F

onnlagsausgabe der Schwarzwälder Tageszeitung «Aus den Tannen

MV. 48/280

Anzeigen^'reis: Die einspaltige Zeile 20 Pfg., die Reklamezeile SO Pfg.

Altensteig, Sonntag 30. UooernLree

Bezugspreis im Monai SO Pfennig Die Einzelnummer . .16 Pfennig

1830

ZUM 1. Mvent

Das Wort weckt heimliches Erwarten. Wehe dem Men­schen, der nichts mehr erwartet, nichts mehr erhofft. Heim­liches Erwarten. Kinder haben es, das Leuchten der Christ- geit naht. Erwartungsvoll schauen sie darnach aus. Nur Kinder? Es ist ein merkwürdiges Erwarten und Ausfchauen in den ernsthaften Menschen unserer Zeit. Viel mehr als einst. Unser Volk schaut aus nach etwas, das kommen soll, das es sehnsüchtig erwartet in der Not der Zeit. Vielleicht haben die letzten Wahlen dieses Ausschauen besonders ge­weckt. Wird es kommen, das Ersehnte, die neue Zeit, das Aufatmen und die Entlastung? Niemand weiß es, jeder hofft es.

Allein in dem Wort Advent liegen noch ganz andere Klänge und Tiefen. Es weist über dieses Warten und Er­warten hinaus, da es nur einVielleicht" ist, gemischt mit banger Angst und Sorge, und kurzsichtig nur das Nächste sieht. Advent bringt Sicheres. Gewisses, ja Ewiges wenig­stens für die, die den letzten Sinn des Wortes kennen und denen der Glaube die Kraft gibt, ihn zu schaffen. Wer das kann, jagt und hofft nicht: es kommt, sondern Er kommt. Einst hat ein hoffendes Volk danach ausgeschaut Jahr­hundert um Jahrhundert. Es hat sich ein seltsam eigen­sinniges Bild gemacht, wie er aussehen und wie er kommen müsse; so wie sie sich ihn in ihrer einseitigen, völkischen Eigensucht und ihrer Einbildung dachten. Er kam dann frei­lich anders und stürzte alles um, so daß ihre Gedanken sich Nicht darin finden konnten und ihre Augen ihn nicht er­kannten. Aber er kam. Und er kam im Sturm der Jahr­hunderte, im Werden der Kirche, in der Umwertung aller Werte. Er kommt auch in den Kämpfen und Wegen unserer Zeit. Mögen tausendmal die Augen gehalten sein, ihn zu erkennen und seinen Schritt zu hören, er kommt. Christus geht durch die Zeiten, durch eine vergehende Welt, und kommt in den neuen Formen.Es komme die Gnade, es vergehet die Welt", grüßten sich einst die ersten Gemeinden in ihrer Versammlung. Wir sprechen es nach, freilich so nicht, wie jene es gemeint. Wir haben in Jahrtausenden Lenken gelernt, aber letztlich ist es das gleiche Ausschauen und das gleiche Erwarten: Er kommt. Die Geschichte ist nicht Chaos, sondern Plan und Werden. Wie viel merkwürdige religiöse Unruhe ist spürbar bis in Kreise hinein, die lange Nichts mehr von einer solchen wußten. Ja auch in dem leidenschaftlichen Hatz gegen die Kirche, wie sie ist und in dieser Welt der Unvollkommenheit immer sein wird, erspürt der Glaube sehnsüchtiges Ausschauen nach dem Kommenden Nnd ahnt seinen unaufhaltsamen Schritt. Er kommt, nur kommt er in seiner Art und nicht wie wir es uns denken, unsichtbar, innerlich, umgestaltend. Und wenn er kommt, dann hat fein Kommen ein letztes Ziel, eine letzte Reise.

Advent. Es sind doch tiefste Klänge in diesem Wort. Ob wir sie hören wollen, ob wir uns die Hände reichen in der Kirche" denn ohneKirche" geht es nicht und uns ausrichten auf dieses Ziel und warten auf diese Hoffnung? Wir würden sturmfest.Macht hoch die Tür, die Tor macht weit." Welsch.

Himmelsnähe

Das ist's, was deine Seele braucht:

Ins ewige Licht das Irdische getaucht.

Steinhaufen.

Wird dir die Erde eng, wie weit find die Himmel!

Klemm.

vnnuskir-nucuvLcmrrr ouirm vMuur wuiro/w «r.

UeberaH im Reiche waren bei den Buchmachern große Summen, die, zusammengezählt, in die Millionen gingen, aus Hektar zum Totokurse angelegt.

Die Buchmacher waren aber auf dem Posten.

Als die Pferde am Start waren, wurde von einem der Be­vollmächtigten der Buchmacher plötzlich 200 000 Mark aus Hektar angelegt.

Aber es sollte noch besser kommen. Als die Pferde in Startstellung standen und jede Sekunde das Glockenzeichen ertönen konnte, trat plötzlich Herr von Hochgesang heran und legte mit einem Reichsbankscheck 500 000 Mark aus Jungmanne an.

Der Vertreter der Buchmacher sah es und erbleichte. Er zog einen Reichsbankscheck aus der Tasche und stürzte heran

Doch schon tönte die Glocke Die Pferde waren am Start

Der Toto war geschlossen.

Totenbleich stand der Vertreter der Buchmacher.

Er stürzte dann zum Stande der Buchmacher, ries ihnen laut zu:Im letzten Augenblick sind 500 000 Mark auf Jungmanne angelegt worden!"

Den Buchmachern fiel das Herz in die Kniekehlen. Sie wußten, daß das der Ruin für so manchen von ihnen war.

Aber jetzt war nichts mehr zu tun.

Die Pferde liefen.

Man mußte hoffen, daß wieder einmal einer jener Zufälle in Aktion trat, der alle Prophezeihungen umwirst.

* s- *

In Volles Loge.

Alle drei hatten ihre Gläser den Pferden am Start zuge­richtet.

Er steht gut, der Hengst!" sagte Bolle wohlgefällig.Und ne klotzige Ruhe hat er. Sehn Sie ihn, Herr Große, ganz innen steht er mit seiner blauen Jacke."

Karl nickte.

Er fühlte, daß die Aufregung, die er früher wohlig bei so manchem Rennen empfunden hatte, wieder Gewalt über ihn ergriff.

Er war voll Spannung, glaubte aber, daß der Verlauf des Rennens ein ganz einfacher sein würde.

Die Startglocke.

Glänzend, fast in Linie, kamen alle Pferde ab, am besten Volles Hengst, der die Innenseite hatte und gleich mit drei Längen die Führung übernahm.

Hinter ihm galoppierten ruhig die anderen Pferde. Das Tempo war nicht zu scharf.

Hektar lag in guter vierter Position.

Das Feld galoppierte an den Tribünen vorbei.

Vorn lag mit drei LängenKarl der Große", der wunder­voll ruhig und gleichmäßig ging.

Sie bogen in die kurze Seite ein und immer war Volles Hengst in Front.

Bolle war überselig.

Wie det Pferdchen läuft! Ne, nee, det macht mir Spaß, un wenn er nachher ganz hinten ist!"

Plötzlich ging ein Schrei durch das Publikum.

Was war denn das?

Türkis, der hinterKarl dem Großen" lag, war anschei­nend in ein Loch getreten. Er stolperte und verlor den Reiter. Das Pferd schwankte nach rechts und links, und die Reiter von Ulster Kings Sohn und Contessina konnten sich gleichfalls nicht im Sattel halten. Sie stürzten.

Es war ein dichter Knäuel.

Otto Schmidt konnte sich mit vieler Mühe noch auf seinem Pferd halten. , aber er mußte es zurückreißen, fast zum Stillstehen verhalten, ebenso ging es den anderen.

Schnitzler auf Volles Hengst hörte den Schrei des ge­stürzten Reiters von Contessina, den ein Pferd auf die Schulter trat, wandte blitzschnell den Kopf und hatte im Bruchteil einer Sekunde die Chance für sein Pferd erfaßt.

Er trieb den Hengst mit plötzlichem Ruck vorwärts, ge­wann zehn, zwanzig und immer mehr Längen. Rund zwei­hundert Meter lag er vor dem Felde, als es Otto Schmidt wieder gelungen war, seinen Hengst vorzubekommen.

Und jetzt ließ er HekGr ausgreifen.

Der Hengst gab sein bestes. Er erwies sich als ein wunder­voller Galoppieret, kam näher und näher. Aber der Ab­stand war, als sie in die kurze Seite hinten einbogen, immer noch gut hundert Meter.

Bolle war ganz aus dem Häuschen.

Er gewinnt! Grete, er gewinnt! Passen Sie auf, Herr Große, mein Hengst gewinnt denGroßen Preis von Berlin!" Nun waren nur noch vier Pferde im Rennen.

Allein auf weiter Flur lagKarl der Große". Hinter ihm ritt Otto Schmidt wie der Teufel und kam näher und näher.

Gut zehn Längen hinter Hektar kämpften sich Jungmanne und Jlka vorwärts.

Hektar kam immer näher. Als die scharfe Ecke kam, lag er noch zwanzig Längen hinter Volles Hengst.

Die Zuschauer fieberten.

Volles Hengst gewinnt!" riefen die einen entsetzt.

Andere wieder sagten:Paßt man uff, wenn der zusam- menklappt!"

Aber Schnitzler ausKarl der Große" wußte, daß sein Hengst noch Reserven yatte. Er hatte, als er seinen gewal­tigen Vorsprung erkannte, den Hengst ruhig gehen lassen. Er hielt es für ausgeschlossen, daß Hektar ihn noch erreichen könne.

Aber Hektar erwies sich als ein Wunderpferd.

Unter dem ohrenbetäubenden Jubel der Masse kam er in der Geraden dem Bolleschen Hengst näher und näher.

Nur noch drei Längen trennten ihn von der Distanz von

^Da griff Schnitzler, der die Gefahr fühlte, zur Peitsche. Und just in dem Moment, zehn Meter vor dem Ziel, als Hektar bis auf eine halbe Länge heran und im Begriffe stand, vorbeizugehen, da . . . als sie fast auf gleicher Höhe lagen - . . fünf Meter vor dem Ziel... da streckte sich Karl der Große" noch einmal willig.

Er zeigte Hektor, daß er auch nicht von schlechten Eltern

war.

Wie ein Verzweifelter kämpfte Otto Schmidt die letzten Meter. Todmüde war der treue Hektor.

Aber er brachte ihn nicht anKarl dem Großen" vorbei.

Mit einer Länge siegteKarl der Große" ... der Hengst Volles, der nichts in dem Rennen zu suchen hatte.

Totenstille war auf dem Platz.

Alle ... alle hatten ihr Geld verloren, und so manch einer knirschte:Verdammter Schinder! Du mußt Hektor schlagen!"

Der Sieg des AußenseitersKarl der Große" wirkte depri­mierend auf die Zuschauer.

Alle . . - aber auch alle hatten sie ihr Geld verloren.

* * *

Bolle war überfelig, und die anderen waren es mit ihm. Karl reuten nicht seine 130 Mark, die er auf die Zehn gesetzt hatte.

Gratuliere, Herr Volle! Der Hengst ist trotz allen Glückes fabelhaft gelaufen. Es war ein Vergnügen, ihn im End­kampf zu sehen. Aber jetzt kommen Sie, Herr Bolle, wir wollen den braven Hengst besuchen. Heute kann ich es Ihnen sagen . . .Karl der Große" hat einmal mir gehört, als ich in Köln noch einen Rennstall hatte."

Maßlos erstaunt sah ihn Bolle und Grete an.

Das . . . war Ihr Pferd?" sagte Grete mit Kopf­schütteln.Und da haben Sie uns nichts davon gesagt?"

Wer spricht von seinen Jugendsünden. Der Hengst hat mich viel Geld gekostet."

Plötzlich horchten sie auf.

Das Publikum schien erregt.

Eine erregte Männerstimme, laut und schrill, klang durch die Menge:Das Rennen muß ungültig erklärt werden! Das ist eine große Schiebung!"

Und die Masse, die ihr Geld verloren hatte, reagierte darauf.

Sie zogen nach dem Wagegebäude, wo der Vorstand, ganz erregt von dem unerwarteten Ereignis, zusammenstand, und brachten tumultartig ihr Verlangen vor.

Immer stärker wurde die Masse. Immer drohender wur­den ihre Rufe.

Die Gefahr wuchs mit jedem Augenblick.

Der Schriftführer des Vereins griff ein. Er begab sich auf einen erhöhten Platz und sagte:Der Vorstand des Ber­liner Rennvereins wird zusammentreten und darüber be­schließen. Ich bitte Sie. Disziplin zu bewahren und sich zurückzuziehen."

Diese Worte wirkten sichtlich beruhigend auf das Publi­kum.

Die Masse verteilte sich, nur eine Anzahl der schlimmste«, Fanatiker blieb am Wagegebäude stehen.

Auf diese Weise gelang es Bolle, mit seinen Begleitern sich durchzukämpfen.

Er sah seinen Hengst verliebt an und gab ihm gerührt einen Kuß auf die Schnauze.

Billy Smith stand erfreut und verlegen neben ihm, ebenso Schnitzler, der herzlich lachte.

Sind Sie zufrieden, Herr Bolle?" fragte Schnitzler und klopfte ihm auf die Schulter.

Sie sind der beste Reiter vom ganzen Kontinent!" sagt» Bolle begeistert.Wir müssen gute Freunde werden. Herr Schnitzler!"

Ich hoffe es, Herr Bolle. Soll an mir nicht haken."

Dann sah er Karl bedeutungsvoll an.

Große sagte, den Blick verstehend,Sie brauchen sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Ich habe schon gesagt, daß ich den Hengst besessen habe." A

Volle sah auf den Trainer. P