Des vunAet 1877 ^ S.

Tannen

.Aus öen

K'W

?

^7

Aligem. Anzeiger skr die Bezirke Nagold, Ealw u. Iresdeoftlldt Amiskloit skr de» Bezirk Nagold ». Meafteig-Sladt

»nzeigenprei» : Die einspaltige Zeile oder deren Raum IS Pfg., die Reklamezeile 45 Pfg. > Erscheint wöchentl. 6 mal. / Bezugspreis: Monatl. 1.56 Mk., die Einzelnummer kostet 1» Pf».

Atir teleph. erteilte Aufträge übernehmen wir keine Gewähr. Rabatt nach Tarif, der jedoch bei I Bei Nichterscheinen der Zeitung infolge höh. Gewalt od. Betriebsstörung besteht kein Anspruch aus zerichtl. Eintreib, od. Konkursen hinfällig wird. Erfüllungsort Altensteig. Gerichtsstand Nagold. I Lieferung der Zeitung / Postscheck-Konto Stuttgart 5780 / TelegrMdr.:Tannenblatt" / Telef. 11

Nummer 218

Altensteig, Dienstag

den 17. September 122^

52. Jahrgang

Me englisch-alnerik. Einigung

^ Kommt die allgemeine Abrüstung?

Die wichtigste Tat seit dem Friedensschluß" so nennt ein großes konservatives englisches Blatt die Flotten­einigung, die zwischen London und Washington erzielt wurde. Der englisch-amerikanische Meinungsaustausch hat zu einem überraschenden Erfolg geführt. Die Streitfrage, die zu einer gefährlichen Trübung der Beziehungen zwischen den beiden anglosächsischen Ländern und darüber hinaus zur systematischen Vereitelung jeglicher Abrüstungsbemühun­gen in der ganzen Welt führte, existiert nicht mehr. Es ist anzunehmen, daß noch vor Ablauf dieses Jahres eine große Flottenabrüstungskonferenz stattfinden wird und daß »«mittelbar darauf auch eine Debatte über die allgemeine Abrüstung den toten Punkt verlassen wird, an dem sie in Genf schon vor Jahren angelangt ist.

Jede Diskussion über die Abrüstung spitzt sich in der letz­te» Zeit auf die Frage der Abrüstung zur See zu. Es konnte auch nicht anders sein, weil das Problem des Schutzes der Landesgrenzen für die wichtigsten Großmächte dem Problem der Beherrschung der Weltmeere untergeordnet ist. Der Seerüstungswettlauf, der gerade in den letzten Monaten mit besonderer Heftigkeit eingesetzt hat, hat die gesamte weltpolitische Lage außerordentlich verschärft und galt mit Recht als Symbol für den englisch-amerikanischen Riesenkampf um die Welthegemonie, einen Kampf, der un­vermeidlich zu einem kriegerischen Zusammenstoß und zu «ner neuen Weltkatastrophe führen müßte. Es ist ein großer Erfolg des englischen Ministerpräsidenten Macdonald »Ä> des amerikanischen Außenministers Simson, daß es ihnen gelungen zu sein scheint, dieser Gefahr die Spitze abzubrechen.

Der englisch-amerikanische Rüstungswettlauf oegann in dem Augenblick, wo es sich zeigte, daß Amerika der einzige wahre Sieger im Weltkriege geblieben ist und daß sein Auf­stieg die kühnsten Erwartungen der Amerikaner und die größten Befürchtungen der Engländer übertroffen hat. Schon rechtzeitig sahen die leitenden angelsächsischen Staats­männer ein, wie gefährlich der beschrittene Weg ist und wie sehr eine Verständigung nottut. Die Alleinherrschaft Eng­lands zur See, die jahrelang nach dem berühmten Prinzip erfolgte, daß die englische Flotte stets so groß sein muß, wie die Flotten der beiden darauffolgenden Länder, wurde durch den Krieg und durch den Aufstieg Amerikas gebrochen. Eine neue Verständigungsbasis mutzte gefunden werden. Auf der ersten Seeabrüstungskonferenz, die auf Einladung des damaligen Präsidenten Harding in der Zeit vom Ok­tober 1921 bis zum Februar 1922 in Washington tagte «Nd auf der außer England und Amerika auch Japan. Frankreich und Italien vertreten waren, wurde das Ver­hältnis der Eroßkampfschiffe bei den einzelnen Mächten festgelegt, wobei England eine Gleichstellung mit Amerika sich gefallen lasten mutzte.

Die Beschlüsse der ersten Washingtoner Konferenz habe« ihre Gültigkeit bis zu dem Jahre 1932. Aber schon wenige Jahre nach Abhaltung dieser Konferenz hat es sich gezeigt, daß die getroffenen Vereinbarungen nicht ausreichen, um dem Wettrüsten zur See ein Ende zu bereiten. Die Stärke der Kreuzerflotten und der kleineren Schiffe blieb in Wa­shington ungeregelt und auch über die Verteilung der für jedes Land vereinbarten Gesamttonnage auf einzelne Schiffe entstanden Streitigkeiten. Zur Regelung aller dieser bisher offengelastenen Fragen hat in Genf im Mai 1927 eine nur von Amerika, England und Japan beschickte Konferenz statt­gesunden, die trotz mehrmonatiger Verhandlungen keinerlei Erfolg hatte, ja sogar noch mehr zur Verschärfung der Lage beitrug. Das Fiasko der Seeabrüstungskonferenz in Genf hat jede produktive Beratung über Abrüstung zu Lande unmöglich gemacht und hat ferner zur Aufstellung von riesigen Flottenbauprogrammen in England und Ame­rika geführt. Es ist nunmehr durchaus zu begreifen, wenn die zwischen London und Washington erzielte Einigung selbst von den politischen Feinden der jetzigen Arbeiter­regierung als die wichtigste Tat sei dem Friedensschluß be­zeichnet wird.

Zweifelsohne ist diese Einigung nur der erste Schritt zur Fesselung. Änd selbst dieser erste Schritt kann noch annul- «rrt werden, wenn andere interessierte Mächte auf der kommenden zweiten Seeabrüstungskonferenz in Washington ihren bereits angemeldeten Widerspruch zur Geltung brin­gen werden. So ist in erster Linie Frankreich sehr miß­gestimmt über die neueste englisch-amerikanische VerstäNdi- SMg. Frankreich sieht darin mit Recht den endgültigen Ver- Ncht Englands auf irgend welche besonderen Abmachungen

mit Frankreich, etwa in der Art von dem berüchtigten Marineabkommen vom August 1928, das zu einem inter­nationalen diplomatischen Skandal geführt hat. In diesem englisch-französischen Abkommen hat bekanntlich England sich verpflichtet, die französischen Forderungen über Rüstun­gen zu Lande zu unterstützen. Auch nachdem dieses Ab­kommen auf das Drängen Amerikas hin offiziell außer Kraft gesetzt wurde, war man in vielen Ländern der Ueber- zeugung, daß dieses Abkommen nur ein kleiner Teil eines großen Geheimbündnisvertrages ist, der noch andere wich­tige Klauseln enthält und der wie die Geschichte der Ent­stehung des Weltkrieges von 1914 bewiesen hat, gar nicht in allen Einzelheiten schriftlich festgelegt zu werden braucht, um für die vertragsschließenden Parteien volle Gültigkeit zu besitzen. Heute, wo England sich mit Amerika über Flottenrüstungen geeinigt hat, besitzt Frankreich keine Aus­sicht mehr, in seiner Rüstungspolitik von England unterstützt zu werden. Umso größer ist in gewissen Kreisen Frankreichs das Bestreben, die englisch-amerikanische Verständigung zu unterminieren und jede weitere Auswirkung dieser Ver­ständigung zu verhindern. Die Aktivität, die England jetzt in Genf in der Frage der allgemeinen Abrüstung entwickelt, ist als Gegenmanöver Londons zu betrachten und bildet ein Vorspiel zu dem großen und entscheidenden Kampf für die Abrüstung, in dessen Zeichen die Weltpolitik nunmehr längere Zeit hindurch stehen wird.

»Gras Zeppelins" Ausstieg zur Rordfeesahrt

Friedrichshafen, 17. September. (Telegramm.) Das LuftschiffGraf Zeppelin stieg um 4.12 Uhr auf und passierte um 4.58 Uhr Rottweil, 5.45 Uhr Pforzheim und 6.V8 Uhr Karlsruhe.

Zur Deutschlandfahrt des »Gras Zeppelin"

Friedrichshafen, 16. Sept. Wie zu der Deutschlandfahrt des Graf Zeppelin" noch weiter mitgeteilt wird, dürfte das Luft­schiff Hamburg etwa zwischen 4 und 5 Uhr erreichen, nachdem es Cuxhaven und den dortigen ehemaligen Marineluftschiffhafen überflogen hat. Auf der Fahrt nach der Nordsee passiert der Graf Zeppelin", wie aus der bereits gemeldeten Route her­vorgeht, auch Teile der noch besetzten Pfalz und des Rhein- laudes. Bei der Begegnung desGraf Zeppelin" mit dem aus Amerika ankommenden DampferNeuyork", unter dessen Passa­gieren sich auch Dr. Eckener befindet, soll ein großer Lorbeer­kranz aus dem Luftschiff aus das Deck des Dampfers abgeworfen werden, der von einem amerikanischen Geschäftsfreund der Friedrichshafener Werft stammt. Die Rückfahrt nach Friedrichs­hafen erfolgt von Schwerin aus quer durch Deutschland. Die Angabe einzelner Orte erübrigt sich dabei, da die Heimreise bei Nacht durchgeführt wird. An der Fahrt werden wiederum mehr als 2« Passagiere teilnehmen.

Der Grund, warum auf der morgigen Fahrt die Reichshaupt­stadt nicht angesteuert wird, dürfte darin zu suchen sein, daß die Schiffsleitung den ersten Besuch Berlins nach der glücklichen Vollendung der Weltfahrt nicht ohne Dr. Eckener an Bord aus- führen will. Es besteht aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß das Luftschiff im Laufe der nächsten oder übernächsten Woche in Verbindung mit der schon lange geplanten Ostpreußenfahrt, für die die Passagierplätze schon lange belegt sind, nach Berlin kommt und dort auch eine Zwischenlandung vornimmt.

Ein englischer Abrnstungsanttag

Genf. 16. Sevt. Lord Robert Cecil hat nunmehr dem Vor­sitzenden des Abrüstunüsausjchusses der Völkerbundsversamm­lung, B:nesch, einen Evtschlietzungsantrag eingereicht, auf den hin dieser Ausschuß zu den strittigen Hauptpunkten des Ab- rüstunsovroblems wird Stellung nehmen müssen. Nach dem eng­lischen Antrag soll der Abrüstungsausschuß der Völkerbundsver­sammlung, in dem >m Gegensatz zum Vorbereitunssausschuß sämtliche Vclkerbundsstaaten vertreten sind, zu folgenden vier Punkten Stellung nehmen:

1. Anwendung der gleichen Grundsätze für die Herabsetzung und Beschränkung der Effektivstärke und des Materials der Land-, Lust- und Seestreitkräfte;

2. Beschränkung der Stärke der Truvveneinheit entweder der Zahl oder der Ausbildungszeit nach, Ä>er noch beiden Methoden;

3. Beschränkung des Materials entweder direkt durch listen- mäßige Aufzählung oder indirekt durch Beschränkung des Er­satzes >R>er unter Anwendung beider Methoden;

4. Anerkennung der internationalen Autorität zur lleber- wachung und Berichterstattung über di« Buchführung der Abrüstungskonvention.

Der Entschliebungsantrag unterstreicht die Ueberzeugune, datz eine fortschreitende und allgemeine Herabsetzung der Rüstung«» in der ganze« Welt dringend verlangt wird. Er spricht ferner die Erwartung aus, daß der vorbereitende Ausschuß für di« Abrüstungskonferenz seine Arbeiten zum frühest möglichen Zeit­punkt abschließt und erklärt dann, daß bei der Aufstellung de- Entwurfs für die Abrüstungskonvention in Erwägung gezogen werden müsse, inwieweit die erwähnten vier Hauptgrundsätz« angenommen wurden oder angenommen werden sollten.

Neues vom Tage

Die internationale politische Handelskonferenz in Berlin Berlin, 16. Sept. Die internationale parlamentarische Hmrdelskonferenz wird am 23. September, nachmittags LN Uhr, im Reichstag eröffnet werden. Sie steht unter dem Protektorat des Reichstagspräsidenten und des Reichs­kanzlers. Ungefähr 40 Parlamente werden in ihr vertreten fern. Zur Eröffnungssitzung werden Mitglieder des diplo­matischen Korps u. Vertreter der Regierung anwesend sein.

Die Durchführung des Posngplans Parts, 16. Sept. Die unter Führung des Ministerial­direktors Dr. Dorn stehende deutsche Delegation ist, von Berlin kommend, hier eingetroffen. Die Beratungen haben am Montag begonnen.

Beigwerksungliick im Saargcbict Saarbrücken, 15. Sept. Sonntag früh am 4 Uhr ereignete sich aus Schacht 2 der Charles-Grube der lothringischen Bergwerks­gesellschaft Sarre et Moselle in Kleinrosseln an der saarlän­disch-lothringischen Grenze eine Explosion. Vier Bergleute konn­ten nur als Leichen geborgen werden. Vier weitere Bergleute wurden schwerverletzt ins Lazarett geschafft. Der Sachschaden ist erheblich.

Das Zentrum zum youngplan Kobkeuz, 16. Sept. Das Ergebnis der Koblenzer Be­ratungen der Reichstagsfraktion des Zentrums wurde in einer offiziösen Kundgebung zusammengefaßt: Die Fraktion begrüßt die bevorstehende Befreiung Deutschlands von frem­der Besatzung und dank: der Bevölkerung des besetzten Ge­biets für ihre in schwersten Zeiten bewiesene opfervolle deutsche Treue. Die Fraktion sieht sich jedoch nicht in der Lage, entscheidend zum Poungplan und Haag Stellung zu nehmen. Die Tragweite des Houngplans und die abschlie­ßende Beurteilung der Haager Abmachungen sind wesentlich bedingt durch das Ergebnis der weiteren im Gange befind­lichen Verhandlungen. Insbesondere betont die Fraktion die Notwendigkeit» einen Weg zur beschleunigten Rückgliede­rung der deutschen Saar zu finden und Sicherungen gegen die Möglichkeit jeder weiteren Sanktion zu schaffen.

Besuch des württembergischen Staatspräsidenten beim Reichskanzler

Stuttgart, 16. Sept. Der wiirttembergische Staatspräsi­dent Dr. Bolz wird dem während seines Mergentheimer Kuraufenthalts schwer erkrankten und jetzt in Vühlerhöhe zur Erholung weilenden Reichskanzler Müller am Diens­tag einen Besuch abstatten.

Ein hoher Pariser Polizeibeamter ermordet Paris, 16. Sept. Der Leiter des kriminalistischen Er­kennungsdienstes, Bayle, ist im Justizpalast aus der zu sei­nem Büro führenden Treppe durch drei Revolverschüsse ge­tötet worden. Der Täter wurde auf der Straße von Po­lizeibeamten, die die Detonation gehört hatten, nach kurzer Verfolgung festgenommen. Es handelt sich um einen 43- jährigen Handelsvertreter, der die Tat als Racheakt gegen Bayle verübt haben will.

Der Poungplan keine Endlösung London, 16. Sept. Der englische Handelsminister Graham beschäftigte sich gestern in einer Rede in Oxford mit der wirtschaftlichen Lage in Europa. Er erklärte daß er den Dawesplan niemals als eine Endlösung betrachtet habe. Er sei auch davon überzeugt, daß jetzt eine Endlösung nicht znstandegekommen sei. Diese Endlösung werde nur in all­mählichen Abschnitten erreicht werden können. Das Ver­dienst des Poungplanes sei es, die Sachleistungen zu redu­zieren. Dies müsse einen günstigen Einfluß auf die finan­zielle und wirtschaftliche Lage Englands ausüben.

Chinesischer Schritt gegen die Fremden-Vorrechte Nanking, 16. Sept. Im Ministerium des Auswärtigen wurde erklärt, für den Fall, daß die Verhandlungen über die Beseitigung der Exterritorialitiitsvertriige, die man im Laufe des Jahres noch fortzusetzen gedenke, mit einem Miß­erfolg enden sollten, werde die Nationalregierung noch vor Ende des Jahres eine einseitige Erklärung im Sinne der Beseitigung der Exterritorialität veröffentlichen.