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Altenjleig, Dienstag den 10. Mär; 1931
64. Jahrgang
BrdkulsaM EMrmgm GröncrS
Die unwahren Behauptungen des französischen Kriegsminister» !
Berlin, 9. März. Im Haushaltsausschuß des Reichstage» j begann die Beratung des Reichswchretats. !
Neichswehrminister Dr. Eröner begründete seinen Etat:
Ich möchte ausdrücklich betonen, daß mich alle Angriffe, von links und von rechts nicht dazu veranlassen können, sie von mir von jeder eingehaltene Linie in der Führung der Reichswehr auch nur um Haaresbreite zu ändern. Denn ich bin der festen lleberzeugung, daß die von mir vertretenen Grundsätze allein Gewähr leisten daß die Wehrmacht überparteilich und dem politischen Streit entzogen bleibt. Die Wehrmacht dient dem Staate, nicht den Parteien. Daran halte ich unverbrüchlich fest. Ebenso ist es für mich eine selbstverständliche Pflicht, dafür zu sorgen, daß die Wehrmacht das erhält, was sie für die Erfüllung ihrer Hauptaufgabe, den Landesschutz, braucht. Der vorliegende Etat ist unter dem Gesichtspunkt aufgestellt, daß bei voller Berücksichtigung der Notlage unseres Volkes und bei strengster Sparsamkeit diese lebensnotwendigen Forderungen erfüllt werden, und ich bin nicht in der Lage, hierin irgendwelche Konzessionen zu machen.
Zunächst muß ich Angriffe zuriickweisen, die aus dem Auslands gegen uns gerichtet worden sind. Der französische Kriegsminister Maginot hat vor der französischen Kammer zu der Abrüstungsfrage erklärt, es nicht anerkennen zu können, daß alle Völker einen Anspruch auf Behandlung auf gleichem Fuße hätten. Herr Magium glaubt, wenn man in der Welt die internationale Gerechtigkeit zur Herrschaft gelangen lassen wollte, sei es ebenso notwendig wie gerecht, und eine Bürgschaft für die anderen Nationen, wenn diejenigen Länder, die die Angreifer gewesen seien, strengeren Beschränkungen der Rüstungen unterworfen würden als diejenigen Nationen, die keine Angriffe begangen hätten.
Zur Kriegsschuldfrage
Demgegenüber habe ich folgendes zu erklären: Unsere Stellungnahme zu der sogenannten Kriegsschuldsrage ist wiederholt ans berufenstem Munde vor aller Welt klargestellt worden. Vor kurzem hat der Herr Reichsaußenminister hierzu im Namen der Reichsregierung bedeutsame Erklärungen abgegeben, die ich nicht gu wiederholen brauche. Die Versailler These von der Alleinschuld Deutschlands ist längst von der internationalen historische» Wissenschaft widerlegt worden. Wir haben den Spruch eines wahrhaft unparteiisch zusammengesetzten internationalen Gremiums, das die deutsche Negierung von jeher gefördert hat. nicht zu fürchten. Die Feststellung der Wahrheit wird vielmehr den Verträgen, die auf der Behauptung von Deutschlands Ällein- fchuld am Kriege beruhen, diese Stütze endgültig entziehen.
! Zur Abrüstung
Deutschlands Entwaffnung ist im Versailler Vertrag damit begründet worden, daß sie die Einleitung einer allgemeinen Rüstungsbeschränkung aller Nationen ermöglichen sollte. Deutschland hat diese Vorbedingung erfüllt. Wir sind abgeriiitct in einem Maße, das in der Geschichte ohne Beispiel ist. Die anderen Mächte aber haben sich verpflichtet, uns auf dem Wege der Abrüstung zu folgen.
Daß es sich hierbei um eine rechtlich verbindliche Verpflichtung handelt, haben maßgebende Staatsmänner der anderen Seite wiederholt bestätigt. Wir haben das Recht, zu verlangen, daß die Ungleichheit der Rüstung, die durch Deutschlands Vorausleistung aus diesem Gebiete entstanden ist, gemäß den Vertragsbestimmungen durch eine entsprechende Nachleistung der anderen Mächte ausgeglichen wird. Wir haben das Recht auk denselben Grad von Sicherheit, den die anderen Staaten für sich in Anspruch nehmen. Wir erheben unsere Forderung auf allgemeine Abrüstung, wie auch der Herr Außenminister in «einer Wiener Rede betont hat, im Interesse des Friedens und des Wiederaufbaues von Europa, der dringendsten Ausgabe nn'-rer Zeit. Deutschland ist bereit und ist stets bereit gewesen, an jeder Art von Abrüstung positiv mitzuarbeiten, die aus der Grundlage der Gleichberechtigung vorgenommen wird.
Herr Maginot hat nun darauf hingewiesen, daß Frankreich der Abrüstung bereits Rechnung getragen habe ('.). Es habe die Zahl seiner Divisionen gegenüber dem Stande von 1913 herabgesetzt und habe heute weniger Mannschaften bei der Fahne als damals Statt der dreijährigen habe es die einjährige Dienstzeit eingeführt.
Wir können diese Organisationsänderungen des französischen Heere» nicht als Abrüstung anerkennen. Es handelt sich viel- «ehr um eine wohlerwogene Umrüstung, die den Kriegscrsah- kungen und der rapiden Entwicklung der Kriegstechnik Rechnung tragen, die Schlagkraft der französischen Armee nicht vermindert, sondern beträchtlich vermehrt hat. Der Wert eines Heeres richtet ach nicht nach der Länge der Dienstzeit, sondern nach ver Intensität der Ausbildung, nach der Stärke der ausgebildeten Reserven nach der Zahl und der Güte des Materials. Alles dies besitzt die französische Armee in vollkommenstem Maße. 1912 war Ne bei zweijähriger Dienstzeit 849 999 Mann stark, heute iteht nur noch »in Jahrgang bei der Fahne und dennoch beträgt die Ge
samtstärke des Heeres fast ebenso viel. Fast die Hälfte des Heeres. mindestens 230 000 Mann, dient über die gesetzliche Dienstzeit hinaus und liefert ein hochqualifiziertes Ausbildungsper- fonal. Ein neuer Beamtenkörper hat dem Soldaten die Mobilmachungsvorarbeiten, di.e Verwaltung des Kriegsmaterials, den Kanzleioienst abgenommen. 30 000 Zivilangestellte befreien die Soldaten vom Arbeitsdienst. Die Jugend wird in einem früher unbekannten Maße auf den Militärdienst vorbereitet. Daher ist Frankreich heute in der Lage, auch in der einjährige« Dienstzeit seinen Soldaten eine vollendete militärische Ausbildung zu geben.
Sprechen die Tausende von Tanks, von Flugzeugen, von Geschützen, die Zehntausende von Maschinengewehren von Abrüstung? Außerdem besitzt Frankreich noch Masten an lagerndem Material aller Art Wie viele Verbände es im Kriege aus seinen rusgebildeten Reserven aufstellen und mit diesem Material be- oaffnen kann, das ergibt sich schon daraus, daß die Zahl der kencräle und höheren Stabsoffiziere trotz der Verminderung der Anzahl der Friedensdivisione» gegen die Vorkriegszeit auf das Anderthalbfache gestiegen ist. Ferner haben sich die Ausgaben der Franzosen für militärische Zwecke seit dem Kriege unaufhörlich gesteigert. 1931 betragen sie 18Z Milliarden Francs, d. h. fast 3 Milliarden RM.
Alle diese unleugbaren Tatsachen führen de« Beweis, daß Frankreich noch nicht damit begonnen hat, abzurüsten, daß rs sich vielmehr durch seine neue Heeresorganisation das stärkste und schlagfertigste Kriegsinstrument der Welt geschaffen hat. Noch auf eine Behauptung mutz ich eingehen, die während der französischen Kammerverhandlungen gefallen ist. Der Berichterstatter hat die deutschen L a n d str e i tkr äfte auf 100 000 Mann Reichsheer. 150 000 Mann Schutzpolizei und 30 000 Mann bewaffnete Zollbeamten berechnet. Diese Aufstellung muß aufs schärfste zurückgewiesen werden. Abgesehen davon, daß die Zahlen falsch sinü — wir haben nicht 150 000, sondern nur 105 000 Mann Schutzpolizei, und davon wieder sind 32 000 Mann kaserniert, und ebenso wenig haben wir 30 000 Mann bewaffnete Zollbeamte — ist es unsinnig, die deutschen Polizisten und Zollbeamten zu den Landstreitkrästen zu rechnen. Weder im Frieden noch im Kriege find sie zum militärischen Dienst bestimmt. noch vazu befähigt. Ihre Organisation ist durch die interalliierte Kontrollkommission unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung ihres Charakters festgesetzt worden. Weder hierauf noch auf ihre Ausbildung hat das Reichswehrministerium den geringsten Einfluß.
Im Interesse der Wahrhaftigkeit wäre es dringend zu wünschen, daß diese gegenstandslosen Behauptungen, die schon jetzt in der französischen Kammer selbst Widerspruch gefunden haben, endgültig aus dem Bereich ernster Verhandlung auszuscheiden.
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Abg. Stückten (Soz.) führte als Berichterstatter aus, die Reichswehr hat in diesen Tagen auf ein zehnjähriges Bestehen zurückölicksn können. Die finanzielle Last, die die Reichswehr dem deutschen Volke auferlegt, ist schwer. Sie ist im übrigen damit begründet, daß wir ein Berufsheer haben. Von den Gesamtausgaben in Höhe von 495 Millionen RM. entfallen allein 205 Millionen auf Gehälter. Die Anzahl der Empfänger hoher Bezüge ist nicht allzu groß. Das Anschwellen der Pensionslast stimmt bedenklich. Man sollte die Offiziere erst pensionieren, wenn sie dienstunfähig sind. Die ousgeschiedenen Reichswehrangehörigen bekommen die ersten drei Jahre noch Uebergangs- gebllhrnisse. welche im ganzen 22 Millionen RM. ausmachen. Da heute nicht mehr damit gerechnet werden kann, daß sie innerhalb dieser drei Jahre einen festen Beruf finden, mutz man mit Anforderungen auf Erhöhung dieser Summen rechnen. Die Unterbringung von ausgeschiedenen Reichswehrangehörigen in der Verwaltung muß eingeschränkt werden, da den anderen Teilen der Bevölkerung das Eintreten in die Verwaltung nicht unmöglich gemacht werden darf. Unter Berücksichtigung der Einnahmen beträgt der Zuschußbedarf im ganzen 472,8 Millionen NM Der Redner bat unter Hinweis auf die Vorgänge in Ulm um Auskunft, inwieweit politische Bestrebungen in die Reichswehr eingedrungen sind. Die Friedensstärke der Armee beträgt in Frankreich 655 7000 Mann, in England 390 000 Mann, in Italien 380 000, in Polen 300 000, in Jugoslawien 150 009, in der Tschechoslowakei 140 000 Mann. In Anbetracht dessen ist es eine Verkehrung der Tatsachen, wenn man behaupten wollte, daß Deutschland mit seinen 100000 Mann etwa die Welt bedrohen könnte und daß die anderen deshalb nicht abrüsten könnten. Die französischen Behauptungen, daß in Deutschland Generäle für 30 Armeekorps vorhanden seien, sind glatter Unsinn.
Abg Ersing (Z): Es müsse mit Befriedigung festgestellt werden, daß es der Reichswehr gelungen ist, bei weiten Kreisen des deutschen Volkes das Mißtrauen zu überwinden. Für Waffen und Heeresgerät verbleiben im Etat nur noch 66 Millionen RM. Hieran könne man größere Abstriche nicht vornehmen.
Abg. Schöpft«« (Soz.) bedauerte, daß der Neichswehrminister Abstriche an seinem Etat nicht vornehmen lasten will, uns das Steigen der Ziffer der Selbstmorde in der Reichswehr. Solche
Scharfmacherelen, wie sie Maginot betreibe, vergifteten lediglich die internationale Atmosphäre, ebenso wie die Zahlenspielerei des Berichterstatters in der französischen Kammer. Der Redner beschäftigte sich dann damit, daß ausgeschiedene Mitglieder der Reichswehr sofort zur nationalsozialistischen Partei hinüberwechseln
Abg Seeckt lD.Vp.) wies darauf hin, in seinen Rüstungsausgaben stehe Deutschland leider außerordentlich weit ln dev Welt zurück Man möge sich doch stets vergegenwärtigen, sah der Etat der Reichswehr ein Zwangsetat ist. Die einzige Möglichkeit bestehe darin, dieses Instrument, das nicht zu vergrößern ist, wenigstens qualitativ zu höchster Leistungsfähigkeit zu steigern. Die kleinen Städte des Ostens litten sehr darunter, wenn ihnen die Garnisonen weggenommen werden. Der Leipziger Hochoerratsprozeß sei nicht nötig gewesen. Selbstverständlich hätten die Sck>uldigen unbedingt bestraft und die Unwürdigen ebenso unbedingt aus dem Heere entfernt werden müssen. Aber das alles hätte sich auf disziplinarischer und kameradschaftlicher Weise erledigen lasten können.
Abg Kippenberger (Kom.) erklärt, die Anti-Sowjetfront Hab» sich geschlossen. Deutschland fuche sich heute nicht nur mit Frankreich, fondern auch mit Polen anzubiedern. Alles deute carauf hin, daß eine geheime Militärkonvention zwischen Deutschland und Polen bestände.
Abg Döbrich (Landvolk) war der Ansicht, daß die anderen Reichsetats in den letzten Jahren aufgebläht waren, daß dies aber beim Reichswehretat nicht der Fall war. Daher sei ein« Sparsamkeit beim Reichswehretat nicht mehr in größerem Umfange möglich Die Entpolitisierung sollte dahin fortgesetzt werden, daß der Wehretat ganz aus dem Parteienstreit heraus genominen wird.
Abg. von Westarp (Kons.): Es muß für Deutschland die Pa- role sein: Rüstungsfreiheit! Die anderen Vertragschließenden haben von ihrer Seite aus den Versailler Vertrag gebrochen, indem sie oessen Abrüstungsverpflichtungen nicht erfülltem
Abg. Sachsenverg (W.Pt.) betonte, daß der Etat des Reichswehrministeriums eine Frage des Vertrauens zum Reichswehrminister sei Jedenfalls müsse bei Einsparungen am Reichswehretat mit größter Vorsicht vorgegangen werden.
Abg. Dr. Külz (St.P.) Lezeichnele den Reichswehretat als einen Etat, der in seinen lebensnotwendigen Punkten nicht beschränkt werden dürfe. Der Redner billigte das Vorgehen de» Reichswehrministers und des Chefs der Obersten Heeresleitung.
Abg Dr. Köhler (Z.) stellte fest, die heutige Aussprache habe in erfreulicher Weise ergeben, daß sich das Vertrauen zur festen und zielsicheren Führung des Reichswehrministers allgemein verstärkt habe
Abg. Stöcker (Kom.) erklärte, sie Rede des sozialdemokratischen Berichterstatters Stücklen hätte ebenso gut und nicht besser der Neichswehrminister Grüner selbst halten können.
Reichswehrminister Eröner erklärte in einem Schlußwort, daß die Reichswehr fest in der Hand ihres Führers sei. Es sei nicht der geringste Zweifel, Saß sie gegen jeden — gleichgültig ob rechts oder links — ihre Pflicht tun würde, der im Straßen- karnyf mit der Waffe die Macht erobern wolle.
Pressestimme« zur Reichswehrdebatte
Berlin, 10. März. Zu der Rede des Reichswehrminister« im Haushaltsausschuß des Reichstags und zu der anschließenden Wehrdebatte schreibt die „Vossische Zeitung": So politisch wie gestern Lei der Beratung des Wehretats ist Eröner uns noch nie gekommen. Aber die jüngste Rede des französischen Kriegsministers Maginot mußte den deutschen Reichswehrminister auf den Plan rufen. In seiner Abwehr fand er, von den Kommunisten abgesehen, die einhellige Zustimmung aller Parteien. Das Blatt unterstreicht, daß der Minister sich eng an die Erklärungen gehalten habe, die Curtius jüngst im Namen des Eesamtkabinetts abgegeben habe. — Auch die „Deutsche Allgemeine Zeitung" bezeichnet die Einheitsfront in ber Aö- rüstungsfrage als begrüßenswert. Bemerkenswert stark sek innerpolitisch gesehen erst recht die Einheitsfront in der Kundgebung des Vertrauens zur Reichswehr gewesen. — Der „Tag" stellt in den Vordergrund, daß über allen anderen Erwägungen für Deutschland die Gewährleistung der deutschen Sicherheit stehen müsse. Eröner habe die Forderung nach einer durchgreifenden Abrüstung in den Vordergrund gestellt. Er habe aber auch mit aller Deutlichkeit ausgesprochen, daß diese Abrüstung in fester Relation zur deutschen Wehrkraft stehen müsse und daß sie „auf der Grundlage der Gleichberechtigung" zu erfolgen habe.
Eine Erklärung teulschn. WrtriMrrr
Berlin, 9. März. Wie die Parteileitung der Deutschnationalen Volkspartei mitteilt, veröffentlichen Dr. Hugenberg, Dr. Oberfohren und Dr. v. Winterfeldt eine gemeinsame Erklärung, die sich gegen die Auffassung wendet, daß die Regierung durch die Politik der nationalen Opposition an die Seite der Sozialdemokratie gedrängt werde, und daß die Rechtsparteien, insbesondere die Deutschnationale Volkspartei, sich vor oder nach den Wahlen aus Scheu vor Verantwortung einer positiven Mitarbeit an der Regierung versagt habe. In der Erklärung heißt es u. a., daß den Deutschnationalen seitens der Regierung Brüning weder vor noch nach den Septemberwahlen irgendwelch» Angebote betreffend Regierungsbeteiligung gemacht oder irgend-