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arzWälder Tageszeitung «Aus den Tannen
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Alterrfteig. Sonntag 28. Dciernver
-vezugsprers im Monar 80 Pfennig Die i^irizelnummer . .15 Pfennig
1930
Sonntagsgedanken
Vorüber
Nach den arbeitsreichen Tagen der Vorbereitung für die Festtage ist der stille Friede der Weihnacht über uns gekommen. Es schweigt das Surren der Schwungräder in der Fabrik, das Klappern der Schreibmaschinen im Büro, das geschäftige Klingeln des Telephons. Wir haben uns wieder im Schein des Christbaumes gewärmt, in glänzende, strahlende Kinderaugen geblickt. Es ist nicht nur in unseren Stuben, sondern auch in unseren Herzen Heller und wärmer geworden. Ein Stück Kinderland und Jugendzeit hat uns in ihren Bann gezogen.
Aber ist's nicht bald schon wieder vorüber? War es nur ein Traum, was wir da erlebten, ein zauberhaftes Märchen, das uns an Weihnachten immer wieder in Bann schlägt? Wir schauen hinaus — noch wenige Stunden, und vor uns tut sich langsam und lautlos ein dunkles Tor auf. Ängstlich flattern all die Sorgen wieder auf, die sich in diesen Tagen der stillen Arbeitsruhe und der inneren Versenkung ruhig niedergelassen haben. Langsam und zitternd zählen wir sie und siehe — sie sind alle noch da, v o l l z ä h l i g da: die Sorgen um's Brot, um den Beruf, um die Existenz, um die Gesundheit, um das Geschick unseres Volkes. Alle noch da — keine ist gestorben in dem Hellen warmen Lichterschein.
Wirklich alle noch da, noch ebenso grau oder schwarz, noch ebenso unruhig flatternd wie einst? Ja, soll denn die ganze Weihnachtszeit nur Stimmung gewesen sein? Dann fahr wohl Weihnachten, schöner, lieber Traum, aus dem das Erwachen so weh tut, je schöner und lieblicher er war. Habt ihr Weihnachtsmenschen nicht wirklich in euch drinnen das Hervordrängen einer starken Quelle göttlicher Kraft für euer verdurstendes, mattes Herz gespürt und erlebt, so war euch Weihnacht umsonst. Und euer Gang wird immer müder und schleppender werden. Denn ihr habt euch nicht von der lebensstärkenden Sonnenkrast göttlicher Liebe bestrahlen lassen. Die Weihnacht ist vorüber, ob sie spurlos vorübergegangen ist, liegt nicht an dem, um dessen willen sie gefeiert wird, sondern an denen, die sie feiern. Das ist ihr Fehler:
„Ihr wollt bei euren irdischen Sinnen die Seligkeit so nebenbei gewinnen.
Glaubt keines geistigen Heils Ankunft und eure Unmacht nennt ihr Vernunft."
(Schlegel).
Frucht des Weihnachtsfestes Wär Christus tausendmal zu Bethlehem geboren und nicht in dir: du bliebest ewiglich verloren. Silesius.
Wer das Größte für dich gab, ist nur befriedigt, wenn er das Größte, was du hast, von dir zurückempfängt, dich selbst. Dryander.
So laß mich deine Krippe sein,
komm, komm und kehre bei mir ein
mit allen deinen Freuden. Gerhardt.
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„Ich hatte mich io schandmäßig über mein Glück gefreut, «n ... nu ... nu ist 'n Unglück draus geworden."
Karl aber sagte lächelnd: „Ein Unglück. . wie man es nimmt. Herr Bolle"
„Was . . was wollen Sie damit sagen. Herr Große?"
„Daß sie das Unglück gewissermaßen hergewünscht Hadem Was ging Ihnen am höchsten? Ihr Besitz. Ihr Geld. Ihre Fabrik? Bestimmt nicht, die Familie ging Ihnen noch viel höher Nun. so hosfen Sie. daß das Unglück, der unverantwortliche Leichtsinn Ihres Sohnes wenigstens . . . das alte gute Familienband wieder stärkt. Ich weiß nicht, ob das 150 Mille wert ist."
Bolle sagte eine lange Weile nichts. Dann wandte er sich wieder Karl zu Er lächelte, ein schmerzliches Lächeln zwar, aber er schien sich abgefunden zu haben.
„Is jut. Herr Große! Sie haben wieder recht, und wenn unser Geschäft so weiter geht, dann haben wir's bald wieder »ein."
„An mir soll's nicht liegen!" sagte Karl herzlich. „Ich bleibe an Ihrer Seite und meine ganze Kraft gehört Ihnen "
Dann. . ." sagte Volle und leine Stimme war wieder fest. „. . dann wollen wir einen Strich drunter machen.
Manfred ist übers Wasser, will rüber . . . jut, soll er zeigen, daß er doch noch 'n tüchtiger Kerl wird, und ich will seinen bodenlosen Leichtsinn vergessen. Iawoll! Wir Werdens schon schaffen Ein Gutes hat die Sache für dich, Grete. Der Baron ist mit der Aufhebung der Verlobung einverstanden."
„Ich hab's gelesen, Papa!" sagte das Mädchen mit geröteten Wangen.
„Siehste . . also was Gutes ist dran. Und noch was Gutes . . Mutter muß setzt ihre Kapriolen lassen. Und
meine Schwiegersöhne krieg ich an der Kandare Jetzt mü>- sen sie mal Farbe bekennen. Jedenfalls kann ich dem Haushalt nichts mehr beisteuern. Und das ist gut! Iawoll! Jetzt pfeift ein anderer Wind, denn Bolle hat keen Geld Bolle muß die Wettschulden seines Sohnes bezahlen. Det ist 'ne Sache. Herr Große. Sie müssen aber für mich mal zur Bank gehen und wegen dem Kredit reden "
„Gern. Herr Volle Diese unangenehme Arbeit nehme ich Ihnen ab."
„So! Das wäre erledigt! Schön' Dank auch, Herr Große."
„Für was denn?"
„Daß Sie mir so vernünftig zugeredet haben. Wenn ich Sie nicht hätte, wirklich ... ich hätte heute meinen ganzen Kram an den Nagel gehängt"
„Na. na. nur nicht so hitzig! Wir müssen die Ohren steif halten. Das wäre gelacht, wenn die Firma Bolle nicht über die Schwierigkeiten hinwegkäme "
Bolle strahlte über das ganze Gesicht
„Grete, guck ihn nur mal an. Das ist n Kerl, der hat
Mumm, der läßt sich nicht werfen. Also schön' Dank. Herr Große!"
Karl warf lachend noch ein paar Worte ein und zog sich dann zurück.
Als Bolle mit Grete allein war, sagte er zu seinem Mädel: „Weißte. Grete, wenn ich mir das jetzt so richtig überlege, da kommt mir alles wie abgepaßt vor Bolle mußte mal so 'n Knüppel zwischen die Beine kriegen. Es ist ihm zu gut gegangen, und das hat die Familie zerrissen. Da ist jeder seinen Weg für sich gegangen. Nun wird das vielleicht anders werden."
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Karl fuhr gegen Mittag zur Bank.
Er hatte sich elegant in Schale geworfen und bat um eine Unterredung mit dem Direktor der Berliner Verkehrsbank.
Der Direktor empfing den Bevollmächtigten Balles mit der Höflichkeit, die man einem guten Kunden, wie Volle gegenüber aufwendet.
„Die Firma Volle braucht einen Bankkredit. Sehr rasch!" sagte Kart.
Der Direktor verbeugte sich. Nicht ganz ohne Staunen sagte er: „Jederzeit. In welcher Höhe wird er benötigt?"
„120 000 Mark."
„Eine hübsche Summe. Es ist das erstemal, daß die Firma Bolle einen Kredit in Anspruch nimmt."
„Das glaube ich. Es liegen besondere Verhältnisse vor. Herr Bolle hat einen Wechsel seines Sohnes in Höhe von 150 000 Mark zu decken, der in 14 Tagen fällig ist. Herr Bolle jun., dessen Vollmacht bei Ihnen doch wohl erloschen ist, hat Europa verlassen. Er ist über den großen Teich. Ich kann Ihnen die besonderen Berhältnisse nicht genauer auseinandersetzen."
„Das ist auch nicht nötig. Also 120 000 Mark. Ein hoher Betrag. Ich muß da erst mit dem Direktionskommitee Rücksprache nehmen"
„Ich muß jetzt wissen, ob Sie den Kredit geben wollen oder nicht. Die Firma Bolle steht absolut schuldenfrei da. Der Betrag von 120 Mille reißt natürlich ein schönes Loch, aber unser Umsatz hat sich in dem letzten Monat verdoppelt. Wir sind stark im Aufschwung. Der Betrieb selber ist ja gut das Doppelte der Summe wert. Ich habe Ihnen eine Bilanz mitgebracht, aus der Sie den Status der Firma genau erkennen können."
Er reichte dem Direktor die Bilanz Der las sie aufmerksam durch
„Der Status ist denkbar günstig," sagte er dann ruhig.
„Unbedingt. Wollen Sie den Kredit geben oder nicht?"
„Im Augenblick kann ich das nicht. . ."
Karl erhob sich „Dann muß ich mit der Diskontogesell, schaft abschließen. Die gibt ihn sofort."
Der Direktor biß sich aus die Lippen.
„Glauben Sie das so bestimmt?"
„Ja, mein Vater ist dort im Aufsichtsrat. Es kostet ihm nur ein Wort. Aber Herr Bolle verkehrt mit Ihnen schon so lange, daß ich erst zu Ihnen komme."
„Gut Ich gebe den Kredit." entschied der Direktor.
Als Karl ins Büro zurückkam, fand er Bolle nicht vor, denn er war mit Grete im Betrieb Aber ein anderer guter Bekannter wartete
Der Boxer Gersow.
Die beiden musterten sich.
„Morgen, Herr Gersow!"
„Morgen!" sagte Gersow verdrösse:!.
Karl wußte, was Gersow zu Bolle sühne. Er beabsichtigte sicher, eine Versöhnung herbeizuführen und dann ... ein wenig Geld einzustscken.
„Herr Gersow, wenn ich recht im Bild? bin warten Sie hier aus Ihren Schwiegervater."
„Stimmt!"
„Bißchen Versöhnung feiern?"
Gersow nickte nur.
„Sie haben sich damals nicht schön uufgeführt. War mir nicht angenehm, daß ich so aktiv werden mußte."
Gersow bekam einen roten Kopf.
„Nun. . . Herr Gersow ... es fehlt wohl etwas Putt- Putt?"
Gersow wurde noch verlegener. Er wollte eine grobe Antwort geben, doch er sagte nur verlegen: „Total . . . abgebrannt!"
„Dann will ich Ihnen was sagen, Herr Gersow! Sie können bei Herrn Bolle nicht aus fünf Groschen rechnen."
Erschrocken iah ihn der Boxer an.
„Und warum . . . das will ich Ihnen sagen: Volles Sohr^ der Manfred, hat auf der Rennbahn sage und schreibe 156 Mille verwettet. Bolle muß einen Wechsel decken, der in 14 Tagen kommt. So, da haben Sie es!"
Gersow war blaß geworden.
Die Eröffnung machte ihm anscheinend gr. , ., «schmer
zen.
„Das hat der Manfred emgerührt?"
„Ja, leider! Ist nach Amerika abgedampft."
Ratlos sah ihn der Boxer an. „Was . . . was mach' ich da bloß."
„Arbeiten, Herr Gersow!" sagte Große mit ruhiger Freundlichkeit.
Gersow schüttelte den Kopf und sagte dann voll Scham: „Ich... ich kann nicht mehr. Ich bin n Schuster, kein Boxer mehr. Die Evy ... die hat es immer nicht gewollt. Ich Hab mein Metier vernachlässigt, nicht mehr richtig trainiert. Nee, nee. mit dem Boxen . . . da hole ich keen Apfel mehr vom Baume."
„Ja, es muß doch nicht gerade Boxen sein. Wenn ich Sie so ansehe, Herr Gersow, und die wüste Szene vergesse, da - - . machen Sie einen ganz passablen Eindruck. Men-
schenskind. Sie sind doch ein Kraftkerl. Macht es Ihnen denn Spaß, so durchs Leben zu bummeln? Regen Sie doch Ihre Kräfte. Dann macht es Ihnen wieder Vergnügen, eine Butterstulle zu essen. Und das ist sehr viel wert. Schuften Sie, Herr Gersow!"
„Ich möchte schon so gerne! Aber ... wo und was?"
Karl hatte einen guten Gedanken.
„Wissen Sie was. arbeiten Sie in Balles Firma mit. Ich mache auch Wurst, ich würze und koche und alles was drum und dran hängt, und mein Bater ist Geheimrat in Köln. Wollen Sie?"
Der Boxer sah Karl erfreut an.
„Arbeit ist keine Schande, da haben Sie recht. Herr Große. Ich mache mit Sie haben schon recht, das Bummelleben ist schauderhaft Also, ich will in Balles Betriebe arbeiten. Stecken Sie mich hin. wohin Sie wollen. Ich werde Ihnen keine Schande machen. Aber , . . wird der Alte wollen?"
Volle erschien in der Tür. Er hatte die letzten Worte gehört und strahlte über das ganze Gesicht.
„Der Alte will! Iawoll! Also, arbeiten willste, Max?"
„Iawoll. Schwiegervater!"
„Schön, da ist alles gut! Bolle wird dich nicht verhungern lassen "
„Und das . . . Schwiegervater ... wo ich so grob wurde, das vergessen Sie doch?"
„Vergeß ich. Max. Arbeit und zeig, daß du 'n Kerl bist, der nicht durchs Leben faulenzen will, und wir sind gute Freunde"
Sie reichten sich die Hand. Der Boxer drückte vor lauter Freude so kräftig zu. daß Volle,die Hand schmerzte.