Nr. 77. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Lalw. 89. Jahrgang.

2rscheir>ung»wetse: Smal wichentllch. Nn»e1g«n»r«i»; Im vberamt«»! te>,rk lalw für die einspaltige BorgiSzeile 10 Psg-, autzerhald derselben 12 Psg., »ieLamen LS Psg. Gchlub für Jnsergtanxahme Uhr vormittag». Leieson S.

Vsnnerstag, den 2. April lylfH

V ezugLpretS. LZn der Stadt mit Trägerlohn Mt. 1L5 vierteljührltch, Post* dezug-preir für den OrtS- und NachbarortSverkebr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. I.W. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.. in Bayern und Reich 48 Pfg,

Kekonntmackuna.

Die Maul- und Klauenseuche

ist in Seehaus Gde. Leonberg erloschen. Die angeord­neten Schutzmatzregeln sind aufgehoben.

Calw, den l. April 1914.

K. Oberamt:

Amtmann Rippma n n.

Emgedorenenpflege in unseren Kolonien.

So überschreibt der vortreffliche Kolonialkenner Dr. Paul Rohrbach einen Aufsatz in der Neckarzeitung. Darin behandelt er das Problem, wie sich am besten die wirtschaftliche und moralische Entwicklung der Neger mit den Bedürfnissen der praktischen Kolonisation in Einklang setzen läßt. Diese kennt­nisreichen Aeußcrungen find besonders wichtig im Hinblick auf die auch neuerdings im Reichstag lebhaft geforderte Eingcbarencn-Arbeit" und den Eingeborenen-Schutz. Rohr­bach sagt einleitend mit Recht, daß es sowohl bei den Ver­teidigern der angeblich bedrohten Wohlfahrt der Schwarzen als auch bei ihren Gegnern zum Teil an einer klaren Vor­stellung von der Wirklichkeit der Verhältnisse fehle. Und er kommt zu folgendem Ergebnis:

Wer die schwarze Raffe in Afrika äußerlich und innerlich vorwärts bringen will, muß drei Dinge wollen und vertreten: Eisenbahnen, Gesundheitspflege und Missionspflege. Der auf dem Trägerwesen beruhende Karawanenverkehr scha­det unendlich mehr, als die Arbeit auf den Pflanzungen. Tie Pflanzer haben auf die erhabnen Anschuldigungen sofort mit der Bitte geantwortet, es mögen alle Ziffern über Arbeiter­sterblichkeit, Mißhandlungen, Beschwerden und dergl., die sich auf die Plantagen beziehen, aus dem statistischen Material bei den Gouvernements veröffentlicht werden. Dieser Wunsch und die mit ihm verbundenen wirkungsvollen Hinweise zeu­gen jedenfalls von einem guten Gewissen. Ganz anders steht es mit dem Trägerverkehr. Seine Wirkungen sind in der Tat Physisch ruinierend u. moralisch verderblich für die Bevölkerung weiter Landstriche. Auf ihm beruht aber überall dort, wo es keine Eisenbahnen gibt, der ganze Handel, und auf dem Handel beruht einstweilen der größere Teil des Wirtschaftslebens unserer Kolonien: Ausfuhr, Einfuhr, Zölle, Steuern, überhaupt das koloniale Finanzwesen. Am schlimmsten sind die Zustände in Kamerun. Wer aber ist denn anihnen Schuld? Die Schuld liegt einzig darin, daß unsere öffentliche Meinung, Presse wie Reichstag, Jahr­zehnte lang dem Eisenbahnbau in den Kolonien Widerstand geleistet hat. Wenn die Regierung Bahnen haben wollte, so verlangte man von ihr den Nachweis der Rentabilität im voraus, ohne sich klar zu machen, daß die Bahnen ja erst die Produktion und den Handel möglich machen sollten, von denen sie dann im stände waren, zu existieren. Einer der schärfsten parlamentarischen Bekämpfer des kolonialen Aus­gabenetats äußerte, als Stübel nach jahrelangem Mühen end­lich die ersten 200 Kilometer der jetzigen ostafrikanischen Zen- tralbahnen durchsetzte: er müsse dagegen stimmen, weil er fürchte, man würde eines Tages dhe Strecke verlängern wollen! Aus einer solchen verkehrten Vorstellungswelt ist die nicht genug zu bedauernde Verspätung des Eisenbahnbaues jn unseren Kolonien entstanden, und aus dem verspäteten Bahnbau kommt das Trägerelend mit seinen Folgen, die in den englischen und französischen Kolonien in Afrika mit ihrem weit früher begonnenen und besser entwickelten Bahnnetz lange nicht so vorhanden sind, wie bei uns.

Der zweite Punkt ist das Gesundheitswesen. Es soll nicht verkannt werden, daß die Regierung in der Versorgung der Kolonien mit Aerzten jetzt etwas energischer vorzugehen anfängt, als bisher, aber es wäre Selbsttäuschung, zu glauben, daß jetzt genug geschieht. Es geschieht manches, und es werden auch mancherlei Erfolge erreicht, aber wenn man selbst nur die wichtigsten und am besten bevölkerten Ge­biete in unseren Kolonien mit einer ernsthaft spürbaren Ge­sundheitspflege für den Eingeborenen versehen will, Seuchen­bekämpfung, Geburtenförderung und vor allem das schlimmste Kapitel, Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten, so müßte man die Zahl der Aerzte, mäßig gerechnet, verdoppeln und die des sanitären Hilfspersonals vervierfachen.

Hand in Hand mit der ärztlichen Arbeit muß endlich die der Missionen gehen. Ich habe einmal auf dem Ar­

beitsfelde einer evangelischen Mission in Usambara, Ostafrika, gesehen, welch eine Aenderung in den Lebensgewohnheiten der Eingeborenen unter dem Einfluß der Missionare vor sich geht. Der Hausbau wird besser, die Häuser viel sauberer, Feld und Garten reichhaltiger, mehr Nahrungspflanzen wer­den angcbaut und größere, besser ausgesuchte vermehrte Vor­räte angelegt. Der Unterschied in diesen Dingen gegenüber dem zehn Minuten entfernteren Heidendorf war geradezu schlagend. Dazu kam noch eine höchstwichtige Sache: die K i n d e r t ö t u n g, bei den heidnischen Waschamba entsetz­lich häufig betrieben, meist aus abergläubischen Gründen gleich nach der Geburt, hatte in der Niederlassung bei der Mission völlig aufgehört und ebenso das Suchen nach Zau­berei bei jedem natürlichen Todesfall, womit fast immer weitere Morde verbunden sind. Nach diesen Seiten hin wirkt die Mission im höchsten Grade menschenerhaltend, und jeder vorurteilsfreie Freund Afrikas sollte sie allein schon aus die­sem Grunde nachdrücklich unterstützen.

Stadt, Bezirk »rnd Nachbarschaft.

Calw, den 2. April 1914.

Die Generalversammlung des Schwarzwaldvereins fand vorgestern abend imSchwabenstüble" statt. Bedauer­licherweise war von den 432 eingeschriebenen Mitgliedern nur ein recht bescheidener Prozentsatz anwesend. Der vom Vorsitzenden, Apotheker Hartman n, erstattete Tätigkeits- unü Kassenbericht gab nichts zu erinnern. Bei den nachfol­genden Wahlen werden für 2 weggezogene Ausschußmitglie­der die Herren Privatier Costenbader und Kaufmann Bindtner einstimmig gewählt; die seitherigen Herren im Vorstand und Ausschuß durch geheime Wahl wieder bestätigt. Im vergangenen Berichtsjahr 1913, dem 29. seit Vereins­gründung, fanden 11 Wanderungen und 1 Familienabend statt, welche die Vereinsleitung in 4 Ausschußsitzungen vor­bereitete. Das Vereinsvermögen ist als günstig zu bezeich­nen. Anträge wurden aus der Mitte der Versammlung keine vorgebracht und der Vorsitzende konnte nach 2stündiger Sitzung die glatt verlaufene Hauptversammlung schließen. po.

Geschworenenliste.

Bei der am Dienstag vorgenommenen Ziehung der Ge­schworenen für die am 20. April d. Js. beginnenden Sitzun­gen des Schwurgerichts für das 2. Quartal 1914 sind fol­gende Herren gezogen worden: Jacob Bauer, Gemeinderat in Herrenberg; Gottlieb Ruoff, Schneidermeister in Urach; Eugen Riß, Kaufmann in Tübingen; Eugen Hammley, Gold­arbeiter in Reutlingen; Adolf Sidlen, Fabrikant in Höfen, OA. Neuenbürg; Josef Lohmüller, Gemeinderat in Bühl, OA. Rottenburg; Wilhelm Reichert, Fabrikant in Nagold; Georg Braun, Kronenwirts Sohn in Wankheim, OA. Tübin­gen; Adolf Huren, Schneidermeister in Hirrlingen, OA. Rot­tenburg; Wilhelm Graf, Kaufmann in Kohlberg, OA. Nür­tingen; Friedrich Seitz, Uhrmacher in Altensteig-Stadt; An­ton Sulzer, Maurermeister in Rottenburg; Ernst Wilhelm Späth, Hafnermeister in Tübingen; Philipp Ottmar, Gcmeinderat in Zwerenberg, OA. Calw; Friedrich Müller, Feinbäcker in Reutlingen; Bernhard Maier, Zimmermann in Mössingen, OA. Rottenburg; Josef Heck, Kaufmann in Rot­tenburg; Georg Gackenheimer, Pflästerermeister in Gültingen; Anton Reiter, Waldmeister in Niedernau, OA. Rottenburg; Jacob Buck, Bauer in Weilheim; Gottlieb Egeler, Gemein­depfleger in Tailfingen, OA. Herrenberg; Johann Georg Walz, Rechenmacher in Walddorf, OA. Nagold; Gustav Kur­ier, Rotgebermeister in Metzingen, OA. Urach; Fritz Müller, Fabrikant daselbst; Martin Schaal, Kaufmann in Pfrondorf, OA. Tübingen; Karl Waizel, Privatier in Reutlingen; Ge­org Adam Wurster, Oberholzhauer in Fünfbronn, OA. Na­gold; Johannes Clauß, Privatier in Heubach; Gottlieb Kurz jr., Tapezier, K. Hoflieferant in Reutlingen; Oskar Knapp, Kaufmann daselbst.

Politisches aus dem Bezirk.

Es wird uns geschrieben: Der neue Deutsche Bauern­bund, welcher hauptsächlich die Vertretung der mittel- und kleinbäuerlichen Bevölkerung verfolgt, hielt in den letzten Tagen in Sommenhardt, Neuweiler und Agen- bach Versammlungen ab, in welchen feine Grundsätze begeistert ausgenommen wurden. In allen drei Orten

wurden ansehnliche Ortsgruppen gegründet. Noch nie hat sich wohl eine Interessenvertretung in unsrem Ober­amt so rasch eingeführt. Dies ist ein Beweis dafür, daß ein engerer Zusammenschluß unsrer Klein- und Mit­telbauern allgemein als dringende Notwendigkeit emp­funden wird. _

Hausverkauf. Goldarbeiter Gengenbach hier kaufte das Wohnhaus des Herrn I. Jenisch in der untern Marktstraße für den Preis von 14 500 .^k..

Bunter Abend. Der morgen abend 8 Uhr imBadischen Hof" stattfindendeBunte Abend" ist vorzugsweise volks­tümlichen Weisen gewidmet und deshalb dürfte diese Ver­anstaltung auch in weitesten Kreisen Interesse und Verständ­nis finden. Frau Konzertsänger Haas und Herr Kögele (Karlsruhe) werden den gesanglichen Teil des Abends be­streiten, während Herr Konzertsänger Fritz Haas Gedichte ernsten und heiteren Inhaltes rezitieren wird. In Herrn Kögcle (einem Schüler des Herrn Haas) wird sich dem hiesigen Publikum ein Lautensänger vorstellen, über den zahl­reiche und ausgezeichnete Besprechungen vorliegen. So heißt es in einer derselben:Als Solist hatte der Verein Herrn Kögele gewonnen, der in weiten Kreisen Karlsruhes kein Un­bekannter mehr ist. Er trug zunächst in der Tracht des 12. Jahrhunderts Spielmannslieder zur Laute vor. Kögele fand wieder ein begeistertes Publikum. Und das mit Recht. Er verfügt nicht nur über eine ausgezeichnete klare und volle Stimme, sondern ist auch ein Meister der Pointe." Die künstlerischen Qualitäten der übrigen Veranstalter sind schon wiederholt an dieser Stelle gewürdigt worden und es bedarf wohl kaum noch eines besonderen Hinweises, daß die Ver­anstaltung einen genußreichen Abend zu bieten verspricht.

X Sommenhardt, 1. April. Nach einem Vortrag des Herrn Zimmerli wurde hier am letzten Montag im Gasthof zum Hirsch eine Ortsgruppe des deutschen Bauernbundes gegrün­det. Dem Verein sind etwa 20 Bürger beigetreten; die Vorstandschaft haben Darlehenskaffenrechner G. Nast und die Stellvertretung Amtsdiener Keck übernommen.

^ Oberkollwangen, 2. April. Dr. Autenrieth von Calw hat heute früh auf der hiesigen Jagd einen präch­tigen Auerhahn geschossen.

Neuenbürg. 1. April. Mit dem heutigen Tag ist die Eingemeindung der von Gräfenhausen abgetretenen Ortsstelle in Kraft getreten. Seither betrat derjenige, der am unteren Neuenbürger Bahnhof ausstieg, nicht Neuenbürger, sondern Eräfenhausener Gemarkung. Auch die schöne Wilhelmshöhe über der Stadt (Ziegelhütte), wo das prächtige Krankenhaus liegt, war nicht Neuen­bürger Markung. Wir haben jetzt zwei Bahnhöfe und ein Stück Gemarkung mehr, aber auch 114 000 Mark Schulden.

Neuenbürg, 1. April. Gestern früh 5 Uhr ist in Langenbrand das Wohnhaus des Landwirts Johann Hartmann vollständig niedergebrannt. Auch die Fahrnis ist größtenteils mitverbrannt. Das Vieh konnte gerettet werden. Der Schaden wird auf 15 000 Mark geschätzt. Wahrscheinlich ist das Feuer durch den elektrischen Motor entstanden, den der Landwirt zum Dreschen benützte. Da das Dorf 700 Meter hoch liegt, wurde der Brand in der ganzen Umgebung gesehen. Gestern abend fiel das 4 Jahre alte Söhnchen des Gla­sers Karl Krauß in einem unbewachten Augenblick in die Enz und ertrank. Man fand das Kind später oberhalb der Birkenfelder Mühle als Leiche.

Wildbevg, 1. April. Einige Handwerksburschen machten in der Nähe des Waldes ein Feuer. Das dürre Gras trug das Feuer weiter, sodaß einige Morgen junger Bestand abbrannte, bis Hilfe kam. Zwei der übermütigen Landstreicher sollen in Calw verhaftet worden sein.

Württembergischer Landtag.

Stuttgart, 1. April.

Die Zweite Kammer beschäftigte sich auch heute noch recht eingehend mit der Frage der Verstaatlichung der Filderbahn. Erst nach dreistündiger Besprechung wurde mit dieser Materie geschloffen. Dabei erklärte Ministerpräsi-