Uku-ii,
Nummer 302
We'chnachts-Ausgabe der Schwarzwälder Tageszeitung „Aus den Tannen"
zum EhrlstW
Wsihnachtswünsche
Die mir durch die Wüste schweife», wegemvd, — ein langer Zug. wirst du nur von fern uns streife«, ewiges Licht, es ist genug!
Therese Költlin.
Dies Augenzelt von deinem Glanz allein erhellt, o. tüll es ganz!
Des Engels Predigt lautet, daß dies Kindlein unser Heiland sei, an dem wir alle Trost and Freude haben kosten ?ls an dem höchsten Schatz: wo der ist, da sehen alle Enge! and Gott selber hin Solchen Schatz aber legt Er nicht allein der Mutter in den Schoh. sondern mir und dir, und sagt: er soll Sein eigen sein, du solllst Sein genießen, und alles, was Er hat, im Himmel und aus Erden, das soll dein sein. Wer nun solches hört, doch keine Frende Saran har, der ist wert, daß ihm der Donner neun Ellen unter die Erde schlage! Luther.
Gefesselte Weihnachten
Za, gefesselte Weihnachten! Nicht bloß drüben in Rußland, wo sie „zum Schutze der Wälder vor religiöser Ausplünderung" den Christbaum aus den Häusern verbannen wollen Nein, gefesselte Weihnachten auch bei uns im deutschen Vaterlande.
„Ehre sei Gott in der Höhe!" — und drunten auf Erden ziehen die Agitatoren und Hetzen in Wort und Schrift gegen Gott. „Jede Idee von jedem Gott ist die gefährlichste Gemeinheit, d>e niederträchtigste Infektion" — so schrieb einst Lenin Und Hunderttaufende in Deutschland beten es nach. And für Millionen ist Gott ein praktisch überholter Gedanke. Und feiern trotzdem Weihnachten. Aber wie! Ohne Gott, mit ein paar Geschenken, bunten Flitter» und behaglichen Stunden. Der Geist ist tot; die Fassade ist geblieben. Gesessene Weihnachten!
„Und Friede aus Erden" — o frommer Wunsch in einer Zeit, wo Kriegsgeschrei durch unser Volk brüllt! Wo zum fürchterlichsten Kampf geschürt wird, den es gibt: zum Kampf des Bruders wider den Bruder. Entfesselte Leidenschaft rast durch die Straßen, Haß brodelt in verzerrten Gesichtern und Verleumdung. Hetze, lleberfall und Mord feiern Orgien Und nun senkt sich die heilige Nacht über das Haffen und Wüten der Menschen. Und die Menschen feiern, Weihnachtslieder auf den Lippen, spiegelnden Tannen- kerzenalanz >n den Auaen. Aber das Herz —? Da stürmt verhaltener Grimm. Alles nur Kulisse? Gefesselte Weihnachten!
„Und den Menschen ein Wohlgefallen" — wie, ist das nicht ein Märchen aus erträumten Ländern? Wohlgefallen Len Menschen, die arbeitslos, ausgesteuert, abgebant. wohnungslos durch die Inflation enterbt sind? Wohlgefallen Len Hungernden. Frierenden, Heimatlosen? Aus Hunger wird nicht Wohlgefallen, sondern Haß gegen Menschen. Hohn geaen Gott. Und fürchterlich steigt aus ihm empor die Schlange de? Umsturzes. Wo Hunger ist. da werden nicht gottinnige Feste gefeiert! Gefesselte Weihnachten!
Wahrlich, es ist ein greller Mißklang in unserer Weihnacht' Ein armes, zerstörtes Volk mitten im kalten, grausen Winter, zerfreffen von unbeiligen Leidenschaften. Da ist Weihnachten keine selbstverständliche Freude mehr, sondern etwas sehr Fragliches, Umstrittenes. Weihnachten »st für uns heute etwas anderes geworden: eine schwere, heilige Aufgabe. Helfen wir. daß unsere armen Brüder und Schwestern wieder die Kraft bekommen, ein richtiges Weih nachten zu feiern, ein Weihnachten Gottes, ein Weihnachten des Friedens, ein Fest des Wohlgefallens. Das aber kann nur die Liebe, die hoch über Haß und Hetze steht und sich des Hungers von Leib und Seele erbarmt.
Kurt Hutten.
Weihnachtliche Gedanken
Von Diedrich Speckmann.
Als das Christkind geboren werden sollte und der Kaiser Augustus sein Gebot ausgehen ließ, jo wird uns erzählt, mußte „ein jeglicher in seine Stadt". Auch wir Kinder dieser Tage, um recht Weihnachten zu feiern, müssen „ein jeglicher in seine Stadt".
Den Lärm der Arbeitsstätte, das Fieber der Börse, das Geschwätz der Straße, den Alltag mit seinen großen und kleinen Sorgen, die auf Land und Volk lastende Not, — dies alles und hunderterlei anderes laß hinter dir und geh' in deine Stadt. Nicht nur in den Frieden deines Hauses, in den Schoß deiner Familie. Nein, in dein Inneres, Innerstes.
Du bist des Weges nicht gewohnt, weil du in der Unruhe deines Lebens selten dazu kommst, ihn zu gehen? Horch auf der Glocken weihnachtliches Geläut. Blicke still in des Christbaums Kerzenglanz. Schau' in ein Helles, reines Kinderauge. Da wirft du es schimmern sehen wie einen Weg, und wenn du ihn willig gehst, so gelangst du hin.
Du sagst: Was soll ich bei mir? Ich ertrage das Leben nur, indem ich ständig vor mir selber fliehe. In mir ist nichts als niedergebrochenes Vertrauen, getäuschte Hoffnung, gestorbene Liebe.
Mag es Stunden geben, da der einwärts gekehrte Blick nur über solche Lebensirrtümer irrt — es gibt auch Stunden, da der Mensch des inne wird, daß er doch ein wenig reicher ist, als er in jenen trüben und leeren Stunden wähnte.
Kein Menschenherz ist so arm, daß es in weihnachtlicher Stille aus seinen Tiefen nicht herauftönte wie Glockenläuten eines versunkenen Vineta. Von Kinderglück und Heimatfrieden. Von lieben Weggenossen, die den Wanderstab längst aus der Hand legten. Von Zeiten, die an dem, was das Leben lebenswert macht, reicher waren als das Heute.
Und noch mehr dein eigen als das Paradies deiner Erinnerung ist ein anderes — deine Sehnsucht. Die Sehnsucht weg von allem dem, wozu das Leben dich gepreßt hat, hin zu deinem innersten, tiefsten Selbst, das nach Ausgestaltung und Verwirklichung drängt. Erst im Lauschen auf die Stimmen dieser Sehnsucht bist du völlig bei dir daheim.
Und vielleicht machst du da die Entdeckung, daß von deiner eigensten Heimstadt der Weg nach Bethlehem, der Stadt Davids, gar nicht so weit ist, — erlebst es, daß die aus der Zeiten Ferne herüberhallende Weihnachtsbotschaft, die draußen in der Fremde dich gleichgültig ließ, auf einmal einen ganz anderen Klang gewinnt. Ein Kind ist uns geboren, ein neuer Lebensanfang ist gemacht. Damals in der Geschichte der Menschheit, aber sollte ein ähnliches in deines Lebens Geschichte unmöglich sein?... Und wenn du dann für dein Leben, das sich aus seinem innersten Kern entfalten möchte, einen Führer brauchst — die Führer, die auf den Straßen der Welt die Parteibanner schwingen, können dir wenig helfen. Ob der, den die heilige Nacht dem Geschlecht der Menschen schenkte, nicht immer noch der beste und sicherste Führer ist, wie ein Bruder und Freund dich an die Hand zu nehmen, dein zages, schwaches Leben in sein starkes, weltüberwindendes Leben hineinzuziehen? ...
Weil du dich auf dein Tiefstes und Eigenstes besannst, wirst du, wenn du aus deines Wesens innerstem Heiligtum wieder zu den Menschen kommst, auch für ihr Tiefstes und Eigenstes einen klareren Blick haben und wirst sie mit wärmeren Augen grüßen, als zuvor. Die, welche deinem Herzen näher stehen, und die andern auch. Und sind die festlichen Stunden dann dahin und macht der Druck des äußeren Lebens sich von neuem fühlbar, so hast du ihm eine Kraft von innen her entgegenzusetzen, die anfangs gering sein mag, sich aber im Kampf mehr und mehr stählen wird. Und Weihnachten erlischt dir nicht mit dem Verlöschen seiner Kerzen, sondern mit dem, was es dir gab, breitet es Glanz und Wärme über die kommenden Tage, auch wenn es dunkle, böse Taae sein sollten.
MWIMll
Eine Weihnachtsgeschichte für Mütter
«on Käthe Brustat-Schnedermann.
"... und so ging das Eüchen an des kranken Kindes Statt in den Himmel ein. Durch Leid aus Liebe batte es eine Seele bekommen — ein Lbristelichen war es geworden!"
Die weiche, dunkle Stimme des Mannes schwieg. Die frühe Winterdämmerung spann ihre Fäden in dem behaglichen Arbeitszimmer mit den hoben Bücherregalen — spielende Lichtre- flere von drunken aui Ser Snake vorüversausenden Trambahnen und Autos duschten zuweilen über den Fuhboden und über den bequemen Sessel, in dem Proiessor Tumälius sab und sein Töchterchen aui den Knieen hielt. Ein Weilchen noch blieb die Kleine unbeweglich und still, aber dann, wie aus einem Traum erwachend, schlang sie mit einem tieien Seuizer die dünnen Aermchen um seinen Hals. „Ach. Väterchen, das war erne schöne Weihnachtsgeschichte!" schmeichelte sie. „Erzähle mrr doch noch eine, ja? Bitte, bitte!" Er iüblte beglückt die weiche Kinver- wange an der seinen. Unbeschreiblich liebte er dies zarte Ge- schövichen. doppelt innig, weil es eine so sorgenvolle Liebe war. — Christa mit ihrem weit über ihr Alter hinaus entwickelten Seiühlsleben mutzte vor jeder Aufregung geschützt werden. — „Heute nicht mehr, mein Kleines!" wehrte er darum zärtlich. „Es wird zu viel für dich! Und außerdem ist es doch nun wobl Zeit zum Abendsüpplein? Fräulein Margarete wird schon auf Dich warten..."
„Ach. Fräulein Margarete!" schmollte die Kleine. „Wenn wenigstens Mutti käme und bei mir sähe, solange ich meine Suppe
, esse — dann würde ich sogar zwei Teller voll bezwingen, damit s sie länger bleibt. . Sage doch. Vati, warum sitzt Mutti nie bei mir und erzählt mir was Du. ober wie es Tante Lisbetb mit Annie und Fritzchen tut?"
Ja, warum tat sie es nicht? Der Professor juchte vergebens nach einer Antwort, die das liebebedürktige Kinderherz nicht verletzten sollte. „Mutti hat jo wenig Zeit —" sagte er zögernd. „Du weiht, es kommen immer so viele Leute, die Mutti besuchen oder sie einladen —. Jeder bewundert sie ja, nicht wahr? Weil sie j» schön ist..."
„Ach ja", das blasse Kindergesicht verklärte sich schwärmerisch, „wunder-wunderschön ist Mutti — wie eine Märchenfee! Nie mand bat eine so schöne Mutti, wie ich! Ach, ich möchte, dah sie mal abends an mein Bett käme, wenn sie jo herrlich angezogen ist — die ganze Nacht würde ich von ihr träumen! Soll ich's mir vom Christkind wünschen, dah sic an mein Bett kommt, Vati?"
„Tu' das. Christa!" Die Stimme des Mannes war seltsam rauh. „Schreib es noch schnell aui Deinen Weihnachtswunschzer- tel — vielleicht erfüllt Dir das Christkindchen Deinen Wunsch! Und nun lauf, mein Herzchen! Jtz schön artig Dein Abendbrot und dann schlafe gleich ein! Nicht mehr träumen — hörst Du? Sonst bist Du morgen irüh nicht irisch — und Du weiht doch — morgen in aller Frühe kommt das Cbristkinüchen und zündet die Lichter am Weihnachtsbaum an!"
Beseligt über diese Aussicht glitt das kleine Mädchen zu Boden. um gehorsam den Weg ins Kinderzimmer und zu Fräulein Margarete anzutreren. — In diesem Augenblick wurde die Tür des Studierzimmers hastig aufgerisjen: Ein Fingerdruck — und die blendende Helle der Deckenbeleuchtung ergötz sich über den Raum. Im Türrahmen aber stand ein junges Wesen von so el- fenhaster Lieblichkeit, dah Christas Schwärmerei für ihre schöne Mutter wobl berechtigt schien.
„Wieder einmal im Dunkeln? Rübrsame Dämmerstunde?" sagte die silberne Frauenstimme, und um den süben Mund zuckte ein spöttisches Lächeln. „Aber es ist die höchste Zeit, dah Du Dich umziehst, lieber Mann! Die Gäste müssen bald kommen! — Christa, Du bist auch noch hier? Du solltest längst bei Fräulein Margarete sein — nun spute Dich! Und keine Extravaganzen, bitte!" Sie strich flüchtig über das seidene Kinderhaar und wandte sich, mit leichtem Aerger in der Stimme, wieder an ihren Gatten. „Du solltest das Kind nicht so viel bei Dir haben!" jagte sie unmutig. „Du machst Fräulein Margaretes ganze Erziehungsarbeit hinfällig! Du verweichlichst Christa — gerade solche überempfindlichen Jammervüvvchen müssen fest angefatzt werden, um sie zu stählen, jagt Fräulein Margarete!"
Der Professor hatte sich abgewandt und in seinen Büchern geblättert. Um des Kindes willen unterdrückte er die heftige Erwiderung. die ihm auf der Zunge lag. Frau Edith aber war schon bei einem anderen Thema. — „Nein, ich gebe Dir keinen Eutenachlkuh, mein Kind!" sagte sie aus Christas schüchtern andeutende Bewegung, „da mutzt Du Dich erst sehr ändern! Ich bin böse aui Dich! Fräulein Margarete hat mir gejagt, datz Du Dein SermelinkrSgelchen verloren hast — wahrscheinlich als Du beute im Park so ungehorsam warst und hinter mir verliefst. — Es war mir sehr peinlich. — Du sahst doch, datz ich in Gesellschaft war! Was solle» die Herrschaften von Deinem Benehmen denken? Ein andermal bitte ich mir mehr Haltung aus — und achte bester auf Deine Sachen! Ich habe Dir bas Krügelchen selber ausgesucht — da siebt man ja. wie Du meine Geschenke in Ebren hältst! Nun, zu weinen brauchst Du deshalb nicht — das verdirbt nur die Haut! Nun geh, kleine Faselliese — und bessere Dich! Morgen bringt Dir das Christkind auch was Hübsches!"
Sie rüttelte Christa scherzhaft an der Schulter und machte einen flüchtigen Versuch, das tiesgejenkte Köpfchen Ser Kleinen zu sich auizudeben. Ihr Aerger war schon wieder verflogen Lachend sab sie hinter dem davonschleichenden Kind« her. „So ein Unglückswurm!" sagte sie heiter. „Alles versitzt oder verliert sie... Deine echte Tochter. Herr Professor! Aber nun komm! Sieb einmal — ich bin schon in full dreh, wie gefall' ich Dir?"
Ohne die Antwort abzuwarten glitt sie von ihm weg in die Tiefe des Zimmers und begann sich trällernd in den spiegelnden Glastüren der hoben Bücherschränke zu betrachten. Was sie dort sab, erhöhte ihre Stimmung vollends. Wieder einmal fühlte sie wie einen Glücksraujch das Bewutztsein der eigenen Schönheit und — dieses Glück gab ihren wundervollen Augen einen fast überirdischen, beseelten Glanz... Sie trat zu dem stumm und linkisch dastehenden Mann und legte ihm kosend die Hand auf den Arm. „Hast Du Kopiweb. mein Armer? Du bist so still — komm ich mache Dir schnell eine Lösung! Du darfst mir nicht unpäßlich werden—! Ich freue mich ja so auf heute abend..."
Damit zog sie ihn mit sich zur Tür hinaus, und er folgte — wieder einmal bezaubert, zum willenlosen Sklaven gemacht durch ihre Schönheit — „Melusine!", jo mutzte er denken, während er im Ankleidezimmer hantierte, um sich für eine dieser so verhaßten. lauten und oberflächlichen Festlichkeiten berzurichten. die da» Levenselement seiner schönen Gattin waren. Selbst deute am heiligen Abend mochte sie den Trotz ihrer Bewunderer nicht entbehren... Sie war nicht kokett: nicht aus Liebeleien, aui erotische Abenteuer ging ihr Sinn — o nein — Melusinen sind kühl, wie dos Meer, dem sie entstammen sie war nicht boshaft, nicht schlecht. - Aber sie fühlte es nicht, was sie den Ihren schuldig blieb Dies war es, was dem Manne immer wieder durch den Kovi ging, während er mit ernster. Freundlichkeit die ibm ach so unwillkommenen Gäste empfing — höflich lächelnd ihren seichten Reden zubörte und sich dabei nach dem Frieden seines Arbeitszimmers sehnte — und während er wieder und miede, fast mit dem sachlichen Entzücken des Kunstkenners dieses elfen-