snakausausgabe der Schwarzwälder Tageszeikung „Aus den Tannen"
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Anzeigenpreis: Die einspaltige L0 Pfg., die ReNamezeile SV
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Altensteig, Sonntag 21. Deienrver
Bezugspreis im Mona: 5V Pfennig Die Einzelnummer . .15 Pfennig
1880
Sonnlagsgedanken
Nichts für grobe Hände
Mitten im Umtrieb des hastenden Lebens leuchtet ein stilles, warmes Licht. Es kommt näher und näher, ein Lichtlein stellt sich neben das andere und macht unser Herz still «nd friedevoll. Als ich dieses Jahr das erste Weibnachtslicht sah
— es war natürlich in einem Schaufenster, schon vor dem 1. Advent —. da überkam mich eine dopvelte Emvnndung. Zuerst war es ein tiefes Staunen darüber, daß die Zeit schon wieder nahe sein sollte, wo selbst der Haß und die Verleumdung sich Lucken und der Liebe und Güte Platz machen müssen. Die Arbeit und die öffentlichen Ereignisse batten noch keinen Gedanken an die nabende Weihnachtszeit aufkommen lassen. Und bald wich das Erstaunen einer inneren Freude, daß es so etwas in unserem bekümmerten Leben noch geben soll Daß nicht nur das Grobe und der Lärm und das Vorlaute auf der Welt herrscht, sondern daß es auch noch das Feine, das Zarte und Stille gibt, daß nicht nur der Kopf, sondern auch das Herz in der Welt sein Recht bat und daß die Sehnsucht nach ihm wächst, je mehr einen das Wilde, das Tempo, in seine kalten, starren Arme preßt.
Dann aber kam auch ein Gefühl der Bitterkeit, ja fast eine gewisse Wut darüber, daß die Menschen es fertig bringen, auch das Feinste und Zarteste seines Zaubers, seiner Würde zu entkleiden, daß sie jene wundervolle Weibnacht, wo die Himmelsbotschaft in der Stille der Nacht, des Herzens, der Familie gebärt sein will, berauszerren in die Prosa des Alltags, des Geschäfts. des Lärms. So, daß man vor lauter Umtr:eb nicht mehr hört, was die eigentliche Botschaft der Weihnacht ist. nicht mehr sieht, was hinter den flackernden oder stillen Flammen der Weihnachtskerzen ist. Nicht die Kerze und der Cbristbaum ist ja der Inhalt der Weibnachtsbotschast. Sie sind ja nur Gleichnis
— freilich herrliches Gleichnis, dem alle Geschäftigkeit nichts an-
haben kann — Gleichnis dafür, daß nicht das Trübe und Dunkle in der Welt siegen wird, sondern daß es über denen „Helle scheint, die da wohnen im finstern Lande". F. H.
2m Angesicht der Weihnacht
Das ist das Höchste, was ein Mensch überhaupt erleben kann, daß er etwas von dem in sich wirksam fühlt, was nicht von dieser Welt ist. und es sich dann zeigt, daß es stärker ist als alles, was in der Welt ist. Mülle r.
Wer auf das innere Wort in seinem Herzen Acht hat, und auf das Licht, welches in ihm anfgesteckt und angeziindet ist, siebet, der wird vor Freude in seinem Herzen anfhüpfen.
F r a n ck.
Die wahren entscheidenden Ereignisse find nicht jene äußeren geräuschvollen Vorgänge des irdischen Schicksals, jene in die Sinne fallenden Siege und Niederlagen mit Jubel «nd Tränen, sondern Bewegungen unseres Innern, geräuschlos wie der Flug von Licht und Schatten. Stchr.
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Am nächsten Morgen war Kart Große zeitig auf Sen Deinen.
Im Betrieb fand er alles in großer Aufregung. Zumpe. der kleene Zumpe, hatte über 20 Braune durch Volles Pferd gewonnen
Donnerwetter! Das war doch ein Schlag!
Karl fiel ein, daß er den Lehrling getroffen hatte. Cr reichte ihm die Hand. „Gratulier dir. mein Junge! Freu mich, daß du das Geld gewonnen hast. Wirst es noch einmal im Leben brauchen. Aber deswegen fetz dir keine Rosinen in den Kopf. Sei ein richtiger Kerl und lerne fleißig, schufte, daß du was Ordentliches wirst."
Zumpe nickte mit glücklichen Augen
„Jawoll, Herr Große Das Hab ich Vätern schon gesagt. Deswegen wird nichts anders Ich will was Ordentliches lernen und vorwärtskommen."
„Schön, mein Junge Dann halte dein Geld zusammen. Wenn du deinen Arbeitskollegen aber aus Freude über dein Glück ein Faß Bier und auch was zu Essen spendierst, dann wird es dir keiner übel nehmen."
„Das hat Vater auch gesagt. Herr Große. Er meinte von wegen der Kollegialität!"
«Da hat er recht! Tue es, wie du willst!"
„Aber Sie müssen mir auch die Ehre geben, Herr Große!' sagte der Lehrling bittend
Karl lachte und klopfte ihm wohlwollend auf die Schulter. «Ist gut. mein Kleiner. Vergiß aber nicht. Herrn Bolle auch einzuladen."
Zumpe riß beide Augen zum Erschrecken weit auf. als Karl das lagte.
„Mein' Sie, Herr Große, daß es mir der Ckef nicht übel nimmt?"
„Bewahre! Herr Bolle ist ein feiner Mann, der suyu na- wie ein Vater seiner Leute, die brav ihre Pflicht tun. Lad ihn ein, recht hübsch manierlich natürlich Das wird er dir nicht übel nehmen."
* »
Grete Bolle war am Tage nach dem Großen Preis ver- hältnismäßig zeitig im Büro. Sie hatte tief und fest geschlafen und fühlte sich jung und stark. Ach, sie hätte jetzt die ganze Welt einreißen können.
„Morgen, Fräulein Bolle!"
Sie fuhr auf, sah in das lachende Gesicht Karls und nahm mit herzlichem Lachen die dargereichte Hand und schüttelte sie
„Guten Morgen, Herr Große! Mein Pater noch nicht da?"
„Stoch nicht. Habe ihn, offengesagt, auch noch nicht erwartet. Wird einen tüchtigen Brummschädel haben."
Grete seufzte. „Das ist zu befürchten. Sie haben die ganze Nacht festgeiessen, und die Kneiperei ist bis in den frühen Morgen gegangen."
„Kann ich mir denken Wer im Glück sitzt, der findet Freunde"
„Allerdings. Aber ist es denn wahr, daß ein Lehrling von uns süns Mark aus Vaters Pferd gesetzt hat?"
„Stimmt, der Zumpe ist'sl Gönn's dem Kerlchen. Gibt sich Mühe und scheint eine unverdorbene Seele zu sein. Hat für seine fünf Märker nun über zwanzig Mille herausgekriegt"
„Diese Quote ... ist sie nicht unsatzbar?"
Karl nickte in Gedanken und sagte: „J^ yabe mir dar- über den Kops zerbrochen, wie das möglich war. Ganze 140 Mille sollen auf das Pferd gesetzt worden sein, und nach- weislich waren über 40 000 Menschen draußen. Wie ist das Möglich? Es sind immer eine ganze Reihe kleiner Weiter, die auch das chancenloseste mit einem Fünfmarkschein wetten- Wie kommt es. daß es hier nicht der Fall war? Ganz einfach! Die Wage war bereits geschlossen, das Publikum hatte feine Plätze eingenommen, und da kam noch Ihres Vaters Pferd heraus, wurde stillschweigend in die Startertafei eingeschoben. Und keiner dachte mehr daran, etwas auf das chancenloseste Pferd zu setzen. Einige haben sich noch eine Platzkarte geholt. Auf Platz stehen etwa 400 Mark. Die Piatzquote ist ja 1438 gewesen, also wesentlich niedriger. Ich glaube, es können hundert Jahre vergehen, ehe der Fall noch einmal passiert."
„Das glaube ich auch. Uebrigens, haben Sie gelesen: der größte Teil des Wettgewinnes ist nicht vom Toto abgehoben
worden?" . , .
Karl nickte gleichmütig „Das kann ich mir denken. Der Mann wollte sich draußen nicht mit dem vielen Gelde be-
„Nun muß er es aber bald holen. Nach vier Wochen verfällt wohl das Geld?"
Kar! lachte hell auf und zeigte seine blitzenden Zahne.
„Ich glaube, man wird es nicht schwimmen lassen."
„Aber wenn es wirklich einer nicht rechtzeitig holt, geht er dann bestimmt des Geldes verlustig?"
Karl schüttelte den Kopf „Nein, der Paragraph in den Wettbestimmungen ist juristisch in der Praxis nicht haltbar. Auch für den Rennverein kommen letzten Endes die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches in Frage."
„Wünschten Sie nicht, daß Sie auf Ihr einstiges Pferd einen Hundertmarkschein riskiert hätten?" fragte sie dann und zwinkerte schelmisch mit den Augen
„Halb und halb! Ich hätte mich über den Gewinn gefreut, denn mein einstiges Pferd hätte ihn mir gebracht. Aber. ich brauche das Geld nicht Ich bin gottlob gesund und kann meine Kräfte regen, und das ist das Allerschönste. Sie hätten mich früher kennen tollen Ach. war ich einmal ein Nichtsnutz! Ich dachte damals, wie es im Simplizissimus io zynisch ausgesprochen wurde: Beschäftigung . . . sehr schön, aber sie darf nicht in Arbeit uusarten Ja, sehen Sie mich nicht wieder so zweifelnd an Ich war ein arger Sünder Es war ja auch kein Wunder, denn ich kannte die Sorgen der Arbeit nicht, war nie dazu erzogen worden. Ich könnte meinem Vater gram sein, daß er das vergessen. Aber... gottlob, das Schicksal hat's gut mit mir gemeint Ich bin doch noch ein nützliches Mitglied der menschlichen
Gesellschaft geworden Oder zweifeln Sie daran. Fraulein Grete?"
Sie lachte hell auf Ihre Augen sahen ihn warm an. „Nein!" sagte sie herzlich. „Ich zweifle wirklich nicht daran. Sie haben es bestimmt geschafft."
Die ehrliche Ueberzeugung, die Wärme ihres Tones tat ihm wohl. Sie stärkte ihn seelisch, und er fühlte es Er sah das schöne Mädchen mit innigen Augen an und ergriff ihre Rechte. Er küßte sie.
Stumm tat er es. Und sie wurde schrecklich verlegen dabei und dachte, als sie die Augen schloß: „Nimm mich in deine starken Arme, ich liebe dich."
Aber er tat es nicht Volle erschien
Noch etwas vertaten, aber sehr aufgeräumt, betrat er da» Zimmer. Er lachte über das ganze Gesicht.
„Morjen, Kinder!"
„Morgen. Papa!"
„Morgen, Herr Bolle! Glücklich aus den Federn?"
Balle klopfte ihm lachend auf die Schultern „Ja, ja! Lachen Sie mich nur aus! Das war eine Siegesfeier, die nicht von Pappe war Aber ..sie ist überstanden! Gottlob! Das war 'ne Sache gestern, Herr Große Wo haben Sie denn mit Grete gesteckt?"
„Wir sind ausgekratzt, Herr Bolle Wissen Sie. wir wollten Sie in Ihrem Glück als Rennstallbesitzer nicht stören " Bolle lachte abermals und sagte dann: „Joses hat mir schon erzählt, wo Ihr wart Ja, ja. Vater Bolle weiß alles! Aber wat sagste, Grete: Mutter hat sich nicht sehr gefreut, daß ich gewonnen habe. Sie hat nämlich ihr bißchen Geld, was sie noch auf der Seite hatte, auf Hektor geietzt und ärgert sich nun schwarz, daß ich gewonnen habe. Das ist doch glänzend. Jetzt ist Mutier ihr bißchen Geld los Ist das nicht fein? Jetzt muß sie aufhören, die anderen Menschen mit ihren musikalisch verzierten Freßabenden zu beglücken. Jetzt wird vielleicht 'n bißchen Ordnung im Staate Dänemark. So! Nu aber an die Arbeit! Wat rede ich für große Töne, Herr Große! Die Arbeit machen Sie doch bald alleine, und ich muß immer froh fein wenn Sie mir n bißchen übriglassen "
„Na, na. Herr Bolle, jetzt haben Sie aber entsetzlich übertrieben."
„Nee, nee, det ist schon so. Was, Grete? Sagen Sie nur, Herr Große, wie machen Sie das bloß Die Arbeit ist doppelt, nein dreifach so stark wie am Tage Ihres Antritts, und doch geht alles wie am Schnürchen Immer ist alles fertig Komme ich in den Betrieb, sieht's wie geleckt aus, und dabei scheinen Sie keinen mehr onzustrengen wie früher."
„Ja, Herr Bolle, das macht die Einteilung Und Ihr Per» fonal ist ganz ausgezeichnet und willig. Ich verstehe mich sehr gut mit ihm. Sie wissen, daß ich nichts Unbilliges von den Leuten verlange."
„Die gehn mit Sie durch dick und dünn. Herr Große. Oder jetzt muß ich man wohl „von" sagen?"
„Ich kündige Ihnen die Freundschaft, wenn Sie das tun. Für Sie bleibe ich immer Karl Große."
„Die Freundschaft kündigen!" sagte Bolle sehr herzlich „Nee. die ist mir doch zu viel wert, die will ich nicht riskieren Also bleibt's bei Große"
„Wissen Sie schon, Herr Große, daß unser Lehrling Zumpe fünf Mark auf Ihren Hengst gesetzt hatte?"
Bolle war sehr erstaunt und freute sich „Der kleene Zumpe! Das ist ja großartig Hoffentlich verdreht es ihm nicht den Kopf"
„Anscheinend nicht. Scheint ein anständiges, gescheite« Bursche! zu sein Will seinen Arbeitskollegen einen ausgeben. Habe ihm gesagt, daß er Sie auch mit einladen soll."
Bolle nickte. „Natürlich, da scheniert sich Bolle nicht. Und Sie sind auch mit an der Tete?"
«Allemal"
Bolle setzte sich jetzt gewichtig in den Sessel.
„Un nu .. . werd ich mir die Post mal anguckcn "
Karl verabschiedete sich und begab sich wieder in den Betrieb
Aber bereits nach zehn Minuten klingelte ihn Grete an und bat ihn ins Kontor zu kommen Ihre Stimme klang merkwürdig erregt und verschleiert Karl war unruhig und folgte sofort der Bitte.
* »
Als er eintrat, erschrak er, denn Bolle saß leichenblaß, mit verzerrtem Gesicht im Sessel.
Karl trat zu ihm und sagte herzlich: „Herr Bolle .... was hat Sie so erregt, was ist denn geschehen?"
Bolle lachte heißer auf. ^