Württemberg.

Württembergischer Landtag.

Der staatsrechtliche Ausschuh der Zweiten Kammer nahm einen Antrag Hasel an, die Eingabe von 55 dem Schulverband Kisslegg angehörigen Parzellisten der Ge­meinde Sommersried um Errichtung einer Filial - schule in Bürenweiler der Regierung zur Kenntnis­nahme zu überweisen.

Vom Verein für ländliche Wohlfahrtspflege.

Am Mittwoch hielt der Verein in Nürtingen seine 9. Hauptversammlung ab. Im Hotel Schöll begann vor­mittags 9 Uhr die Mitgliederversammlung, die der Ver­einsvorsitzende, Reg.Rat Freiherr von Soden- Tübin­gen, leitete. Geschäftsführer Michel erstattete den Ge­schäftsbericht. Am 31. Dezember 1913 zählte der Ver­ein 232 körperschaftliche und 1212 persönliche Mitglieder; nur noch 5 Amtskörperschaften sind nicht Mitglied, von den Landw. Bezirksvereinen traten 7 dem Verein bei. Der mäßige Besuch der Hauptversammlung am 14. Mai in Göppingen zeigte, daß die Bestrebungen des Vereins in kleineren Städten oder Landorten auf besseren Boden fallen, als an Jndustrieplätzen, das bewies z. B. auch die Herbstversammlung in Schorndorf. Ohne Gemeindehaus sei eine durchgreifende ländliche Wohlfahrtspflege kaum durchzuführen. Die Mitarbeit der Frau an den Be­strebungen des Vereins wurde als unentbehrlich aner­kannt. In der öffentlichen Nachmittagsversammlung, der staatliche und städtische Vertreter und viele Zuhörer aus der Bürgerschaft anwohnten, sprach Stadtpfarrer Eandberger-Bad Liebenzell über Wohl­fahrtspflege und Familienleben: Auch das ländliche Familienleben leide bei uns, da die Industrie sich weit hinein ins Land verzweige, unter ähnlichen Schwierig­keiten wie in der Stadt. Dieser Not tritt die mannig­fache Arbeit der Wohlfahrtspflege entgegen, nicht selten mit dem Erfolg, daß das Leben der Kinder in den Ver­einen aufgehe und den Eltern fast abgenommen, dah also die Erziehung eine mechanische und wenig individuelle werde. Es mühte das Ziel aller Wohlfahrtspflege sein, solche Familien heranzubilden, die den Bedürfnissen aller Hausgenoffen selbst Befriedigung bieten könne. Redner führte in gemütvoller Weise aus, wie das geschehen könnte, und wie unser Verein mit seinen schon geleiste­ten Arbeiten manches zur Bereicherung des Familien­lebens und -Sinnes bieten könne. Im besonderen emp­fiehlt er Pflege der Hausmusik, des Vorlesens und des Spiels. So könne durch den Verein daran gearbeitet werden, dah die Familie wieder eine Wohnung der Zu­friedenheit, der Liebe und des Segens werde. Die­sem Vortrag folgte einer von Arbeitersekretär Sprin­ger über Kunstpflege auf dem Lande.

Noch immer vermißt

wird der 25jährige Hermann Vötsch aus Ludwigsburg. Er ist wahrscheinlich am Samstag vor Ostern (11. April) vormittags von Ludwigsburg weggefahren, vielleicht nach München oder ins Gebirge, und seitdem spurlos verschwunden. In München hat er Bekannte, bei denen er zunächst vermutet wurde. Man nimmt an, dah ihm irgendwo in Süddeutschland ein Unglück zugestohen ist. Vielleicht ist er ins Gebirge gefahren und dort ver­unglückt.

Oberndorf, 7. Mai. In der katholischen Stadtpfarr­kirche erteilte gestern Bischof Dr. von Keppler 700 Kin­dern von hier und aus 6 Landgemeinden die Firmung. Am Vorabend hatten die beiden Männergesangvereine Liederkranz" undFrohsinn" und die Musikkapelle vor dem Stadtpfarrhause dem Bischof ein Ständchen ge­bracht. Nach dem Gottesdienst machte der Bischof bei Eeh.Rat v. Mauser und bei dem Stadtvorstand Besuche. Nach dem Festessen in derPost", an dem die Geistlichen, Lehrer, der Kirchenstiftungsrat, Mitglieder des Ee- meindekollegiums und Beamte teilnahmen, begab sich der Bischof nach Kloster Heiligenbronn.

Plochingen, 7. Mai. 27 500 sind gestern den Wirbelsturmgeschädigten als Beitrag des Staates und der Zentralleitung des Wohltätigkeitsvereins ausbe­zahlt worden.

Plochingen, 7. Mai. Die wegen der Maifeier aus­gesperrten Arbeiter der Wendlinger Möbelfabrik von Erwin Behr haben die Arbeit wieder ausgenommen.

Göppingen, 7. Mai. Laut Beschluß der bürger­lichen Kollegien ist das Anwesen der schon länger in Liquidation getretenen Mechanischen Drillweberei Akt. Ges. in den Besitz der Stadt zum Kaufpreis von 185 000 -R übergegangen. Das Areal umfaßt 50 Ar 17 qm. Un­ter Umständen wird der Konsumverein einen Teil des Anwesens, das in unmittelbarer Nähe seines Besitztums ist, erwerben.

Heilbronn, 7. Mai. Der volksparteiliche Landtags­abgeordnete Betz wurde am letzten Samstag beim Emp­fang des Landtags durch den König in der Wilhelm« von einem heftigen Unwohlsein befallen, von dem er sich bis jetzt nicht wieder erholen konnte.

Ellwangen, 7. Mai. Oberlehrer Kienzler in Jagst- zell ist gestern nachmittag seinen Verletzungen erlegen. Der Täter zeigt bis jetzt keine Reue.

Ochsenhausen, 7. Mai. Gestern abend ist zwischen Eichbühl und Erlenmoos der ca. 30 Jahre alte Knecht Xaver Bär von Eichen von einem Holzsuhrwerk, das er leitete, überfahren und getötet worden.

Au» Welt «11- Zeit.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 7. Mai.

Der Reichstag nahm heute in 1. und 2. Lesung einen Initiativantrag Speck (Ztr.) auf Unpfändbar­keit der Aufwandsentschädigungen an, die den Familien gewährt werden, von denen 3 Söhne im Heer oder der Marine dienen. Alsdann hat der Reichstag in zweiter Lesung auch die nach den Beschlüssen der Kommission erweiterte Besoldungsnovelle einstimmig an­genommen. Staatssekretär Kühn erklärte namens der verbündeten Regierungen wieder, was er in der Kommission schon erklärt hatte, dah, wenn der Reichstag dem Gesetzentwurf in der Form der Kommissionsfassung zustimmen sollte, die verbündeten Regierungen dem Ent­wurf ihre Genehmigung versagen müssen. Nun ist also mit einem Scheitern der Vorlage zu rechnen, wenn nicht eine Einigung vor der dritten Lesung herbeigeführt wird. Darnach kam der Militäretat wieder an die Reihe. Das Wort hatte zunächst der Kriegs- minister. Er ging in temperamentvollen Ausfüh­rungen gegen Liebknecht vor, in denerx er es als seine Pflicht ausgab, die Sozialdemokratie mit allen Mitteln zu bekämpfen. Nach ihm sprach Stück len (Soz.), der sich gegen seinen Vorredner mit großer Schärfe kehrte, dann für den Soldaten das Recht der Notwehr bei Mißhandlungen forderte. Seit 1870 hätten sich 10 000 Soldaten das Leben genommen. Zwischen Heer und Volk, Garde und Linie herrsche eine Kluft, weil trotz Offiziermangels Söhne von Unterbeamten nicht Unter­kommen könnten, v. Falkenhayn bestritt die Zu­verlässigkeit der Stllcklenschen Statistik bezügl. der An­gaben, dah seit 1870 50 000 Jahre Zuchthaus und Ge­fängnis über Soldaten verhängt worden seien und die Selbstmordzifser betrage für die letzten 10 Jahre in der Armee 0,34 pro Tausend, in der Zivilbevölkerung für die Lebensahre von 2025 0,36 pro Tausend. Es sprachen noch A sto r (Z.), Eötting (N.), der Kriegs­minister und Liebknecht; alsdann vertagte sich das Haus auf Freitag.

Zur zweiten Beratung des Militäretats haben die Reichstagsabgeordneten Erzberger, Gothein, Liesching, List-Ehlingen, Müller-Meiningen und Fischer-Magde­burg beantragt, die Ansätze für die Kommandanten in Karsruhe, Darmstadt und Königstein zu streichen und für Stuttgart als Kommandanten nur einen pen­sionierten Offizier mit 3852 Mark Stellenzulage an

Stelle eines aktiven Offiziers mit Gehalt, Dienstzulage und Wohnungsgeldzuschuß einzusetzen.

Der Kaiser auf dem Weg nach Braunschweig.

Karlsruhe, 6. Mai. Das Kaiserpaar mit Gefolge ist mit Sonderzug vom Süden kommend, heute nachmittag 4)4 Uhr hier eingetroffen. Auf dem Zentralbahnhof hatte sich das Erohherzogspaar zum Empfang einge­funden. Nach herzlicher Begrüßung fuhren die Herr­schaften trotz des Regens in offenen Wagen durch ein Spalier von Vereinen und Schülern, die die Majestäten mit brausenden Jubelrufen begrüßten, nach dem Resi­denzschloß. Am Portal empfing die Eroßherzogin Luise von Baden mit den Hofstaaten das Kaiserpaar. An dem Tee, der nach dem Einzug stattfand, nahmen außer dem Eroßherzogspaar auch das Erohherzogspaar von Mecklenburg-Schwerin teil, das heute hier eingetrosfen ist. Heute abend fahren das Erohherzogspaar von Mecklenburg-Schwerin und das Prinzenpaar Max von Baden zu den Tauffeierlichkeiten nach Vraunschweig.

Ein Riß im Großblock.

Die sechstägigen Verhandlungen in der Zweiten badischen Kammer über Volksschulfragen gelangten am Donnerstag zum Abschluß. Ein sozialdemokratischer An­trag auf Aufhebung des Schulgeldes wurde mit allen Stimmen gegen die der Fortschrittler und Sozialdemo­kraten abgelehnt, ebenso der konservative Antrag auf Uebernahme der Lehrergehälter auf die Statskaffe. Für den fortschrittlichen Antrag, wonach den Volksschulleh­rern das Recht auf Ablehnung der Er­teilung des Religionsunterrichts zuge­standen werden solle, stimmten nur die Fortschrittler und die Sozialdemokraten. Der Antrag der Nationallibera­len, weitere Geldmittel für die Jugendpflege in das Nachtragsbudget einzustellen, wurde mit allen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen. Am Schluß der Debatte führte Kultusminister Dr. Böhm aus: Die Schlacht ist geschlagen. Die Sozialdemokraten und Fortschrittler sind geschlagen. Ich habe mich gefreut, daß eine Klärung der Schulpolitik eingetreten ist. Die überwiegende Mehrheit des Hauses hat sich für das Volksschulgesetz und für den obligatorischen Religions­unterricht ausgesprochen. Ich habe nun Kraft und Freude, weiterzubauen. Jede Einmischung von links oder rechts in das Gebiet der Schule werde ich abweisen. Ich will keine politische Bewegung aufheben, aber ich will ver­hindern, daß die Politik Einzug in die Schule hält. Zu dem Ergebnis der Beratungen schreibt die soziald. Schwäbische Tagwacht:Im badischen Landtag wurde gestern mit der Beratung des Volksschuletats beaonnen. Es war ein Tag kritischer Ordnung. Der Fraktions­redner der Sozialdemokratie, Genosse Kolb, er­klärte den Eroßblock für gekündigt und proklamierte den Kampf gegen die jetzt vereinten Kul­turfeinde des Zentrums und der Nationalliberalen. Das hat der Antrag Muser wegen der Eeistesfreiheit der Volksschullehrer getan. Minister Böhm wurde von Kolb in die Kategorie der verkappten konservativen Reaktionäre versetzt. Das gab eine Sensation. Im sozialdemokratischen Lager herrscht Freude über die Er­lösung vom Eroßblock!"

Mord an einem Weißen in den deutschen Kolonien.

Aus Deutsch-Südwestafrika meldet der Gouverneur' auf Grund einer Mitteilung der Ambo-Mission, daß ein Weißer, der von Tsumeb aus ohne behördliche Erlaubnis das Amüoland betrat, in Ondonga von Ukuanjamaleuten ermordet worden sei. Name und Nationalität des Er­mordeten sind nicht bekannt. Der Ukuanjamahäuptling hat die Pkörder vorläufig festgenommen und hält sie zur Auslieferung an das Bezirksamt Ondjo bereit.

Greueltaten an Deutschen in Mexiko.

Das Daily Chronicle meldet aus Newyork vom 6. Mai: Amerikanische Flüchtlinge, die aus Veracruz an­gelangt sind, erzählen schreckliche Dinge von Unmensch­lichkeiten, die sie in Mexiko erlebt haben. Ein Arzt

Das Iischermädchen.

48) Novelle von Björnstjerne Björnson.

An den Fenstern vorüber kamen zwei Frauen und drei Männer gegangen, eins hinter dem andern, und kaum sah der Propst sie, als er aufsprang und ausrief: Da kommen sie schon wieder! Jetzt heißts Geduld haben! Herein kamen zuerst die Frauen, dann die Männer schweigsam hin­terdrein. Sie stellten sich an der Wand lang unter den Bücherborten auf, dem Sofa gerade gegenüber, auf dem Oedegaard saß. Der Propst setzte ihnen Stühle hin und holte noch einige aus dem Wohnzimmer herein; sie setzten sich auch alle, mit Ausnahme eines jungen Mannes, der städtisch gekleidet war; dieser weigerte sich, Platz zu nehmen, und blieb, beide Hände in den Hosentaschen, mit einem trotzigen Ausdruck am Türpfosten stehn.

Nach einem langen Schweigen, währenddessen der Propst seine Pfeife stopfte, und Oedegaard, der nicht rauchte, die Leute in Augenschein nahm, begann endlich eine blondhaa­rige, blaffe Frau von ungefähr vierzig Jahren die Unterhal­tung. Ihre Stirn war ziemlich schmal, ihre Augen groß, aber scheu, sie wußten nicht recht, wo sie bleiben sollten. Sie sagte: Der Vater hat heute eine schöne Predigt gehalten; die paßte so recht zu unsem Gedanken; denn wir auf den

Oeyhöfen haben in der letzten Zeit viel von Versuchungen geredet. - Sie seufzte; ein Mann mit kurzem, gedrungenem Untergesicht und einem großen, breiten Obergesicht seufzte ebenfalls: Herr, behüte unsre Wege! Wende meine Augen ab, daß sie nichts Eitles sehen! Und Else, die zuerst geredet hatte, seufzte abermals und sagte: Herr, womit soll eine Jungfrau ihren Pfad reinhalten, daß ihr Wandel werde nach deinem Wort? Das klang nun etwas sonderbar in ihrem Munde, denn sie war keine Jungfrau mehr. Aber ein Mann in Mittlern Jahren, der mit dem Kopf auf der Seite dasaß und sich unablässig hin und her wiegte, ohne die Augenlider völlig aufzuschlagen, sagte wie im Halbschlaf: Der wird von Satan arg bedroht,

Mit der Versuchung Listen,

Der sich verläßt auf Jesu Tod Und trägt das Kreuz des Christen.

Der Propst kannte sie zu gut, als daß er nicht hätte wissen sollen, daß dies nur die Einleitung war; deswegen wartete er, als wenn nichts gesagt worden wäre, obwohl aber­mals ein langes, nur von Seufzern uuterbrochnes Schweigen folgte.

Eine kleine Frau, die noch keiner erschien, weil sie sich vornüber beugte, und die in eine so unsinnige Menge von Tüchern eingehüllt war, daß sie aussah wie ein Bündel von dem Gesicht war gar nichts zu sehen, fing jetzt an,

unruhig hin und her zu rücken und zu rutschen, und ließ end­lich mehrmals ein Hm! hm! vernehmen. Sofort war die blonde Frau aufgeschreckt, und sie begann von neuem: Mit allem Spiel und Tanz hat es auf den Oeyhöfen jetzt ein

Ende aber-sie hielt abermals inne, wogegen Lars,

der Mann mit dem großen Obergesicht und dem keinen Untergesicht, fortfuhr: Aber nun ist da ein Mann, nämlich der Spielmann Hans, der kein Ende machen will. Da auch Lars mit dem Rest zögerte, kam der junge Mann, der am Türpfosten lehnte, damit heraus: Denn er weiß, daß auch der Propst ein Instrument hat, zu dem sie hier im Pfarrhause sowohl tanzen als singen. Und es kann für Hans auch wohl keine größere Sünde sein als für den Propst, meinte Lars. Es verhält sich nämlich so, daß das Instrument des Pröpsten für sie eine Versuchung ist, sagte Else vorsichtig, als wolle sie zu Hilfe kommen. Der junge Mann aber fügte mit größerm Nachdruck hinzu: Es gibt den Unmündigen ein Aergernis, wie geschrieben steht: Wer einen von diesen Kleinen ärgert, dem wäre besser, daß ihm ein Mühlstein um den Hals gehänget und er ersäufet würde, wo das Meer am tiefsten ist. Und Lars löste ihn ab: Deswegen geht unser Begehren an dich, daß du dein Instrument fortsendest oder es

verbrennst, sodaß es nicht zum Aergernis wird-für deine

Beichtkinder, fügte der junge Mann hinzu.

(Fortsetzung folgt.)