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onntagsausgabe der Schwarzwälder Tageszeitung «Aus den Tannen"
Ur. 49/232
Anzeigenpreis: Die einspaltige Zeile 80 Pfg., die Reklamezetle 50 Pfg.
Altenstetg, Konntas 6. Gktober A"LTLL.k"" s? W
1S30
Sonntagsgedanken
Barmherzigkeit
Ansere Zeit rühmt sich ihrer Humanität. Humanität und Barmherzigkeit sind aber nicht dasselbe, sonst könnte in einer Zeit voll Humanität nicht so wenig Barmherzigkeit sein. Humanität geht nach Schema „Schablone", schwimmt auf der Oberfläche und macht viel Aufhebens von sich; Barmherzigkeit ist Bewegung. hat Blick fürs Tiefe, Einzelne und Kleine, macht wenig Worte und handelt, wo es zu handeln gilt. Humanität ist ein Programm, Barmherzigkeit eine Gesinnung. Jene kann man lernen, zu dieser mutz man geboren werden.
Der einstens vor 1900 Jahren durch diese Menschheit schritt, hat uns gezeigt, was Barmherzigkeit ist. Und er hat es den Menschen gesagt, daß keiner sich zu Gott bekennen kann, in dem nicht die erlebte, göttliche Barmherzigkeit zur wahren Barmherzigkeit treibt.
Das Gegenteil von Barmherzigkeit ist Pharisäertum: 4ie Unfähigkeit zu vergeben, weil man nur sich kennt, die mangelnde Bereitschaft, sich in den anderen und seine Verhältnisse hineinzudenken, der Unwille zu helfender Tat. Eine Frömmigkeit, die nicht reiche Blüten der Barmherzigkeit bringt, trägt fälschlich diesen Namen.
Die Menschheit schreit nach Barmherzigkeit. Denn ohne sie ist es grausam kalt in dieser Welt. Wo sie nicht ist oder wird, ist Hatz, Tod und Verderben. Nur ein Beispiel für viele: wir tun gut daran, die wachsende Zahl der Selbsttötungsfälle nicht nur unter dem Gesichtspunkt der sozialen Not anzusehen. Wer weiß, wie viele diesen letzten Verzweiflungsschritt taten, weil sie unter ihren Nächsten keinen Menschen mehr wußten, der für ihre Schwachheit Verständnis, Hilfe, Rettung fand, sondern Verdammen und Richten. Bei wie vielen mag es nach dem Wort des alten Königs gegangen sein: „Lasset «ns in die Hand des Herrn fallen; denn seine Barmherzigkeit ist groß; ich will nicht in der Menschen Hände fallen".
Mangel an Barmherzigkeit ist nicht eine Anklage gegen di« Welt, sondern gegen die Christenheit, die den Ruf ihres Meisters nicht ernst genug nimmt: „Seid barmherzig!" F. H-.
Von de, großen Liebe
Die Liebe ist tief wie das Meer; je mehr sie gibt, je mehr auch hat sie noch. Shakespeare.
Ein Tröpflein Liebe ist oft mehr wert als ein ganze: Sack »oll Gold. Bodelschwingh.
Der große Haß wütet osten und sichtbar; die große Liebe handelt heimlich und unsichtbar.
Linke.
Bolle brachte Karl zum Auto.
Josef mußte ihn nach Hause fahren, und er tat's nicht ungern.
Nach herzlichem Abschied schlich Bolle nach dem Saal zurück. Er hatte das Gefühl, als ob Grete dort auf ihn warte.
Und' es war so.
Das Mädchen stand am Flügel und hatte das Haupt >n ihre Hände vergraben.
Bolle ging es durch und durch. Sie weinte herzbrechend.
Aber er bezwang die Weichheit in sich und ging hin zu feiner Tochter.
»Del ist mir noch nich vorgekommen. Glückliche Braut und heulen. Was ist denn in dich gefahren"
Sie erschrak unter dem Ton seiner Worte, dann aber umschlang sie ihn.
»Ach . . . Papa! Ich ... ich bin so unglücklich. Ich habe eine Dummheit gemacht: Ich ... ich .. . habe ihn ja gar nicht lieb."
»Nicht lieb?" sagte Bolle grob. „Un . . . und da verlobste »ir mit ihm? Das ist wohl auch neue Sachlichkeit? Oder was haste dir denn dabei gedacht? Grete, schäme dich! Schäme dich! Ich habe so auf dir gehalten, und setzt machst ou solche Dummheiten. Wie kannste dir denn verloben?"
»Ich ... ich weiß nicht, wie es kam: Ich ... ich sah Herrn . . . Große . . so mit den anderen Damen zusam- lnenstehen, und ... er war so fröhlich und lachte mit ihnen. Und da hat mich die Wut gepackt und ich verlobte mich.
Gerade in dem Augenblicke brachte der Baron seine Werbung vor."
Bolle lachte grimmig.
„O, so seid ihr Weiber! So 'ne Laune, die regiert. Grete. Grete, du mußt dir noch so ändern. Haste ihn denn lieb?"
Sie sah ihn fragend an.
„Wen denn?"
„Nu . . . Karl Große?"
Sie senkte den Kopf verlegen und wurde rot.
Dann nickte sie stumm, schlang die Arme um den Vater und sagte stark: „Ja, ja, ich liebe ihn Ich will nur ihn und will ihm so gerne die Frau werden, die er sich in seinen Träumen ausgemalt hat. Wenn . . . wenn er mich nur lieben könnte."
Bolle atmete wie befreit auf.
„Vielleicht . . . Grete." sagte er lächelnd.
Am kommenden Montag erhielt Minna Bolle den Besuch des Barons Ludolf von Hochgesang.
Sie ging ihm voll Freude entgegen.
„Seien Sie herzlich willkommen, lieber Schwiegersohn!"
Der Baron küßte ihr die Hand und sagte: „Gnädige Frau, Ihren Worten entnehme ich, daß Sie von Ihrer Tochter noch nicht informiert worden sind."
Sie sah ihn erstaunt an.
„Informiert? Ja, was ist denn, Herr Baron?"
„Ihr Fräulein Tochter weigert sich, das Verlöbnis anzuerkennen. Sie hat mir einen Brief geschrieben, in dem sie mich bittet, von dem Verlöbnis zurückzutreten Sie sei ernsthaft mit sich zu Rate gegangen und müsse mir Mitteilen, daß sie doch nicht die Liebe für mich empfinde, die als unbedingt notwendige Grundlage zu einer guten Ehe anzusehen sei."
Frau Bolle sank in den Sessel und schnappte nach Luft.
„Das ... das hat Ihnen meine Tochter geschrieben? Das ist ja unerhört. Das . . . das werde ich gleich in Ordnung bringen. Das kommt natürlich nicht in Frage, Herr Baron. Meine Tochter kennt sie lange genug. Sie hat Ihnen, ohne von den Eltern gedrängt worden zu sein, ihr Jawort gegeben. Sie wird ihr Wort einlösen."
Der Baron verbeugte sich dankend.
„Darum möchte ich auch bitten, gnädige Frau. Ich liebe und verehre meine Braut und hoffe, mit ihr sehr glücklich zu werden. Ich bin auch nicht ein ixbeliebiger Schuldenbaron, der sie nur ein Rettungsanker ist. Aus dem Grunds möchte ich Sie doch bitten, mit Ihrer Tochter einmal in Ruhe und Güte zu sprechen. Ich werde meine Braut die nächsten vierzehn Tage in Ruhe lassen. Das wird gut sein. Am Tage nach dem Großen Preis von Berlin, das ist heute über vierzehn Tage, werde ich mir erlauben, meine Braut aufzusuchen. Ich danke Ihnen, gnädige Frau."
Der Baron erhob sich und küßte die fette Hand Frau Volles zum Abschied.
Frau Bolle blieb in größter Erregung zurück.
Dann suchte sie ihre Tochter Grete auf, die sie in ihrem Zimmer fand.
„Ich habe mit dir zu reden," sagte sie streng.
„So! Wohl wegen des Barons? War er da?"
»Ja!"
„Ist er einverstanden?"
„Nein! Und ich habe ihm versprochen, daß ich dich zur Vernunft bringen werde."
„Nicht in hundert Jahren, Mutter!"
„Du wirst den Baron heiraten! Soll alles über dich und uns lachen? Soll es heißen: Ein so verdrehtes Mädel weiß nicht, was sie will? Gibt das Jawort und widerrufts am nächsten Tage."
„Die Leute mögen sagen, was sie wollen!" sagte Grete derb. „Das kümmert mich nicht. Wenn sie sagen, daß ich verdreht war, dann . . . dann haben sie recht. Ich werde bis ans Ende meines Lebens nicht verstehen, daß ich dem Baron mein Jawort geben konnte. Aber geschehen ist es. Doch soll ich wegen dieser Unüberlegtheit, dieser Dummheit ein ganzes Leben gestraft sein? Willst du das. Mutter?"
Trotz war in dem jungen, schönen Gesicht.
„Du bist übergeschnappt!" sagte Frau Bolle böse. „Wir werden weiter darüber sprechen."
„Es hat alles keinen Zweck. Mutter. Ich will nicht! Ich will nicht! Ich will nicht!"
Frau Bolle zog sich gekränkt und empört zurück.
* » *
„Herr Große!" sagte Bolle am gleichen Morgen zu Karl. „Was denken Sie? Ich bin glücklich: Grete hat die Ver- lobuna aufgehoben. Sie will den Baron nicht."
Karl schüttelte verwundert den Kopf.
„In einer Frauenseele soll sich ein Mensch zurechtfinden.*
„Das soll einer. Haben recht, Herr Große. Mir hat di« Grete auch verraten, warum sie sich verlobt hat. Aus Aerger über Sie."
„Ueber mich?" sagte Karl und lachte. „Das ist doch wohl unmöglich. Was habe ich mit dem Herzen Ihrer Tochter zu tun?"
Volle sah verlegen vor sich hin.
„Herr Große ... ich Hab Ihn mal gesagt, daß Sie mein Schwiegersohn werden sollen. Sie wissen, wie gut ich's mit Ihnen meine. Ich möchte Sie immer um mich haben. Sie werden gedacht haben, der alte Bolle ist ein verrückter Kerl, der wirft mir seine Tochter an den Hals."
„Das habe ich nie gedacht, Herr Bolle. Da schätze ich Sie viel zu sehr."
Bolle sah ihn dankbar an. „Schön! Und — Herr Große, ich habe meiner Tochter kein Wort gesagt, daß ich Sie gern als Schwiegersohn haben möchte. Nee, nee, Liebe ist so 'ne Sache, da soll man nicht mit plumpen Händen dazwischen fassen. Aber — meine Grete hat Sie lieb. Sehen Sie — das ist die blanke Wahrheit — und das — das wollte ich Ihnen nur sagen. Sie sollen gar nichts drauf sagen. Nee» nee, ich will sie nicht bereden. Das tut Bolle nicht. Aber — wenn Sie meiner Jüngsten mal gut sein könn' — dann wär's mir die schönste Freude."
„Herr Bolle," sagte Karl ernst, „ich dank Ihnen für Ihre Zuneigung. Sie ist mir viel wert. Aber hoffen Sie nicht, daß wir je in ein verwandtschaftliches Verhältnis miteinander kommen werden. Das kann nicht eintreten. Es stehen dem große Schwierigkeiten im Wege, über die ich nicht gut sprechen kann. Aber — lassen Sie uns weiter gut und froh zusammen schaffen."
Bolle nickte und sagte versonnen: „Jawoll! Det sowieso! Ich denk, daß das Schicksal manchmal alles von selber ?in- renkt."
„Jawohl," entgegnete Karl fröhlich. „Denken Sie das, Herr Bolle. Das ist gut und wird manchmal auch so."
Damit verabschiedete sich Karl von ihm. um wieder an die Arbeit zu gehen.
Eine knappe Viertelstunde darauf kam Grete Bolle. Trotzig und entschlossen war ihr Antlitz, als sie grüßte.
Bolle dankte ihr und sah sie dann fragend an.
„Haste alles in Ordnung, Grete?"
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, der Baron weigert 'ich, mit der Aufhebung der Verlobung einverstanden zu sein."
„Weigert sich! Er wird schon noch nachgeben. Wenn's sein muß, dann zahl ich ihm en Schmerzensgeld."
„Das wird nicht in Frage kommen. Papa. Aber — ich werde auf keinen Vorschlag eingehen. Ich — schäme mich ja so, und tausendmal habe ich mich gefragt: Wie konntest du diese Dummheit begehen? Ich kann mir keine Antwort geben. Es ist geschehen. Aber ich will deswegen nicht mein ganzes Leben unglücklich sein. Papa, ich passe ja im Grunde genommen gar nicht in die Kreise, in denen ich mich immer bewegt habe. Ich fühl's heute mehr denn je. Ich bin nach dir, Papa. Und ich will das alte Leben nicht mehr fortführen."
„Nicht!" staunte Bolle erfreut. „Was willste denn an- fanaen?"
„Arbeiten, Vater!" sagte Grete entschlossen.
Bolle erhob sich im Sessel und starrte seine Jüngste an. Er glaubte, nicht recht gehört zu haben.
„Wat willste?"
„Arbeiten, Papa! Feste arbeiten von früh bis abends, damit ich wieder richtige Freude am Leben kriege."
Bolle schloß sie in seine Arme. Er war im Innersten gerührt.
„Grete, Mädel . . . das ist ein Tag. Nee, nee, den vergeh ich nie. Heut ist mir, als habe ich in dir meine Tochter so richtig wiedergefunden. Also arbeiten. Mädel! Kannste! Det sollste! Aber ... bei mir."
„Ja, Papa!"
„Was verstehste denn nu?"
„Nichts. Papa!"
„Ist gut! Dann lernste es. Du hast doch meinen fixen Kopf."
„Ich denk's, Papa! Ich will lernen."
„Jut! Du wirst meine Buchhalterin. Ich habe mir bis jetzt allein mit dem Kram abgeplagt. Det tust du nun. Es ist ganz einfach. Brauchst keine Angst zu haben. Nur . . . vor den Nullen mußt du dich in acht nehmen. Weißte, schreibt man da so 'ne Null, die doch gar nischt wert ist, hintendran, bums ... da verzehnt sich gleich der Wert der