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-Zonntagsausgabe der warzwälder Tageszeitung „Aus den Tannen"
Mr. 47/274
Anzeigenpreis: Die einspaltige geile W Pfg-, die Rekamezeile SO Pfg.
Zar Fest -er Tslen
Das Fest der Toten: Wirklich ein Fest? Altteftamentliche Resignation liegt über dem Sterben dieses Geschlechts. „Diese alle sind gestorben... und haben die Verheißungen nicht erlangt". Vm lerne schauen sie aus nach einem gelobten Land wie Mose vom Berge Nebo, legen den Wanderstab nieder, noch weit ab vom Ziele, und sprechen: „Das macht dein Zorn, daß wir so vergehen, und dein Grimm, daß wir so plötzlich dahin müssen". Wie ein Strom fahren sie dahin, die Millionen des Krieges, die Gefallenen von Alsdorf und Maybach und all die Einzelnen, reißen die alte Zeit mit sich fort, in der wir uns geborgen fühlten, und lassen uns in Leere und Unsicherheit.
Man redet viel vom Zusammenhang der vergangenen und der kommenden Geschlechter, von einem Erbe, von Schwüren an Gräbern, das Erbe zu bewahren. Man destiliert eine Art von „Unsterblichkeit" aus solchen Zusammenhängen, etwa so: „Sie leben weiter in uns", „ihr Bestes lebt weiter in der Geschichte". Wir täten besser, denen, die hinübergesangen sind, ihr Geheimnis zu lassen, den dunklen Ernst dieses Geheimnisses nicht weg- ruliigen, weder mit der Romantik eines gefühlvollen Totenkults im Kämmerlein, noch mit der Romantik geschichts-philo- sophischer Konstruktionen. In alledem offenbart sich nur die rückwärtsschauende Müdigkeit unseres Geschlechts. Besser als all das wäre es, nach den Worten des Dichters dem Ewigen entgegen zu schweigen. Aber auch wirklich ihm entgegen zu schweigen. Denn Tod und Tote stehen als die vom Schöpfer gewollte größere Hälfte unseres Lebens vor uns und nicht hinter uns nnd erst von hier aus wird der Totensonntag ein Fest.
Fest des Todes! Auch unser Leben hat ein Resultat, ein Ziel, das nicht in blassen Ideen verschwindet, vielmehr letzte Rechenschaft und letzte Erfüllung zugleich ist: hinübergerettet werden aus der engen irdischen Gestalt in Gottes vollkommen gestaltende Hände. „Gepriesen seist du, mein Gott, durch unfern Bruder, den leiblichen Tod!"
Fest der Toten! Einmalig, unwiederholbar ist ihr Schicksal, fremder und ferner werden sie uns mit jedem Jahr. Aber gleich ihnen find wir hineingebaut in das ewige Ungenügen des Erdendaseins und hören aus diesem Ungenllgen die große Vertrauensfrage des Schöpfers, ob wir seiner Schöpferkraft über den Tod hinüber zu trauen vermögen. Welch ein Fest, da wir in seine uns jetzt noch verborgenen Zusammenhänge eintreten werden samt unseren Toten!
„Wir folgen all zum Freudens aal und halten mit das Abendmahl".
r Jtzler.
Ja seinen Händen Der Mensch lebt und bestehet Nur eine kurze Zeit;
Und alle Welt vergehet Mit ihrer Herrlichkeit.
Es ist nur Einer ewig und an Me« Enden And wir in seinen Händen.
Matth. Claudius.
Für mich ist die Todesstunde di« Stunde der Geburt zu einem neuen herrlichen Dasein. Fichte.
Der Gerechten Seelen find in Gottes Hand und keine Qual rührt sie an. Bon den Unverständigen werden sie angesehen, als stürben fie, nnd ihr Abschied wird für eine Pein gerechnet und stüe Sü-Laürt Wr ein Verderben. AVer fie find im Frieden.
Weisheit Salomos.
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„Immer feste vornweg!" sagte Bolle freudestrahlend. „Un wenn Sie durchs Ziel sind, da kann' Sie anhalten."
Alle lachten herzlich.
Bolle deutete auf den Knirps, der nicht weit von ihnen stand.
„Dort . . der kleene Bengel ... der hat letztens den Sieg mit dem Hengst geschaukelt. Famos hat der Bengel geritten, aber er darf 'n nich reiten, un er sieht auch nich ganz mobil aus."
„Auf alle Fälle," sagte Schnitzler liebenswürdig, „werde ich mal mit ihm sprechen. Es ist manchmal ein kleiner Kniff dabei."
Er verabschiedete sich und trat zu Wundermann, der ihn wohl kannte.
Altensteig» Sonntag 23. Uonernver
„Tag, mein Kleiner!" sagte der Herrenreiter.
„Guten Tag, Herr Schnitzler!"
„Nun, heute nicht im Sattel?"
Der Lehrling schüttelte den Kopf. „Geht heute nicht, Herr Schnitzler. Aber ich möchte gern unseren Hengst noch laufen sehen, ehe ich mich ins Bett lege. Er hat heute morgen so gut gearbeitet. Ich habe ihn zusammen mit Hektor geritten."
Schnitzler horchte auf.
„Sag mal, hat der Hengst besondere Eigenheiten?"
Wundermann überlegte und sagte dann: „Eigentlich nicht, aber . wenn Sie ihm beim Reiten ab und zu mal in der Mähne krauen, dann läuft er gut und reagiert drauf."
„Famos, mein Junge! Besten Dank! Und nun höre... ich reite den Hengst. Hier hast du fünf Mark, kauf dir ein Ticket auf den Hengst Du weißt, eine Chance hat er nicht, aber auf der Rennbahn sind schon tolle Sachen vorgekommen."
Der Junge nickte. „Wetten Sie auch, Herr Schnitzler?"
„Karl den Großen?"
„Ja!"
„Nee. nee, ich denke nicht dran. Der Hengst kann nicht gewinnen, aber ich werde mir alle Mühe geben."
Dankbar sah ihn der Junge an. „Aber ich werd' mal die fünf Mark hinauswerfen und auf unseren Hengst setzen. Ich freu mir ja so schrecklich, daß er im Großen Preis läuft."
Schnitzler klopfte dem Jungen dankbar aus die Schulter und war befriedigt. Es war manchmal sehr wertvoll, zu wissen, auf was ein Pferd reagiert. Also: in der Mähne krauen mußte er ihn hin und wieder Nun. das bot reittechnisch keine Schwierigkeiten.
Er trat wieder zu Volles Gruppe und ging dann mit dem alten Bolle zu Billy Smith.
Der Trainer zog ein dummes Gesicht, als ihm Dolle den Reiter brachte, aber er konnte nichts dagegen sagen.
Bolle zog sich darauf mit Grete und Karl Große in seine Loge zurück.
Er war äußerst gut gelaunt und unterhielt sich angeregt mit Karl.
„So noble Bekanntschaften haben Sie, Herr Große? Sie müssen früher einmal ein feiner Hund gewesen sein." sagte er zu Karl.
Große lächelte und nickte. „Und ob... ! Als ich noch Geld hatte, gehörte ich auch zur sogenannten besten Gesellschaft."
„Fehlt Ihnen nicht hin und wieder der Berkehr mit Ihren einstigen Standesgenossen, Herr Große?" fragte Grete.
Der schüttelte sehr bestimmt den Kopf. „Nein, durchaus nicht Ich fühle mich in dem einfacheren Kreise, in dem ich jetzt lebe, ungleich wohler Der Kreis, dem ich jetzt angehöre, nimmt das Leben schwerer, ernster und zwingt es auf diese Weise leichter. Und das ist mir sympathisch, denn ich bin im Grunde genommen eine sehr ernste Natur."
Die Starter des Großen Preises erschienen auf der Startertafel.
Gewissenhaft notierte Große und Bolle ein Pferd nach dem anderen. Bolle spannte, daß sein Hengst käme.
Aber mit einem Male erschien die rote Scheibe. Wageschluß.
Der Hengst „Karl der Große" erschien nicht.
Bolle bekam beinahe einen Wutanfall.
„Die verdammte Bande!" fluchte er. „Wollen meinen Hengst partout nicht mitlassen! Ich werds ihnen zeigen."
Er stürzte hinunter und suchte Smith auf.
Dem ward bei seinem Erscheinen unbehaglich
„Wo ist mein Hengst?"
Smith war sichtlich verlegen. „Geht doch nicht, Herr Volle. Der Hengst lahmt."
„Wat? Das ist man cme unverschämte Lüge! Ich wer'n mir gleich angucken."
Und er setzte den Entschluß umgehend in die Tat um, trat, gefolgt von dem Trainer und dem Herrenreiter, der sehr erregt war, in die Box seines Pferdes.
„Ihr könnt Bollen nicht uffn Leim führen. Bolle versteht sich auf Pferde. Er hat selber genug gehabt."
Er führte den Hengst, der willig folgte, aus der Box, untersuchte ihn und wurde wütend.
„Der Hengst lahmt? Heh! Wo lahmt der Hengst? Das ts n unverschämter Schwindel! Ich wer's euch alle zusammen anstreichen."
Der Herrenreiter Schnitzler stellte sich auf Volles Seite.
„Das übersteigt tatsächlich die Grenzen. Dem Hengst fehlt nichts."
Zwei Herren waren der Gruppe in die Box gefolgt.
„Gestatten," sagte der eine der beiden, „von Zienitz! Bor- sitzender des Berliner Rennvereins."
Bezugspreis im Mona: 50 Pfennig Die Einzelnummer . .16 Pfennig
1930
..Jestatten. Bolle! Wat sagen Sie zu die Schweinerei?"
„Aber so nehmen Sie doch Vernunft an, Herr Volle und verstehen Sie unsere Eigenmächtigkeit Der Hengst hat im Felde des Großen Preises nichts zu suchen."
„Ich nehme nicht Vernunft an. Det Pferdchen soll loofen. Ich verlange das und werde den Verein verklagen, wenn er mein Pferd nich mitlaufen läßt. Del Pferd ist jut!"
„Aber bester Herr Bolle, so tun Sie uns doch den persönlichen Gefallen." bat der Vorsitzende.
„Ich Hab dazu keene Veranlassung. Ich will, daß mein Hengst in det Rennen startet."
„Die Wage ist geschlossen."
„Det ist mir wurscht. Machen Sie se wieder auf."
„Aber Sie hören doch, daß der Hengst lahmt."
„Verdammter Schwindel ist das!"
Herrenreiter Schnitzler warf sich ins Mittel.
„Ich verstehe Sie nicht. Herr von Zienitz. Warum wollen Sie absolut unterbinden, daß der Hengst des Herrn Voll« startet?"
„Aber bester Herr Schnitzler," warf der Vorstand erregt ein, „wir haben in diesem Rennen tatsächlich die Elite unserer Pferde am Start Der Hengst schändet das Feld."
„Das kann ich absolut nicht finden. Jockei Otto Schmidt hat mir erzählt, daß Karl der Große beim Schlußgalopp mit Hektor zusammen über 2000 Meter gut die Pace gehalten hat, und die soll ganz stramm gewesen sein. Sie haben nicht den Schein eines Rechts, den Start zu unterbinden."
„Der Veterinär soll entscheiden, ob der Hengst lahmt oder nicht."
Der Veterinär wurde gerufen.
Er untersuchte den Hengst, während die Pferde auf die Bahn gingen, und fand ihn in Ordnung.
Ergo . . mußte die Wage noch einmal geöffnet werden.
Stillschweigend schob man den neuen Starter in die Tafeln ein, und als Nachzügler betrat der Hengst die Bahn.
Die meisten achteten kaum darauf.
Daß ein neuer Starter eingeschoben war. das sah kaum einer an den Tafeln.
„Karl der Große"! Die Zuschauer rissen Witze über sein Erscheinen. Nicht einer dachte daran, auf ihn auch nur fünf Mark anzulegen.
Ueberdies lag der Toto schon verlassen da. Die Wetten waren unterqebracht Die Pferde ritten zum Start.
* *
Bolle kam freudestrahlend in die Loge.
„Diese Bande!" sagte er schmunzelnd. „Nee, nee, mit Dolle kann keener Schindluder treiben. Ich Habs besorgt. Die Wage ist noch mal uffgemacht worden."
„Wäre auch ein Skandal! Und wenn Ihr Hengst nicht die kleinste Chance hat. keiner kann Ihnen verbieten, an dem Rennen tsilzunehmen "
„Das meine ich auch!" warf Grete ein. „Sehen Sie doch, Herr Große, er macht sich doch ganz propper. Aber . . wer ist denn die 10? Das ist ein bildhübsches Pferd."
„Das ist Hektor vom Stalle Weinberg, der das Rennen, wenn es glatt geht, im Kanter gewinnt. Ein edles Tier. Prima Abstammung. Ein Favor aus der Lese gezogen. Der hat eine Rennlaufbahn hinter sich! Das Derby hat er schon in diesem Jahre im Schritt gewonnen."
Interessiert beobachteten sie die Pferde.
Es war wirklich die Elite beisammen: vier dreijährige und vier ältere Klassepferde, und als neunter schloß sich „Karl der Große" an.
Er ging ganz ruhig und schien sich unter seinem Reiter sehr wohl zu fühlen.
Sie galoppierten zum Start. Ruhig waren alle Pferd«, Es war Klasse, die meist über ein gewisses Phlegma verfügt.
„Wollen Sie etwas wetten, Fräulein Grete?" fragte Karl.
„Nein, nein, es macht mir so Freude. Aber Sie haben gewiß die Absicht?"
„Allerdings! Ich muß Sie bitten, mich einige Minuten zu entschuldigen. Ich habe mir oorgenommen. auf Hektor 138 Mark zu setzen."
„Ei, ei. Sie leichtsinniger Strick!" sagte Grete lachend.
Karl stand am Toto.
„Dreizehn Mal die zehn!"
Der Beamte nickte und trat an den Kartenschrank und rief noch einmal zurück: „Dreizehn?"
Karl nickte und sagte: „Jawohl, dreizehn Mal!"
Der Totoapparat nickte, und Karl erhielt seine Kart«, di« «r. ohne sie anzusehen, in seinem Mantel unterbracht«.
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