Nr. 79 . <LrperBlatt) Amts- und Anzeigeblalt für den Oberamtsbezirk Latw.
89- Jahrgang.
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Samstag, den April MH.
Das nationalliberale Problem.
Die parteipolitische Entwicklung innerhalb unsres deutschen Vaterlandes ist um eine Phase weiter gediehen. Der Beschluß des Zentralvorstandes der Nationalliberalen Partei, den geschäftsführenden Ausschuß zu beauftragen, Unterhandlungen einzuleiten, um die Auflösung des altnationalliberalen und des jungliberalen Verbandes unverzüglich herbeizufiihren, wird ganz mit Recht als eine bedeutsame Partei- und allgemeine politi- che Sache gewertet. Die Nationalliberale Partei will ihre beiden Autzengruppen, den rechten und linken Flügel wieder oder nun einmal mit dem Eros vereinigen, denn ihre taktische und programmatische Haltung ist durch die genannten sezessionistischen Gruppen zum mindesten nicht erleichtert.
Wie wir mitgeteilt haben, liegen von beiden von dem Zentralvorstandsbeschluß zunächst betroffenen Organisationen Meinungsäußerungen zu der brennenden Frage vor und ihnen ist im Grunde das zu entnehmen, daß der alte Verband die Bereitwilligkeit ausgesprochen hat, an einer Verständigung mitzuwirken. Demgegenüber lehnten die bisher bekannt gewordenen Erklärungen der Jungliberalen die Anerkennung des zentralvor- standlichen Beschlusses und damit die Notwendigkeit seiner Durchführung rundweg ab. Wir glauben, daß von keiner Seite das letzte Wort überhaupt schon zu sprechen ist. Bei aller Anerkennung dessen, was der Jungliberalismus, seine großzügige Organisation, für die Vertiefung des liberalen Gedankens innerhalb und außerhalb der Nationalliberalen Partei geleistet hat, bei aller Berücksichtigung des Umstandes, daß die schönen organisatorischen Erfolge, die die Gesamtpartei dem Jungliberalismus verdankt und dessen Existenberech- tigung genugsam zu begründen scheinen, können wir doch nicht den Gedanken unterdrücken: Idealer und in jeder denkbaren Beziehung praktischer wäre die vom Zentralvorstand angeregte Verschmelzung der beiden Gruppen in dieEesamtpartei doch. Und zwar, weil wir uns noch nicht von der Berechtigung eines „Jungliberalen" und eines „Altliberalen" Zweigs am Baum der großen Eesamtpartei überzeugen konnten. Eine Partei ist entweder liberal, oder sie ist es nicht und die geistige Grenze in ihr muß eine so weit abgesteckte sein, daß auch gröbere oder feinere Unterschiede in der Auslegung des Begriffs „liberal" Platz haben. Nun sind in jeder Partei Außenseiter. Aber geht das Zentrum in die Brüche, weil es einen Herbling neben dem Bauerndemokraten Heim sich betätigen läßt? Schadet der Sozialdemokratie, daß ein so langer Weg zwischen Kautsky und Frank liegt, oder reißts die Volkspartei auseinander, wenn sie etwa in wirtschaftspolitischen Fragen, neben Freihändlern auch Schutzzöllner in sich vereinigt? Ebenso ist Tatsache, daß die Nationalliberalen in der Auslegung ihres Parteiprogramms stark variieren. Das belegen die Namen Fuhrmann und Kauffmann ohne weiteres. Beide rechnen sich zur Nationalliberalen Partei, aber in beiden sind die äußersten Flügelmänner, Fuhrmann mit Fühlung nach den Konservativen, Kauffmann in der Gegend der Fortschrittler, zu erblicken. Es ist Luxus, daß die Nationalliberale Partei sich zwei Außenseiter-Organisationen leistet, von denen jede für sich beansprucht, das wahre nationalliberale Programm zu verfechten. Wenn sich diese beiden gekennzeichneten „Richtungen" nicht miteinander innerhalb der Eesamtpartei vertragen, dann muß die eine oder ander abgestoßen werden. Das kann unter Umständen zahlenmäßig recht herb für die Partei werden, aber ehrlicher ist das ganz zweifellos. Irgendwo, das ist selbstverständlich, müssen innerhalb einer Partei die Grenzen gegeben sein, über die hinaus die in ihr sich entwickelnden Richtungen nicht greifen dürfen. Wo es aber so weit kommt, muß die Eesamtpartei zu erkennen geben, daß sie ihren Namen nicht dazu hergeben kann. Die Gruppe, die nach der Gesamtpartei Auffassung am weitesten über der taktischen und programmatischen Linie
drüben steht, hat nicht mehr das Recht, ihre politische Betätigung mit dem Namen der Eesamtpartei zu decken und muß die Konsequenzen ziehen. Das ist theoretisch ganz klar. Mit dem Augenblick, wo dies geschieht, sind von einer Partei Berge von Unruhen, Reibereien und Sorgen genommen. Man wird als Unbeteiligter es aussprechen dürfen, daß die altnationalliberale Richtung nicht annähernd soviel Anhänger zählt, als die jungliberale. Würde eine Abstimmung innerhalb der Nationalliberalen Partei vorgenommen, in welchem Sinne, ob alt- oder mehr jungliberal, das Parteischiff gesteuert werden soll, würde die Hauptstimmenzahl zugunsten der letzteren abgegeben. Wir glauben nicht, daß die Nationalliberalen und die Jungliberalen lange miteinander Frieden halten werden, wenn sie in der Eesamtpartei zusammengeführt würden. Die Voraussetzungen, die eine wirklich volkstümliche Politik im nationalliberalen Sinne erheischt, sind nach unsren unmaßgeblichen Beobachtungen und Erfahrungen bei den Altnationalliberalen nicht gegeben und andererseits ist die jungliberale Abneigung gegen den rechten Flügel so groß, daß auf die Dauer kaum an ein gütliches Zusammenarbeiten zu denken sein darf. Die Partei als solche ist die Leidtragende. Wenn der Zusammenschluß von „Jungliberalen" ein auf innerster Ueberzeugung seiner Anreger beruhender war und wenn ebenso auch die alt- nätionalliberale Bewegung einem geistigen Bedürfnis ihrer Anhänger entspricht, dann ist keine mit der andern unter einen Hut zu bringen. Denn grundsätzliche Aufgaben lösen sich auch heute noch nicht durch äußerliche Zusammenschweißung.
Zum Abschluß: Die Nationalliberale Partei will die Auflösung ihrer beiden Sondergruppen, um sie zu vereinen. So sehr richtig dieser Gedanke und so sehr wünschenswert seine Durchführung wäre, weil sie nur zum Nutzen der Partei ausschlagen könnte, so wenig ist zu hoffen, daß diese zwei Gruppen dauernde Waffenbrüderschaft halten können. Ein endgültiger Parteifrieden dürfte auch nicht durch die rein äußerliche Verschmelzung der Alt- mit den Jung-Nationalliberalen herbeigeführt werden können.
Stadt, Bezirk «nd Nachbarschaft.
Calw, den 4. April 1914.
Der „Bunte Abend"
des Künstlerehepaars Haas hier, zu dem dieses auf gestern abend in den Badischen Hof eingeladen hatte, verlief in > recht anregender und angeregter Weise. Die Zusammenstellung und Durchführung eines mit ernsten und heiteren Vorträgen ausgestatteten Programms verriet eine verständnisvolle Hand und die Fähigkeit, innerhalb der Grenzen des guten Geschmacks zu bleiben, die bei ähnlichen Anlässen häufig vermißt wird. Vom geskigen Abend bekamen nicht nur die Ohren und die Augen, sondern auch das Herz etwas ab. Das Haas'sche Ehepaar ist künstlerisch vielseitig. Kaum, daß man sich über die Deklamationskunst der Frau Haas von Herzen gestellt hat, lernt man in ihr eine Künstlerin auch auf gesanglichem Gebiete kennen, die, wenn gleich nicht von der vollendeten künstlerischen Reife ihres Gemahls, doch zur Anerkennung zwingt. Nach dem, was sie uns gestern sang und mimte, dürfte ihr gesangliches Talent vorzugsweise dem neckisch-schelmischen Genre zugeneigt sein. Darin gab sie sich mit einer reizenden Liebenswürdigkeit, die ihr sehr gut an- stand und die Leute entzückte. Aus dem Kunterbunt des Dargebotenen, das hauptsächlich aus Volksliedern oder Liedern aus dem Volk der Jetztzeit und früherer Jahrhunderte zusammengesetzt war. ragte aber der Deklamator Haas, der neben einigen lustigen Sachen mit der Rezitation von Wildenbruchs Hexenlied eine prachtvolle, einzigartige Leistung fertigbrachte, die auf jeden Zuhörer tiefen Eindruck machte. Haas scheint uns ein ebenso vortrefflicher Deklamator wie Sänger zu sein. Den beiden genannten Künstlern ebenbürtig zur Seite — wenigstens in der originellen, seltenen Art der Beherrschung seines meist humorvollen, launigen Stoffs — stellte sich Herr Karl Heinz Kögele aus Karlsruhe, ein Schüler des Herrn Haas. Er begleitete seine Lieder, die er
als Soli und zusammen mit Frau Haas sang, mit der Laute, was ihm bei vielen vorweg Freundschaft eintrug. Aber dann wars seine köstliche Mimik, die fesselte und mit der er die Leute in heiterer Stimmung hielt. Seine Stimme hat Tenorklang; sie trägt nicht breit u. ausgiebig, ist aber von Heller Färbung und außerordentlich peinlich pünktlich ausgefeilt und geschult. Der freundliche und reiche Beifall, der dem Künstlertrio zuteil wurde, dürfte dieses ermuntern, gelegentlich wieder mit einem Bunten Abend an die Öffentlichkeit zu treten. Aber dann zu günstigerer Zeit, daß der Besuch ein noch besserer wird. Den Vereinen, die um eine hübsche und zugkräftige Ausgestaltung von Familienunterhaltungen usw. verlegen sind, raten wir, dieser drei Namen sich zu erinnern!
Fahrplanwünsche.
Zu den Eisenbahnwünschen, die unlängst bezüglich der Strecken Pforzheim-Wildbad und Pforzheim - Calw-Eutingen veröffentlicht wurden, wird dem Schw. Merkur von zuständiger Seite geschrieben:
Die Einlegung beschleunigter Züge zwischen Pforzheim und Wildbad init Halten in Brötzingen und Neuenbürg würde den berechtigten Widerspruch der übrigen Anwohner der Stationen, an denen die Züge nicht halten würden, Hervorrufen. Außerdem wären auf der stark belegten eingleisigen Bahn wegen der Kreuzungen ohnedies weitere Halte nötig, so daß ein wesentlicher Zeitgewinn nicht eintreten würde. Auf d^r Nagoldbobn sind im Sommer an Sonn- und Feiertagen bereits 2 schnellfahrende Züge mit wenigen Unterwegshalten vorhanden; Eilzug 901, Pforzheim ab 7.41 V., Eutingen an 9.05 V. und Eilzug 934, Eutingen ab 7.33 N., Pforzheim an 8.56 N. Von der Vorsehung von Halten in Unterreichenbach muß bei diesen Zügen abgesehen werden, weil die für die Reisenden nach und von dort erforderlichen Wagen auf ungewöhnlich großen Strecken leer mitgeführt werden müßten. Der Personenzug 916 kann in Eutingen wegen des Anschlusses von dem Zug 735 von Stuttgart nicht früher als 12.51 N. abfahren. Infolge Aenderung des Fahrplans der Triebwagcnsahrt 1804 auf der Strecke Rottweil-Eutingen kann sie nicht mehr vor dem Pz. 916 nach Calw gebracht werden, so daß die Reisenden von den seither überfahrenen Orten nicht mehr auf Zug 916 kommen könnten. Andererseits wurde der Halt in Brötzingen dringend gewünscht. Nachdem der Anschluß an den Pz. 1224 nach Karlsruhe ab 1. Mai d. Js. verloren geht, konnte dieser Halt gewährt werden. Es geht nun nicht an, in Brötzingen zu halten und die württ. Orte zu überfahren. Es mußten deshalb auch auf der Strecke Eutingen-Calw für die seither durch die Triebwagenfahrt 1804 bedienten Stationen Halte vorgesehen werden. Der Aufenthalt in Calw beträgt nur 3 Minuten. Aehnlich verhält es sich mit dem Pz. 917 (Pforzheim ab 2.27 N.) Nachdem der Anschluß von dem Pz. 1221 auf 1. Mai 1913 nicht mehr aus- rechterhalten werden konnte, lag kein Grund mehr vor, die Zwischenstaiioncn zu überfahren.
Keine Sitzung. Der am Donnerstag nachmittag in der Sitzung der bürgerlichen Kollegien gefaßte Beschluß, heute Samstag eine gemeinschaftliche Sitzung in Sachen des Schulhaus-Neubaus abzuhalten, kann, wie uns auf Anfrage beim Stadtschultheißcnamt mitgeteilt wird, nicht aus- . geführt werden; die Sitzung wurde verschoben.
Oeffentliche Versammlung des Jungliberalen Vereins. Es sei auch an dieser Stelle auf den heute abend 8 Uhr im „Badischen Hof" stattfindenden Vortrag des Herrn Rechtsanwalts Dr. Kauffmann aus Stuttgart Uber „Gefahren in der inneren und äußeren Politik" hingewiesen. Die Persönlichkeit des Referenten, des bekannten Politikers und Vorsitzenden des Jung- liberalen Reichs-Verbandes, verbürgt eine interessante Erörterung des zeitgemäßen Themas.
Warnung vor Gas-Spar-Apparaten. In einer Bekanntmachung im Amtsblatt wendet sich das Städt. Gaswerk Stuttgart gegen einen gegenwärtig von einer gewissen „Schlesischen Easzentrale" in Breslau angepriesenen „Gas-Spar-Apparat". Hiergegen wendet sich auch in einem ähnlich lautenden Inserat die Flaschner- und Jnstallateurinnung Stuttgart, in dem darauf hingewiesen wird, daß die meisten Gas-Spar-Apparate wert- und