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Aügem. Anzeiger für die Bezirke MM, Calw u. SreudeuSM Amtsblatt für de« Bezirk Nagald u. MeMei,-Stadt

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Alten steig» Donnerstag den 8. Mai 1030

63 Jahrgang

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Der Reichswehrminister

Berlin, 7. Mai. In einer sehr interessanten Rede im Haushaltsausschub des Reichstags führte Reichswehrminister Eröner

u. a. aus:

Alle im Haushalt angeführten Dinge find von der Ge- famtregierung bewilligt worden. Es ist nicht so, als ob der Reichswehrminister eine Sonderpolitik führen könnte oder geführt hätte. Bei allen Matznahmen, die autzen- politische Wirkung haben könnten, ist der Wehrminister von der Zustimmung des Autzenministers abhängig. Die sozialdemokratischen Redner könnten vom früheren Reichs­kanzler Müller erfahren, daß es auch tatsächlich so gehand- habt worden ist. Was die Bewachung der Waffen durch Staatsangestellte betrifft, so hat der Leipziger Fall (Dieb­stahl von Waffen durch Kommunisten) dazu geführt, daß durch die schärfsten Bestimmungen einer Wiederholung solcher Vorkommnisse vorgebeugt worden ist. Die Zusam­menlegung und Verbindung von Garnisonen macht der Heeresverwaltung manche Sorge.

Was die politischen Zersetzungsbestrebungen betrifft, so möchte ich keinen Zweifel darüber lassen, datz ich rück­sichtslos allen Versuchen» den Gehorsam in der Reichs­wehr zu untergraben, entgegentreten werde, datz ich kein Mittel scheuen werde, um alle Versuche, inner­halb der Reichswehr die Disziplin und den Gehorsam zu untergraben, nicht nur zurückweifen, sondern völlig unmöglich zu machen. Eine Wehrmacht, die nicht ab­solut aufgebaut ist auf dem bedingungslosen Gehorsam, die taugt nichts.

Den Zwang zur Beförderung eines bestimmten Prozent­satzes der Mannschaften zu Offizieren müßte ich absolut ab­lehnen. Dagegen sind wir eifrig bestrebt, durch Heraus­heben geeigneter Kräfte aus den Mannschaften und Unter­offizieren dem Offizierskorps frisches Blut zuzuführen.

Zum Fall des Oberschützen Remus, der wegen seines Beschwerdebriefes an General Heye bestraft worden ist, er­klärte der Minister, Remus habe gegen die Vorschriften verstoßen, daß Beschwerden nur auf dem Dienstwege vor­gebracht werden dürfen. Er habe seine Kameraden auf­gefordert, ihm alles mitzuteilen, was ihnen Grund zur Beschwerde gebe und eine verbotene Versammlung ein­berufen.

Der Minister bestreitet dann, daß für den Offiziers­ersatz die Protektion entscheidend sei. Die Klagen über unmenschliche Behandlung der Soldaten seien nicht be­gründet. Zu den Kieler Munitionsschiebungen erklärt der Minister: Die Sache nimmt ihren gerichtlichen Fortgang. Die Herbstmanöver werden wir beibehalten müssen, um in der Truppenführung auf der Höhe zu bleiben. Bei der Beschaffung von Waffen und Munition wäre Sparsamkeit schlecht angebracht. Dem Abg. Külz stimmt der Minister darin zu, daß er es für unhonorig halte, wenn ein Offi­zier nach seiner Verabschiedung einer staatsfeindlichen Par­tei beitritt. Solche Fälle seien glücklicherweise auch nicht vorgekommen. (Zurufe links.) Auf Offiziere der alten Armee habe ich keinen Einfluß. Ich habe aber den bren­nenden Wunsch» datz zwischen dem Offizierkorps des neuen Heeres und dem Offizierkorps der alten Armee die besten kameradschaftlichen Verbindungen bestehen. Um auch äußerlich diese Verbindung zum Ausdruck zu bringen, werde ich für die nächsten Herbstmanöoer auch eine Anzahl Offi­ziere des alten Heeres einladen. Wir werden dazu auch Abgeordnete und Vertreter der Presse einladen, um eine weitere Entgiftung der Atmosphäre herbeizuführen. Der Andrang zur Reichswehr ist nach wie vor sehr stark. Viele Bewerber mußten ausgeschieden werden, weil sie sportlich übertrainiert und dadurch gesundheitlich geschädigt waren.

Der Haushaltsausschuß des Reichstags ging am Mitt­woch zur Einzelberatung des Haushalts der Reichswehr über. Bei den Mitteln zur Unterstützung von Beamten, Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften wünschte Abg. Torgler (Komm.) eine llebersicht über die Art der Verteilung. Zn der Hauptsache würden diese Mittel ver­wandt für Badereisen der hohen Offiziere und ihrer Frauen. Die schlecht besoldeten Mannschaften aber bekämen nichts. Abg. Schöpflin (Soz.) bemängelte gleichfalls die Art der Verteilung dieser Fondsmittel. Eine einseitige Bevorzugung der höheren Offiziere sei nicht zu bestreiten.

Rerchswehrminister Eröner wies darauf hin, daß man derartige, Mittel, die doch zur Linderung besonderer Not­lagefälle bestimmt seien, unmöglich nach einem festen Schema gleichmäßig unter alle Angehörige der Wehrmacht verteilen kömre. Vielmehr habe man die Pflicht, von Fall zu Fall die Notlage jedesmal genau zu prüfen. Nun ließ sich bei unparteiischer Beobachtung nicht in Abrede stellen, datz in verheirateten Offiziersfamilien leider oftmals die

über die Disziplin

größte Notlage anzutreffen ist. Damit ließe sich die Not­lage der Mannschaften in den meisten Fällen kaum ver­gleichen. Bei den Offiziersfamilien tritt die Notlage meist als Folge der allgemeinen Geldnot ein; bei den Mann­schaften ist sie leider öfter die Folge schlechten Wirtschaftens. Jedenfalls habe der Minister den Eindruck, daß in den Offiziersfamilien mehr Sparsamkeit herrsche als in man­chen Arbeiterfamilien.

Biedermann (Soz.) führt Beschwerde über die Behand­lung der Mannschaften. In vielen Fällen werde die Mannschaft schlimmergeschliffen" als im alten Heere.

Reichswehrminister Gröner: Wir verurteilen jegliche ! schimpfliche Behandlung von Soldaten und ihre Duldung ! auf das allerschärfste und es wird von mir in jedem ein­zelnen Falle, der zu meiner Kenntnis kommt, in der rück­sichtslosesten Weise vorgegangen. Zeder, der mißhandelt wird entfernt. Nur in Fällen, wo sich aus dem Einzelfall ganz besondere Rücksichten ergeben, genehmige ich persön­lich, daß der betreffende Vorgesetzte im Dienst belassen wird. Auch die Methode, den Leuten das Schwimmen auf brutale Art beizubringen, verurteile ich aufs schärfste. Abgesehen von Einzelfällen haben sich die Verhältnisse auch durchaus günstig entwickelt. Der Unteroffizier hat bei uns keine Strafgewalt» sie kann ihm auch nicht vom Hauptmann über­tragen werden. Wir verlangen, daß unsere Soldaten men­schenwürdig, anständig und vornehm behandelt werden. Ich verlange von den Vorgesetzten» datz sie vornehme Cha­raktere sind und nicht die eigene Unzulänglichkeit dadurch verdecke», datz sie die Mannschaften schlecht behandeln.

Auf sozialdemokratische Bemängelungen des jetzigen Beschwerderechts erwiderte Reichswehrminister Gröner, das Beschwerderecht in der Reichswehr sei durchaus zeit­gemäß. Seine Anwendung kann auch nicht zur Entlassung führen, denn ich prüfe persönlich jeden einzelnen Fall, in dem jemand gegen seine Entlassung Einspruch erhebt. Ich werde immer genau prüfen, ob etwa in einem solchen Falle die Anwendung des Beschwerderechts den eigentlichen Grund der Entlassung bildet. Die Zahl der Soldatenselbst­morde, die 1924 184 betrug, ist im Jahre 1929 auf 79 zurückgegangen.

Die Erdbebenkatastrophe in Birma 5000 bis 7000 Todesovfer?

London, 7, Mai. Reuter meldet aus Rangoon: In der Stadt Pegn wurde bei dem Erdbeben am Montag abend u. a. eine Reismiible völlig zerstört. Ein Kinotheater brach zusammen, während die Vorstellung im Gange war. Dft Bergung der Lei­chen ist noch im Gange. Zwei Meilen nördlich von Pegn stürzte die Eisenbahnbrücke ein. sodatz der Zugverkehr nach der Stadt unterbrochen werden muhte.

Daily Mail" berichtet aus Ransoo: Die Stadt Pegn ist jetzt durch ein nach dem Erdbeben ausgebrochenes Feuer völlig zer­stört worden. Die Zahl der Tote« wird auf 5 bis 7000 Personen geschätzt. Die Schwe Dagon-Pagode in Rangoon, die ein berühm­tes Ziel für buddhistische Wallfahrten ist, wurde schwer beschä­digt.

Schwerer Wirbelfturm in Texas

Dallas (Texas), 7. Mai Der Süden des Staates Texas ist von einem schweren Wirbelsturm beimgesucht worden. Nach den bis Mitternacht aus mehreren Ortschaften eingetroffenen Meldungen waren bereits mindestens SV Personen ums Leben gekommen. In der Morgenfrühe wurde mit weiteren 45 Todesmeldungen gerechnet, sodah die Zahl der Ovfer sich auf über 70 erhöhe« dürfte. Der Wirbelsturm raste in einer Bahn von 250 Meter Breite über eine Strecke von wenigstens 100 Meilen dabin und entschwand schließlich im Gold von Mexiko. Auch in anderen Teilen von Texas ist durch schwere Stürme grober Schaden anse- richtet worden. Der kleine Ort Frost, der nur 1000 Einwohner bat, hat anscheinend am schwersten gelitten. Hier sind 28 Per­sonen getötet worden.

Die Waldbrände in Neujersey

Neuyork, 7. Mai. Die Waldbrände im Gebiet des Staates Neujersey nehmen immer katastrophalere Formen an. Etwa 200 Wohnstätten find neuerdings in Flammen aufgegange«. Bei de« Arbeiten rar Eindämmung des Feuers find mehrere hundert Personen verletzt worden. Die Lage wird wesentlich erschwert durch die ungeheure Hitze der letzten Tage, hatte man doch im Stadtgebiet von Neuyork die Rekordtemveratur von 3V Grad Celsius zu verzeichnen.

Das «Mal >

Von Walther Hanck- Meseritz

Den Protesten, die bei Annahme der deutschen Agrar­vorlagen namentlich in Polen erhoben wurden, kommt neben der wirtschaftlichen eine nicht zu unterschätzende po­litische Bedeutung zu. Die Zollerhöhungen und anderen Maßnahmen verfolgen ja den Zweck, durch die wirtschaftliche Stärkung der Landwirtschaft die bedrohte politische Stel­lung im Osten zu festigen. Als Hindenburg am Tage der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Liquidationsabkom­mens jenen Brief an den Reichskanzler richtete, in dem er das ganze deutsche Volk zur Mitarbeit an der Wiederauf- richtung des zusammenbrechenden Ostens auftief, wies er zugleich mit der ganzen Schwere seine Stellung und Per­sönlichkeit der deutschen Innenpolitik neue, bisher vernach-, läsfigte, wenn überhaupt jemals beschrittene Wege. Sie waren richtungweisend nicht nur für die Innenpolitik, son­dern im gleichen Maße letzten Endes auch für die Wilhelm- straße in Berlin. Denn wenn man Hindenburgs Brief in seinen letzten und tiefsten Folgerungen durchdenkt, ergibt sich aus ihm, auch wenn in dem Schreiben darüber kein Wort steht, ein Wink für die verantwortlichen Leiter der deutschen auswärtigen Politik. Es besteht doch heute da­rüber gar kein Zweifel, daß alle Hilfe von Reich und Staat letzten Endes dem Osten nur bedingt nützen kann, wenn nicht der Irrsinn von Versailles, der die blutende Grenze schuf, verschwindet und einer vernünftigen Regelung Platz macht. Aus der anderen Seite dürfte eine starke wirtschaft­liche und kulturelle Entwicklung des Ostdeutschtums genügen, dir in deutsches Land vorgetriebenen polnischen Provinzen wieder dem deutschen Einfluß zurückzugewinnen und den Boden für ein Eingreifen des Völkerbundes zu bereiten. So sind Innen- und Außenpolitik im deutschen Osten mit­einander verbunden. Langsam aber merklich löst sich die Front vom Rhein, um sich an der Weichsel mit dem Gesicht nach Osten neu zu bilden. Und aus dem Nebeljchatten der Zukunft steigt mit beginnender Klarheit das Bild: Da? Schicksal des Sechzigmillionenvolkes, das Schicksal Deutsch­lands wird an der Weichsel entschieden werden.

n ttr»sel

Des Reichspräsidenten Kanzlerbrief weist nach der Weich­sel. Der Innenpolitik muß das Auswärtige Amt folgen, soll nicht beste Kraft unnütz vergeudet werden. Nicht um­sonst hat Frankreich in Versailles den polnischen Kerl io tief in Ostdeutschland Hineingetrieben. Nicht allein der schö­nen Augen der Polen wegen, sondern um die nationale Kraft Deutschlands an seiner empfindlichsten Stelle zu tref­fen. Frankreich wollte eine Wiederholung ähnlicher Vor­gänge wie 1813 unmöglich machen. Militärische Berechnun­gen des Pariser Generalstabs schufen die deutsche Ostgrenze, trennten Ostpreußen vom Reich. Ließen in ihren Aus­wirkungen den Osten verelenden, so daß nur noch eine Lö­sung zu helfen vermag, eine Lösung, die bestehendes Un­recht wieder in Recht verwandelt.

Die deutsche Westpolitik ist nach Locarno und den Poung- abmachungen in den Zustand der Beharrung gekommen. Die Grenze nach Westen ist festgelegt und garantiert. Das Rheinland und die Pfalz sollen am 1. Juli von den Bs- satzungstruppen endgültig frei sein. Damit ist der schwe­bende Zustand im Westen liquidiert. Der Weg zur Ost­schwenkung ist frei. Die Stunde ist für die verantwortlichen Leiter der deutschen Politik gekommen, den Schritt zu tun. der immer zu Höhepunkten in der deutschen Geschichte führte. Es gilt die deutsche Raumpolitik im Osten. Dies sollte die nächste Aufgabe der Wilhelmstraße sein. Wohl darf dabei nicht übersehen werden, daß noch andere Fragen in der deutschen auswärtigen Politik der Lösung harren. Die Grundlagen aller deutschen Politik liegen im Osten, denn an der Weichsel werden zugleich alle übrigen Fragen ent­schieden. Daher muß sich die Front nach Osten kehren.

Die amtlichen Berliner Stellen haben es bisher vermie­den, die Ostfrage aktiv und vowärtstreibend anzupacken. Es ist nur immer wieder betont worden, und Stresemann hat es mit einem deutlichen Wink nach Warschau des öfte­ren hervorgehoben, ein Ostlocarno würde niemals ab­geschlossen werden. Auch hat der frühere Reichsbankpräsi- dent Dr. Schacht bei den Pariser Reparationsverhandlun­gen erklärt, die geforderte hohe Reparationssumme nur zu-