politischen Charakter trage und daher autzergesetzlich sei. Die Konsequenz dieser Auffassung wird die Auflösung der sozialdenrokratifchen Jugendorganisation auch in Württemberg sein. — Dr. Vittinger hat außerdem auch ein Verbot gegen einen vom Waldheim nach Stuttgart von der sozialdemokratischen Jugendorganisation für den Monat Juni anläßlich des Besuches der Züricher sozial- denrokratischen Jugendorganisation geplanten Zuges erlassen.
övjähr. Jubiläum des Landesfeuerwehrverbandes.
Reutlingen, 2. Mai. Das 50jährige Jubiläum des Württembergischen Landesfeuerwehr - Verbandes, aus dessen Anlaß die Stadt reichen Flaggenschmuck angelegt hatte, wurde heute nachmittag im Rathaus-Saale mit einer Festsitzung des Landesfeuerwehrausschusses eröffnet, an der unter dem Vorsitz des Feuerwehrkommandanten Eychmüller-Ulm außer Vertretern der Negierung die Feuerlöschinspektoren Zimmermann und Eisenlohr, der Kommandant der hiesigen Feuerwehr und die übrigen Mitglieder des Ausschusses teilnahmen. Zu Ehrenmitgliedern wurden ernannt: Baurat Emelin, Kaufmann Chur-Hall und Fabrikant Bürk-Schwenningen. Heute abend findet im Saalbau der Bundeshalle ein Bankett mit einem Familienabend statt.
Kaufmännische Vcrbandstage.
In Heilbronn tagte gestern der Deutsche Vortragsverband, der 235 Vereine mit bei 100 000 Mitgliedern! zählt. Die Rednerliste umfaßte 110 Redner, von denen ^ 860 Vorträge gehalten wurden. Vorsitzender wurde ^ wieder Kinkel-Mannheim. — Weiter trat der 37. Ver-> bandstag der Kaufm. Vereine Württembergs zusam-,' men. U. a. wurde bedauert, daß Württemberg noch kein ^ kaufm. Erholungsheim besitzt. Bei steigender Bewerber-! zahl ist eine geringere Zahl vermittelter Stellen festzustellen, was seinen Grund in den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen hast. Dem Verbandsvorsitzenden Schäfer wurde eine Ehrenurkunde und -Medaille überreicht.
Bluttat eines Lehrers.
Jagstzell, OA. Ellwangen, 2. Mai. Heute abend stach der Unterlehrer Kirchenmaier den Oberlehrer Kienzler, vermutlich im Rausch, sodaß der Oberlehrer schwer verletzt darniederliegt. Einzelheiten schildern den Hergang des blutigen Vorfalls folgendermaßen: Der Täter heißt Joseph Kirchenmaier und ist 1892 in Stuttgart geboren; seine Eltern sind aber inzwischen nach Neckarsulm übergesiedelt. In Schwaighausen versuchte er, mit einem Eisenbahnunterbeamten Streit anzufangen, der ihn wegen Laufens auf dem Bahngleis angezeigt hatte. Dieser ließ sich jedoch mit ihm nicht ein. Nach Mitternacht fuhr Kirchenmaier auf einem Fuhrwerk mit der Brauerswitwe Schund und einem ihrer Bierbrauer nach Jagstzell. Unterwegs zog Kirchenmaier den Revolver und schoß, offenbar in betrunkenem Zustand, auf den Brauer, traf ihn aber nicht. Kirchenmaier wurde darauf vom Wagen gewiesen, doch holte der Brauer den Kirchenmaier wieder zurück und führte ihn nach Hause. Im Hof der Wirtschaft zum Rößle in Jagstzell hat der Unterlehrer nochmals zwei Schüsse auf den Brauer abgegeben, die aber wiederum ihr Ziel verfehlten. Der Brauer nahm ihm nunmehr den Revolver ab und brachte ihn zum Echulhaus, wo er wohnte. Da Kirchenmaier die Schlüssel vergessen hatte, weckte er den Oberlehrer Johannes Kienzler, der ihm öffnete und den Bierbrauer heimschickte. Im Haus- gang scheint der Oberlehrer seinem jüngeren Kollegen Vorwürfe gemacht zu haben. Darüber erbost, zog
dieser das Messer und stach auf seinen Borge Letzten ein. Dieser wehrte sich und schließlich kamen beide zu Fall. Bewußtlos auf einander liegend traf die herbeigeeilte Frau des Oberlehrers die beiden Männer und rief den Bierbrauer wieder herbei, der dann den Unterlehrer tüchtig schüttelte, so daß dieser zur Besinnung kam und sich dann auf und davon machte. Der Oberlehrer wurde in die Wohnung verbracht. Der sofort herbeigerufene Arzt stellte fünf bis sechs Stiche am linken Arm und drei schwere Stiche im Unterleib fest. Die letzteren Stiche waren bedenklicher Natur, da eine Darmwand verletzt war. Die sofort vorgenommene Operation läßt erhoffen, daß Kienzler mit dem Leben davonkommt. Der Täter hielt sich nach der Tat zunächst in der Nähe vom Echulhaus auf. Von dem Ellwanger Stationskommandanten wurde er in einem Holzschuppen schlafend aufgefunden, verhaftet und ins Amtsgericht nach Ellwangen eingeliefert. Die Tat dürfte auf allzu vielen Alkoholgenuß zurückzuführen sein; auch hatte der junge Mann 18 Zigaretten geraucht.
Ein Kampf unter Brüdern.
Nicht einmal ein Jahr hat die Fusion der Zentralgenossenschaft der Oberschwäbischen landwirtschaftlichen Vereine mit dem Württembergischen Bauernverein gedauert. Am 2. Juli vor. Js. konnte das Organ der Zentralgenossenschaft „Schwäbischer Bauernfreund" schreiben, daß der Bauernverein ihn auch als sein Blatt angenommen habe. Eine Folge dieses Zusammengehens war neben anderem das Hinausschnellen der Abonnenten von 7000 auf 8600 im Oktober vorigen Jahres. Verschiedene Artikel im Laufe des Winkers ließen annehmen, daß sich die Zusammengliederung gut anlasse und günstig entwickle. Doch schon auf 1. April mußte der „Schwäbische Bauernfreund" bekennen, daß er nicht mehr Organ des Württembergischen Bauernvereins sei. Seit 15. April gibt dieser ein eigenes Blatt heraus. Dem Bauernverein scheint auch die Vereinbarung nicht mehr gefallen zu haben, daß die Zentralgenossenschaft den Donaukreis als Domäne für sich allein haben sollte. Er hat nämlich in den Oberämtern Blaubeuren, Geislingen, Laupheim, Münsingen und Ulm auch Bauernvereine zu gründen versucht und auch gegründet. Die Konkurrenz ist der Zentralgenossenschaft nicht angenehm und ihr Organ wird in einer der letzten Nummern sehr deutlich, wenn es schreibt: „Wir halten es allerdings für sehr überflüssig, daß die Zentralgenossenschaft mit ihrem Vermögen vom Württ. Bauernverein aufgespeist wird, der von seinen jährlichen Vereinsbeiträgen uns an den Abonnementsgeldern für den „Bauernfreund" noch keinen Pfennig bezahlt hat. Daß der Bauernverein unseren Bauern mehr nützen könnte, als die Zentralgenossenschaft, glauben wir auch nicht." Die Zentralgenossenschaft soll ein Vermögen von 74 000 -N haben. Sei dem, wie ihm wolle. Jedenfalls ist es vom Standpunkt einer großzügigen Wirtschaftspolitik sehr bedauerlich, daß die schönen Anfänge einigen Zusammengehens von Oberländer und Unterländer landwirtschaftlichen Vereinen so bald abgerissen wurden und nun in einen Kampf unter Brüdern auszuarten droht.
Schramberg, 3. Mai. Der 14 Jahre alte, in der Majolikafabrik beschäftigte Gottfried Wirtle wollte, aus einem Staketenzaun stehend, einen Fliederbusch plündern. Er rutschte aus und zog sich beim Fall in die Staketen so schwere Unterleibsverletzungen zu, daß er gleich im Krankenhaus operiert werden mußte. Man hofft, ihn am Leben zu erhalten.
einige Petitionen erledigt wurden. Durch Königliches Reskript wurde dann die Ständeversammlung bis auf weiteres vertagt. Nach Verlesung dieses Reskriptes gab Präsident v. Kraut die übliche Eeschäftsübersicht, aus der folgendes hervorzuheben ist: Die Zweite Kammer hat 135 Sitzungen abgehalten und sich an einer gemeinschaftlichen Sitzung beteiligt. Die Hauptarbeit war die Fertigstellung des Etats, wozu dann noch zahlreiche Gesetze kamen, ferner 14 Anfragen, 12 selbständige Anträge und 248 Eingaben, die erledigt wurden, während ein kleiner Rest unerledigt blieb. Der Präsident schloß mit den besten Wünschen für gute Erholung der Abgeordneten in den Ferien. Rembold - Gmünd (Z.) sprach in Vertretung des erkrankten Abg. Tauscher, des ältesten Mitglieds der Kammer, dem Präsidenten den Dank des Hauses für seine erfolgreiche Geschäftsführung aus. Präsident v. Kraut dankte seinerseits namentlich auch den beiden Vizepräsidenten für ihre Unterstützung bei der Leitung der Geschäfte.
Die Landstände bei dem Königspaar.
Beim Empfang der Landstände durch die beiden Majestäten am 2. ds. waren etwa 100 Mitglieder beider Kammern, 70 aus der Zweiten und 30 aus der Ersten, anwesend, außerdem sämtliche Minister. Im schöngeschmückten Saal der Wilhelma wurde das Frühstück eingenommen. Die Tafelmusik stellte die Kapelle des Dragoner-Regiments Nr. 26 unter der Leitung des Musikdirektors Stoy. Nach der Tafel ließ sich der König sämtliche Mitglieder beider Kammern vorstellen und im Gespräch niit ihnen ging der König in weitgehender Weise aus die Verhältnisse der einzelnen Bezirke ein. Die Vorstellung dauerte bis kurz nach 5 Uhr. Auch die Königin ließ sich einige Abgeordnete vorstellen. Unmittelbar nach Beendigung verließ der König die Gesellschaft. Die Königin war 2 Stunden früher weggegangen.
Kinderhilsstag.
Stuttgart. 3. Mai. Gestern hatten wir hier einen Kinderhilfstag. 500 Sammlerinnen des württ. Frauenvereins für hilfsbedürftige Kinder gingen mit schwarzroten Büchsen durch die Häuser und hielten reiche Ernte des allzeit bereiten. Wohltätigkeitssinnes bei hoch und nieder. Abends war Fest im Königsbausaal, zu dem die Königin in Begleitung der Herzoginnen Philipp und Robert, der Fürstin von Waldeck und Pyrmont, sowie der Prinzessinnen Elsa und Olga erschien.
Keine neue Jmpfanstalt.
Auf die Anfrage der Abgg. Frhr. Pergler v. Perglas, Schock, Dr. Wolfs, bezüglich der Erhaltung der K. Zentralimpfanstalt in Stuttgart ist die Antwort eingegangen, daß gegen die Errichtung einer neuen Zentral- Jmpfanstalt außer den hohen Baukosten (200 000 -N) der Umstand spricht, daß es vielleicht bald gelingt, den Pockenerreger auf künstlichem Nährboden zu züchten. Das Ministerium des Innern wird den Impfstoff zur heurigen Impfung aus der Zentralimpfanstalt München beziehen, denn es stellte sich heraus, daß der Bezugspreis billiger ist, als die Selbstherstellung. Nur wenn sich mit dem Bezug des Impfstoffs von auswärts Anstände ergeben sollten, wäre es gerechtfertigt, vom Lande die Opfer für eine neue Jmpfanstalt zu fordern.
Gesetzliches Einschreiten gegen die Sozialdemokratie.
Die Polizeidirektion Stuttgart hat auf Anfrage der sozialdemokratischen Parteileitung die für den gestrigen Sonntag geplante Maifeier der Jugendorganisation in Wangen-Stuttgart verboten und die Begründung beigefügt, daß die sozialdemokratische Jugendorganisation
Das Iischermädchen.
44) Novelle von Björnstjerne Björnson.
Sie konnte fröhlich mit Fröhlichen, vertraulich mit Vertraulichen, sicher in allem sein, die Kraft dazu verlieh ihr einzig und allein, ihr geheimes Ziel — daß sie nämlich einstmals das erreichen würde, worauf ihre Fähigkeiten sie hinwiesen, wofür sie sich entwickelten. Sich jemand anzuvertrauen nach jenem ersten fehlgeschlagnen Versuch in Bergen — nein, das hatte sie nicht gekonnt, selbst wenn es Oedegaard gewesen wäre! Sie hatte es ganz für sich behalten müssen, bis es so weit gereift wäre, daß ihm der Hauch des Zweifels nicht mehr schaden konnte.
Jetzt war das aber anders geworden. Das dunkelrote Gesicht des Propstes starrte unablässig in ihr aufgescheuchtes Gewissen hinein — jetzt galt es, sich zu retten! — Immer rastloser, immer erregter lief sie umher, um Signe zu suchen; aber am Nachmittage hatte sie sie noch nicht gefunden. Je länger der Mensch, den wir suchen, sich uns entzieht, um so schwerer fallen uns auch die Gründe für diese Trennung auf die Seele; und so kam es denn, daß sie es endlich faßte, daß sie einen Verrat an Signe begangen hatte, daß sie ihre Freundschaft zu etwas benutzt hatte, was Signe für eine große Sünde hielt. Der allwissende Gott mußte ihr Zeuge sein, daß diese Auffassung des Verhältnisses ihrer Seele bisher gänzlich ferngelegen hatte; sie kam sich wie eine große Sünderin vor.
Ganz so wie ehemals in ihrer Heimat stand sie überwältigt von diesen Gedanken da, von denen sie noch einen Augenblick zuvor keine Ahnung gehabt hatte. Daß sich dieses Entsetzliche noch einmal wiederholen konnte, daß sie noch keinen Schritt weiter gelangt war, steigerte ihre unbestimmte Furcht bis zum Entsetzen; die ganze Zukunft lag wie ein schweres
Unglück vor ihr. Aber in demselben Verhältnis, womit ihre eigne Sündenschuld wuchs, stieg Signes Bild in ihr mit seiner Seelenreinheit und großherzigen Hingebung. Wahrlich, es sammelte glühende Kohlen auf ihre Gedanken; sie wollte sich Signe zu Füßen werfen, wollte sie anflehen und bitten und nicht Nachlassen, bis ihr Signe wieder einen freundlichen Blick geschenkt hätte.
Es war dunkel geworden; Signe mußte jetzt heimgekommen sein, wo sie auch gewesen sein mochte. Sie lief auf den Gang im Flügel hinab, wo Signes Zimmer lag, aber es war abgeschlossen — ein Zeichen, daß sie drinnen war. Ihr Herz pochte, als sie abermals die Hand auf den Drücker legte und flehend hineinrief: Signe, laß mich mit dir reden! — Signe, ich ertrage es nicht länger! — Kein Laut drang aus dem Zimmer; Petra beugte sich nieder, lauschte und klopfte abermals an: Signe, ach, Signe, du ahnst nicht, wie unglücklich ich bin! — Keine Antwort. Abermals lauschte sie lange, vernahm aber nichts. Wenn man gar keine Antwort erhält, wird man schließlich irre daran, ob jemand in dem Zimmer ist, selbst wenn man es weiß; und wenn es dunkel ist, so überkommt uns noch obendrein Furcht. — Signe — Signe! Bist du da, so habe doch Erbarmen mit mir und antworte mir! — Signe! — Es war und blieb still; sie fing an zu frieren und zu zittern. Aber da tat sich die Küchentür auf, und ein großer breiter Lichtschein strömte heraus, während leichte, lustige Tritte über den Hof klangen. Das gab ihr einen Einfall; sie wollte auf den Mauervorsprung steigen, auf dem der Flügel des Gebäudes ruhte, sie wollte auf diesem Vorsprung entlanggehn, um das ganze Gebäude herum, um auf die andre Seite zu gelangen, wo es sehr hoch war. Sie wollte zu Signe hineinsehen!
Es war ein sternenheller Abend, die Berge und die Häuser standen in scharfen Umrissen da, aber weiter als die Um
risse sah man nichts davon. Der Schnee glitzerte, erhöhte nur das grelle Weiß. Von der Landstraße her erklang Schellengeläute. Die vorüberfahrenden Schlitten, der schimmernde Glanz um sie her machten ihr Mut, sie sprang auf den Absatz hinauf! Sie wollte sich an den vorspringenden Brettern der Holzbekleidung des Gebäudes festhalten, verlor aber das Gleichgewicht und fiel wieder hinunter. Sie holte eine leere Tonne, rollte sie heran, stieg darauf und von dort auf den Mauervorsprung. Jetzt bewegte sie Hand und Fuß gleichzeitig vorwärts, ungefähr eine Viertelelle auf einmal; es gehörten die starken Finger einer starken Hand dazu, sich festzuhalten; sie hatte kaum einen Halt, denn die Bretter sprangen kaum einen Zoll vor. Sie hatte Angst, daß jemand sie sehen könnte, denn man würde dies natürlich gleich mit der Strickleiter in Zusammenhang bringen. Wenn sie nur erst die Seite hinter sich hatte, die nach dem Hofe hinauslag, und auf der Quermauer angelangt war. Aber als sie endlich dort angelangt war, kam eine neue Gefahr, denn dort war nichts vor den Fenstern, und sie mußte sich jedesmal ducken, wenn sie in der größten Angst, herunterzufallen, unter einem der Fenster wegkroch. An der Langseite war es sehr hoch, und darunter, an der ganzen Mauer entlang, lief eine Stachelbeerhecke, in die sie stürzen mußte, wenn sie fiel. Allein sie fürchtete sich nicht. Ihre Finger brannten, die Sehnen zitterten, der ganze Körper bebte, aber sie ging vorwärts. Nur noch wenige Schritte, und das Fenster war erreicht. Es brannte kein Licht bei <Agne, und das Rouleau war nicht herabgelassen. Der Mond schien gerade hinein, sodaß sie bis in den innersten Winkel würde sehen können. Das verlieh ihr neuen Mut; sie erreichte das Fenstergesims, konnte sich endlich mit der ganzen Hand daran festhalten und ausruhen; denn jetzt, wo sie am Ziele war, begann ihr das Herz so heftig zu pochen, daß es ihr fast den Atem raubte. (Fortsetzung folgt)