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Attenfteig, Dienstag den Marx 1941
64. Jahrgang
SlUiMIt des SMMmiM«i«ms
Reichstagsprüfldent Lobe eröffnete die Reichsiagssitzung um S Ubr. Auf der Tagesordnung stebt die zweite Beratung des Haushaltes des Reichsinnenministeriums in Verbindung mit der ersten Beratung des Gesetzes gegen den Wanenmißbrauch. Die Kommunisten haben sofortige Aufhebung des Revublikschutzge- setzes, des Demonstrationsverbotes für Berlin und des Gesetzes zur Bewahrung der Jugend von Schund- und Schmähschriften beantragt.
Der Ausschuß empfiehlt die Annahme einer ganzen Reihe von Entschließungen. Unter anderem soll die Reichsregierung unbeschadet der Vorbereitung eines neuen Beamtenrechtes für eine jeden Zweifel ausschließende einheitliche Auslegung der Reichs- oeriassung hinsichtlich der Freiheit der politischen Betätigung der Beamten sorgen. Dem Reichstag soll ein Gesetzentwurf vorselegt werden, der einheitliche Grundsätze für die Durchführung der Beurisschulvilicht auf Grund der Reichsverfassung auistellt. Das Schulwesen soll vereinfacht, vereinheitlicht und sozialer gestaltet werden. Außerdem soll die Regierung ein Gesetz vorlegen, das die allgemeine Schulpflicht um ein Jahr verlängert; für dieses neue Schuljahr sind reichseinheitliche Grundsätze über seine Ausgestaltung im Sinne eii.er Berussvorbereitung aufzustellen.
Abs. Dr. Schreiber (Z): Wir leben nicht nur in einer Wirtschaftskrise, sondern in einer Krise der Staatsgesinnung und des Eraatsgefühls. Es ist die Aufgabe der Regierung, dafür zu sorgen, daß unser Volk nicht russischen und chinesischen Revolutions- zustönden preisgegeben wird. Unser Volk kann weder an einer kwlschewistischen Revolution, noch an einer nationalsozialistischen Insurrektion gesunden. (Beifall I) Wir brauchen eine Einheitsfront der Verantwortungsbewußten für lange Zeit. Der morali- Ne und im Zusammenhang damit auch der wirtschaftliche Kredit des deutschen Volkes wird in der ganzen Welt geschädigt, wenn bei uns gewalttätige Elemente die Straße beherrschen. Demgegenüber muß die Regierung die Sicherung von Ruhe und Ordnung energischer durchführen als bisher. Die Strafbestimmungen gegen Wafsenmißbrauch müssen nicht nur in den Gesetzen stehen, sondern sie müssen auch unnachsichtlich angewandt werden. (Beifall.)
Der Redner verlangt dann unter großer Unruhe der Kommunisten eine energische Abwehr der russischen kulturbolschewistischen Propaganda gegen die Religion. An die Erneuerung des Rapollovertrages könne nur gedacht werden, wenn diese Propaganda aufhört.
Abg. Schreck (S.) verlangt eine größere Aktivität in den Bestrebungen der Reichsreform mit dem Ziele eines Grob-Deutschland. Die Jugend müsse dazu erzogen werden, daß mit dem ihr in der Weimarer Verfassung gegebenen Recht auch die Pflicht verbunden ist, für das neue Deutschland zu arbeiten, um es zum Groß-Deutschland zu machen. Dazu sei gröbere Schulung auch aus politischem Gebiete erforderlich. Der Mangel daran habe dazu geführt, daß politische Ganz- und Halbidioten zu Volksvertretern gewählt wurden. Der Redner wendet sich dann gegen das Verbot des Remarquesilmes „Im Westen nichts Neues".
Abg. von Kardorff lDVp.) bezeichnet es als den größten Schwindel, wenn die Nationalsozialisten und Deutschnationalen ihren Auszug damit begründen, daß sie mundtot gemacht worden seien. Er verliest dann zahlreiche unparlamentarische und beleidi. «ende Ausdrücke aus der letzten Reichstagsrede des nationalsozialistischen Abgeordneten Dr. Frank 2. Wir bedauern, daß durch das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit fast jeder Fortschritt in der Weimarer Verfassung verbaut ist. Wir halten eine Berfas- sunssreform für dringend notwendig. Wir wollen. Laß der Reichspräsident gleichzeilig preußischer Staatspräsident wird, daß das Wahlalter heraufgesetzt wird. Das jetzige frühe Wahlalter bat dazu geführt, daß die Jugend heute umschmeichelt wird, statt erzogen zu werden. Wir müssen wieder zu bestimmten Tagungsabschnitten kommen. Wir brauchen auch eine zweite Kammer, die durchaus keine reaktionäre Einrichtung zu sein braucht. Wir brauchen weiter eine Verstärkung der Macht des Reichspräsidenten in der Richtung, daß die Regierungsmacht stabiler wird. Die Art und Weise, wie die preußischen Landratsümter besetzt werden, führt dazu, daß in Ostpreußen die Verwaltung vollständig stockt. Wir betrachten es als die Aufgabe der Regierung, die Staatsautorität zu schützen vor den Angriffen jener radikalen Kreise, die auf den Vllrgerkreig binstreben. Wir werden die Regierung in der Abwehr dieser Bestrebungen unterstützen.
Abg. Petzold (WP.) bedauert die Kürzungen im Haushalt des Innenministeriums, von denen besonders die Arbeit wissenschaftlicher Art betroffen würde. Er betont, daß er am Remarquesilm nichts gefunden bat, was das Verbot verlangt, daß aber die Staatsautorität fordert, ein einmal ausgesprochenes Verbot auch qnzuerkennen. Das Verbot des sozialdemokratischen Trick-Filmes ist angesichts der politischen Hochspannung zu verstehen. Zu bedauern ist, daß ein Reichsschulgesetz zur Zeit nicht geschaffen werden kann.
Abg. Dr. Mumm vom Christlich-Sozialen Volksdienst stimmte dem Zentrumsredner in seinen Ausführungen gegen Kulturbolschewismus und Bürgerkriegbetze zu. Er verlangte andererseits Verständnis für die Verzweiflungsstimmung der Arbeitslosen und soziale Hilfsbereitschaft.
Ab«. Dr. Külz von der Staatspartei forderte größere Aktivität
i vei oer Arven tUr Neichsreform und Wahlreform. Er mißbil- ! ligte das Verbot des Remarquesilmes und beantragte die Weiter- s bewilligung der Mittel für das Philharmonische Orchester in Berlin und für die Hochschule für Politik.
Am Dienstag. 3 Uhr, soll die Beratung fortgesetzt werden. Auf der Tagesordnung der Dicnstagsitzung stehen auch die Abstimmungen zum Reichsernäbrungsetat und zur Eefrierfleischfrage.
Die kommunistische Reichstagsfraktion hat zum Haushalt des Reichsministeriums des Innern eine Entschließung eingebracht, in der die Reichsregierung ersucht wird, die Zahlung von Polizeikostenzuschüssen an die Länder Thüringen und Braunschweig mit sofortiger Wirkung einzustellen.
Bersassungsantrag der Deutschen Volkspartei Die Deutsche Volkspartei hat im Reichstag einen Gesetzentwurf zur Abänderung der Reichsverfassung eingebracht. Darnach soll das Wahlalter von 20 auf 25 Jahre heraufgesetzt werden. Es soll folgender Artikel 51a eingeschaltet werden- „Der Reichspräsident ist zugleich Oberhaupt des Landes Preußen." Es handelt sich hierbei um die sinngemäße Uebertragung aller Befugnisse, die dem Reichspräsidenten im Reiche zustehen, auf Preußen, also um die Berufung des preußischen Landtages, seine Schließung und Auflösung, das Ernennungsrecht für die preußischen Beamten usw.
Schwierige Verhandlungen Wer den Wrhrstal
Die Auswirkung der braunschweigischen Wahl — Um den Panzerkreuzer L — Ein gemeinsamer Ausschuß der Deutschnationalen und Nationalsozialisten
Berlin, 2. März. Im Reichstag steht man in dem Verlauf der heutigen Besprechung, in der es dem Kanzler noch nicht möglich war, die Stellungnahme der Sozialdemokraten zu klären, eine Erschwerung der parlamentarischen Situation. Es handelt sich dabei vor allem um die Rate für den Panzerkreuzer 8. Zn der vorigen Woche hatte man auf Grund früherer Besprechungen in Reigerungskrei- sen noch den Eindruck, daß auch der Wehretat keine wesentlichen Schwierigkeiten mehr machen würde. Die Auffassung wurde aber durch den bekannten „Vorwärts"-Artikel des Reichstagsabgeordneten Dittmann bestärkt, der unumwunden erklärt hatte, daß die Sozialdemokratie ihre Hauptaufgabe in der Verteidigung des Staates gegen den Nationalsozialismus sehe und sich von dieser großen Linie ihrer Politik nicht durch den Streit um Einzelheiten abbringen lasten werde.
Nun hat sich die Stimmung der Fraktion unter dem ersten Eindruck der braunschweigischen Wahlen offenbar geändert, da die Hauptgewinner nicht die Nationalsozia- lichen, sondern die Kommunisten sind. Zn sozialdemokratischen Kreisen glaubt man wohl, daß diese Situation bei der weiteren Taktik berücksichtigt werden mutz. Aus der Tatsache, daß die Besprechungen morgen weitergehen, glaubt man in unterrichteten Kreisen, daß man doch an eine Verständigung denken könne. Sie liegt nach Ansicht unterrichteter Kreise vielleicht auf dem Gebiete gewisser Gegenleistungen auf anderen Gebieten.
Dagegen wird in Kreisen der Regierungsparteien jetzt unter keinen Umständen mehr damit gerechnet, daß die Rechtsopposition in den Reichstag zurückkehrt. Zu der Mitteilung der beiden Parteien über ihre gestrige gemeinsame Sitzung verlautet übrigens noch, daß ein Ausschuß gebildet wurde, der die Aufgabe hat, das taktische Zusammengehen beider Parteien für die Zukunft zu sichern. Daraus schließt man im Reichstag, daß die Deutschnationalen dies von der Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit der Regierung abhängig gemacht haben, so daß auf der anderen Seite die Notwendigkeit einer Verständigung mit der Sozialdemokratie noch dringender hervortritt. Die Verhandlungen werden freilich als recht gefährlich beurteilt. Weder der Reichswehrminister, noch der Kanzler ist zu einer Streichung der Schiffsrate bereit, und wenn es gelingt, mit den sozialdemokratischen Führern zu einer Verständigung zu kommen, so steht immer noch die Frage offen, ob sie sich in ihrer Fraktion durchzusetzen vermögen.
Die Besprechung der Deutschnationalen und der Nationals ozialisten
Berlin, 3. März. An der Besprechung, die wie gemeldet, zwischen Abgeordneten der N. S. D. A. P. und der Deutsch- nationalen Volkspartei in Berlin stattfand, nahmen, dem Börsenkurier zufolge, von den Nationalsozialisten die Abge
ordneten Frlck, Stöhr, Göring, von den Deutschnationalen Dr. Hugenherg, Berndt, Schmidt-Hannover, ferner die aus der Landvolkpariei ausgeschiedenen Abgeordneten o. Sybel, Wendthausen und Sieber teil. Dem Vernehmen nach hat man bet dieser Besprechung sich darauf geeinigt, zunächst nicht in den Reichstag zurückzukehren. In Aussicht genommen soll die Rückkehr sein, falls die Wahlreform verhandelt werden sollte. Sonst soll man verabredet haben, solange man dem Reichstag fern bleibt, gelegentlich ähnliche gemeinsame Zusammenkünfte abzuhalten.
Die Verteilung der Mandate in Braunschweig
Braunschweig, 2. März. Die Kommunalwahlen haben für die Stadtverordnetenversammlungen der Städte und die Kreistage der 6 Verwaltungsbezirke infolge der Entwicklung der letzten drei Jahre — die letzten Kommunalwahlen waren im Februar 1928 — beträchtliche Verschiebungen in den Mandaten erbracht. Die Stadtverordnetenversammlungen einschließlich der Hauptstadt zählen 208 Sitze. Davon entfallen auf die Nationalsozialisten 47 Sitze, vorher 2, außerdem sind 6 „Stablbelmmandate" vorhanden Auf die verschiedenen Listen bürgerlichen Gepräges (Einheitsliste, Mittelstands-, Beamten-, Landbund- «sw. Listen entfallen 62 Sitze, vorher 105, auf die Sozialdemokraten 72 (vorder 941. auf die Kommunisten 21, vorder 4. Die Nationalsozialisten gewannen somit 45 Mandate, wozu noch die 6 Stahlhelmmandate gerechnet werden dürren. Die Kommunisten gewannen 17 Sitze, die bürgerlichen Listen verloren 44 Sitze und gewannen einen Sitz. Schließlich gingen noch 3 demokratische Mandate verloren.
Die Kreistage haben insgesamt 102 Sitze; davon erhielten die Nationalsozialisten 32, vorher 2, verschiedene bürgerliche Listen (Mittelstand, Beamte usw.) 21 (vorher 46). die Sozialdemokraten 42 (vorher 53), die Kommunisten 7 (vorher 1). Die Nationalsozialisten gewannen also 30 Sitze, die Kommunisten 6. die Sozialdemokraten verloren 11 Sitze, während die biir den 25 Sitze abgeben mußten.
Das Braunschweiger Wahlergebnis im Spiegel der Berliner Presse
Berlin, 2. März. Die Abendblätter berichten ausführlich in großer Aufmachung über das Ergebnis der Braun- schweiger Kommunalwahlen und beschäftigen sich in ihre» Kommentaren mit der politischen Auswertung dieses Ergebnisses. Während die Presse der Mittelparteien in den Vordergrund ihrer Betrachtungen die Ansicht stellen, daß die „nationalsozialistische Welle" zum Stillstand gekommen sei, bewerten die Blätter der Rechten den Ausgang der Wahlen als eine Niederlage nicht nur der Sozialdemokratie, sondern auch der die Regierung Brüning stützenden Parteien.
Französische Zustimmung zum Flottenabkommeu
Briand ist einverstanden
Paris, 2. März. Briand und Henderson haben an den italienischen Außenminister Grandi ein Telegramm gerichtet, in dem sie ihr gemeinsames Einverständnis mit den in Rom getroffenen Vereinbarungen feststellen, der italienischen Regierung für ihre loyale Haltung danken und ihre Bereitschaft erklären, die erzielte» Abmachungen ihren bezw. den interessierten Regierungen znr Billigung vorzulegen.
Der französische Ministerrat billigt das Flottenabkomme«
Paris» 2. März. Im Verlaufe des unter dem Vorsitz des Präsidenten der Republik im Elysee abgehaltenen Ministerrates haben der Außenminister und der Marineminister das Flottenabkommen mit Großbritannien und mit Italien bekanntgegeben. Der Ministerrat hat das Abkommen als völlig befriedigend befunden.
Die Presse zum Flottenvergleich
Paris, 2. März. Die Morgenvresse erörtert allgemein den Ab-» schluß des Flottenvergleichs zwischen England, Italien und Frankreich und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß diese Einigung auch die allgemeine Abrüstungskonferenz günstig beeinflussen werde.
„Petit Parisieu" schreibt: Praktisch gesehen, habe Rom einen Ausgleich ermöglicht, der in keiner Weise die wirkliche Stärke der französischen und der italienischen Marine beeinträchtige.
„Echo de Paris" erklärt, soweit sich übersehen lasse, sei es zwei felhaft, ob Frankreich, bas die deutsche Flotte von 144 000 Tonnen in Schach batten müsse, in der Lage sei, den wichtigen Teil des Mitielmeeres zwischen Frankreich und Nordasrika zu beherrschen. Die ganzen Mobilisierungspläne Frankreichs seien aber nur auf der Voraussetzung einer unbedingten Hegemonie Frankreichs in dieser Zone ausgebam.