chwarzwä^r-

^UWM

NWWK

snnlÄgE^

MZK--L

WM

I-M-U

MW?

MW

'-rMK

s<

MM

^W

WSEE^'

MM

WWG MM

MW

MZ?

-E.

MM

^1-

LZZrii

^ »-»-:,s!.^^/L'^Ä!

Äonntagsausgabe der Schwarzwälder Tageszeitung «Aus den Tannen"

Kr. 50/292

Anzeigenpreis: Die einspaltige Zeile 20 Pfg., die Reklamezetle 50 Pfg.

Alterrstetg, Sonntag 14. Dezember

Bezugspreis tm Monai SO Pfennig Tie annzelnummer . .15 Pfennig

1930

Sonnlagsgedanken

Einsamkeit

Mr Merlslyen von heute sind im tiefsten Grunde unseres Her­zens einsame Menschen; denn unsere Seele ist einsam, umlo in­famer, je mebr wir uns in den Strudel des Lebens werfen, je mehr wir uns von der Natur lösen, je mehr Betrieb wir mit­machen.

Oder ist das nicht richtig? Was wird den Menschen von heute geboten an Unterhaltung, an Bildung, an Aufklärung, an Li­teratur, Presse. Theater, Rundfunk, Kino und Borträgen! Der Großstädter von heute ist viel mehr in der Not, was er unter all den Darbietungen wählen soll, als daß es ihm langweilig wird. Und da redet man man noch von Einsamkeit?

Ja, der Mensch ist dennoch einsam, tief einsam, vielleicht ge­rade deswegen einsam; denn er ist erlebnisarm geworden. Es kommt nicht mehr zum inneren Verarbeiten der Fülle der Ein­drücke. Darum bleibt er einsam. Sein Seelenapparat schafft es nicht mehr. Es ist wie mit einer photographischen Platte: sie kann nur ein Bild aufnehmen, dann mutz es entwickelt wer­den und dann wird erst das Bild. Gleicht unsere Seele aber nicht einer photographischen Platte, auf die Bild um Bild fällt, ohne dah Zeit zur Entwicklung, zum inneren Verarbeiten da ist? Infolgedessen kommt es zu keinem klaren Eindruck und Erlebnis mehr. Es gibt einen Wirrwarr, es ist eine Ueberbelastung, für die die Seele nicht geschaffen ist. Es fehlt an der Stille, das Bild zu entwickeln, es kommt zu keinem Erlebnis, weil ein Seeleneindruck sofort vom folgenden abgelöst, verdrängt und verwischt wird

Darum ist der Mensch von heute erlebnisarm, einsam. Es ist die furchtbare Vergewaltigung der Seele durch unsere Zeit, durch die Lebensweise des modernen Tempos. Kein Wunder, wenn unsere Generation nicht mehr weiß, was sie will und was werden soll

Es ist keine müßige philosophische Frage, sondern eine Frage auf Leben und Tod, ob dieser Zustand lange andauert denn das ist der Untergang des Menschen nach seiner geistigen Seite oder ob »eine Seele zu ihrem Schöpfer in die Stille geht und sich vor leine Füße wirft und zu ihm schreit:Herr, komm zu mir und laß mich dich erleben; schenke nur die Stille dazu, daß die lebendigen Eindrücke deiner Wirklichkeit nicht verwischt werden!" Wollen wir nicht so durch die Adventszeit schreiten, dem stillen Weihnachtslicht entgegen?

Für den Vielgeschäftigen

Sorge, dich selbst nicht zu verlieren. Schleiermacher.

Wer viel mit Menschen reden mutz, der muß noch mehr mit Gott reden. Fromme..

Der Mensch soll arbeiten, aber nicht wie ein Lasttier. Er soll angstlos mit Lust und mit Freudigkeit arbeiten. Und Zeit übrig behalten, seinen Geist und sein Auge zum Himmel zu er­heben, zu dessen Anblick er geschaffen Ut. Fichte.

HkMeserr-newerscnoTL ou«n veariur »vi

Währenddessen stand Manfred Bolle leichenblaß an der Barriere des Geläufs. Alle seine kühnen Hoffnungen waren verflogen.

Und in vierzehn Tagen kam ein Wechsel über . . . sage und schreibe. . . hundertfünfzigtausend Mark.

Was würde sein Vater sagen, wenn er die Wahrheit er­fuhr?

Er wagte es nicht auszudenken.

Mit dem Baron von Hochgesang, der auch sehr blaß war, aber durchaus Haltung zeigte, traf er zusammen.

Die Augen der beiden Männer begegneten sich.

Hochgesang zuckte die Achseln und sagte in seiner ge­wohnten, wegwerfenden Art:Pech,, lieber Freund! Die Firma Bolle wird eine Klippe zu überstehen haben. Ich... bin fertig, ich habe mein ganzes Vermögen verloren. Unter diesen Umständen bitte ich Sie, Ihrer Schwester mitzuteilen, daß ich sie von dem Verlöbnis entbinde. Ludolf von Hoch­gesang ist kein Mitgiftjäger."

Ein kurzer, kühler Händedruck, eine knappe, sehr korrekte Lerbeugung, und die Männer trennten sich.

Der Baron aber . . . hatte gelogen, denn er trug den Wechsel und die achtzehn Mille der Frau Bolle noch bei sich. Es war ihm nicht gelungen, das Akzept unterzubringen, und er hatte beschlossen, das Akzept nach dem Rennen mit ein paar bedauernden Worten zurückzugeben.

Jetzt war es ihm eine gewaltige Hilfe, und er prosmerte sogar noch fünfzigtausend Mark, denn er hatte sich nur mit hunderttausend Mark an dem mißglückten Coup beteiligt.

Aber er hielt es jetzt für geratener, Berlin auf einige Zeit zu verlassen, denn er wollte den Herrschaften, die ihm zweifellos wegen des mißglückten Coups nicht gerade freund­lich gesinnt waren, nicht begegnen.

Manfred verließ den Rennplatz, trank im Zentrum von Berlin erst einmal ein paar Cognaks und überlegte, was er zu tun habe.

Es half nichts! Er mußte fort und dem Vater alles brieflich beichten. Dann sollte es nach drüben gehen, und dort galt es zu versuchen, sich durchzusetzen.

In dieser Stunde hielt er einmal unbarmherzig Abrech­nung mit sich.

Und er erkannte, daß er in seinem Leben noch nichts geleistet hatte, als dem Vater auf der Tasche zu liegen. Der Bollesche Trotz erwachte in ihm.Ich will euch allen zeigen, daß ich doch was leisten kann!"

Karl fuhr mit Grete zusammen im Bolleschen Auto nach iner verschwiegenen Wirtschaft in Grunewald. einem bie- .eren Famttienlokal, in dem eine kleine Kapelle konzertierte.

Bürqer und Arbeiter verkehrten in dem Lokal. Der Gar­en war. obwohl in Grunewald Rennen war. ganz gut be-

°^lber die beiden fanden doch noch einen versteckten Tisch mter einer hohen Kastanie.

Das Gasthaus hieß auchZur Kastanie .

Ein uralter Kellner mit abgeklärtem Welsenges,cht und artigen Augen kam und fragte nach ihrem Begehr.

Karl sah Grete lächelnd an.Fräulein Grete, den Tag aussen wir feiern, so recht gemütlich und stimmungsvoll für ms Wie ist es mit Sekt?" ^ ^

Sie blinzelte schelmisch mit den Augen und sagte:Ich in zu allen Schandtaten bereit."

Der alte Kellner schmunzelte milde.

Haben Sie Sekt?" ^ ^

Nee, det seht bei uns nich, aber was für ne Sorte falls in? Henckel trocken? Oder Rotkäppchen oder Matthäus Nüller?"

Ich denke. Sie haben keinen Sekt?" fragte Karl erstaunt.

Nee. det stimmt schon! Aber der Chef hat für sein Zrivatgebrauch so'n Stücker fufzig im Keller. Wat Sie trin- en, mach ich schon locker."

Dann Henckel Trocken!" bestimmte Karl-

Der Kellner entfernte sich. Grete sagte zu Karl:Also Nd Sie ein Herr . von . . . Große "

Eigentlich ja. aber ich habe dasvon" abgelegt und denke licht daran, es wieder zu benutzen Ich bin und bleibe für Sie und alle Karl Große. Ich bitte Sie dringend, nie eine ndre Anrede zu gebrauchen."

Gerne! Und die Dame, mit der Sie sprachen, das war ihre Braut?"

Erstaunt sah er sie an.Das haben Sie weggekriegt?"

Ja. Wir Mädchen haben darin ein besonderes feines Sefühl. Eine hübsche Braut hatten Sie."

Stimmt! Sei neidlos zugegeben. Aber . . . Hand aufs jerz ... ich kenne ein Mädchen, das ist noch viel hübscher."

So!" sagte sie mit spitzbübischem Lächeln und wurde rot. Und . . . wer ist das?"

Nein," entgegnete Karl,das kann ich Ihnen nicht sagen, lm Ende begegnen Sie ihr einmal und plaudern es aus. )ann wird sie. so entsetzlich eitel, daß sie mich Wurstfritzen licht mag. Nein, nein, de-, kann ich Ihnen nicht sagen."

Ein vielsagender lachender Blick traf ihn.

Nun kam auch schon der Kellner und brachte den Sekt, förmlich andächtig entkorkte er ihn. daß der Pfropfen gen jimmel flog.

Er schenkte ein und stellte die Flasche dann ln Eis.

Sie nippten erst an den Gläsern, dann tranken sie und ahen sich dabei an Ihre Blicke waren wie ein Händereichen.

Die fünf Musiker, keine großen Künstler, aber gute solide Musiker vom alten Schlage spielten eben ein Potpourri aus Brüderlein fein".

Die wunderselige MelodieBin die Jugend" klang zu ihnen herüber. Grete summte sie mit. Sie fühlte, wie ihr Blut ascher floß, wie der lebendige Rhythmus des Leben«, der Hebe es erfüllte.

Karl saß ganz still. Alan sah ihm nicht an, wie ihn va» einfache Lied ergriff, daß es ihm wie eine Offen­barung erfüllte. Es war ihm, als ströme so viel Licht aus ihn ern, daß er geblendet die Augen schließen müsse, als be­lebe soviel Freude seine Seele, daß er an sich halten müsse, um nicht hinauszujubeln.

Und so suchte die Freude einen anderen Weg aus sein««! Innern, Sie kroch in seine Augen und ließ sie aufleuchten.

Plötzlich fragte Grete:Wieviel haben Sie heute ver­loren?"

Karl schrak aus seinen Träumen empor und sagte:Hun­dertdreißig Mark. Ich habe die 10 13mal genommen."

Warum gerade dreizehnmal?"

Dreizehn ist meine Glückszahl."

Da hätten Sie eigentlich die 13, aufKarl den Großen^ nehmen müssen "

Karl lächelte.Eigentlich . . . aber ich Hab s nicht getan. Und da hilft nun alles nichts. Vertan ist verspielt. Nun» ich weine dem Geld keine Träne nach. Ich war eben mcll leichtsinnig. Man ist das zuweilen im Leben."

Sie nickte und sagte dann leise:Ich . . habe ein sehr feines Gehör und freute mich vor einer Stunde, daß Herr Karl Große . . . nicht leichtsinnig war."

Er wurde leicht rot und fragte verlegen:Auf was spie­len Sie an?"

Ich hörte, wie Sie eingeladen wurden, zu Ihrer einstigen Braut zu kommen, wenn der Baron nicht da sei."

Erstaunt blickte er sie an.Alle Wetter, da haben Sie allerdings ein feines Gehör. Sie haben gewiß auch meine Antwort gehört?"

Eben, und die hat mich gefreut. Ich habe daraus er­kannt, daß Sie nicht . . . mit dem Feuer spielen wollen "

Glauben Sie, daß es für mich ein Spielen mit dem Feuer wäre, wenn ich der Aufforderung Folge geleistet hätte?"

Ja!"

Da irren Sie sich!" sagte er überlegenHier kommt einmal ein großer Unterschied zwischen Mann und Weib zu­tage. Eine Frau, die geliebt hat, wird immer lieben, und ihre Liebe kann sich höchstens zu Haß umwandeln. Wir Männer . nicht alle, aber wohl die meisten . . . wir vermögen zu vergessen, auszulöschen. Und das ist in mir geschehen. Ich habe die Frau einst sehr geliebt. Ich gestehe es Ihnen offen. Die Enttäuschung war sehr stark für mich, als ich von ihrem Schritt erfuhr. Aber... ich habe alle Brücken zu der Frau abbrechen können, habe alles in mir ausgelöscht. Sie ist mir heute so gleichgültig wie eine andre schöne Frau."

Kann eine schöne Frau einem Manne eigentlich gleich­gültig sein?"

Aber sehr, sie kann unter Umständen . . . sehr langweilig sein. Sie finden sehr oft. daß schöne Frauen, geistlos, lang­weilig sind"

Sie mögen recht haben, aber die Männer . . . wolle« es doch haben, sie wollen doch schöne Frauen."

Karl saß gedankenvoll da.Ja." sagte er schließlich und spielte mit dem Champagnerglas.Sie haben recht, es ver- langt uns nach der Schönheit. Aber . . wir erblicken die Schönheit des Weibes nicht nur in der Regelmäßigkeit des Antlitzes oder in der Ebenmäßigkeit der Gestalt. Nein, nein, das entscheidet nicht immer. Oft nimmt uns ein schönes Frauenauge, das dem Antlitz eine ungewöhnliche Beseelung gibt, ein Lachen voll Köstlichkeit, das aus den Tiefen der Seele kommt, gefangen. Ost ist es nur die Innerlichkeit ihres Wesens, die uns jede Frau schön erscheinen läßt. Eins - . . aber soll uns die Frau, die wir lieben wollen, immer sem: der Festtag unserer Seele."

Grete hörte ihm andächtig zu.

Der Festtag der Seele!" klang es in ihrem Innern wie­der.

Er hob das Glas und trank ihr zu. Die Gläser klangen zusammen.

Auf das, was wir lieben!" sagte er herzlich. Sie dankte ihm mit einem tiefen Blick ihrer Braunaugen.

Und sie saßen zusammen beim Champagner, der ihne« köstlich mundete, bis der Abend kam. Die Melodien um­fangen sie und schufen Freude in ihren Herzen.

Und nach und nach fanden sich ihre Hände zusammen.

Nur das. Nichts weiter geschah an diesem Abend. Er nahm sie nicht im Champagnerabend in die Arme und küßt« sie nicht und gab ihr nicht tausend süße und törichte Worte.

Nein, nur ihre Hände fanden sich, und sie fühlten, wie ihre Herzen sich einander zuneigten. Und dieses Gefühl war soviel der Beglückung» daß sie sich an diesem Abend nicht nach einem Mehr lehnten.