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Kummer
Altenktetg, Dienstag den 4. Uovernver 1930
63. Jahrgang
Berlin, 3. Noo. Der Reichshaushaltsplan für 1931 wird morgen dem Reichsrat offiziell zugeleitet. Er schließt, wie bekannt, im ordentlichen Haushalt mit rund 10,4 Milliarden RM. in Einnahmen und Ausgaben ab, wozu noch der außerordentliche Haushalt in Höhe von 237,7 Millionen RM. tritt. Die An- leiheermächtigung für die Bestreitung außerordentlicher Ausgaben aus früheren Rechnungsjahren beträgt 618 Millionen, wozu für 1931 weitere 71 Millionen treten. Ferner wird der Finanzminister ermächtigt, zur teilweisen Deckung des Fehlbetrages aus dem Rechnungszahre 1930 im Wege des Kredits die Summe von 375 Millionen RM. bis zur Abdeckung des Fehlbetrages zu beschaffen. Weitere 156 Millionen RM. sollen im Mge des Kredits so lange und so weit beschafft werden, als dis durch die Veräußerung der Vorzugsaktien der Reichsbahn flüssig zu machenden Deckungsmittel noch nicht oder nicht in vollem Umfange zur Verfügung stehen. Im Haushaltsgesetz ist auch vorgesehen, daß, wie bekannt, im Hinblick auf die Einschränkung des Personalaufwandes in der öffentlichen Verwaltung der Länder und Gemeinden die lleberweisungen an die Länder um 109 Millionen RM. gekürzt werden. Garantien zur Förderung des deutschen Außenhandels sind bis zu 350 Millionen RM. vorgesehen. Die für den i. April geplante 6prozentige Kürzung der Beamtengehälter ist im Entwurf des Haushaltsplanes bereits berücksichtigt, so daß in allen Haushaltsplänen die Ansätze für den Personalaufwand verringert worden find.
Der Reichspräsident hat bekanntlich, ebenso wie die Reichsminister, auf 20 Prozent seines Gehalts verzichtet. Sein Gehalt scheint daher im Haushalt nur mit 18 000 RM., wozu 120 000 RM. Aufwandsgelder treten.
Im Haushalt des Reichstages ist infolge der Vermehrung der Abgeordnessenzahl die Entschädigung an die Eisenbahn für die freie Fahrt der Abgeordneten um 222 000 RM. auf rund 1,5 Millionen RM. erhöht worden. Dagegen haben die Aufwandsentschädigungen trotz des Zuwachses an Abgeordneten eine Verringerung um rund 300 000 RM. infolge der Diätenkürzung erfahren. Die Herausgabe der Veröffentlichungen des Untersuchungsausschusses erfordert nochmals 65 000 RM.
Im Haushalt des Reichskanzlers ist die Vertretung des Reiches in München bereits für 1931 weggefallen.
Im Haushalt des Auswärtigen Amtes betragen die fortdauernden Ausgaben rund 56 Millionen RM. gegenüber 60 Millionen im Jahre 1930. So werden u. a. herabgesetzt die Mittel sür dis Förderung des deutschen Nachrichtenwesens im Ausland und im Inland Die Mittel für die Pflege kultureller und wissenschaftlicher Beziehungen zum Auslande, zur Förderung des deutschen Schulwesens im Auslande, der Beitrag für Deutsche Völkerbundsliga und andere Posten. Bei den einmaligen Ausgaben werden nur Mittel für die Fortsetzung begonnener Bauten in Wien uns Addis Abeba bewilligt.
Auch im Haushalt des Reichsinnenministeriums haben sich faß alle Ansätze eine Kürzung gefallen lassen müssen, so die Mittel für die Förderung wissenschaftlicher und künstlerischer Zwecke, zur Förderung der Theaterkultur und der künstlerischen Handwerkskultur, für die Deutsche Gemeinschaft zur Erhaltung und Förderung der Forschung, für die Kaiser Wilhelm-Gesellschaft dis Mittel für Erziehungsbeihilfen, zur Förderung des Turn- und Cportwesens, zur Förderung der Volks- und JugendwohUahrt, für die Bekämpfung des Alkoholismus, für die Technische Nothilfe und andere Neu eingestellt find für Beihilfen für das Rots Kreuz 250 000 RM. zur Erfüllung der ihm auf Grund der Genfer Konvention obliegenden Aufgaben. Die sächlichen Verwaltungsausgaben sind um 100 000 RM. gesenkt worden. Auch bei den einmaligen Ausgaben sind Senkungen erfolgt, so bei den studentischen Wirtschaftsbeihilfen, bei den Mitteln für die Unterstützung besonderer kultureller Aufgaben im Interesse des Deutschtums, bei den Mitteln für die Unterstützung der Erhaltung von Bauwerken und andere Posten. Neu angefordert werden, wie bereits gemeldet 100 000 RM. für die Vorbereitung der Wahl des Reichspräsidenten, die im Jahre 1932 erfolgen mutz.
Der Haushalt des Reichswirtschaftsministeriums weist gleichfalls eine Ersparnis von rund 1 Millionen RM. auf. Besonders stark sind die Einsparungen beim Statistischen Reichsamt. Be! den einmaligen Ausgaben sind infolge der Sparmaßnahmen die Mittel zur Förderung des Eisenenzbergbaues an Sieg, Lahn und Dill fortgefallen.
Im Haushalt des Reichsarbeitsministeriums erfordern die Reichszuschüsse zu den Renten der Invalidenversicherung mit 233 Millionen RM. infolge der Zunahme der Renten gegenüber' dem Vorjahre ein Mehr von 16 Millionen RM. Dagegen wird der Beitrag des Reiches für Steigerungsbeträge der Invalidenversicherung um 7 Millionen herabgesetzt, da die Zahl der in tirage kommenden Renten allmählich geringer wird. Der Reichs- Mschuß zur Familienwochenhilfe soll im Jahre 1931 ganz fort- simen. Im Kapitel Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung sind die Mittel für die Krisenfürsorge mit Rücksicht au! die Entwicklung des Arbeitsmarktes um 100 aus 100 Millionen »M. erhöht worden. Die Mittel für den Notstock der Reichsanstalt sowie der Reichszuschuß und die Darlehen an die Reichsanstalt sind in Wegfall gekommen, da der Ausgleich der Ein- aahmen und Ausgaben auf Grund der neuen Finanzvorlage der
meuysregierung neu geregelt werden soll. Der sogenannte Wohnungsfürsorgefonds ist von 6,5 auf 3 Millionen RM. herabgesetzt worden. Um rund 7 Millionen RM. wurden auch die Ausgaben sür die landwirtschaftliche Siedlung gesenkt. Für die Kleinrentnerfürsorge sind wie im Vorjahre 35 Millionen RM. vorgesehen. Kürzungen haben auch erfahren die Mittel zur Förderung der staatlichen Wohlfahrtspflege, für die Blindenfürsorge und andere soziale Aufgaben. Für Fürsorgeleistungen und Renten an die im Deutschen Reich wohnenden Berechtigten aus dem Saargebiet und den abgetretenen Gebieten werden 2,52 Millionen RM. mehr angefordert. Die lleberweisungen an die knapp- chaftliche Pensionsversicherung aus dem Lohnsteureauikommen iind infolge des Rückganges der Lohnsteuer auf 60 Millionen KM. statt bisher 75 Millionen beschränkt worden. Für die Invalidenversicherung, die aus dem weiteren Aufkommen gleichfalls noch bis zu 50 Millionen RM. bekommen sollte, bleibt daher zar nichts mehr. Es mußte ein Leertitel eingesetzt werden.
Im Haushalt des Reichswehrministeriums ist eine Ausgaüen- senkung um insgesamt 7 Millionen RM. vorgesehen und zwar t,5 Millionen für das Heer, 2,5 Millionen für die Marine. Sie iollen erst am Schluß des Rechnungsjahres 1931 festgestellt und in der Haushaltsrechnung auf die einzelnen Titel verteilt werben. Der 1930 begonnene Abbau der Heeresleitung wird fortgesetzt. Insgesamt sollen 397 Beamte, Offiziere, Angestellte, Unteroffiziere und Mannschaften eingespart werden, davon 47 ^ illlerdings erst 1932.
, Beim Reichsjustizministerium und Reichsgericht sind die Aus- s zaben um 218 000 RM. gesenkt worden. Beim Reichspatentamt ! mußte dagegen infolge des gesteigerten Geschäftsganges eine Er- ! jöhung um 921000 RM. eintreten.
! Im Haushalt des Reichseruährungsministeriums sind die Beihilfen zur Förderung der bäuerlichen Wirtschaftsberatung um rOO OOO RM. auf 1,9 Millionen RM. erhöht worden.
Im Haushalt des Reichsverkehrsmiuisteriuws fällt der Reichs- wasserschutz vom 1. April au fort, da ihn zu diesem Zeitpunkt die Länder übernehmen.
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Interessante Zahlen aus dem Reichshaushalt. — Aeußerste Sparsamkeit in allen Ministerien
Berlin, 3. November. Die Einzelhaushalte der verschiedenen Ministerien für das kommende Jahr zeigen das deutliche Bestreben, unter allen Umständen an den Ausgaben des Reiches zu sparen. Das tritt besonders in den zahlreichen Ausgabenposten in die Erscheinung, die im vorigen Jahr enhtalten waren, aber jetzt einfach gestrichen worden sind. Wo diese radikale Methode nicht anwendbar erschien, sind sehr häufig starke Abstriche erfolgt. Im einzelnen ergibt sich dabei folgendes Bild:
Der Haushalt der Reichskanzlei hat eine Ausgabenkürzung um fast eine Million erfahren, und zwar von 2,53 auf 1,55 Millionen, das ist eine Senkung von rund 10 Prozent. In diesem Haushalt fällt übrigens auch zum ersten Male der Posten für die Vertretung der Reichsregierung in München fort, die bekanntlich aufgelöst worden ist. Beim Auswärtigen Amt sind 1,5 Millionen eingespart worden. Der Etat beläuft sich diesmal auf 55,9 Millionen gegen 60,3 Millionen Mark im Vorjahre. Die Aufwendungen für das Personal der Auslandsvertretungen sind mit 17,9 Millionen eingesetzt gegenüber 18,9 Millionen im Vorjahre. Bei der Kürzung der Mittel zur Förderung des deutschen Schulwesens im Auslande um eine Viertelmillion zeigt sich auch in diesem Etat, wie die kulturellen Aufgaben unter dem Zwang der Sparsamkeit besonders schwer getroffen werden. Noch schmerzlicher tritt diese Tatsache im Etat des Reichsinnenministeriums hervor, bei dem die fortdauernden Ausgaben um 3,7 Millionen und die einmaligen um 1,1 Millionen vermindert worden sind.
Davon wird z. V. die deutsche Gemeinschaft zur Erhaltung und Förderung der Forschung allein mit einem Abstrich von 810 000 Mark betroffen, die Kaiser Wilhelmgesellschaft zur Förderung der Wissenschaft mit 150 000 Mark; der Fonds zur Erziehung ist um 510 000 Mark geringer, die Unterstützung wissenschaftlicher und künstlerischer Zwecke ist um 160 000 Mark gekürzt, die Förderung der Theaterkultur um 300 000 Mark. Aehn- liche Abstriche finden sich unter den allgemeinen Ausgaben, so 600 000 Mark für Zwecke studentischer Wirtschaftsbeihilfe, 320 000 Mark bei den Mitteln, die für künstlerische Zwecke Verwendung finden. Ebenso sind im Etat des Reichsinnenministeriums genau wie bei jedem anderen Etat alle Ausgabenposten für Bauten vermieden, wenn die Arbeiten nicht bereits im Gange waren, also bei Einstellung der Zahlungen eine schwere Schädigung eintreten würde.
Diese Gesichtspunkte sind besonders augenfällig in den Voranschlägen des Reichsfinanz- und des Reichsverkehrsministeriums. Der erstgenannte Etat sieht im ganzen eine Senkung von 111,2 auf 2104,1 Millionen, also um über 10 Millionen vor. Beim Haushalt des Reichsverkehrsministeriums stellen sich die Gesamtzahlen für 1931 auf 181,7 Millionen gegen 197,2 Millionen Mark im Vorjahre; sie sind also jetzt rund 15,5 Millionen niedriger. Interessant ist in diesem Etat besonders das Kapitel für Luftfahrt. Die Ausgaben hierfür gehören zu den wenigen Posten des Gesamtetats, die sich erhöht haben, nämlich von 38,3 aus 39,1 Millionen. Davon erhält die Deutsche Lufthansa 18,825 gegen 19 Millionen im Vorjahre. Zur Förderung der Luftschiffahit ist ein Betrag von 500 000 Mark als Beihilfe an
den Luftschiffbau Zeppelin für Versuchs-, Studien- und Ausbildungsfahrten und weitere 600 000 Mark als Beihilfe für Einrichtung eines planmäßigen Luftschiffverkehrs in Verbindung mit anderen deutschen Luftfahrtunternehmen eingesetzt.
Im außerordentlichen Haushalt des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ist eine besondere starke Senkung zu verzeichnen, nämlich von 63,8 Millionen im Vorjahre auf 36,3 Millionen; das sind über 40 Prozent. Weiter ist der Etat des Reichswirtschaftsministeriums um 4,36 Millionen gekürzt worden. Sehr wesentlich ist dabei die Verminderung der Ausgaben für das Statistische Reichsamt um 3,5 Millionen. Beim Reichsjustizministerium macht die Senkung etwa 0,75 Millionen aus. In ähnlichem Ausmaß sind auch die übrigen Einzelhaushalte an, der allgemeinen Sparaktion beteiligt.
3um Emeilermgrkay der Reichrtagr
Berlin, 3. Nov. Wie wir erfahren, ist im Reichshaushalt fü !931 eine Million Mark für den Neubau der Reichstagsoerwal iung eingesetzt. In der Erläuterung wird betont, daß dieser Ba »aldigst in Angriff genommen werden muß, um dem Raummav ,el der Bücherei in wirksamer Weise abzuhelfen. Ferner müsse roch Sitzungssäle für Ausschüße und Fraktionen sowie Arbeite .immer für die Abgeordneten hergestellt werden. Das Baupro zramm ist vom Planungsausschuß des letzten Reichstages ge rebmigt. Außer den für den Neubau bereits erworbenen Grund Tücken ist zur Durchführung des Bauprogramms noch ein wei ierer Erunderwerb, dessen Kosten auf rund 850 000 Mark ge chätzt werden, erforderlich. An Ausgabenresten steht aus frühe cen Jahren noch ein Berrag zur Verfügung, sodaß für dei Nrundcrwerb rund 565 000 Mark anzufordern bleiben, dazu trik als erster Teilbetrag für den Bau selbst die Summe von 435 00! Mark. Der Gesamtbetrag macht somit eine Million Mark aus.
Brüning über Deutschlands Außenpolitik
Das Ziel: Wiedererlangung der nationalen Freiheit» moralische und materielle Gleichberechtigung Berlin» 3. November. „Petit Puristen" veröffentlicht heute die Erklärungen, die seinem Chefredakteur in Berlin von Reichskanzler Dr. Brüning gemacht worden sind.
Dr. Brüning erinnert einleitend daran, daß die deutsche Außenpolitik, die sich die Wiedererlangung der nationalen Freiheit, die moralische und materielle Gleichberechtigung als oberstes Ziel gesetzt hat, grundsätzlich auf der loyalen Erfüllung der internationalen Verträge und der friedlichen Zusammenarbeit der Völker aufgebaut ist. Das ist nicht die Politik einer einzigen Persönlichkeit oder einer einzelnen Partei, sondern der überwiegenden Mehrheit des deutschen Volkes. Wenn gerade in letzter Zeit ein gewisser Rückgang in der Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen deutlich wird, so hängt das zweifellos damit zusammen, daß verschiedene Ereignisse der deutschen Innenpolitik in Frankreich vollkommen mißverstanden worden sind.
Das Ergebnis der deutschen Wahlen vom 14. September ist nicht ein Zeichen des Hasses und der Drohung, sondern die Kundgebung eines tief deprimierten aber starken Volkes, das um nationale Zukunft ringt. Frankreich scheint den Ernst der deutschen Wirtschaftskrise, die alle bisher zugestandenen Erleichterungen für die Reparationszahlungen bedeutungslos gemacht hat, nicht vollständig erfaßt zu haben. Frankreich sollte einsehen, daß keine deutsche Regierung imstande ist, dem deutschen Volke einzureden, daß eine nach Milliarden zählende und noch immer allgemein als überaus drückend empfundene Schuld deshalb leichter erscheinen sollte, weil eine an und für sich erfreuliche Herabsetzung von einigen hundert Millionen zugestanden worden ist. Dr. Brüning befaßt sich dann mit der Frage der Sicherheit und Abrüstung, indem er bemerkt, daß seiner Ansicht nach alle Staaten ein gleiches Recht auf Sicherheit besitzen und daß es unverständlich sei, warum hier zweierlei Maß angewendet werde. Frankreich müsse einsehen, daß es unmöglich ist, in Gegenwart eines ent- wasfneten und entblößten Deutschlands, besten Nachbarn bis zu den Zähnen bewaffnet sind, dem berechtigten Wunsch nach Abrüstung immer das Verlangen nach Sicherheit entgegenzustellen. Deutschland ist vom Besitz seiner vollen Souveränität als Großmacht noch weit entfernt. Viele Fragen, deren Lösung von den Friedensverträgen vorgesehen wurde, sind noch nicht liquidiert und zum Teil noch nicht einmal ernsthaft in Angriff genommen.
Solange dieser unnatürliche, vor mehr als zehn Jahren von den Siegerstaaten unter Ausnutzung des damaligen Kräfteverhältnisses geschaffene Zustand andauert, wird das deutsche Volk nicht aufhören, mit allen ihm zu Gebote stehertden friedlichen Mitteln eine Erleichterung seiner Lage anzustreben, und es wird so wie in der Vergangenheit seine berechtigten Forderungen Vorbringen, deren Befriedigung keineswegs Unruhe stiftet, sondern im Gegenteil den Frieden wesentlich fördern würde.
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