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Amtsblatt für de» Bezirk Rasold ». AUeifteia-Eladt
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Alte»rsteig» Freitag den ^3. Marx 1931
64. Jahrgang
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Ser Sozialetat im Reichstag
Stegerwald über Schlichtungswesen, Lohnabbau und Wohnungsbau
Neichrtagspröstdent Löbe eröffnet die Reichstagsfitzung um » Uhr — Aus der Tagesordnung steht die zweite Beratung des Haushalts des Reichsarbeitsministeriums. Mit der Beratung ist verbunden der kommunistische Antrag, der sich gegen die Stilllegung der Hütte Ruhrort-Meiderich wendet und über Maßnahmen anläßlich des Bergwerksunglücks auf der Grube Esch- «eiier-Rcjerve. Der Haushaltsausschutz legt eine lange Reihe von Entschlietzungen vor, in denen Mtündige Arbeitswoche und verschiedene andere Maßnahmen zur Entlastung des Arbeitsmarktes verlangt werden.
Neichsarbeitsminister Dr. Stegerwald
leitet die Aussprache ein. Er weist zunächst darauf hin, daß die Erörterungen über die amtliche Lohnpolitik, das Schlichtungsund Tarifwesen und Aber die Arbeitslosen- und Wohnungsfragen heute meist ohne Beachtung der großen Zusammenhänge geführt würden und erklärt weiter: Das staatliche Schlichtungsund Tarifwesen hat seine Probe bestanden. Daß dabei Sckwie- rigkeiten entstehen würden, war vorauszusehen. Tarifverträge sollen praktische Eewerbegesetze sein. Viele dieser Eewerbegesetze find nicht organisch gewachsen und weisen daher heute noch große Konstruktionsfehler auf. Außerdem hat Deutschland eine sehr komplizierte Volkswirtschaft. Es ist eine Unmöglichkeit, angesichts der bestehenden Komplikationen in einer Zeit der größten Wirtschaftskrise durch das staatliche Schlichtungswesen bei einer einzigen Tariferneuerung Ordnung zu bringen. Das Etliche Schlichtungswesen muß aber eine bestimmte Linie einhalteu, wenn nicht ein Lohnchaos entstehen soll. Was den Lohn anlangt, so herrscht über dessen Funktionen große Verwirrung. Die Kauf» krafthsteorie übersteht, daß in einem Lande mit 5 Millionen Arbeitslosen und einigen Millionen Kurzarbeitern, mit dem individuellen Reallohn, mit dem Stundenlohn des einzelnen Arbeiters nichts anzufangen ist. Es kommt zunächst auf den Iahres- -lohn an und darauf, wie viel der Einzelne und die Volkswirtschaft davon für die Unterhaltung der Arbeitslosen aufbringen muß. Es ist unlogisch, völlig freie Lohngestaltung zu verlangen und gleichzeitig die Aufrechterhaltung von unwirtschaftlichen Preisbindungen in Kartellen sowie hohe Zölle gegenüber dem Auslände zu fordern. Es ist auch verkehrt, den Lohn nur einseitig als privatwirtschaftlichen Faktor anzusehen. Praktisch steht die Lohnfrage gegenwärtig so: das Institut für Konjunkturforschung hat für 1930 die Auffassung vertreten, daß durch Arbeitslosigkeit, Akkordlohnkürzungen, Kurzarbeit un8 amtliche Lohnsenkungen eine Kürzung der Einkommen um 10 o. H. statt- gesunden und dem eine Senkung der Lebenshaltungskosten um v. H. gegenüberstehe. Auf Akkordlohnkürzungen, Kurzarbeit usw. hat das staatliche Schlichtungswesen keinen Einfluß: es äst an der erwähnten Einkommenskürzung nur in sehr geringem Ausmaße beteiligt und es ist daher falsch, zu behaupten, daß Die staatliche Lohnpolitik die Schuld trage an der Verschärfung Der Wirtschaftskrise. Nicht Kürzung der Reallöhne ist der Sinn Der Regierungspolitik, sondern die Senkung der Gestehungskosten. Auf längere Sicht gesehen, werde ich mich, soweit das auf dem Wege der Schlichtung überhaupt möglich ist. nachdrück- lichst einer Senkung der Neallöhne widersetzen. Zur Lösung Der Fragen wegen der Reform des Tarif- und Schlichtungswesens ist es meines Erachtens absolut notwendig, daß in der nächsten Zeit Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften ais! umfassender als seither Zusammenarbeiten. Was die immer mehr umstrittene Arbeitszeitkiirzung anlangt, so betone ich nochmals, daß die Regierung, falls ein durchgreifender Erfolg den freiwilligen Bemühungen um eine wesentliche Verminderung des Arbeitslosenheeres nicht beschicken ist, gesetzgeberische Vorschriften über Arbeitsstreckung durch Arbeitszeitverkürzung erlassen muß. Der Arbeitsloienfrage ist nur in Verbindung mit der Ecsamt- lanierung entscheidend beizukommen. Wie ist man im letzten Jahre über mich hergefallen, als ich die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um 3 o. H. erhöhte! Wäre das nicht erfolgt, Dann wären wir nicht heil über diesen Winter hinweggekommen.
Auf länger« Sicht gesehen bin ich kein Pessimist. Trotzdem täusche ich mich aber nicht darin, daß 1931 noch ein schweres Krisenjahr für ans sei« wird. Daß es bisher gelungen ist, für r Millionen arbenslose Volksgenossen zu sorgen, ist eine Großtat des deutschen Volkes und der Arbeiterschaft.
Die Wohnuugspolitik des Jahres 1931 ist hauptsächlich auch Unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, wie wieder privates Kapital für zweitstellige Hypotheken gewonnen werden kann. Das Jahr 1931 wird dem Baugewerbe sehr viel geringere Aufträge als in den Vorjahren bringen. Die öffentlichen Bauten werden Park zurückgehen und für gewerbliche Bauten fehlt meist der Bedarf Hätte das Reich frei über die Hauszinssteuermittel verfügen können so hätte ich mich für deren Verringerung um 80 bis 100 Millionen RM. eingesetzt, um jene Gemeinden, die Realsteuern über dem Reichsdurchschnitt erheben, zu entlasten. Da aber eine Einigung mit den Ländern in der Realsteuerfrage wohl kaum zu erzielen sein wird, kam es zu einer schematischen Senkung der Realsteuern, die für 1931 gegenüber dem Wohnungsbau nicht ohne Bedenken ist. Das Reich ist gewillt, für zweitstellige Hypotheken Reichsbürgschaften zu übernehmen Es »ft in den letzten Jahren vielfach zu groß und zu teuer gebaut worden. Eine Durchschnittswohnung darf heute nicht mehr «ist»
6500 bis 7000 RM. kosten. In der nächsten Zeit wird vorzugsweise der Bedarf an Kleinftwohnungen zu befriedigen fein. Aber auch avf die Wohnungsbedürfnisse der Kinderreichen ist ausreichend Rücksicht zu nehmen.
Abg. Eraßmanu lSoz.): Die Lohnsenkung sei ein untaugliches Mittel zur Besserung der Wirtschaftskrise. Schon jetzt stehe Deutschland mit seinen Reallöhnen weit hinter den meisten Kulturländern kurz vor Polen. Es sei auch falsch» die Entlastung des Arbeitsmarktes nur von einer Steigerung des Exportes zu erwarten. In Bayern hat den Metallindustriellen der öprozentlge Lohnabbau nicht genügt und sie haben dennoch über 40 000 Arbeiter ausgesperrt. (Hort, hört!) Die Wiederbelebung der Wirtschaft kann nur erreicht werden durch eine Steigerung der Kaufkraft der Massen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Löhne wieder auf eine Höhe zu bringen, die es den Lohnempfängern erlaubt. Einkäufe über den allernotwendigsten Bedarf hinaus zu machen. Der Redner tritt dann für die in einer Ausschußentschlietzung geforderte 40-Stunden-Woche ein.
Abg Dr. Brauns (Z.) führt aus. die allgemeine Wirtschaftskrise habe auch zu einer Krise der Sozialpolitik geführt. Vielfach wird der Abbau sozialpolitischer Einrichtungen als Erfordernis der Krisenzeit verlangt. Dabei wird oft vergessen, daß die Arbeitslosenversicherung nicht nur eine Versicherung der Arbeitnehmer ist, sondern auch eine Versicherung der Arbeitgeber gegen die Schwankungen der Konjunktur. Wir wehren uns mit aller Entschiedenheit gegen das Bestreben, die Sozialpolitik als die Ursache aller Wirtschaftsnot hinzustellen.
Die Weirerberatung wird dann unterbrochen durch die in der letzten Woche zurückgestellte Abstimmung über das Gesetz zur Entschädigung der gewerbsmäßige» Stellenvermittler. Im Hammelsprung wird mit 186 Stimmen der Sozialdemokraten «nd Kommunisten gegen 147 Stimmen der sozialdemokratische Antrag angenommen, der im Gegensatz zur Ausschutzoorlage die sofortige Aushebung aller privaten Stellenvermittlungsbetrieb« vorschreibt. Die dritte Beratung der Vorlage wird zurückgestellt.
Es folgt die zweite Beratung des Gesetzes zur Aenderung des Krastfahrzeugstcuergcsetzes.
Gegen die Stimmen der Wirtschaftspartei und der Komm«- nisten wurde die Novelle zur Kraftfahrzeugsteuer angenommen, die bis zum 1. April 1933 gewisse Aenderungen und Erhöhungen bringt.
Am Freitag, 3 Uhr, wird die Beratung fortgesetzt.
Tantlemeustener lm Eteueransschutz angenommen Berlin, 12. März. Im Steuerausschuß de» Reichstage» wurden mit den Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten gegen die Stimmen der Deutschen Bolkspartet, der Staatspartei, der Wirtschaftspartei «nd des Landvolks bei Stimmenthaltung des Zentrums, der Bayerische« Bolksvartei und der Christlich- Sozialen die sozialdemokratischen Anträge auf Tantiemenfteuern kür Ausfichtsratsmitglieder «ad aus eine Erhöhung der Zuschläge zur Einkommensteuer in den Rechnungsjahren 1930 und 1931 von S auf 10 Prozent bei Einkommen von mehr als 20 000 Mark jährlich angenommen.
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Die Entwicklung im Reichstag Berlin, 12. März. Im Reichstag besprach man heute abend lebhaft die Ausschußabstimmung über den Einkommensteuerzuschlag. Man mißt ihr noch kerne endgültige Bedeutung bei, da die Entscheidung schließlich im Reichstagsplenum liegt. Viel vermerkt wird, daß die ausgezeichnet aufgenommene Rede des Reichsarbeitsministers nichts enthielt, was die Stellung der Sozialdemokratie zur Regierung verschärfen könnte. Im übrigen hat die für heute angekündigte Besprechung des Kanzlers mit den Führern der Sozialdemokraten bis 7 Uhr abends noch nicht stattgefunden. Es war auch zu dieser Zeit noch kein Zeitpunkt dafür vereinbart. Von sozialdemokratischen Führern wird bestätigt, daß Meinungsverschiedenheiten über die Dauer der Reichstagsvertagung bestehen, Gewisse Anzeichen sprechen aber dafür, daß es gelingen wird, zu einer Verständigung zu kommen. Das Kompromiß dürfte etwa auf der Linie liegen, daß man dem Reichstagspräsidenten den Zeitpunkt der Wiedereinberufung des Reichstags überläßt und dahin übereinkommt, daß er von dieser Ermächtigung nur dann zu einem früheren Zeitpunkt Gebrauch macht, falls die Regierung es wünscht, wenn besondere Umstände das Wiederzusammentreten des Reichstags erforderlich machen sollten.
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Eine Feststellung der nationalen Opposition Berlin, 13. März. Die Vertreter der Reichstagsfrak- tionen der Nationalsozialisten und der Deutschnationalen traten, dem „Lokalanzeiger" zufolge, zusammen mit den aus der Landoolkpartei ausgejchiedenen Abgeordneten I gestern zu einer Besprechung über die allgemeine politische '
Lage und das weitere Verhalten der nationalen Opposition zusammen. Es wurde, wie das Blatt meldet, in der Versammlung einmütig festgestellt, daß die Entwicklung genau in den vorausgesehenen Bahnen verlaufen fei und daß demzufolge keinerlei Veranlassung bestehe, die s.Zt. gefaßten Beschlüsse irgend einer Aenderung zu unterziehen. Es wurde erneut nachdrücklich betont daß mit dem bloßen Fernbleiben von den Arbeiten des Rumpfreichstages die Kampfmittel der nationalen Opposition bei weitem nicht erschöpft seien.
Verkehrsstörungen durch EchnerW
Eifenüahnbetrkebsstörunge» durch Schneeverwehungen
Augsburg, 12. März. Infolge starker Schneeverwehungen blieben auf der Strecke Douauwörth— Augsburg zwei Personenzüge im Schnee stecken. Trotz Einsetzens von Vorzügen und Schiebelokomotiven konnten die Züge nicht weitergebracht werden. Aus dem gleichen Grunde blieb auf der Strecke Augsburg—Buchloe ein ELterzug auf freier Strecke liegen. Es mußten 130 Mann Schutzpolizei und Reichswehr zu Hilfe gerufen werden. Nach mehrstündigen Arbeiten gelang es, beide Strecken wieder fahrbar zu machen Der beschleunigte Personenzug Dortmund— München erlitt sechs Stunden Verspätung. Der Personenzug von Nördlingen kam erst nnt neunstündiger Verspätung in Augsburg an Auf der Nebenbahnstrecke Mertingen—Wertinzen stieß beim Einholern eines im Schnee fteckengebliebenen Personenzuges die entsandte Hilfsmaschine infolge Versagens der Bremse anf diesen Zug auf. Dabei wurden drei Reisende leicht verletzt.
Fünf Anwesen »nter der Schneelast eingestürrt Kemvten, 11. März. Die anhaltenden Schneefälle der letzte» Tage im ganzen Allgäu haben die Schneedecke bedeutend erböbt. Die ungeheuren Schneemassen verursachen überall groben Schaden. So stürzten in der Gegend »wischen Kempten und Pironten innerhalb einiger Tage nicht weniger als fünf landwirtschaftliche Anwesen ein. Die massiv gebauten Dächer konnten der hoben Belastung nicht mehr standhalten. An einem Tage stürzten allei» drei Anwesen in Görisried, Altusried und Luiblings vollstända zusammen. Di« Besitzer konnten mit knavper Not mit ihren Familien das nackte Leben retten.
Der Zugverkehr im Allgä« labmgelegt Kempten, 12. März. Der Zugverkehr im Allgäu ist infolge de« Schneeverwehungen zum Teil völlig labngelegt. Zahlreiche Züge bliebe« rm Schnee stecken. Der von Kemvten nach Pi«-»nre» ab» gebend« Personenzug blieb in Durach stecken, getan««« danv i»t» Jodbad und Suldrunn. wo er odrrinol« be-?e« dl»«» »nd rroP zweier Zug- und einer Schublokomotive nicht mehr vom Fleck kam, sodab die Passagiere mit einem anderen Zuge nach Kemvte» »urückgebracht werden mußten.
Die vorpommersche» Kleinbahnen liegen still Stralsund, 12. März. Der Schneesturm, der Mittwoch abendi «lnjetzte und die ganze Nacht anbielr, bat zu stärkeren Berkehrsstörungen in Vorpommern geführt. Von den vorpommersche» Kleinbahnen ist die Strecke Putbus-Eöhren (Rügen) noch in Be-, trieb.
10 000 Schaeeschaufler in Wie«
Wie«, 12. März. In Oesterreich herrscht seit Dienstagabend ein ungewöhnlich dichtes Schneetreiben, das insbesondere in Kärnten und im Bnrgenland starke Verkehrsstörungen im Eisenbahnverkehr zur Folge hatte. 16 000 Schneeschaufler find Aufgeboten, um die Straßen vom Schnee zu befreien.
Stürmische Auseinandersetzung ln der belgischen Kammer
Brüssel, 11. März. In der belgischen Kammer kam es zu stur- mischen Auseinandersetzungen. Der liberale Abgeordnete Deveze griff in heftiger Form den Führer der Sozialisten, Emil Bande» velde, an, der in feiner große« Kammerrede znm Anbenetat die These der Alleinschnld Deutschlands am Ausbruch des Krieges mit Energie rurücksewiefeu batte und ferner für eine allgemeine Abrüstung, bei Der Belgien als gutes Beispiel oorangeben sollte, eingetreten war. Emil Vandervelde unterbrach den Redner durch scharfe Zwischenrufe, mir denen er seine These ohne Einschränkung aufrechterhielt. Als mehrere andere Abgeordnete sich in diese Auseinandersetzung einmischten, wurde der Lärm so stark, daß der Präsident die Sitzung für einige Zeit unterbrechen mußte. Die Ausführungen des liberalen Abgeordneten Deveze wieder- holten lediglich das. was seit Jahren von den belgischen Nationalisten gegen Deutschland vorgebracht wird.
Neues vom Tage
Reue Erdstöße im südserbischen Erdbebengebiet Budapest, 12. März. Wie der „Pester Lloyd" au» Belgrad erfährt, haben sich heute die Erdstöße im südser- bischen Erdbebengebiet erneuert. Die Bevölkerung weigert sich, in die Häuser zurückzukehren. Der Zustand der nach