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Altsnsteig, Scrrnstclg den 28. Dezember 1929

53. Jahrgang

Zur Lage

Diese Weihnachtswoche, die letzte Vollwoche des Jahres, liegt zwar in Deutschland als stille Woche im politischen Geschehen am Ende des zeitlichen Jahresabrisses, und man schickt sich überall an, die Jahresbilanz aufzumachen. Aber dennoch war sie in diesem Jahr hineingezogen in die un­erfreulichen politischen Entwicklungen im Reiche. Statt des ßozialdemokratischen Abgeordneten Dr. Paul Hertz ist, ^einigermaßen überraschend, der Reichswirtschaftsminister Professor Dr. Moldenhauer zum Reichsfinanzminister er- »annt worden und Reichsminister a. D. Robert Schmidt hat dafür das Reichswirtjchaftsministerium übernommen. Das bedeutet, daß die Sozialdemokraten, die zunächst, schon aus Prestigegründen, großen Wert darauf zu legen schienen, einen der Ihrigen als Hilferdings Nachfolger zu sehen, dessen schwieriges Erbe einem Volksparteiler überlasten haben und daß sie damit einer schweren Verantwortung Ledig geworden sind, ohne daß ihre Position insgesamt im Reichskabinett geschwächt würde. Der Mut der Volkspartei und ihres Vertreters verdient gewiß Anerkennung. Der neue Reichsfinanzminister wird sich, meint das Hamburger Fremüenblatt, oft mit dem Reichsarbeits- und dem Reichs- roirtschaftsminister, beides Sozialisten, auseinanderzusetzen haben, und die Sorge ist gewiß nicht unberechtigt, daß vor allem der Reichsarbeitsminister in seinen Forderungen gegenüber dem volksparteilichen Kollegen von der Finanz noch weniger zurückhaltend sein wird, als er es schon Dr. Hilferding gegenüber gewesen ist. Noch bedenklicher ist -aber, daß der Wirksamkeit des Reichsfinanzministers gerade in nächster Zeit enge Schranken gezogen sind durch das Sofort-Programm und seine Bindungen. Wenn je, so hätten wir uns darum in diesem Augenblick an die Spitze des Reichsfinanzministeriums, ohne Rücksicht auf die arithmeti­schen parlamentarischen Machtansprüche der Parteien einen Fachmann gewünscht, der, unbeschwert durch irgendwelche Rücksichten, eine Finanzpolitik auf längere Sicht einzuleiten und durchzuführen imstande sein könnte, als es einem viel­leicht nur kurzlebigen parlamentarischen Minister trotz Sach­kenntnis und Energie vielleicht möglich ist.

Die Ursache dieser Umbildung des Reichskabinetts und des Rücktritts des Reichsfinanzministers Dr. H i l fe r di ng «nd seines Staatssekretärs Popitz liegt in der katastrophalen Kastenlage des Reiches, die auch durch das Sofortprogramm, das die Erhöhung der Tabaksteuer und der Beiträge zur Arbeitslvsenvcrsickerung brachte, nicht gebessert werden konnte. Es war zum Jabrcsichluß so, daß das Reich nur die Hälfte der Uel'erweiiungen an die Länder machen konnte, »o daß also die Gefahr bestand, daß die Beamten nicht ihre Gehälte- voll ausbezahlt erhielten. Der Versuch Hilferdings, durch eine Ausmndsanleihe den notwendigen Uebe"brücknngskrcdit zu erhalten, scheiterte. Man führt dies zurück auf das Eingreifen des Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht, auch auf E'ngreifcn des Reparationsagenten Parker Gilbert und der französischen Regierung. So mußte man dem Druck des Reich-bantpräsidenten Schacht nach­geben und eine innere Anleihe, einen Neichskredit von 850 Millionen Mark aufnehmen, der aus dem Tilgungs­fonds zurückbezahlt wird. Dieses Tilgungsgesetz hat der Reichstag in aller Eile vor den Weihnachtstagen ver­abschiedet. Es sieht vor, daß aus der Reichskaste 450 Mil­lionen zur Verfügung gestellt werden, die durch Ein­sparungen oder neue Steuern auf dem Wege des ordent­lichen Haushalts gewonnen werden. Damit ist freilich trotz aller Ankündigungen des Reichskabinetts und des Reichs­kanzlers in dem Sofortprogramm der Weg für Steuer­ermäßigungen in der nächsten Zeit verbaut. War es doch schon überraschend, daß das Reichskabinett als erstes Steuer­erhöhungen durchfllhrte, ehe noch diese Anleihefrage im Vordergrund stand. Aber hier scheiden sich eben die Par­teien und damit auch die Mitglieder im Kabinett. Aus seiten der Wirtschaft werden diese Steuerermäßigungen immer dringlicher gefordert. Die Sozialdemokratie aber will unter den gegebenen Verhältnissen von einer Steuer­senkung nichts wissen. Der neue Haushalt für 1930 ist nun schon mit 450 Millionen vorbelastet und es wird nach der Haager Konferenz eine böse Arbeit werden, den Etat im Gleichgewicht zu halten. In politischen Kreisen glaubt man, daß dann erst die Regierungskrise in Erscheinung treten wird und daß die jetzige Umbildung nur eine Notlösung darstellt, die durch die bevorstehende Haager Konferenz erforderlich wurde.

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Zu Beginn der Woche wurde auch das Ergebnis des Volksentscheids bekannt. Er ist mit 5,78 Millionen Ja-Stimmen gescheitert, wie vorauszusehen war. Die innerpolitische Front sollte nun wieder geschlossen werden. Die Entscheidung darüber steht bei der Deutschnationalen Volkspartei, deren innere Krise ohnedies eine Klärung notwendig macht. Es erscheint dem Laien etwas unbegreif­lich, daß trotz des Ausgangs des Volksentscheids der Reichs­ausschuß für das deutsche Volksbegehren den Kampf weiter­führen will, daß er das Ergebnis zu einem Siege aus­zugestalten versucht, angeblich durch einen Urteilsspruch über die betreffenden Verfassungsbestimmungen. Unterdessen reift aber die Entscheidung über den Poungplan heran.

Am 3. Januar beginnt im Haag die Schlutzkonfe- renz für den Poungplan. Damit stehen wir vor der schwersten Aufgabe des letzten Jahrzehnts. Von den Verhandlungen im Haag wird es abhängen, ob die deutsche Regierung und das deutsche Parlament diesen Zahlungs­plan annehmen kann. Dann erst gilt es, die geeinte deutsche Kraft für oder gegen den Plan aufzubringen. Bekanntlich ist schon auf der ersten Haager Konferenz der Plan gegen­über den Vorschlägen der Sachverständigen, die in Paris getagt hatten, verschlechtert worden. Ob es auf der zweiten Konferenz im Haag gelingt, diese Verschlechterung aus­zumerzen, sei dahingestellt. Es hat allerdings den Anschein, daß wir im Haag wiederum auf die geeinigten Gläubiger- Mächte mit all unseren Forderungen und Vorschlägen stoßen werden. Aber wir besitzen die Hoffnung, daß auch die

Haager Entscheidung über die deutsche Tributverpflichtung kein letztes Wort für Generationen bedeutet.

Die Weihnachtstage brachten im französischen und briti­schen Parlament scharfe Kämpfe um die Regierungen. In London ging es um innerpolitische Fragen, wobei die Tat­sache mitspielte, daß die Regierung Macdonald kürzlich nur eine Mehrheit von 8 Stimmen erreichte und diese nur dadurch, daß die Liberalen sich teilten und die Konser­vativen vielfach der Abstimmung fernblieben. Zn Paris hat Briand sich mit seinen Freunden und Gegnern zur Rechten in einer Rede auseinandergesetzt und seine Politik gerechtfertigt. Er trat für die Fortführung der internatio­nalen Verhandlungen und für eine Friedenspolitik ein als den einzig möglichen Weg. Für die Haager Konferenz fordert er ein klares Vertrauensvotum.

Kabinett und Haager Konfereaz

Berlin, 27. Dezember. Das Reichskabinett beschäftigte sich in seiner heutigen Sitzung in Anwesenheit des Reichs­bankpräsidenten in eingehender Aussprache mit den aus der bevorstehenden Haager Konferenz zur Beratung stehenden Probleme. Die Erörterungen werden morgen gleichfalls unter Beteiligung des Reichsbankpräsidenten fortgesetzt.

Wie wir ergänzend erfahren, beschäftigte sich das Rsichs- kabinett in seiner heutigen Sitzung mit den sachlichen Fra­gen, die auf der Haager Konferenz zur Sprache kommen. Dagegen ist die Zusammensetzung der Delegation und die Ernennung des neuen Staatssekretärs im Reichsfinanz­ministerium noch nicht behandelt worden. Die Konferenz­materie, über die die Referenten der zuständigen Mini­sterien berichteten und die dann Gegenstand einer lebhaften Aussprache war, ist so verzweigt und kompliziert, daß die Erörterungen noch fortgesetzt werden müssen.

Briand verteidigt seine Arbeit

Paris, 26. Dez. Die Kammer setzte die Aussprache über den Haushalt des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten fort. Herriot (Sozialradikal), sprach über einen europäischen Staatenbund. Frankreich wolle auch der kleinsten Nation die gleichen Rechte zugesteben, wie sie grobe Nationen haben sollen. Er wünsche dah Frankreich baldigst in Genf einen Plan für den europäischen Staatenbund einbringe. Nächster Redner war Louis Dubais, der ehemalige Vertreter Frankreichs im Wie­derherstellungsausschub, der den Boungplan bekämpfte daman von Ermäßigung zu Ermäßigung geschritten sei".

Außenminister Briand: Wenn man eine Politik für gefährlich halte, müsse man den Mann beseitigen, der sie betreibe. Cr sei einig mit Poincare gewesen, wie er einig mit Tardieu sei. Seine Gegner begingen jedoch den Fehler, ihm Verrichte ruzuschreiben, die durch andere Minister gebilligt worden seien. Die Hauvt- kritik seiner Gegner habe sich in den letzten Tagen gegen Lo­

carno gerichtet. Bis zum letzten Augenblick habe er für die Si­cherheit Polens gekämpft, und er wiederhole die Behauptung, daß die feierliche Erklärung Deutschlands, eine Berichtigung der Ostgrenzen nicht durch Militärgewalt berbeizuführen, ein Er­folg sei. Man habe gesagt, Locarno sei kein französischer Ge­danke, sondern ein deutscher. Er behaupte, daß der Keim r» Locarno von ihm 1922 in Cannes gelegt worden sei. Für Deutschland habe der Versailler Vertrag die Bedeutung eine» durch Gewalt aufgezwungenen Vertrages gehabt. Er selbst habe sogar vor Abschluß der Locarno-Abkommen im Einvernehmen mit den Verbündeten die Politik des Zwanges handhaben müs­sen. Er habe stets Siegerpolitik getrieben »nd gezeigt, daß Frankreich den Krieg gewonnen habe. In Deutschland habe sich unter der Jwangsvolitik der Haß entwickelt. Deshalb habe di« französische Politik nach einer Verständigungsmöglichkeit mit Deutschland gesucht. Der Dawesvlan habe diese Annäherung r« erleichtern versucht. Polen, die Tschechoslowakei und Südslawien hätten die Abkommen von Locarno und von London mitunter­zeichnet. Trotz allem werde er, so lange er könne, auf seinem Platz bleiben, um diese Politik zu verfechten. (Lebhafter Bei­fall.) Er werde, wenn nötig, wie ein Pilger durch das Land zie­hen, um seine Stimme zu erheben, und er hoffe, überzeugende Töne zugunsten des Friedens zu finden (Lebhafter Beifall.) Abkommen wie der Kelloggvertrag hätten nicht nur einen mo­ralischen Wert. Sie brandmarkten den Krieg, indem sie sag­ten: Reiben wir ihm die Maske der Gesetzlichkeit herunter.

Um nach London und nach dem Haag gehen zu können, for­dere die Regierung vom Hause Vertrauen. Man habe gesagt, daß die Haager Konferenz zu einer weiteren Herabsetzung des französischen Gläubiaeranspruches geführt habe. Gewiß, das sei möglich. Aber jede der im Zerlaufe der Verhandlungen vorge­nommenen Herabsetzungen habe neue Möglichkeiten erbracht. Am guten Willen Deutschlands bei Ausführung seiner Ver­pflichtungen gemäß dem Versailler Vertrag fehle es nicht. Hieran müsse man sich erinnern. Man kritisiert meine Politik, aber durch welche andere will man sie ersetzen? Das sagt man nicht. Was wollen Sie (zu Marin) an meiner Stelle tun? Wollen Sie sagen:Ich werde nicht das Rheinland räumen, ich bleibe, ich billige nicht den Boungplan." Nichts sei bisher unternom­men worden, alles bleibe noch zu tun, die dritte Rheinland- zone sei noch nicht geräumt. Die Kammer könne also beschließen, das Rheinland besetzt zu halten, entgegen den eingegangenen Verpflichtungen. Der nach dem Haag fahrende Zug sei noch nicht abgegangen, aber die Regierung wolle etwas anderes als Worte des Vorwurfs und Nadelstiche. Es sei Zeit, daß das Parlament Frankreich diene. Möglichkeiten, auf Deutschland eine» Druck aasznüben, gebe es auch ohne Rheinlandbesetzung. Vor dem Lande müsse jetzt die Kammer die Verantwortung für Sine auf­bauende Politik übernehmen, und zwar in Rechtschaffenheit und Ehrlichkeit. Die Rede Briands wurde von fast der gesamten Kammer mit großem Beifall ausgenommen.

Tardieu hinter Briand

Äm Anschluß an die Rede des Außenministers Briand hat Ministerpräsident Tardieu erklärt:Ich stehe in voller lleber- einstimmung mit dem Außenminister. Wie er, beabsichtige auch ich die Außenpolitik zu betreiben, die er in seiner Rede in so bemerkenswerter Weise geschildert hat. Ich erwarte, daß diese Politik von der Kammer durch eine Vertraueu-s'-ttäruna gebil. ligt wird.

Reue Auseinandersetzung Briand-Frankli« Bouillon

Paris, 27. Dez. In der Kammer nahm die Diskussion am Freitag ihren Fortgang. Franklin Bouillon vertrat gegen de« lebhaften Protest Briands die Behauptung, daß der Locarnopatt deutschen Ursprungs sei. Die Sicherheitsgarantien Frankreichs seien durch ihn vermindert worden. Frankreich habe ihn aus Furcht vor einem deutsch-russische» Bündnis angenommen, das Bündnis aber nicht verhindern können. Dank der chemischen und flugtechnischen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Ruß­land sei China bei den Kämpfen in der Mandschurei überrannt worden. Wie könne Frankreich, wenn es nicht mehr das Recht bade, den Boungplan abzulebnen, die ungeheure Gefahr abwen- den, daß die Internationale Bank die Leistungen der für Frank­reich bestimmten Schuldzahlungen aufschiebe, zumal Frankreich innerhalb dieser Bank nicht ausreichend vertreten sein werde. Briand unterbrach mit dem Hinweis, daß die Kammer immer noch freie Hand habe, vor Ratifizierung der Haager Abkommen durch die Parlamente sei nichts endgültig. Franklin-Bouillon wolle nur Alarmstimmung erzeugen ohne innere Berechtigung. Der Abgeordnete Reibe! (Partei Maginot) ruft einen neuen Zwischenfall hervor dadurch, daß er ein vom Marschall Fach im Oktober 1926 unterzeichnetes Dokument verliest, das folgend« Feststellungen enthält: Deutschland werde von Tag zu Tag im­mer stärker. Als besiegte Nation wünsche es die Revanche. Di« gegenwärtige (1928) Rheinlandbesetzung garantiere die Sicher­heit Frankreichs, aber wenn die Besatzungstrnppeu zurückgezogen seien, dann werde man sich einer außerordentlich ernsten Lage gegenüber befinden.

Außenminister Briand protestiert in scharfen Worte» »egen Reibel, Vorgehen. Dieses von Marschall Fach im Jahre 1926 verfaßte Dokument sei damals dem Präsidenten der Republik und dem Ministerpräsidenten übergeben worden. Er persönlich, der Außenminister, besitze es nicht,' aber der Abgeordnete Reibxs