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Nr. 232

Stresemams Todestag

Gedenkkundgebung zum Tode Dr. Stresemanns Berlin, 3. Okr. Der Reichskanzler bat in einem Schreiben an die Gattin ves verstorbenen Reichsaußenministers Dr. Strese- mann oes Tovesiages gedacht und zugleich im Namen der Reichsregierung zum Ausdruck gebracht, in wie grober Vereh­rung das Reichskabinelt seiner gedenkt. Auch Reichsaußenmini- ster Dr Curtius hat an Frau Stresemann von Genf aus ein in warmen Worten gehaltenes Eedenktelegramm gerichtet.

Die Feier am Grabe Stresemanns Berlin, 3. Okl. Am ersten Todestage Dr. Stresemanns fand auf dem alten Luisenstädtischen Friedhof zu Berlin eine Feier zur Enthüllung des von Professor Hugo Lederer entworfene« Denkmals statt. Aus mächtigen grauen Quadern gefügt, um­rahmt eine schlichte, entfernt an die Form eines griechischen Architravs gemahnende hohe Wand die geräumige Grabstätte, in deren Mitte ein Sarkophag aus gleichem Material ruht. Nur ein Wort:Stresemann" in einfachen vergoldeten Buchstaben hebt sich von dem Denkmal ab, das schöne alte Bäume überragen.

Die Feier, die von Chorgesang des akademischen Sängerchors unter Leitung von Kittel umrahmt war und bei deren Beginn um die 12. Stunde die alte Friedhofsglocke läutete, in deren Klang die Glocken aller umliegenden Kirchen mit ihrem Geläut einfielen, vereinte um das Grab die Familie des Verstorbenen, die Spitzen der Reichs- und Länderbehörden und eine Anzahl ge­ladener Gäste.

Reichsminister Dr. Mirth hielt folgende Rede: Aus Professor Hugo Lederers Hand nehmen wir mit Dank und Anerkennung das Grabmal des groben Gustav Stresemann entgegen und Ihnen, hochverehrter Herr Pfarrer Augar, übergeben wir dieses Ehrenmal und ihrer Gemeinde zu treuen Händen. Es war für mich ein interessanter Augenblick in den letzten Tagen, dem Bei­spiel Gustav Stresemanns zu folgen und mit Goethe durch die Zeit zu wandern. Ich las die schönsten Stellen, aber eine ist mir besonders aufgefallen, ein Wort Goethes zum dritten Oktober, dem Todestage Stresemanns aus dem Jahre 1810 aus einem Briefe Körners:Es ist der Verneinung so viel in der Welt, das, man zuletzt nicht wüßte, was man billigen und schelten sollte, wenn uns nicht eine senkrechte Haltung das Zutrauen erlaubte, das wir unter gegebenen Bedingungen gerecht gehandelt". Das ist das Zeichen des groben Staatsmannes des deutschen Volkes gewesen, daß er in der kurzen Spanne, die ihm der Herrgott zu wirken gab, folgerecht gehandelt hat, folgerecht aus dem Wunsche eines stürmischen Herzens heraus unter den Bedingungen, die uns in diesen Zeitläuften das Geschick gegeben hat. Und so hat er auf der Höhe des Ruhrabwehrkampfes jenen Weg gefunden, um aus den Wirren jener Tage das deutsche Volk herauszu­führen. So hat er konsequent die Politik der Verständigung, die Politik der Verführung mit allen unseren ehemaligen Kriegs­gegnern fortgeführt, bis zu dem Tage, der ihm nicht vergönnt war, wo die Friedensglocken am deutschen Rhein die Freiheit verkündeten. Diese Folgerichtigkeit ist es, die wir unserem deut­schen Volk als Erbe unseres groben Stresemann in dieser Feier­stunde wünschen möchten. O möchte es gelingen, bei allen Frauen und Männern, die hier und draußen versammelt find, bei dem ganzen Volke den Geist lebendig zu machen, der unseren groben Toten ausgezeichnet hat. So schön und erhaben diese Spende ist, möge sie dem Geist des Friedens, dem Geiste der Gesinnung dienen und diese hinaus ins weite deutsche Land tragen Wir verbeugen uns in dieser Stunde vor dem Andenken Srrcsemanns, dem wir ein treues Andenken immer bewahren. Der Herr Reichspräsident, der Reichskanzler und die Reichsregierung und die Stifter dieses Denkmals widmen in dieser Feierstunde dem Andenken des TrL-u den verdienten Lorbeer.

Genfer Ehrungen für Stresemann Genf, 3. Okt. Anläßlich der heutigen Wiederkehr des Todes­tages Dr. Stresemanns wurde in der deutsch-lutherischen Kirche ein Gedenkgottesdienst veranstaltet, der sich zu einer neuen inter­nationalen Ehrung für den. deutschen Staatsmann gestaltete. ^ Stresemann-Eedenkfeier der Vylkerbundsversammlung Genf. 3. Okt. Der Präsident der Völkerbundsversammlung un­terbrach heute mittag die Beratungen, um Dr. Stresemann an­läßlich seines heutigen Todestages folgende Worte des Geden­kens zu widmen: Es ist heute ein Jahr vergangen, seit Dr. Stresemann Deutschland und dem Völkerbund durch den Tod entrissen wurde. Das Werk Dr. Stresemanns ist zu eng verbun­den mit der Tätigkeit des Völkerbundes in den letzten Jahren, als daß ich näher darauf einzugeben brauche. Stresemann besaß eine seltene Gabe. Er war Mensch. In allen öffentlichen und privaten Erörterungen hat er, ohne jemals die Interessen sei­nes Landes auberacht zu lassen, die Fähigkeit besessen, die Auf­fassung der anderen zu verstehen. Man konnte mit ihm nicht nur persönlich verhandeln, man konnte mit ihm sprechen. Des­halb hatten wir für ihn mehr als Bewunderung, mehr als Ach­tung, nämlich Liebe. Ja, wir haben ihn geliebt. Daß er nicht mehr unter uns weilt, darin liegt der tiefe Schmerz, den wir alle empfinden. Je mehr die Zeit vergeht, umso mehr wird die Nach­welt das Urteil seiner Zeitgenossen bestätigen Er war ein gro­ber Deutscher, ein grober Bürger der Welt. Entsprechend der Aufforderung des Präsidenten,dem ehrlichen Diener Deutsch­lands und oes Völkerbundes durch einen Augenblick der Samm­lung zu ehren", erhoben sich die Delegierten von ihren Plätzen. Im Namen der deutschen Delegation sprach der jetzige Führer, Graf Bernstorff, dem Präsidenten und der Versammlung den tiefsten Dank für die Ehrung des verstorbenen Reichsaußenmini­sters aus. Wir alle, so fügte Graf Bernstorff hinzu, können sein Andenken am besten ehren, wenn wir seine Arbeit im gleichen Geiste der internationalen Verständigung fortsetzen, die seinen Namen unsterblich gemacht hat.

Ford im Kölner Rathaus

«An. 2. Okt. I« Anschluß an die Grundsteinlegung vom Neu­bau der Ford-Fabrik in Köln wurden Henry Ford, seine Gattin und seine Begleitung im Rathaus von Oberbürgermeister Dr. Adenauer empfangen. Der Oberbürgermeister begrüßte Ford mit einer Ansprache. Er wies auf das Reformvrosramm der Reichs­regierung hin. Es sei nicht an der Zeit, jetzt wegen Einzelheiten billige Kritik zu üben. Viel wichtiger, ja entscheidend sei es, daß möglichst schnell gebandelt wird, damit das Vertrauen in die Stengkeit der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland im Inland und Ausland gefestigt und bekräftigt wird. Herr Ford dankte für die freundliche Begrüßung. Da er die deutsche Sprache nicht beherrscht, bat er den Reichsministsr a. D. Albert. Mitglied des AuMcktsrates der deutschen Nieder-

I lassung der Fordgesellschaft, in 'seinem Namen zu antworten.

Dieser führte u. a. aus: Ford sei der Ansicht, daß internationale i Zusammenarbeit die wichtigste und beste Grundlage für die na- ! tionale Verständigung und den internationalen Frieden bilde. > Ford denke über die Zukunft Deutschlands sehr optimistisch und er sehe die augenblicklichen Schwierigkeiten in Deutschland als vorübergehend an.

Dr. Schacht über das Neparatlonsproblem

Newyork, 3. Oktober. Bei einem zu Ehren Dr. Schachts gegebenen Frühstück hielt Dr. Schacht auf allgemeinen Wunsch eine Rede über die gegenwärtige allgemeine Lage, insbesondere über die Deutschlands. Besonders interessant war, wie Dr. Schacht den Ausfall des Wahlresultats psy­chologisch begründete. Er zählte die politischen Ungerech­tigkeiten auf, die gegen Deutschland in den Nachkriegs­jahren begangen worden seien und malte die Enttäuschung aus, die durch die Wiedereinführung der politischen Sank­tionsklausel auf der zweiten Haager Konferenz eintrat. Unter Angabe ziffernmäßiger Belege führte der ehemalige Reichsbankpräsident weiter aus, die Reparationen könn­ten nicht ohne schwere Beeinträchtigung des Lebensstand­ards der Arbeiterklasse bezahlt werden, was angesichts der großen Arbeitslosigkeit und der allgemeinen Depression neuerdings auch den Arbeitern klar zu werden beginne. Mit der Fortsetzung der Anleihewirtschaft sei das Problem nicht zu lösen. Das Neparationsproblem müsse entweder durch gemeinsame Wirtschaftspolitik gelöst werden oder es müsse aus der Welt verschwinden.

Schwerer Eisendahmmslüch in Paris

Paris, 3. Oktober. Heute abend stießen beim Bahn­hof St. Lazare zwei Personenzüge zusammen. Bisher wer- s den vier Tote und dreißig Verletzte gemeldet.

Paris, 3. Oktober. Zu dem Zusammenstoß in der Nähe des Bahnhofs St. Lazare wird weiter berichtet: Der nach Lantes ausfahrende vollbesetzte Personenzug fuhr kurz hin­ter dem Bahnhof auf einen aus noch nicht geklärter Ursache auf demselben Gleis haltenden Zug auf. Die Maschine und die beiden ersten Wagen des rammenden Zuges wur­den stark beschädigt und beim Zusammenprall wurden zwei bis drei Personen verletzt. Die Reisenden stürzten sich in ihrer Erregung, teils um sich über die Ursache des Zusammenstoßes zu unterrichten, teils um sich in Sicherheit zu bringen, trotz der Warnrufe des Zugpersonals auf das Gleis. In diesem Augenblick fuhr ein elektrischer Zug, der auf dem Bahnhof St. Lazare laden wollte, ein. Die auf dem Gleis versammelten Reisenden wurden von ihm er­saßt. Hierbei sind vier Personen getötet und dreißig ver­letzt worden.

Neues vom Tage

Die Kommunisten fordern Auslösung des Württ. Landtags Stuttgart, 3. Okt. Die Kommunisten haben, so berichtet das HellbraunerNeckar-Echo", die sofortige Einberufung des Land­tags beantragt. Der Landtagspräsident hat diesen Antrag zur Aeutzerung den Fraktionen zugestellt. Weiter haben die Kommu­nisten die Auslösung des Landtages beantragt.

Die Besprechungen des Reichskanzlers mit den Parteivertretern

Berlin, 3. Oktober. Wie wir erfahren, wird die Be­sprechung des Reichskanzlers mit den beiden nationalsozia­listischen Vertretern Dr. Frick und Stöhr morgen nachmit­tag um 4 Uhr stattfinden. Der Empfang des Vertreters der Deutschnationalen Volkspartei ist auf Montag ver­schoben worden. Es ist übrigens anzunehmen, daß nicht Geheimrat Hugenberg zum Kanzler gehen wird, sondern der stellvertretende Parteivorsitzende Herr v. Winterfeld. Dr. Hugenberg weilt augenblicklich nicht in Berlin.

Disziplinarische Maßnahmen gegen Offiziers-Zeugen?

Berlin, 4. Oktober. Wie derVorwärts" wissen will, beabsichtigt das Rerchswehrministerium, nach dem Abschluß des Reichswehrprozesses zu prüfen, ob gegen eine Reihe von Reichswehrzeugen auf Grund ihrer Aussagen vor dem Reichsgericht mit disziplinarischen Maßnahmen vorge­gangen werden muß.

Verhaftung von fünf Kommunisten unter dem Verdacht des Sprengstoffdiebstahls

Iserlohn, 4. Oktober. Am Freitag nachmittag ver­haftete die Polizei fünf Kommunisten, die unter dem dringenden Verdacht stehen, den schweren Sprengstoffdieb­stahl in der Nacht zum 20. September d. I. im Iserlohner Sprengstofflager ausgeführt zu haben. Die Diebe hatten damals 38 Kilo hochwertigen Sprengstoff und 1300 Sprengkapseln entwendet.

Reichstagsbeginn am 13. Oktober Berlin, 3. Okt. Reichstagspräsident Löbe teilt mit, daß von dem ursprünglichen, von der Regierung geäußerten Wunsch auf Vorverlegung des Zusammentritts des neuen Reichstages Abstand genommen worden ist. Infolgedessen bleibt es dabei, daß der Reichstag zum erstenmal am 13. Oktober Zusammentritt.

Eintreffen von Dr. Curtius in Berlin Berlin, 3. Okt. Reichsminister Dr. Curtius ist am Frei­tag mittag aus Genf mit einem Teil der deutschen Dele­gation in Berlin eingetroffen. Er hat im Lause des Nach­mittags einen Kranz am Grabe Dr. Stresemanns nieder- gelegt und den Reichskanzler aufgesucht.

Piccard will am Samstag starten ! Augsburg, 3. Okt. Nach seinem ersten mißglückten Ver­such, den Flug in die Stratosphäre zu machen, wird der belgische Professor Piccard am Samstag von dem Flugfeld der hiesigen Ballonfabrik erneut starte«. In den letzten Wochen find an dem Freiballon einige Aenderungen vor­genommen worden, so daß Piccard tzrfst, diesmal mehr Glück zu haben.

Um die Gehaltskürzung

Berlin, 3. Okt. Reichstagsabgeordneter Dr. Külz hat di« Leitung des Reichsbundes der höheren Beamten nieder­gelegt, um bei den bevorstehenden schwierigen Entschei- dungn im Reichstag, die durch das neue Notprogramm ver­anlaßt werden, seine Entschließungen frei von allen Rück­sichten fasten zu können.

Ken« Fährte» desGras Zeppelin" Friedrichshofen, 3. Okt. Freitag vormittag stieg das Luft­schiff Graf Zeppelin unter Führung von Kapitän Lehmann zu einer Charterfahrt in die Schweiz auf. An Bord befanden sich 34 Passagiere. Die Rückkehr erfolgte glatt gegen 2 Uhr nach­mittags. Am Sonntag früh finden zwei Landungsfabrten statt, die erste in Leipzig, worauf das Luftschiff wieder zu einer Fahrt nach Görlitz aufsteigt, um dort nochmals eine Zwischen­landung vorzunebmen.

Französischer Ministerrat über die Genfer Verhandlungen Paris» 3. Okt. Am Freitag vormittag fand unter dem Vorsitz des Präsidenten der Republik ein Ministerrat statt, der zwei Stunden dauerte. Nach dem amtlichen Commu- nique erstatteten Außenminister Briand und Handels­minister Flandin über die Arbeiten des Völkerbundes in Genf Bericht. Der Ministerrat sprach der französischen De­legation seinen Dank aus für die Art und Weise, wie sie die Thesen über Abrüstung und Minderheiten glücklich vertreten hätte, deren Verteidigung die Regierung ihr anvertraut habe. Der Ministerrat gab alsdann seine Zustimmung zu einem Dekret, das die Einfuhr von gewissen Erzeugnissen aus Sowjetrußland einschriinkt; vor allem betrifft das Ge­treide, Fleisch, Eier, Zucker, Holz, Leinsam, Gelatine und

Europaflug der G. 38

Dessau, 3. Okt. Das größte deutsche Landflugzeug, die Junkers E. 38, wird nach der erfolgten Genehmigung durch das Reichs- verkehrsministerium morgen früh um 8 Ubr einen Europa-Flug unternehmen, bei dem 15 Staaten besucht werden. Die erste Etappe führt über Prag, Wien. Budapest, Belgrad, Bukarest, Konstantinopel, Saloniki, Athen nach Rom.

Ein Pastagier aus dem Flugzeug gesprungen Hannover, 3. Okt. Nach der Landung des Flugzeuges der Strecke Hamburg-Hannover auf dem Flughafen Hannover be­richtete der Passagier Raedle, daß gegen 12.10 Uhr ein zweiter Passagier. Pipler, in offenbar selbstmörderischer Absicht aus dem Flugzeug gesprungen sei. Beide Passagiere hätten nebeneinan­der gesessen, und Raedler habe interessiert aus dem Fenster die Landschaft betrachtet, bis er einen scharfen Luftzug verspürt habe. In diesem Augenblick habe er gesehen, wie sich Pivler hin­ausstürzte, ohne daß er ihn daran hindern konnte. Die völlig zerschmetterte Leiche des Passagiers ist im Kreise Harburg auf­gefunden worden. Nach den zurückgelassenen Papieren des To­ten handelt es sich um einen 34jährigen Chauffeur Paul Kepp- ler aus Schmollwitz in Schlesien, der seinen Wohnsitz in Ham­burg hatte.

Zwischenfälle bei der Ankunft Vriands Paris, 3. Okt. Außenminister Briand und Handelsminister Flandin sind aus Genf wieder in Paris eingetroffen. Als Bri­and aus dem Zuge stieg, trat plötzlich ein Mann auf ihn zu und machte, wie Havas berichtet, laute Vorwürfe, er führe den Krieg mit Deutschland wieder herbei. Es handelte sich um einen 36 Jahre alten, zu 65 Prozent Kriegsbeschädigten Architekten. Als Briand in Paris den Lyoner Bahnhof verlieb, barte sich dort eine Anzahl Camelot du Rot versammelt, um eine Kund­gebung gegen Briand zu veranstalten. Die Polizei schritt ein und verhaftete mehrere von ihnen.

Vombenattentat in Lemberg

Warschau, 3. Okt. Ein Vombenattentat wurde in Lemberg aus das Gebäude der ukrainischen KonsumgenossenschaftDentro- sojus" verübt. In rascher Reihenfolge explodierten eine Anzahl von Bomben mit starker Explosionskrast. Das Innere des Ge­bäudes mit dem Warenlager und den gesamten Dokumenten und Büchern ist vernichtet. In den umliegenden Häusern wurden etwa 300 Fensterscheiben zertrümmert. Der Wächter und seine Familie, die allein in dem Hause wohnten, wurden durch den Luftdruck aus ihren Betten geworfen und verletzt. Verschiedene Gäste einer gegenüberliegenden Gastwirtschaft wurden durch Elassplitter verwundet. Von den Tätern fehlt bisher jede Spur.

Zusammenstöße bei der Vernehmung von Böß Berlin, 2. Okt. Der Untersuchungsausschuß des preußischen Landtages gegen dieMißwirtschaft in der Berliner Stadtver­waltung" vernahm nochmals den Oberbürgermeister Böß über das Zustandekommen und die Ausgaben aus dem Wohlfahrts­und anderen Sonderfonds. Böß, in sichtlich erregter Stimmung, gab mehrere Male so heftige Antworten, daß es zu lärmenden Zusammenstößen zwischen ihm und den Regierungsparteien ei­nerseits und den Deutschnationalen andererseits kam. Er bestritt, daß auch nur in einem einzigen Falle einer Lieferantin mitge­teilt sei, sie würde Aufträge erhalten, wenn sie Spenden gebe, und bezeichnete es als schändlich, daß entgegengesetzte Behaup­tungen verbreitet würden. Als der Berichterstatter Könnecke (Dn.) ibm vorwarf, er hätte in seiner Vollmacht unberechtigter­weise über diese Fonds zugunsten seiner Erben verfügen wollen, rief Böß:Eine größere Schande ist noch nicht vorgekommen. Man hat einfach nicht beachtet, daß diese angebliche Vollmacht nur bankmäßig formalen Charakter trug und außerdem irr­tümlich mit dem Fonds, in Verbindung gebracht wurde. Daran, daß ich in diesem Falle diffamiert wurde, haben Sie (zum Be­richterstatter) die Schuld. Während die Linksparteien zu dieser Auffassung ihre Zustimmung bekundeten, machten die Deutsch­nationalen stürmische Zwischenrufe gegen Böß. Abg. Hillger (Dn.) rief:Am Pelz sind Sie aber schuld!" Könnecke selbst er­klärte, er bedauere, daß er als Berichterstatter nicht in der Lage sei, Böß die Antwort zu geben, die sein Temperament ihm ein­gebe.

Der weiter vernommene Generaldirektor der Aschinger AG., Kommerzienrat Lohnert, bekundete, beim Ankauf des Aschinger- Grundstückes am Alexandervlatz hätten vier Schlichter, darunter der damalige wirtschaftsparteiliche Stadtrat Busch und der so­zialdemokratische Abgeordnete Heilmann je 20 000 Mark Schlich- tergebiibren erhalten.

In der sich anschließenden vertraulichen Sitzung beantragte Dr. Graß (Z.), den Untersuchungsausschuß aufzulösen, weil er seinen wesentlichen Arbeitskomvlex nun erledigt hätte. Es ist anzuneh­men, daß muh den erforderlichen Schlußsitzungen mir Plädoyers «üb Latrüae» der Aullöfungsantrag Annahme finden wird.