«2^

Nr. 96.

Amts- und Anzeigeblatt für den Gberamtsbezirk Lalw.

89. Jahrgang.

Srschetnungrwets«: 6mal wSchentliih. Nnzeigenpret«: 8m vbeiamtr- Hezirk Saiw für di« einspaltige Borgiszeile 10 Psg-, außerhalb derselben 12 Psg-, Nekimen LS Psg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittag«. Telefon S.

Montag, den 27. April 19^.

» ezuglpret»: In der Stadt mtt LrSgerlohn Mk. I.LS vierteljührltch, Post, bezugspreir für den Orir« und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr . 1.30. Bestellgeld in Württemberg M Psg., in Bayern und Reich 42 Psg,

Unterhandlungen?

Die Unternehmungen Amerikas gegen Mexiko haben jetzt glücklich zu einer Kabinettskrise im Weißen Hause geführt. In Amerika ist nicht, wie bei uns, einer entscheidend über die Verwendung der Streitkräfte. Dort haben mehrere zu verfügen, und die gleichen sich in ihren Auffassungen und Anschau­ungen über das Zweckmäßigste, das eine bestimmte Lage heischt, natürlich nicht. Kriegssekretär Garrison fordert die Verwendung des Landheeres, Bryan ist dagegen. Marinesekretär Daniels nimmt eine Zwischenstellung ein. Theoretisch steht er auf der Seite Bryans. Die Notwendigkeit aber zwingt dazu, den Schutz der Marine­truppen durch Landstreitkräfte zu verstärken. Bryan ist ebenso heftig gegen eine Erneuerung des Waffen­ausfuhrverbots. Wilson wird hierhin und dorthin ge­zogen und leidet seelisch schwer.

Vielleicht als vorläufigen Retter aus der ganzen amerikanisch-mexikanischen Not zeigen sich die südame­rikanischen Republiken, die dem Präsidenten Wilson ein Anerbieten machen, in dem die Bevollmächtigten von Brasilien, Argentinien und Chile der Regierung der Vereinigten Staaten ihre guten Dienste für eine friedliche und freundschaftliche Beilegung des Streit­falles zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko anbieten. Wilson hat diesen gutgemeinten Freund­schaftsdienst angenommen, lieber die Mittel und Wege, mit denen dieses Anerbieten auf den Streit Einfluß ge­winnen soll, wird in Wilsons Antwort gesagt:Die Regierung der Vereinigten Staaten hegt die ernsteste Hoffnung, daß sich diejenigen, welche für die gemäßig­teren Elemente des mexikanischen Volkes sprechen, willig und bereit finden werden, über die Bedingungen einer befriedigenden und daher dauernden Beilegung des Zwistes zu unterhandeln. Natürlich ist es mög­lich, daß ein Angriff der mexikanischen Streitkräfte diese Hoffnung auf einen sofortigen Frieden zu Nichte macht." Von anderer Seite aus wird die Nachricht verbreitet, ein Plan der südamerikanischen Negierungen fasse die Entfernung Huertas ins Auge, auf der die Vereinigten Staaten bestanden hätten.

Veracruz, 25. Tpril. Der Kapitän des Dampfers dpiranga" von der Hamburg-Amerika-Linie erhielt Befehl, mit der für Huerta bestimmten Munitions- ladung nach Hamburg zurückzukehren.

19. kirchlich-sozialer Kongreß.

Wiesbaden, 25. April.

Gestern tagte hier der kirchlich-soziale Kongreß in unfern Mauern. Die Mitglieder dieses Kongresses setzen sich, im Gegensatz zu denen des evangelisch-so­zialen, aus den positiv gerichteten evangelischen Krei­sen zusammen. Eeneralsuperintendent Oh ly eröff- nete die Hauptversammlung mit einer Andacht, an die sich die Begrüßung durch den Präsidenten der Freien kirchlichffozialen Konferenz, Eeheimrat Prof. Dr. Seeberg (Berlin), schloß, nachdem schon tags zuvor ein Festgottesdienst, mit Prof. Dr. Pfennigs­dorf (Bonn) als Festprediger, vorangegangen war. Aus den Begrüßungsworten des Präsidenten sei her­vorgehoben, daß Seeberg von den Klagen der christ­lichen Arbeiterkreise über eine bevorstehende sozial­politische Reaktion sprach und daran die Worte an­knüpfte:Als Kaiser Wilhelm II. jung war, da stan­den wir in dem Zeichen des sozialen Gedankens; jetzt, in der Jugend seines Nachfolgers, unseres Kronprin- prinzen, stehen wir unter dem Schlagwort von der völkischen Eigenart: das ist eine merkwürdige histori­sche Wandlung. Es bestehen große Gefahren, daß uns der soziale Sinn verloren geht, namentlich durch eine völlige Verwirtschastlichung des Volkes. Diese hintan­zuhalten ist nur durch die Religion möglich, deshalb gehören soziale Arbeit und Religion zusammen."

Direktor Dr. Johannes Lepsius (Potsdam) hielt darauf den ersten Vortrag über Bildung und Christentum, an den sich wie an fast alle übrigen

Vorträge eine lebhafte Aussprache anschloß. Ueber die Austrittsbewegung sprach Liz. Mumm, der die agitatorische Kraft der Bewegung in der Sozial­demokratie sieht. Er verurteilt jedes Mittel des Kir­chenzwangs, dagegen fordert er übersehbare Gemein­den auch in Erotzstäden und Beseitigung unsozialer Erscheinungen bei kirchlichen Handlungen, z. B. die sogenannten Liebesgaben in den Großstädten, die vermieteten Kirchensitze und die einseitige Besetzung der kirchlichen Körperschaften. In seinem Vortrag: Großstädtische Vergnügungen und Sittlichkeit nannte Psr. Bei dt (Wiesbaden), eine Reihe von Mitteln die der Gefährdung der Jugend und des Familien­lebens durch die großstädtische Unsittlichkeit entgegen­wirken sollen. Am letzten Verhandlungstag sprach u. a. Prof. Dade (Berlin) über die Notwendigkeit der Erhaltung und Vermehrung des Bauern- und Land­arbeiterstandes für die Volks- und die Wehrkraft. In den nächsten 25 Jahren sollten mindestens 200000 Bauernstellen und 500 000 Wohnstätten für Arbeiter und Gewerbetreibende auf dem Lande durch Bereit­stellung von 2^ bis 3 Millionen Hektar Land (kul­tiviertes Moorland und Aufteilung der im freien Verkehr stehenden Güter) geschaffen werden. Ueber die Sonntagsruhe sprach Julius SchelIin (Frank­furt). Eine Entschließung spricht sich gegen die Be­handlung des Gesetzentwurfs im Reichstag und in der Kommission aus. Der Kongreß könne eine zwingende Notwendigkeit, den christlich-deutschen Kaufleuten ihre Sonntagsruhe vorzuenthalten, nicht anerkennen; er erhebe auch entschiedenen Einspruch gegen die Son­derberücksichtigung jüdischer Kaufleute. Schließlich sprachen noch: Emil Hartwig (Bielefeld) über die evangelisch-soziale Schule in' Bethel-Bielefeld, Frl. v. Knebel (Döberitz) über die weibliche Vormund­schaft und Prof. Perthes (Bielefeld) über Fachschulen und christlich-deutsches Volksleben. Außerdem fanden noch zwei öffentliche Volksversammlungen statt, und endlich wurde innerhalb der Tagung die Hauptver­sammlung der Konferenz abgehalten.

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft.

Calw, den 27. April 1914. Vortrag über die Stuttgarter Gesundheits-Ausstellung.

Zu dem Vortrag, den der Vorsitzende des hiesigen Schwarzwaldvereins, Apotheker Hartmann, am Samstag zugunsten der Stuttgarter Ausstellung für Ge­sundheitspflege hielt und zu dem fast alle Vereine der Stadt eingeladen worden waren und Einladungen hat­ten ergehen lassen, fand sich nur eine wenig große Zu­hörerschaft ein. Der Vortragende begann mit einem Ausflug in die Uranfänge der Gesundheitspflege, die mit dem Menschengeschlechte begonnen habe. Die Wiege der Gesundheitspflege ist der Orient. Die Bibel ist mit ein Beweis hiefür, d. h. die aus ihr bekannten Gebote der Juden. Wären die Vorschriften Moses in späteren Jahrhunderten immer befolgt worden, dann wären Hunderttausende von Menschen dem Leben erhalten ge­blieben. Moses hatte seine hygienischen Erfahrungen von den Aegyptern. Interessant waren die Ausfüh­rungen über die Chinesen, Spartaner, Griechen, Rö­mer, bei denen die Gesundheitspflege mehr oder we­niger staatlich organisiert war und die auch durch stau­nenswerte hygienische Einrichtungen frühzeitig den ihnen nachfolgenden Völkern ihren hohen Kulturstand dartaten. Mit dem Eintritt des Christentums ver­loren sich diese Schaffungen; das Christentum lehrte das Streben nach dem Jenseits, und kümmerte sich weniger um das vergängliche Diesseits. Dem Mittelalter zu wurden die Verhältnisse besser; (so wurde im 15. Jahr­hundert in Ellwangen eine Metzgerordnung er­lassen) und mit dem Aufschwung der Eeisteswissen- schaften im 16. Jahrhundert nahmen neuen Aufschwung die Bestrebungen der Gesundheitspflege. Der Redner erwähnte die führenden Vorkämpfer für Gesundheits­pflege, Franck, Pettenkofer, Virchow u. a., wies auf die

Erfolge hin, die durch die Errungenschaften der moder­nen Hygiene den verheerenden Seuchen der Cholera, des Thyphus usw., gegenüber erkämpft wurden und wie in früher gefürchteten Gegenden heute die gesündesten Städte erstanden sind. Besondere Beachtung schenkte der Vortrag der Gesundheitspflege des einzelnen Men­schen, in welcher Beziehung die Gegenwart vom Alter­tum noch ganz bedeutend lernen könne. An diesem Punkt will die Ausstellung für Gesundheitspflege in Stutt­gart einsetzen, die die größte ist, welche je in Württem­berg veranstaltet wurde. Nach dem Vortrag wurden eine Reihe Lichtbilder gezeigt.

Bei der Stuttgarter Geld- und Pferdelotterie

fiel der dritte Pferdegewinn Nr. 22934 und der sechste Haupttreffer Nr. 63758 (500 Mark) in die Kollekte von Friseur Winz hier. Die übrigen 14 Pferde­gewinne kamen auf folgende Nummern: 111044, 24 311, 78 992, 65 387, 77 585, 90 446,117 199, 15 717 56 663, 61 862, 112506, 73 374, 101 518, 3477. (Ohne Gewähr.)

Vom Schwarzwaldverein. In einer Ausschußsitzung des Schwarzwaldvereins Freudenstadt wurde das Pro­gramm für das Hauptvereinssest des Württ. Schwarz­waldvereins, das am 13. und 14. Juni dort und in Baiersbronn stattfinden wird, besprochen. Das Pro­gramm, das der Hauptvereinsleitung zur endgültigen Genehmigung vorgelegt wird, sieht für die Verhandlun­gen den 13. Juni im Festsaal der Realschule in Freu­denstadt vor mit einem am Abend anschließenden Ban­kett. Der 14. Juni soll der Feier inBaiersbronn ge­widmet sein und nachmittags dort die Einweihung des Rinkenturmes stattfinden, der mit Einbruch der Dunkel­heit bengalisch beleuchtet wird.

Paketaustauschverfahven mit der Schweiz. Zur Be­schleunigung der Paketbeförderung nach und von der Schweiz (und im Durchgang durch die Schweiz) wird vom 1. Mai ds. Js. an ein vereinfachtes Paketaustausch­verfahren eingeführt. Dieses erstreckt sich auf alle Post­pakete und Postfrachtstücke, die aus Württemberg gleichwie aus dem Reichs-Postgebiet und aus Bayern nach der Schweiz und über die Schweiz nach dritten Ländern oder in umgekehrter Richtung versandt werden.

Bewährtes Staubbindemittel. Wir lesen imPforz- heimer Anzeiger" folgende Mitteilung, die auch hier Interesse finden dürfte: Der Staub, welchen in den letzten Tagen der Ostwind in den Straßen Pforzheims aufwirbelte, veranlaßte unser Tiefbauamt, aus einzel­nen chauffierten Straßen ein Staubbindemittel anzu- wenden. Die Straßenstrecke wurde wie gewöhnlich be­sprengt. Dann kam ein kleiner Streuwagen, welcher Kehrsalz auf die Strecke verteilte. Das Salz wurde darauf durch einen neuen Wafferverteiler im Straßen­staub aufgelöst, den es dadurch besser, als einfaches Wasser es tun kann, festhält. An anderen Orten soll sich der Versuch bewährt haben. Geschieht es auch hier, so haben wir ein verhältnismäßig billiges und ein­faches Mittel gegen den im Sommer so lästigen Straßen­staub auf viel befahrenen Straßen.

Schwäbische Gedenktage. Am 1. Mai 1805 ist in Schöntal der Dichter Karl Schmidlin geboren, er starb als Pfarrer von Wangen OA. Göppingen am 22. Juni 1847. Am 2. Mai 1091 wurde die von Abt Wilhelm erbaute neue Klosterkirche in Hirsau eingeweiht. Am 3. Mai 1711 ist in Ernsbach OA. Oehringen ge­boren Joh. Christian Wibel zuletzt Hofprediger in Langenburg, der sich als hohenlohescher Geschichtsschrei­ber einen Namen gemacht hat. Am 4. Mai 1525 nahmen die aufrührerischen Bauern die Stadt Nürtin­gen ein, nachdem sie am Tag zuvor die Feste Hohen- urach und Neuffen berannt hatten. Am 5. Mai 1525 plünderten die aufrührerischen Bauern Degerloch. Am 6. Mai 1681 brannte das ganze Kloster Rot OA. Leut- kirch nieder. Am 7. Mai 1704 legte Herzog Eber­hard Ludwig den Grundstein zum sogenannten Fürsten­bau (Corps de Logis) in Ludwigsburg.