der Zwischenzeit aber müssen S i e Rat schaffen, Herr Forstmeister, so oder so!"

Na schön," erwiderte er,und morgen haben wir Voll­mond. Da wird sich's entscheiden. So oder so."-

Ganz heimlich hatte sich gegen Abend der Forstmeister fort­gemacht, durch den Obstgarten und um die Scheune herum. Niemand aus dem Hofe brauchte zu wissen, daß er wieder ein­mal auf den Wilddieb unterwegs war. Erst als er im Rande der dichten Fichtenschonung stand, die von der Seeseite ber das

Feld begrenzte, schob er zwei Finger der Rechten zwischen die Zähne, stieß einen weithin schallenden Pfiff aus. Wodan, der Schweißhund, hob daraufhin den Kopf auf seinem tischähn­lichen Lager, richtete sich und reckte sich einen Augenblick lang in den verschlafenen Gliedern und kam in langen getragenen Sätzen über das freie Feld gejagt. Am Spätnachmittage näm­lich hatte es Besuch im Forsthause gegeben, und ganz merk­würdigerweise war ihm der Gedanke gekommen, daß dieser Besuch mit den Frevellaten des Wilddiebes in irgendeinem geheimnisvollen Zusammenhang stehen mußte.

Die Tochter des Fischereipächters Retelsdorf aus Lenzburg war es gewesen, die den wöchentlichen Tribut brachte in Ge­stalt eines zehnpfündigen Hechtes. s

Den Tribut, den ihr Vater neben einem geringfügigen Pachtschilling an die Fürstlich Rohnstein'sche Forstoerwaltung zu entrichten hatte, und bei dem er, gleich seinen Vorfahren, ein schwerreicher Mann geworden war, denn fest urewigen Zeiten besaßen die Retelsdorfs ein verbrieftes Pachtrecht auf den Lenzburger See. Ein Retelsdorf hatte einmal einen Prin­zen von Rohnstein aus schwerer Leibesgefahr errettet, und i' m wurde danach das Recht verliehen, den Lenzburger See ' befischen, soweit ein aufrechter Mann bis zum Haffe ins Wasser waten und eine Pflugschar nach der Mitte zu werfen vermochte. Das war bei den flach verlaufenden Ufern ein gan­zes Ende, sodaß für andere Gerechtsame kein lohnender Platz mehr blieb. Die Retelsdorfs zahlten dafür hundert Silber­groschen im Jahr, allwöchentlich ein gutes Gericht Fische und wurden wohlhabende Leute. Liehen Geld auf Zins, die jün­geren Söhne aber zogen aufs Trockene, wurden Ackerbürger, und wenn man in den Dörfern der Umgebung einen stattlichen Aff sub, gehörte er sicherlich einem Retelsdorf...

Die Mike Retelsdorf also, des gegenwärtigen Erbpächters einzige Tochter, hatte ihren Hecht abgeliefert, saß mit der alten Trine auf der Veranda bei einer Tasse Kaffee, unterhielt sich von diesem und jenem. Und ganz zufällig kam der Forstmeister hinzu.

Das schlanke Mädel mit dem hübschen, sonnengebräunten Gesicht und den seltsam verschleierten Äugen stand ehrerbietig auf. Er fragte nach dem Ergehen des gichtgeplagten Vaters mid fügte hinzu:Na, Mike, wann wird die Hochzeit sein? Wenn der Alte nicht mehr zur See fahren kann, muß es doch einen Nachfolger geben?"

(Fortsetzung folgt.)

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