Man vermutete sofort, daß er den Tod im See gesucht habe. Das scheint auch der Fall zu sein, denn der Kahn wurde in den Binsen beim Rangierbahnhofe angeschwemmt. Ein Ruder fehlte. Hut, Stock und Rucksack des Vermißten lagen noch im Kahn. Ueber die Person des Vermißten herrscht Dunkel. Er war ein stattlicher Mann, Mitte der 40er Jahre, trug grau­grünen Touristenanzug mit Wadenstrümpfen und gleich­farbiger Mütze und hatte einen blonden, graumelier­ten Spitzbart.

Au» Welt «ud Zelt.

Erinnerungen an dierote Herzogin".

Ueber die verstorbene Frau Dr. Willim geb. Herzogin Pauline von Württemberg, wird derBerl. Volkszeitung" geschrieben:

Als zu Ende der achtziger Jahre bei einem schar­fen Wahlkampf vor einer Reichstagswahl die Bres­lauer freisinnige Parteileitung an die Einwohner das Ersuchen richtete, sie in der Wahlbewegung durch persönliche Mitwirkung zu unterstützen, erschien auf dem Wahlbureau eine einfach, ja mehr als einfach gekleidete Frau, die sich zur freiwilligen Hilfe bei der Ägitation erbot. Es wurde ihr bedeutet, daß auf aktive Mitarbeit von Frauen verzichtet werden müsse sie solle sich aber bemühen, in den Kreisen ihrer An­gehörigen und Verwandten im Interesse der frei­sinnigen Partei zu wirken. Die Frau erwiderte, daß sie in Bezug aus ihre nächste Verwandtschaft, der der regierende König von Württemberg und andere ge­krönten Häupter angehören, eine derartige Werbe­arbeit für zwecklos halte. Man schüttelte darüber auf dem Parteibureau die Köpfe, dann aber wunderte man sich nicht, als die Frau mitteilte, daß sie die Gat­tin des Dr. Willim und eine geborene Herzogin von Württemberg sei. Frau Dr. Willim wandte sich nun aufs eifrigste der politischen Agitation zu. Nach eini­gen Jahren erklärte sie, daß sie es sich zum Ziel ge­setzt habe, im Interesse einer Vereinigung der Frei­sinnigen mit den Sozialdemokraten zu wirken, da sie davon das einzige Heil für Deutschland erwarte. Als infolge dessen die Breslauer freisinnige Partei von ihr abrückte, vollzog sie ihren Uebergang zur sozialdemokratischen Partei. Sie brachte dies ostentativ dadurch zum Ausdruck, daß sie in einer knallroten Bluse den Verhandlungen des im Jahre 1895 in Breslau abgehaltenen Parteitages der so­zialdemokratischen Partei von Anfang bis zu Ende beiwohnte.

Bei ihrer Trauung in der Schloßkirche zu Carlsruhe in Schlesien kam es zu einem eigen- artig enZwischenfall. Der amtierende Geist­liche legte es dem Bräutigam nahe, sich stets vor Augen zu halten, welches Opfer ihm die hochgeborene Braut bringe, indem sie aus Liebe zu ihm von ihrer hohen Stellung herabsteige. Darauf erhob sich die Braut sofort und unterbrach die Rede des Geistlichen, indem sie mit lauter Stimme entschieden erklärte, daß von einem Opfer und einem Herabsteigen ihrer­seits nicht im geringsten die Rede sein könne. Dr. Willim ließ sich nach seiner Verheiratung mit der Herzogin Pauline als praktischer Arzt in Breslau nieder. Seine junge Frau begleitete ihn vielfach bei seinen Krankenbesuchen, die er den armen Patienten abstattete, und griff vielfach mit ihrer wohltätigen Hilfe ein. Sie hat bis zu ihrem Tode imStillen oielen Armen und Bedrückten wohl­tätige Unter st ützungen zuteil werden lasten. Ihren Gatten hat sie bereits vor vier Jahren ver­loren. Frau Dr. Willim war eine große Tierfreun­din. Oft sah man sie durch die Straßen Breslaus mit einer Ziege an der Leine gehen. Und wenn sie mit ihren Kindern im Wagen ihres Mannes, einem rich­tigen Doktorcoupe, ausfuhr, so war häufig auch die Ziege Fahrgast. Breslau ist durch den Tod der Men­schenfreundin um eine eigenartige Erscheinung ärmer Schwerer Unglücksfall bei den 126ern.

Bitsch (Lager), 25. April. Bei dem Prüfungsschießen der Maschinengewehrkompagnie des Infanterieregi­ments 126 (8. württembergisches) geriet der Komman­deur des 8. Bataillons, Major Ströhlin, aus Versehen in die Schußlinie eines rückwärts gestaffelten Maschi­nengewehrs. Ein Schutz durchschlug dem Offizier das rechte Bein unterhalb der Kniescheibe. Der Verletzte, dem sofort aus dem Schießplatz ärztliche Hilfe zuteil werden konnte, wurde nach Straßburg gebracht.

Mord und Selbstmorde.

Berln ^ April. In der vergangenen Nacht hat sich in Wohnung seines Vaters in Schöne­berg der Ulanenleutnant Heros v. Borcke aus bisher unbekannten Gründen erschossen. In der Wohnung seiner geschiedenen Frau hat sich infolge finanzieller Schwierigkeiten der Kaufmann Dr. jur. v. Rabenau erschossen. Der Kaufmann Gustav Goedicke, der am 4. März seine Mutter erdrosselt und erschossen hatte, hat sich im Untersuchungsgefängnis erhängt.

Landsberg a. d. W., 26. April. In Gorgast ver­grub die Arbeiterin Mistelo ihr neugeborenes Kind lebend - . einem Feld, sodaß es erstickte. Die Mör­derin wurde verhaftet.

Ueberfall aus einen Geistlichen.

Nordkirchen im Münsterland, 24. April. Auf den hiesigen katholischen Pfarrer Kerkhofs wurde in der Nacht vom 22. auf den 23. April, wie die Tremonia berichtet, ein verwegener Ueberfall verübt. Als er nachts 11 Uhr in seinem Arbeitszimmer saß, forderten zwei auf ihn eindringende Männer mit geschwärzten Gesichtern von ihm die Herausgabe aller in seinem Besitz befindlichen Geldbeträge. Nach anfänglicher Weigerung und nach einem kurzen Kampfe, bei dem der Greis den Kürzern ziehen mußte, übergab er ihnen 60 -K, da er sein Leben durch vorgehaltene Revolver bedroht sah. Gleichzeitig wurde ihm seine goldene Uhr entrissen. Die durch den Lärm erwachte Haushälterin holte Hilfe bei einem benachbarten Bauern. Dieser schleuderte zwar ein Beil gegen die gerade ausrückenden Kerle, wurde aber durch zwei Revolverschüsse kampf­unfähig gemacht. Die Räuber entkamen unerkannt, und zwar auf demselben Wege, den sie gekommen, näm­lich mittels eines Kahns, da das Pfarrhaus von drei Seiten von einem Wassergraben umgeben ist. Es ist dies nicht der erste derartige Fall: in letzter Zeit meh­ren sich die Einbrüche bei katholischen Geistlichen in diesem Teil des Münsterlandes.

Kardinal Kopp kein Millionär.

Ueber den Nachlaß des Kardinals Kopp veröffent­licht im Gegensatz zu andern Meldungen, die von Bres­lau aus verbreitet wurden, der Testamentsvollstrecker, Eeheimrat Dr. Porsch, in derGermania" eine Erklä­rung, die im wesentlichen besagt:Der Kardinal, der für seine Person außerordentlich asketisch lebte, hat mir ^ als seinem Testamentsvollstrecker wiederholt erklärt, ich ^ würde nach seinem Tod keine Ersparnis vorsin- den, da er, was er einnehme, auch im allgemeinen In­teresse ausgeben zu sollen für seine Pflicht halte. Das hat er auch getan: nicht nur für Kirchenzwecke. Was ich in seinem Nachlaß vorfinde, hat das in noch größerem Maße bestätigt, als ich es schon annahm. Demgemäß habe ich nicht einmal 1 Million ersparter Gelder auf­gefunden, geschweige denn 7 Mill. Seiner Familie hat er wenig hinterlassen: das meiste für allgemeine und gute Zwecke."

Caruso soll bezahlen.

Enrico Caruso ist, wie dem Berl. Tagebl. aus New- york gekabelt wird, abermals wegen Bruchs des Ehe­versprechens auf Zahlung eines Schadenersatzes von 400 000 verklagt worden. Die Klägerin, eine neun- undzwanzigjährige Dame namens Mildred Meffert er­klärte, daß ihr der Sänger mehrfach in Gegenwart von Freunden das Eheversprechen gegeben habe. Bereits seit dem Jahr 1009 wurde sie überall als Frau Caruso vorgestellt. Caruso hat sie dann angeblich unter den verschiedensten Ausreden hingehalten, um sie schließlich im Herbst 1913 vollkommen zu verlassen. Eine gütliche Einigung hat der Sänger abgelehnt, und somit wird der Prozeß in den nächsten Tagen seinen Anfang nehmen.

Der Simplonstreik beendigt.

Zürich, 25. April. Die italienischen Arbeiter am zweiten Simplontunnel beschlossen, die Arbeit beding­ungslos wieder aufzunehmen. In der italienischen Kammer wird voraussichtlich der Ausstand zur Sprache gebracht werden.

Augsburg. 25. April. Der Oekonomensohn Lud­wig Bacher aus Egling hatte im vergangenen Oktober, um der Alimentationspflicht zu entgehen, seine Geliebte ermordet. Er stand deshalb vor dem Schwurgericht, hat sich aber heute nacht in seiner Zelle erhängt.

Gcrichtssaal.

Tuttlingen, 25. April. In einer volksparteilichen Wahlversammlung in Nendingen hat bekanntlich der Vorsitzende A. Huber dem Bezirkssekretär Berchtold zugerufen:Du Rindviech". Berchtold hat wegen die­ser Beleidigung Strafantrag gestellt, wäre aber zu einem außergerichtlichen Vergleich bereit gewesen, wenn Huber die Beleidigung zurückgenommen hätte. Im Zusam­menhang mit fraglicher Wahlversammlung hat Berch­told im Eränz-Boten einige Artikel veröffentlicht, worin das Verhalten Hubers charakterisiert wurde und auch der Ausdruck unverschämt gebraucht wurde. Auch in der erwähnten Versammlung sagte Berchtold auf die Auslastungen Hubers hin, letzterer sei nicht fähig, eine Versammlung zu leiten. Wegen diesen vermeint­lichen Beleidigungen erhob Huber Gegenklage. Die Verhandlung fand nun am Donnerstag statt. Arnold Huber wurde von der Gegenklage freigesprochen, da es nicht zu weit gegriffen sei, wenn Berchtold gesagt habe, Huber sei nicht fähig, eine Versammlung zu leiten. Strafmildernd für Huber wirkte der Umstand, daß sich die Angelegenheit während der Wahlzeit abspielte.

Vermischtes.

Ein Familienbild vom Braunschweiger Hofe

wird der Vostischen Zeitung berichtet: Der Herzog sitzt eines Tages bei eifriger Arbeit mit einigen Herren, die ihm Vortrag halten. Die Tür zum Nebengemach, in dem die Herzogin neben sich die Wiege mit dem neugeborenen Erbprinzen saß, steht offen. Aus die­sem Gemach ertönt nach einem Weilchen, freundlich bit­

tend, eine Stimme:Erni". Der Herzog läßt sich bei seiner Arbeit jedoch nicht stören auch nicht, als sich die Rufe dringender, mahnender und etwas kräftiger wiederholten. Bis auf einmal höchst energisch und her­ausfordernd ein anderes Wort herüberklingt:August!" Da erhebt er sich eiligst und beurlaubt sich von seinen Räten:Wenn August gerufen wird, dann ist's Ernst!"

Was kostet der Panzer eines Kriegsschiffs?

Wie in andern Ländern, so ist auch in England gegen die Admiralität der Vorwurf erhoben worden, daß sie die Panzerplatten infolge des fehlenden offe­nen Wettbewerbs zu teuer bezahle. Nach einer amt­lichen Veröffentlichung der Vereinigten Staaten kostet die Tonne Panzer heute in Nordamerika 364 Mark, während die englische Flotte 440 Mark für die Tonne bezahlt. Amerika erhält seinen Panzer also um 76 Mk. pro Tonne billiger. Das scheint auf den ersten Blick kein hoherVetrag zu sein, aber man darf, nach Angabe der Technischen Monatshefte", nicht vergessen, daß die Panzerung eines modernen Schlachtschiffs etwa 10 000 Tonen wiegt, wofür die Vereinigten Staaten 3 640 000 Mark bezahlen, während England 760 000 Mk. mehr, nämlich 4 400 000 Mk. dafür ausgibt. Ob diese Zif­fern richtig sind, wird sich schwer ermitteln lasten, da über Größe und Stärke der Panzerung bei allen Marinen strengstes Stillschweigen beobachtet wird. Auf jeden Fall erscheint die Angabe, daß ein Drittel des Eesamt- deplacements eines Kriegsschiffes auf seinen Panzer entfalle, reichlich hoch gegriffen, selbst wenn man in Betracht zieht, daß man die Panzerung auf den neuen Schlachtschiffen dauernd verstärkt. Das vor 1 Jahren erbaute englische LinienschiffKing Edward" trug je­denfalls bei 178 000 Tonnen Eesamtdeplacement nur 4175 Tonnen Panzer. Ueber deutsche Panzerpreise lie­gen keine Nachrichten vor._^^

Landwirtschaft «nd Märkte.

Herenberg, 25. April. Auf den heutigen Schweine­markt waren zugeführt: 95 Stück Milchschweine: Erlös pro Paar 2845 -1t. 58 Stück Läuferschweine: Erlös pro Paar 6085 -R. Verkauf: schleppend.

Ueber den Stand der Reben in Württemberg berichtet Weinbauinspektor Mährlen im neuesten Heft desWeinbau":Schon im Herbst des vorigen Jahrs nach dem Laubfall, war zu erkennen, daß in der Ent­wicklung und Ausbildung des Rebenholzes bedeu­tende Unterschiede bestanden; in gut gepflegten und namentlich fleißig gekupserten Weinbergen erwiesen sich die Reben bis in die Triebgipfel hinein als gut ausgereift; schlecht behandelte Weinberge hingegen nahmen mangelhaft ausgereiftes Holz mit in den Winter. Die Böden konnten während der langen Frostperiode im Januar tief durchfrieren. In dieser Zeit wurden viele Weinberge mitKies" übertragen, Die Monate Februar und März brachten die er­wünschte Bodenfeuchtigkeit. Fast zu lange wurde das Wingertgeschäft durch die vielen Märzregen hinaus­gezögert; die Weingärtner scheuten sich mit Recht vor dem Betreten der tief aufgeweichten Weinbergsböden. Erst der April, der Heuer so wenig aprilhafes an sich trägt, brachte Leben in die Rebhalden. Es galt Heuer beim Rebschnitt besondere Sorgfal in der Auswahl der Hölzer, in dem Anschneiden von Zapfen und Ru­ten walten zu laen. Trotzdem die lleberwinterung der Reben nichts zu wünschen übrig ließ, machten sich die Folgen des Aprilfrostes vorigen Jahrs in vielen Weinbergen recht fühlbar; viele Rebschenkel mußten herausgeschnitten, mancheVodenhölzer" als Ersatz für die abgängigen Rebteile herangeholt werden; sehr licht ist es auf diese Weise da und dort in den Weinbergen geworden. In den mittleren und oberen Berglagen schnitten sich die Reben immer noch bester an, als in den Tallagen, viele Weinberge, namentlich des Unterlandes, weisen hinsichtlich des Tragholzes sogar einen durchaus normalen Stand auf. Unter den verschiedenen Rebsorten haben Lemberger und Trollinger (letztere gerade in den wärmsten Teilen des Landes) am meisten an Holz eingebllßt; Sylva- ner war im Holz wohl etwas spitzig aber Tragzapfen gab er immer noch in genügender Menae: am Weiß­riesling war beim Schnitt fast gar nichts auszusetzen. Das im Gang befindliche Hacken der Weinberge lie­fert bei der Trockenheit des Obergrundes eine vor­zügliche Arbeit. Nun da die Reben geschnitten und vielfach schon gebogen sind, hört man so manchen Weingärtner, der zuerst traurig und mutlos an seine Reben hinsah, sagen: es kann trotz allem Heuer wiederWeingeben! Diese Hoffnung besteht sogar in Gegenden, wo die Lage im Jahr 1913 am verzweifeltsten war, so in Mundelsheim und Umgegend. Das herrliche Wetter, das seit Mitte April herrscht und die Obstbaumblüte in überraschend kurzer Zeit in seltener Vollkommenheit entfaltet und von den Reben die Knospen ins Schwellen gebracht hat, ist auch ganz dazu angetan, neuen Mut, neue Hoffnungen aufkeimen zu lasten. Möchten daher Heuer unsere Reben, unsere Obstbäume von schlimmen S-bädiaungen bewahrt bleiben!" _

Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner.

Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Vuchdruckerei.