Mgem. Anzeiger für die Bezirke Nagold, Calw«. Sreadeaftadl Amtsblatt für den Bezirk Nagold a. Atteafteig-Stadl

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Urrrnrner 79

Altensteig, Freitag den 4. April 1930

53. Jahrgang

Ile enMeldmde Eikum lm Reichstag

Die Mitzttaueusauträge gegen dar Reichrkakioett adgelehat

Berlin, den 3. April. Zn der heutigen Reichstags- sitzung wurden um 1 Uhr die Mißtrauensanträge gegen ^ das Reichskabinett mit 252 gegen 187 Stimmen abgelehnt. !

Ablehnung aller Mißttaueusanträgc l

Bei Eröffnung der Sitzung teilt Präsident Lobe mit, daß Ab- ! geordneter Keinath lDVp.) in den Reichstag neu eingetreten I hei. In der Fortsetzung der Aussprache über die Regierungser- klärung nimmt Abg. Graf zu Reventlow (NS.) das Wort und wendet sich besonders gegen diejenigen Sätze der Regierungser­klärung, in denen die organische Weiterentwicklung der bisheri­gen Außenpolitik angekündigt wird. Die Nationalsozialichen würden immer wieder das volksverräterische Treiben derjenigen Parteien, die dem Noungplan zugestimmt baden, an den Pran­ger stellen. Die bürgerliche Regierung Brüning sei geschaffen worden, um die Widerstände gegen die Durchführung des Bo- nngplanes zu brechen. Die Nationalsozialisten würden die jetzt irrseführten Massen des werktätigen Volkes sammeln zum na- ! tionalen, sozialistischen Kampf gegen den internationalen Kavi- ! talismus.

Abg. Rädel (K.): Nach den neuesten Nachrichten steht nun fest, daß die Firma Hugenberg für die Brüning-Regierung, also für die Noungplanregierung stimmen wird. Auch jetzt hätten die Sozialdemokraten eine Hundeangst vor den Kommunisten und vor Neuwahlen.

Reichskanzler Brüning:

Auf die Frage der Außenpolitik werde die Regierung bei dem in Kürze zu beratenden Etat des Auswärtigen Amtes ausgie­big einsehen. An die Beratung der agrarpolitischen Hilfsmaß­nahmen sei die Reichsregierung sofort aus eigener Initiative und auf besonderen Auftrag des Reichspräsidenten herangegan- gen. Sie habe dabei das Programm des Ministers Schiele in den Kreis ihrer Beratungen hineingezogen. Die Reichsregie­rung werde noch im Laufe der nächsten Woche ihre gesetzgeberi­schen Vorschläge dem Reichstag unterbreiten. (Beifall.) Das Progranpu der außerordentlichen Hilfe für die östlichen Gebiete werde gleichfalls in kürzester Frist dem Reichstag unterbreitet werden. Bezüglich der Fragen wegen der Handelspolitik bezog er sich auf die Erklärung der Reichsregierung und stellte fest, baß die notwendige Kontinuität der Handelsvertragspolitik auch von der neuen Reichsregierung durchgeführt werden wird. Der Abg. Dr. Breitscheid habe Besorgnisse wegen der Anwendung Des Artikels 18 ausgesprochen. Die Reichsregierung, so erklärt der Kanzler, wird nach sorgfältigster Prüfung, wenn es über­haupt notwendig sein sollte, in jedem Einzelfall entscheiden, ob die verfassungsmäßigen und rechtlichen Voraussetzungen gege­ben find. Ob überhaupt die Anwendung des Artikels 48 not­wendig ist, ist eine Entscheidung, die dieses hohe Haus in kur­zer Zeit selbst zu fällen hat. (Beifall bei den Regierungspar­teien.)

Das Wort erhält dann

Abg. Dr. Hngenberg (Dm)

>ber von der Linken mit stürmischen Zurufen empfangen wird.

Er erinnert daran, daß innerhalb der deutschnationalen Frak­tion über die Stellungnahme zu den Mißtrauensanträgen Mei­nungsverschiedenheiten vorhanden gewesen seien. Mittwoch nach­mittag habe die Fraktion mit drei Viertel Mehrheit beschlossen, im Falle der Ablehnung eines Verschiebungsantrages, dessen Zweck auf schleunigste Vorlage der Agrargesetze gerichtet war, "dem Kabinett das Mißtrauen auszusprechen. Auf meine, so -fährt der Redner fort, im Einvernehmen mit dem Fraktions- worfitzenden Dr. Oberfohren gegebene Anregung hat die Frak­tion heute einmütig die Abgabe folgender Erklärung beschlossen: Diese Erklärung entspricht der von allen Verufsständen der Partei getragenen Stellungnahme, die ich auf dem Kasseler Parteitag durch die Worte zum Ausdruck e bracht habe, daß die Partei jeden Vorstoß unterstützen wird, von dem irgendeine wirkliche Besserung der Lage der Landwirtschaft erwartet wer­den kann.Die Deutschnationale Bolkspartei lehnt heute den so- irialdemokratischen und kommunistischen Mibtraueusantrag ab. Dies geschieht im Hinblick auf die von der neuen Regierung zmit starken Worten angekündigten Maßnahmen zum Schutze der notleidenden Landwirtschaft und der gefährdeten Ostpro- «inzen. Für große Teile der jetzigen Regierungskoalition waren n^t etwa in erster Linie die Rettung von Landwirtschaft und Ostvrovinzen Zweck und Ausgangspunkt der neuen Koalition, sondern die Zerschlagung der Deurschnationalen Bolkspartei. Diese Hoffnungen find enttäuscht worden Wir find vSMg har­ter einig, daß wir für diese Regierung «ud ihr Kandel« nicht nie mindeste Verantwortung tragen. Wir sehen aber keine Ver­

anlassung, dem Reichslandbund in den Arm zu fallen, wenn er die Verantwortung übernehmen will. Wir find der Meinung, daß Gefahr im Verzüge ist und daß bei allseitigem guten Wil­len die Rettungsmaßnahmen für die Landwirtschaft und des Ostens noch vor der Osterpause Gesetz werden können. Wir fürchten, daß die Zusammensetzung der preußischen Regierung und der heutige Aufbau der Vreußenkasse ein ernstes Hinder­nis kür die erforderlichen Maßnahmen bilden wird. An dem von Herrn Schiele und der deutschnarionalen Fraktion verlang­ten Zahlungsaufschub für die notleidenden Gebiete wird nicht vorbeizukommen sein. Den deutsch-polnischen Handelsvertrag werden wir entsprechend unserer bisherigen Haltung auch jetzt ablehnen. Die Regierungserklärung ist in keiner Weise geeig­net. das Mißtrauen zu zerstreuen, das wir angesichts der Zu­sammensetzung der Regierung Brüning Kegen. Der Wille zur Wetterführung des bisherigen Erfüllungskurses in der Außen­politik wird durch die Beibehaltung des Außenministers Curtius zum Ausdruck gebracht. Auch die Beibehaltung des Ministers Wirth bestätigt diesen Willen. Die Regierungserklärung sagt auch nichts über die Ausnutzung aller Wehrmöglichkeiten durch die Einsetzung der Baurate für den Panzerkreuzer B in den Haushalt. Wir vermißen auch die Ankündigung der Aufhebung der Maßregelung Thüringens. Wir haben seit Monaten betont, daß wir zu einer Zusammenarbeit mit den nichtmarxistischen Parteien bereit sind, wenn sie sich auf die Rettung von Staat und Wirtschaft vor dem Marxismus und auf die Freiheit Deutschlands richtet und Reich und Preußen gleichmäßig um­faßt. Das mit der Absicht der Sprengung der deutschnationalen Partei zugleich unter Mißbrauch des Namens und Ansehens des Reichspräsidenten gebildete neue Parteikabinetr der Mitte ist ein nicht überzeugender Versuch, diese Tatsache su verschlei­ern. Das finanzielle Programm der Regierung findet, da es in erster Linie neue Steuerbelastungen mit sich bringt, nicht un­sere Zustimmung. Nach dem Gesagten haben wir gegenüber de« Absichten und der Zusammensetzung des neuen Kabinetts ein weitgehendes Mißtrauen. In erster Linie gründet sich dieses Mißtrauen auf die Aufrechrcrhaltung der Koalition mit dem Marxismus in Preußen und auf die der nationalen Rechten gegenüber bekundete Haltung. Wir werden zu dem uns richtig erscheinenden Zeitpunkt die Folgerungen aus diesem Mißtrauen ziehen."

Auf die letzten gegen die neue Regierung gerichteten Sätze des Redners folgen immer wieder Rufe der Sozialdemokraten und Kommunisten: Und dennoch lehnen Sie die Mibtrauensanträge ab! Auf die Erklärung weitgehenden Mißrrauens gegen die Regierung antwortet die Linke mit schallendem Gelächter. Ein Kommunist ruft: Das sind Dispositionen von gestern! Als Abg. Hugenberg seine Erklärung beendet hat, kommen von den Na­tionalsozialisten laute Pfuirufe.

Es folgt nun die namentliche Abstimmung über die gleichlau­tenden Mibtrauensanträge der Sozialdemokraten und Kommn- «iste«. Mit 252 gegen 187 Stimmen werde» die Mibtrauensau- träge abgelehnt. Von den Kommunisten kommen Rufe:Hugen­berg erspart den Wahlkampf".

Dann vertagt sich das Haus auf Freitag 1 Uhr. Auf der Ta­gesordnung steht die zweite Beratung des Schankstättengesetzes.

Mch der Mehmg

der MitztraueliMtllnis

Das Reichskabinett berät die Gesetzesvorlageu Berlin, 3. April Nach der Vertagung des Reichstages ist das Reichskabinett zu einer Sitzung zusammengetreten, der man in der Wandelhalle besondere Bedeutung beimatz. Es hatte sich nämlich das Gerücht verbreitet, Satz das Kabinett trotz der Ab­lehnung des Mißtrauensvotums doch noch die Auflösung des Reichstages beschließen könne, weil die Erklärung Dr. Hugen- bergs so starke Vorbehalte machte, daß die Anwendung des Artikels 48 und die Auflösung unter Umstände» auch daun sehr bald eiutreteu könnten, wenn sie heute vermieden würde. Rich­tig ist an diesen Gerüchten, daß das Reichskabinett sich natürlich über den Verlauf der heutigen Reichstagsfitzung unterhalten hat. Es ist aber nicht mehr anzunehmen, daß heute noch ein sensationeller Beschluß erfolgt. Vielmehr wird bekannt, daß das Kabinett bereits in die sachliche Beratung der dem Reichstag vorzulegenden Vorlagen eingetrete« ist. Das bedeutet, daß im Augenblick mit einer Auflösung nicht zu rechnen ist.

Zu der Abstimmung über die Mißtrauensauträge

Das Ergebnis der Abstimmung über die Mißtrauensauträge ist nach seiner endgültigen Feststellung dahin zu berichtigen, daß nicht 252, sondern 253 Abgeordnete gegen die Anträge gestimmt haben. Als beurlaubt fehlten bei den Sozialdemokraten 8 Ab­geordnete, bei den Deutschnationalen 2, bei den Demokraten ebenfalls 2 Mitglieder.

Die Berliner Presse zu der Rede Hilgenbergs

Berlin, 3. April. Die überraschende Wendung in der Haltung der Deutschnationalen gegenüber dem Kabinett Brüning wird in den Berliner Blättern eingehend kommentiert. In derGer­mania" heißt es: Wenn Hugenberg gestern noch ein politisches Ansehen als Führer einer großen Partei zu verspielen hatte, dann dürfte das heute geschehen sein.

Das ^Berliner Tageblatt" schreibt: Das Ergebnis der heu­tigen Sitzung läßt sich in die zwei kurzen Sätze zusammenfassen: Die Entscheidung über das Kabinett Brüning ist vertagt. Hugen­Lerg hat eine schwere Niederlage erlitten.

DieRassische Zeitung" sagt: Dr. Brüning macht sich übe»

. Hugenbergs Drohungen zunächst kaum Sorgen. Wenn man schnell umgefallen ist, wie heute der deutschnationale Parteiführer, dann macht das Auferstehen einige Schwierigkeiten.

DieDeutsche Allgemeine Zeitung" erklärt: Wenn Geheimrar Hugenberg zu der jetzigen Schwenkung sich entschlossen hat, sch geschah das offensichtlich, um die in äußerstem Maße bedrohte Einheit der deutschnationalen Pattei noch einmal zu retten.

Der Deutsche" äußert sich: Das ganze ist ein llmfall, wie maM ihn nicht für möglich gehalten hat.

Die Spätausgabe desVorwärts" spricht von einer Katwtz strophe der Deutschnationalen Volkspartei, die noch größer Mi als die vom August 1924, da sie bei der Dawesabstimmung au»! einanderfiel.

Beginn der sachlichen Arbeit des neuen Reichskabiuetts

Berlin, 3. April. Nach der Kabinettssitzung begann heute abends um 5.30 Uhr eine Besprechung des Kanzlers und einiger Ressort­minister mit den Parteiführer». Mit diesen beiden Sitzung«» ist das Kabinett in die sachliche Arbeit eingetreten. Für diese Haltung war mitbeftimmend, daß die Drohung Dr. Hugenbergs, die Deutschnationale Bolkspartei werde bei der Erledigung der Steuervorlagen eine andere Haltung einnehmen, in Regierungs- kreifen sehr ruhig ausgenommen wird. Für die Reichsregierung find Agrar- und Osthilfe unlösbar mit der Deckungsfrage ver­bunden und sie wird zweifellos eine Form finden, die es un­möglich macht, die Agrar- und Ostvorlagen anzunehmen und die Deckungsgesetze abzulehnen. Die Steuerentwürfe liegen dem Reichstag bekanntlich bereits vor. Die beiden anderen Vorlagen werden ihm bis Mittwoch nächster Woche zugehen. In Kreisen des Kabinetts rechnet man damit, daß die Steuer- und Agrar­fragen noch bis Ostern erledigt werden und daß dann gleich nach den Feiertagen auch das Ostprogramm verwirklicht werden kann.

Bcrliser politische MaffMmdzebmM

Berli«, 2. Avril. Am Mittwoch nachmittag und abend veran­stalteten fast alle politischen Parteien Kundgebungen teils in Sälen, teils auf freien Plätzen. Sie sind ohne gröbere Zwischen­fälle verlaufen. Die Nationalsozialisten hatten eine Versamm­lung in den Spottpalast einberufen, wo der Landtagsabgeord« nete Kube, Staatsminister Dr. Frick und der Reichstagsabge­ordnete Dr. GSbdels unter ungeheurer Beteiligung der Natio- nalsozialiistjchen Partei sprachen. Minister Frick kam gleich zu Beginn seiner Rede auf den Briefwechsel zwischen dem thüringi­schen Staatsministerium und dem Reichsinnenministerium « sprechen und wandte sich in schatten Worten gegen Severins. Dann sprach er von dem Gerücht, daß Hitler die deutsche Staats» angebörigkeit durch Thüringen erhalten solle und bezeichnet« e» als größtes Unrecht, einen Frontsoldaten, der viereinhalb Jahr« auf Seiten Deutschlands gekämpft habe, die Reichsangehörigkeit zu verweigern. Minister Frick betonte, daß er dieses Unrecht, soweit es in seiner Macht stehe, wieder gut machen werde, j«tz daß man sich sogar noch an andere Dinge werde gewöhnen müs» senü

Das Reichsbanner batte auf vier verschiedenen Plätzen de« Stadt mr 8 Uhr abends ebenfalls Kundgebungen veranstaltet.

Die Kommunistische Partei bat abends eine Kundgebung in den Lustgarten einberufen, zu der aus allen Teilen Groß-Bet» lins die Anhänger der Partei in Scharen berdeigeströmt waren. In zahlreichen Lokalen batten außerdem der Stahlhelm, d» Jungdeutsche Orden» die Deutschuationale Bolkspartei, die Deut» sche Bolkspartei, die Sozialdemokratische Partei usw. Versamm­lungen einberufen. Alle diese Veranstaltungen find ziemlich rno big verlaufen. Kleinere Zwischenfälle sind zu verzeichnen.

Sraf ZeMlior" VersMa-rt

Das LuftschiffGraf Zeppelin" fliest wieder Friedrichtsbafen, 3. April. Das LuftschiffGraf Zeppelin" ist Donnerstag vormittag 8.35 Uhr »u seiner ersten dies,adrige« Fahrt unter Führung von Kapitän Lehmann aufgestiegen. Die Fahrt die eine reine Werkstättenfahrt war. hat sich nur über das Boden'jeegebiet erstreckt. Der Aufstieg ging glatt vonstatten und das Luftschiff verschwand in westlicher Richtung. Infolge Re- «enwetters. das in den Morgenstunden hier benschte, batte sich der Beginn der Fabtt etwas verzögert. Das Luftschiff ist um 13.4« Mr wieder glatt »elender.