Allaem. Anzeiger flir die Bezirke Nagold. Calw u. SreadeaftM — Amtrdlatt skr den Bezirk Nagold a. Alteafteig-Siadt
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Mnrnmer 189
AUenstetg. Donnerstag den 5. Aunt 1930
63. Aatzegang
Srantl liber die Abrüstung
Die Flottenparität — Sicherheit kein M
ittel, sondern der Zweck der Abrüstung
Rom, 4. Juni. Im Senat wurde am Dienstag die Aus- z spräche über den Haushalt des Ministeriums des Auswär- i tigen beendet. Anhenminister Erandi hielt bei dieser Es- z legenheit eine Rede, in der er besonders auf zwei Punkte S einging: i
Abrüstung und Völkerbund r
Grandi bestritt, daß die „Forderung der Parität mit ! Frankreich einzig und allein eine Sache der Prestigepolitik sei". Er führte Stellen aus dem Sitzungsprotokoll der Washingtoner Konferenz von 1921 an, um zu beweisen, daß in London Italien mit der Parität nicht verlangt habe, was man damals ihm nicht schon zugestanden habe. Italien, sagte Erandi weiter, ist nach London gegangen, weil es, wie immer, sich an der Lösung einer der ernstesten Fragen loyal beteiligen wollte, die heute das Weltgewissen beschäftigen. In den vorbereitenden Besprechungen mit Frankreich im November 1929 habe sich die italienische Regierung bereit gezeigt, die französische These der absoluten Bedürfnisse zu berücksichtigen, falls Frankreich das Recht Italiens - anerkenne, die gleiche Flottentonnage zu erreichen, wann es für gut hielte. Der Minister schloß diesen Teil seiner ^ Rede mit den Worten,
„man mühte wirklich an dem endgültigen Ergebnis des Wiederaufbaues und der Organisation des Friedens mit Recht zweifeln» wenn aus der Gesamtheit der aufeinanderfolgenden internationalen Abkommen sich Gründe ergeben würden, die nicht die Herabsetzung, sondern die Vermehrung der Rüstungen motivieren würden."
Erandi ging dann auf die Besprechungen ein, die in Eens zwischen ihm, Briand und Henderson stattgefunden haben. Hierzu erklärte Grandi: Das Flottenprogramm der italienischen Regierung für das gegenwärtige Jahr beschränkt sich darauf, diesem Programm zu folgen und die seit sieben Jahren von Italien beobachtete Parität zu wahren. Die Formel Mussolinis besteht aus zwei Punkten: Parität und Herabsetzung. Die italienische Regierung ist deshalb bereit» für die Zeit der Verhandlungen über die Fragen» die in London nicht gelöst worden find» das Neubautenprogramm für das Jahr 1830 auf später zu
verschiebe», wenn die französische Regierung das gleiche t«r. Aus der Zusammensetzung und der gegenwärtigen Lage beider Flotten geht hervor, daß eine derartige Mahnahme für die italienische Marine eine gröhere Tragweite hätte als für die französische. Erandi schloß den ersten Teil seiner Rede mit folgenden Worten: „Nach alledem frage ich mich, ob ich die Sicherheit des italienischen Volkes, das trotz der Beweise seines guten Willens und trotz seiner Verständigungs- und Friedenspolitik als Unruhestifter dargestellt wird, für gerecht und begründet halten soll?"
In dem zweiten Teil seiner Rede beschäftigte sich Erandi mit den Arbeiten des Völkerbundes. Er führte dabei aus, was die Formel „Sicherheit, Schiedsgerichtsbarkeit und Abrüstung" betreffe, so dürfe die Sicherheit nicht als ein „Mittel" bezeichnet werden, sondern als der Zweck» der durch die Abrüstung zu erreichen sei. Die logische Folge sei: Abrüstung» Schiedsgerichtsbarkeit, Sicherheit. Der Minister äußerte seine Bedenken gegenüber denjenigen Bestrebungen, die aus dem Völkerbund einen überstaatlichen, starren Organismus machen wollten, und die Befürchtung aufkom- men ließen, daß dann ein Kriegsinstrument statt eines Instruments des Weltfriedens entstehen könnte.
Paris, 4. Juni. „Echo de Paris" ist das einzige Blatt unter den großen Pariser Blättern, das sich ausführlich mit der Rede Erandis befaßt. Alle übrigen Zeitungen halten sich gewissenhaft an die von der Regierung ausgegebene Parole, die heftigen Ausfälle Mussolinis und anderer italienischer Staatsmänner gegen Frankreich einfach zu ignorieren, um dadurch bei der französischen Bevölkerung den Eindruck hervorzurufen, man halte diese Aeußerungen für belanglos.
„Echo de Paris" schreibt: Italien schließe sich gegen Frankreich der deutschen Auffassung an. die in vieler Hinsicht auch die Auffassung Englands und Amerikas sei. Gegen die französischen Sicherheitsforderungen, die Sanktionen gegen einen etwaigen Angreifer verlangen, nehmen jene Stellung, die mit der gegenwärtigen territorialen und politischen Ordnung nicht einverstanden sind, z. B. Deutschland und Ungarn, ferner jene Staaten, die durch eine etwaige Explosion dieser Unzufriedenheit nicht bedroht sind, wie England und die Vereinigten Staaten. Bei diesen beiden Staatsgruppen würde die Rede Erandis Zustimmung erwecken. Wenn Italien so viele Schiffe bauen wolle» daß es mit Frankreich auf gleiche Stufe komme, so werde es dafür vor England und vor den Vereinigten Staaten die Verantwortung tragen müssen.
Mrbötte litauWe Forderung
Das Memelland soll die Kosten des Litaueneinfalls und der Annexion bezahlen
Memel, 4. Juni. Seit einiger Zeit sind im Memelgebiet Gerüchte im Umlauf» daß Litauen an das Memelgebiet das Ersuchen auf Bezahlung des Litauer- Einfalles» durch den das Gebiet vor mehr als sieben Jahren zu Litauen geschlagen wurde, gerichtet hat.
Wie nunmehr von bestunterrichteter Seite bestätigt wird, ist diese ungeheuerliche Forderung tatsächlich von dem damaligen Jnsurgentenführer Simonaitis» jetzt kommissarischer Landrat in Memel, erhoben und von dem litauischen Gouverneur unterstützt worden. Simonaitis, dem es jetzt wirtschaftlich sehr schlecht geht, hat dem Direktorium des Memelgebiets den Antrag gestellt, ihm die Summe von 100 000 Lit, die ihm seinerzeit von der litauischen Regierung versprochen worden sei, auszuzahlen.
Das Direktorium hat dieses Ansinnen jedoch zurück- gewissen und Simonaitis, gegen den übrigens ein Disziplinarverfahren wegen Unterschlagung schwebt, anheimgestellt, sich mit einer Forderung an diejenigen Stellen zu wenden, die ihm das Versprechen gegeben haben. Das Direktorium hat darauf ein Schreiben des litauischen Gouverneurs erhalten, in dem dieser das Direktorium auffordert, Simonaitis die 100 000 Lit auszuzahlen, weil die litauische Regierung ihm diese Summe seinerzeit versprochen habe. Sollte das Direktorium diesem Wunsche nicht Nachkommen, so würden die 100 000 Lit vom Finanzmiteil, den das Gebiet von Kowno erhält, abgezogen werden.
Die Forderung des Gouverneurs hat im Memelgebiet
größtes Aufsehen erregt. Dies um so mehr, als damir der Vertreter der litauischen Regierung offiziell zugibt, daß die litauische Regierung den Einfall ins Memelgebiet seinerzeit inszeniert hat. Von litauischer Seite wurde bis jetzt jede Verbindung der litauischen Regierung mit dem Einfall abgestritten und dieser als eine Erhebung der Memelländer zugunsten Litauens dargestellt.
Jas Geheimnis der IMMMlaM
Berlin, 4. Juni. Der Vorstand der Reichstagsstaktion der Deutschen Volksvartei hielt unter Zuziehung von führenden Mitgliedern der preußischen Landtagssraktion eine Sitzung ab, in der der Reichsfinanzminister Dr. Moldenhaner über seine Vorschläge zur Deckung des Fehlbetrages im Reichshaüshalt Bericht erstattete. Es wird erklärt, daß diese Besprechung nur in. formatioen Charakter batte, ohne daß Beschlüsse gefaßt wurden. lleLer den sachlichen Inhalt wird dasselbe absolute Stillschweigen gewahrt. Das Geheimnis geht so weit, daß vor der morgigen Kabinettssitzung nicht einmal die Referenten der Ministerien unterrichtet werden. Unter diesen Umständen ist es müßig, sich eingehend mit den Kombinationen über Einzelheiten zu beschäftigen. Es ist z. B. unmöglich festzustellen, in welcher Form das Notopier verwirklicht werden soll; die Angaben schwanken zwischen einem Zuschlag von 1 bis 3 Prozent zur Einkomnu llteuer. Außerdem spricht man auch von einer Erhöhung der Mieten, deren Ertrag nicht der Hauszinssteuer »u- fließen, sondern als Notovfer oder KrHenull-bl-v erhoben werden würde
„Gras Zeppelin" hente in Sevilla
„Graf Zeppelin" über den Azoren Horta tAzoren), 4. Juni. Der Graf Zeppelin hat »m 12 Uhr mittag MEZ. die Stadt mit östlichem Kurs überflogen. Anscheinend befindet sich an Bord des Luftschiffes alles in bester Ordnung.
Donnerstag morgen Landung in Sevilla Madrid, 4. Juni. Nach einer Agenturmeldung von Mittwoch abend S Uhr ist die Landung des Luftschiffes „Graf Zeppelin" in Sevilla für Donnerstag früh zu erwarte«. Nach einer weiteren Meldung, dürfte die Rückfahrt nach Friedrichshofen einige Stunden nach der Landung in Sevilla erfolgen. Die Ankunft in Friedrichshafen ist demnach erst für Freitag »m die Mittagsstunden r» erwarten.
Das Wetter auf dem Atlantischen Ozean Hamburg, 4. Juni. Das Seeflugreferat der Deutschen Seewarte teilt heute mittag über die Wetterlage mit: lieber der Ostbälfte des Ozeans liegt ein ausgedehntes Hochdruckgebiet, oas von den Azoren bis nach den britischen Inseln reicht und auf dessen südöstlichen Abhang nördliche bis nordöstliche Winde wehen, die für das Luftschiff östlich der Azoren Seiten- bis Gegenwinde bedeuten. Dabei herrscht jedoch von den Azoren an zunächst ein sehr sichtiges Wetter.
Der englische Lnftfahrtminister über Dr. Eckener
London, 3. Juni. Der Luftfahrtminister Lord Thomson führte im Oberbaus im Laufe emer Rede, die sich mit der Kritik au den beiden britischen Luftschiffen beschäftigte, u. a. aus: Es wird vielleicht gefragt werden, wieso der Graf Zeppelin um die Welt fliege und andere Fernfahrten ausführe, während unsere beiden Schiffe ihre Zeit hauptsächlich in ihren Hallen verbringen. Die Antwort ist sehr einfach: Die Deutschen haben 30 Jahre Erfahrung im Bau von Luftschiffen. Sie hatten schon vor dem Kriege Verkehrslustschiffe im Bau. Ich wünsche di« guten Eigenschaften unserer Landsleute nicht herabzusetzen, aber angesichts solcher Erfahrung müssen wir uns damit abfinden, daß es »nr wenige Dr. Eckener in der Welt gibt. Wir haben noch nicht Zeit gehabt, um unseren eigenen Dr. Eckener hervorzubringen, der einer der bemerkenswertesten Männer ist, mit dem ich je zusammengekommen bin. Solche Männer sind nicht i« jeder Generation zu finden.
ReichMbinett
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Berlin» 4. Juni. Das Reichskabinett beschäftigte sich unter dem Vorsitz des Reichskanzlers zunächst sehr eingehend mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Aenderung der Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Das Kabinett billigte grundsätzlich die vom Arbeitsminister vorgeschlagenen Abänderungsbestimmungen, deren definitive redaktionelle Festlegung am kommenden Donnerstag erfolgen soll. Das Reichskabineit wurde sich dann in Fortsetzung seiner Beratungen über die Deckungsvorschläge zum Reichshaus» halt einig. Den Ressorts wurde aufgegeben, die detaillierte gesetzgeberische Ausarbeitung der Beschlüsse für die abschließende Kabinettssitzung am Donnerstag vorzulegen.
Strengstes Stillschweigen über Einzelheiten
Berlin, 4. Juni. Die Nachtsitzung des Reichskabinetts dauerte bis kurz nach 1 llhr Mittwoch morgens, also über 7 Stunden. Aeber die offizielle Mitteilung hinaus waren weitere Informationen nicht zu erlangen, da man im Kabinett beschlossen hatte, über die Einzelheiten strengstes Stillschweigen zu bewahren. Der Grund dafür dürste nicht zuletzt darin zu suchen sein, daß die vor einigen Tagen erfolgten Veröffentlichungen einer Berliner Korrespondenz über das Ausgabensenkunsssesetz in der Oeffentlichkeit einige Verwirrung und Beunruhigung verursacht haben. Das Kabinett will vermeiden, daß durch Indiskretionen vor der redaktionellen Fertigstellung der Gesetzentwürfe eine Störung der sachlichen Arbeiten eintritt, deren Schwierigkeiten ohnehin bekannt sind.
In volittschen Kreisen verlautete in den letzten Tagen über die Vorschläge des Reichsfinanzministers, daß sie eine Iprozen- tige Erhöhung des Beitrages für die Arbeitslosenversicherung, die Heranziehung der Zigaretten- und Umsatzsteuer und wenere Projette vorsah. Ueber Form und Anteil der Steuern wird man aber authentische Einzelheiten abwarten müssen. Sicher ist, daß sich das Reichskabinett in der Nachtsitzung noch nicht mit dem Ausgabensenknngssesetz beschäftigt bat; man muß nämlich unterscheiden zwischen der von allen Seiten anerkannten Notwendigkeit, den laufenden Etat weiter zusammenzustreichen und dem Ausgabensenkungsgesetz, das auf längere Sicht berechnet ist. Mit dem Problem dieses Gesetzes hangt auch die melde» sprochene Frage eines allgemeinen Lobn- und Eebaltsabl aues auf der einen und eines Preisabbaues auf der anderen Seit«