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Schwarzmälder G«»,t«D»tlatt
Seit« I
selbst einem Jules Verne, einem Bellamy in ihren utopischen Romanen nicht eingefallen ist, verwirklicht? Direktor Professor Doegen, der berühmte Berliner Gelehrte, har dieses einzigartige Werk in unermüdlicher, fanatischer, Jahrzehnte langer Arbeit geschaffen.
Man sitzt in seinem Arbeitszimmer in der Universitätsstraße ihm gegenüber. Ein wunderbarer Kontrast, das schneeweiße Haar und das jugendlich frische Gesicht, die temperamentvolle Redeweise, die so gar nichts mit den Pathos gewisser Gelehrter gemein bat. Eine Frage läßt nichr mebr los: „Wie kamen Sie nur darauf, diese Bibliothek zu schaffen? Erklären Sie mir, Herr Professor, wie kam das alles?"
Doegen lächelt und erzählt: „Als Zwanzigjähriger ging ich »ach London, um die englische Sprache zu lernen. Da kam mir die Idee, daß dies auf phonetischem Wege auch geschehen könne. Ich dachte, daß die Lautschrift letzten Endes tote Schrift sei »nd daß man sie, um den Unterricht zu erleichtern, verlebendigen müsse. So kam ich auf den Gedanken, Svrachlautplatten zu propagieren, Sprechmaschinen für den Sprachunterricht zu verwenden. Dieser Gedanke ließ mich nie wieder los.
Ich wollte damals schon das Museum der Laute, die Lautbibliothek, schaffen. Ich baute, bastelte, ich studierte, .ich lief von Pontius zu Pilatus. Ich habe mir die Aufnahmemaschine, deren Typus heute noch für mich arbeitet, selbst gebaut. Aber man lachte mich aus, man verhöhnte mich und glaubte nicht an meine Idee. Ich ließ mich durch diesen Mangel an Verständnis nicht beirren.
1905 kam mein erstes Unterrichrsbeft in der englischen Sprache heraus, dessen Methode sich auf meine Sprachstudien mit der Sprechmaschine aufbaute. Der Erfolg zeigte, daß die Erlernung fremder Sprachen durch die Sprechmaschine eine wesentliche Erleichterung mit sich bringt. In kurzer Zeit wurde die neue Methode in etwa fünfhundert Schulen eingefübrt, heute arbeiten bereits dreitausend Schulen so. Im Kriege aber wurde der eigentliche Grundstock zur Lautbibliothek gelegt. Auf meine Veranlassung beauftragte mich das Preußische Kultusministerium, die Kriegsgefangenenlager zu besuchen und dort die Sprachen der Völkerstämme, von denen sich Angehörige in unserer Kriegsgefangenschaft befanden, aufzunehmen. Unterstützt von einem Stab Svrachgelehrter, gelang das Werk. Schottländer, Kaukasier, Südsranzosen, Neger, Inder, Javaner standen vor meinem Auf- nadmeapparat. Photos, Handschriftvroben, Texte in der Landessprache, deutsche Uebersetzungen dazu und die Lautsprache vervollständigten das Material.
Lin wesentlicher Faktor für meine Arbeit wurde die Konstruktion des Lauthalters. Er ermöglicht nach Belieben die unbegrenzte Wiederholung eines einzigen Lautes, so daß jedes Wortbild sich naturnotwendig einvrägen muß und die Eigenart der betreffenden Sprache besser kennzeichnete als lange theoretische Erörterungen. Am 1. April 192g wurde dann die Laur- abteilung der Preußischen Staatsbibliothek eröffnet. Täglich werden neue Aufnahmen der Bibliothek einverleibt. Jetzt würdigen Ausland und Inland meine Arbeit, aber —"
„Aber?" frage ich zurück.
„Es fehlt leider an Geld. Mit 25 000 Mark könnte ich einen meiner Lieblingspläne verwirklichen, nämlich das Lautarchiv der internationalen Schauspielkunst, das bisher nur in Fragmenten besteht, ausbauen und vervollkommnen. Und dann noch eins: Ich möchte gern, daß die Lautabteilung mehr der Oeffent- lichkeit zugänglich gemacht, daß sie in ein Museum verwandelt wird. Aber auch hier fehlt es leider an Geld. — Nun möchte ich Ihnen einige Platten unserer Sammlung Vorspielen".
Er geht an die Svrechmaschine und legt eine Platte auf, und ein englischer Soldatenchor singt das Tivverary-Lied. Darauf spricht Rabindranath Tagores einschmeichelndes Englisch, des Reichspräsidenten von Hindenburg sonore Soldatenstimme, des ehemaligen Kaisers Organ. Dann eine Kostprobe aus der kriminellen Abteilund: Fassadenkletterer Wald, der Schrecken des Kurfürstendamms, erzählt von seiner Entwicklung, von seinen traurigen Heldentaten. Und wieder die Stimmen fremder Völker. Ein Russenchor singt das Wolgalied, ein Franzose aus Südfrankreich spricht musikalisch ein Liebesgedicht. Dumpf tönt aus dem Zauberkasten der Neuzeit die Trommelsprache der Neger, ein mohammedanischer Gebetsrufer ruft sein „Allahu akwar". Aber die Zeit drängt. Es ist nicht mehr möglich, die deutschen Dialekte, die Abarten der Jndianersvrache, die indischen Mundarten und all die tausend phonetischen Merkwürdigkeiten zu hören.
Roch ein kurzer Blick in die Werkstatt der Bibliothek. Da ist vor allem das Lautlaboratorium mit seinen Phonographen, mit seinen schwierigen kostbaren Apparaten, die, unter Glastüren verstaut, vor Staub geschützt werden, erwähnenswert. Ein kleiner Aufnahmeraum, ein anderes Laboratorium, in dem der Mechaniker mit Schleifmaschinen, Wachsmatritzen, Eisengriffeln und Edelsteinen seine Arbeit bewältigt. In den anderen Räumen befinden sich die Archive, die sämtlichen Schriftproben der aufgenommenen Personen und photographische Front- und Profilaufnahmen (Diapositive, die Doegen unter großen Kosten anferti- sen lieb) aufbewahrt.
Als man beim Abschied noch einmal durch den Empfangsraum «eben muß, warten schon einige Japaner und eine Lhorgruppe nuf den Professor, dessen ganzes Sinnen und Trachten darauf seht, sein Lebenswirk weiter zu vervollkommnen.
Srdmkeufplitter
Von H. <8. Wells
8 Es gibt zwei erstrebenswerte Dinge im Leben: Erstens, das zu erreichen, was man will. Und dann, es zu Mietzen. Nur die Weisesten können das zweite. — Wie furchtbar, wenn man bedenkt, daß das, was die Leute von uns sagen, wahr ist! — Was ist bitterer, als zur Erkennt- uis zu kommen, daß einem nur der Mut gefehlt hat, die «epfel vom Baume zu schütteln? — Wer sich vornimmt, wott zu dienen und dem Mammon, entdeckt gar bald, daß I keinen Gott gibt. — Die meisten Leute verkaufen ihre veele und leben guten Gewissens von der Rente. — Zwischen Leuten, die an nichts Böses denken, gedeiht das «ose am besten. Zu glauben, wie wir alle es tun, daß Mir nämlich reich sein könnten, ohne uns wie die Reichen M betragen,..ist dasselbe, als glaubte man, den ganzen Tag «Men zu können und doch völlig nüchtern zu bleiben. — L- < . stugt ein Vogel in unserem Herzen. „Oh
oreude!' gibt ein anderer Vogel Antwort; derweilen sitzt uus Leben wie eine riesige, lauernde Katze dabei und A"et- — Ich gäbe willig mein Leben hin für meinen kk>er er soll »mich nicht bitten, ein Papierschnitzel ufzuheben. (Deutsch von Hans B. Wagenseil.)
Ser ProWitionragellt
Von Ossip Dymow
Ein durch eine Hauptstraße von Chicago fahrendes graues Lastauto erregte den Verdacht eines Polizisten. Er trat zu dem Manne am Steuer und fragte: „Was haben Sie da?"
Der Mann am Steuer war offenbar stocktaub. Er nickte blöd mit dem Kopfe, antwortete nicht und wollte weiterfahren. Der Polizist schob ihn aber mit rascher Bewegung vom Steuer, sprang auf den Wagen und hielt ihn an. Er hob die Schutzdecke von der Ladung und entdeckte mehrere Dutzend Kisten, die bis obenhin mit Spirituosen und Wein aller Art vollgepackt waren.
„Was hat das zu bedeuten?" fragte der Beamte barsch.
„Weiß ich nicht. Ich hab's bloß zu befördern...", entgegnet« der Fahrer.
„Wer hat Ihnen das aufgetragen?"
Der Mann war wieder taub.
Darauf begab sich der Polizist in einen nahen Laden und telephonierte an die Polizei, er habe einen Alkoholtransport angehalten.
„Hierher bringen", lautete die Antwort. „Wir schicken einen Agenten entgegen."
Der Polizist nahm nun selbst das Steuer, verwies den zeitweise tauben Fahrer auf den Platz neben sich und setzte den Wagen in Bewegung. Fünf Minuten später trat tatsächlich ein Prohibitionsagent an das Auto heran.
„Dich kenne ich, Du Halunke", schnauzte er den verhafteten Fahrer an. „Du fällst mir jetzt zum vierten Male in die Hände. Zwei Jahre kriegst Du!"
Er notierte die Nummer des Polizisten und stellte ihm eine Belohnung für seinen Pflichteifer in Aussicht. Dann entließ er ihn und nahm selbst das Steuer. Der Wagen mit seiner Last setzte sich in Bewegung. —-
Vergeblich spähte sich der richtige Agent, der wirklich von der Polizei ausgesandte, die Augen nach einem grauen Lastauto aus. Er konnte es nicht finden — denn der vor ihm auf der Bildfläche erschienene, der andere, der dem Polizisten eine Belohnung versprochen und den Fahrer so grimmig angeschnauzt hatte, war gar kein Prohibitionsagent gewesen — sondern einfach der Eigentümer der wertvollen Ladung.
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Ser musikalische Diebstahl
Als Friedrich der Große einst von Schlesien nach Berlin zurückkehrte, ließ er sogleich den berühmten Komponisten und Kapellmeister Graun zu sich rufen: „Eraun, spiel' Er mir doch den Anfang Seines ersten Rezitativs im ,Tod Jesu' vor!"
Eraun tat es.
„Jeder Ton gerade so", murmelte der König, „ich habe mich nicht verhört."
Graun fragte, was damit gemeint sei.
„Daß Er einen musikalischen Diebstahl begangen hat. Ich habe in Breslau ein altes Abendlied gehört, bei dem jeder Vers ganz genau wie sein Rezitativ anfängt; das Lied heißt,Der goldenen Sonne Lauf und Pracht - - Aber gräme Er sich nicht darüber, warum sollen zwei Komponisten nicht auch einmal den gleichen Einfall haben."
Eraun, dem der Vorfall sehr peinlich war, ließ sich das Lied, das ihm völlig unbekannt war, sogleich aus Breslau kommen und überzeugte sich, daß der König recht hatte.
Als er dies Friedrich dem Großen bei der ersten Gelegenheit sagte, meinte der König: „Nun wird Er wohl das Rezitativ ändern müssen?"
„Wenn's Eure Majestät nicht ausdrücklich wünschen, möchte ich es nicht tun, denn erstens macht es, da das Werk doch schon lange gedruckt ist, viel Mühe, und zweitens wird mich das Rezitativ immer daran erinnern, welch' fabelhaftes musikalisches Gedächtnis der König hat, den wir Friedrich den Großen nennen."
„Schmeicheln soll Er nicht, hör' Er, Eraun, das will ich nicht hören, aber ändern brauch' Er's auch nicht, denn das Abendlied ist schön, sehr schön sogar."
Und leise lang der König, in seinen Lehnstuhl geschmiegt, vor sich hin: „Der goldenen Sonne Lauf und Pracht. . ."
HansGäfgen.
...d<G kLiüremer mit Milch Lut schmeckt, missen wir WA/
Mer--aßman-ie mitkLÜlreiuerMnischlc Milch dreimal (!) leichter verdank als reine Mlch
-das staben unsere Gnahrnngsjorscher erlk im vachen^Aahr eutteckt /
Buntes Allerlei
Brieftaubenzucht
p. In Deutschland hat in den letzten Jahren die Brieftaubenzucht einen großen Aufschwung genommen. Die Anfangsversuche dieser Züchtungen liegen kaum mehr als hundert Jahre zurück. Das Stammland der Brieftauben ist Belgien, von dort wurde die Zucht dieser Tauben nach dem Rheinland und dann immer weiter nach Deutschland hinein verbreitet. Wenn schon im Kriege 1870/71 die Brieftaube bei der Belagerung von Paris eine bedeutsame Rolle im Meldedienst gespielt hat, so ist die Verwendung der Brieftaube im großen Weltkriege noch viel weiter ausgedehnt worden. Als der Grabenkrieg einsetzte und durch das immer mehr verstärkte Trommelfeuer sehr oft rückwärtige Verbindungen abgeschnitten wurden, waren es allein die Brieftauben, welche in kürzester Zeit aus den vorderen Linien Meldungen zu ihren Schlägen hinter der Front brachten und so in Hunderten von Fällen Soldaten aus schwerer Gefahr retteten. Ebenso konnte manchen Wasserflugzeugen und Schiffen in Seenot durch das Absenden von Brieftauben rechtzeitig Hilfe gesandt werden. Heber 200 000 Tauben spendete der Verband deutscher Vrieftaubenzllchter-Vereine in der Kriegszeit der Heeres- verwaltungg.
Die Gefahr des Scheintodes
p. 35 Abgeordnete der französischen Kammer brachten einen Vorschlag ein, demgemäß in Zukunft jede Todesurkunde nur nach sorgfältigster wissenschaftlicher medizinischer Prüfung des Todesfalles ausgefertigt werden soll. Die medizinische Akademie von Paris und die französische Akademie der Wissenschaften vertraten schon längst den Standpunkt, daß die Todesurkunden in Frankreich ohne genügende Prüfung ausgestellt werden. Es wird von den 35 Abgeordneten behauptet, daß auf je 500 Tote ein Scheintoter entfällt, der wegen der Unzuverlässigkeit der Todesurkunden lebendig begraben wird, um nach Erwachen im Grabe eines fürchterlichen Todes zu sterben.
Ein seltenes Hochzeitsgeschenk
p. In der englischen Grafschaft Eloucestershire fand kürzlich eine Hochzeit statt, bei der die Braut den Bräutigam bat, als Hochzeitsgeschenk allen Blinden in der Grafschaft einen Radioempfänger zu schenken.
Amerikanisches
p. Eine groteske Zeremonie fand in Norfolk in den Vereinigten Staaten statt, nämlich das Begräbnis der „schlechten Zeiten". In Gegenwart von tausend oder mehr Geschäftsleuten, Bankiers und Fabrikanten hielt der Gouverneur die Vegräbnisrede, als man sich anschickte, den alten Burschen „Eeschäftsdepression" zusammen mit seiner Gattin „Frau Pessimismus" und deren beider Tochter „Fräulein Unglück" im Meere zu versenken. Die Verurteilung und Vollstreckung des Todesurteils an diesen drei hauptsächlichen Faktoren der gegenwärtigen schlechten Geschäftslage in Amerika fand an Bord eines Dampfers statt, auf dem die Geschäftsleute von Virginia eine Vergnügungsreise unternommen hatten. In richtigen Särgen wurden die drei Puppen, welche die Uebelstände darstellten, in das Meer versenkt. Ein Geistlicher aus Norfolk leitete die Beerdigung! Der Gouverneur sagte in seiner Vegräbnisrede, daß man in Amerika keinen Platz für diese drei habe und sie niemals die Berechtigung gehabt hätten, sich in den Vereinigten Staaten aufzuhalten. Sie seien Schmarotzer, die sich von der Panik der Massen genährt hätten und seien durch ungerechtfertigte Angst und Ungewißheit entstanden. „Elende Kreaturen ich übergebe Euch dem Wellengrab. Euer Schicksal ist besiegelt. An Eure Stelle wird der Mann „schwere Arbeit", Frau „Optimismus", die kleine „Lohnliste" und Fräulein „Glück" treten."
ür die Schriftleitung verantwortlich: Ludwig Laut, ruck und Verlag der W. Rieker'schen Buchdruckerei, Altensteil-