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LchwarzwSlder Tageszeitung „Aus den Tanne«"
Nr. 177
Neues vom Tage
Beginn der Haager Konferenz am 8. August? Berlin, 30. Zuli. (Priv.-Tel.) Es wird immer wahrscheinlicher, dag die Konferenz doch am 8. August beginnen
wird. Wenn die französische Kammersitzung so ausgehl, wie die französische Presse annimmt, könnte sie am Mittwoch abend beendet sein, lieber die Zusammenberufung und den Vorsitz der Konferenz kann Tatsächliches noch nicht gesagt werden. Die deutschen Minister treffen in dieser Woche fast vollzählig in Berlin ein. Der Reichsautzenminister dürfte im Laufe des morgigen Tages hier ankommen.
Die niederländische Regierung zur Reparationskonferenz Haag, 30. Zuli. Die niederländische Regierung hat in Beantwortung der heute von den Regierungen Frankreichs, Englands, Deutschlands, Belgiens, Italiens und Japans unternommenen Schritte wegen der Abhaltung der Reparationskonferenz der Regierungen im Haag den betreffenden Gesandten mitgeteilt, daß sie sich freuen werde, die Konserenzmitglieder im Haag zu empfangen. Sie hat dabei der Hoffnung Ausdruck verliehen, daß der kurze Termin, der ihr zur Vorbereitung der Konferenz gelassen wird, es ihr ermöglichen werde, alle Maßnahmen zu treffen, die einem glatten Geschäftsgang der Konferenz förderlich sein können.
Das Befinden des Kanzlers
Berlin, 30. Zuli. Reichsfinanzminister Dr. Hilferding ist von seinem Urlaub nach Berlin zurückgekehrt. Auf der Rückreise hat er in Heidelberg den Reichskanzler besucht, dessen Befinden sich so erheblich gebessert hat, daß er Besuche empfangen und auch politische Unterhaltungen führen kann.
Die evangelische Kirche am Verfassungstag Berlin, 30. Juli. In einem Erlas an die Konsistorien weist der evangelische Oberkirchenrat der altvreuhischen Union darauf bin, daß die Reichsverfassung nach den schweren Erschütterungen der Umsturzzeit wieder einen Nechtsboden für ein geordnetes staatliches Gemeinschaftsleben geschaffen und auch den Kirche« wieder eine feste Rechtsgrundlage für ibre Stellung im öffentlichen Recht gegeben, sowie ihrem Zusammenschluß im Deutschen evangelischen Kirchenbund ermöglicht habe. Die Erinnerung hieran, die selbstverständlich von Politik und Parteivolitik frei- zubälten sei, werde geeigneten Anlaß bieten können, in den Gottesdiensten am 11. August, die Stellung des evangelischen Christen zum Vaterland und zu der im Lande erfaßten Volksgemeinschaft in das Licht des Wortes Gottes zu rücken und die Gemeinden aufzurufen zum verantwortungsbewußten Ziel an Vaterland, Volk und Staat. Die Konsistorien werden ersucht, im Gottesdienst am 11. August, in diesem Sinne des Zebnjabres- tages der Reichsverfassung zu gedenken.
Dr. Seipel über Briands Paneuropa-Plan Wien, 30. Zuli. Bei einem Vortrag, den der frühere Bundeskanzler Seipel bei Eröffnung der 8. Zahrestagung des Weltftudentenwerkes in Krems über die Zukunft Europas hielt, erklärte er: Die Nachricht, daß Briand in der nächsten Zeit einen feierlichen Appell zur Gründung der Vereinigten Staaten von Europa oder doch wenigstens zu einem wirtschaftlichen Zusammenschluß Europas erlaßen wolle, habe allenthalben größtes Aufsehen erregt. Für diese Initiative müsse man Briand besonders dankbar sein. Wenn es nun so scheine, als ob sich die anderen europäischen Staaten gegen die europäische Wirtschaftsunion sehr skeptisch äußern, so sei daran nur wieder das Mißtrauen schuld. Ganz besonders zurückhaltend sei Amerika, das hinter den Vereinigten Staaten von Europa einen antiamerikanischen Block vermute. Es bleibe also die Aufgabe der Politiker, Vertrauen z» verbreite« und damit die notwendigen psychologischen Voraussetzungen für die Sanierung Europas zu schaffen.
MW
Revaratiouskonferenz im Haag
Wie erklärt wird, soll die Revarationskonferenz am 8. August im Haag stattfinden.
Am eine chinesisch-russische Konferenz London, 30. Juli. „Daily Telegraph" berichtet aus Peking: Der chinesische Gesandte in Finnland ist beauftragt worden, eine Methode zu finden, um eine Vereinbarung mit Rußland wegen der chinesischen Ostbahn zu erzielen. Tr ist mit einem Stab von Sachverständigen in Peking ei «getroffen, wo er mit dem Verkehrsminister beriet und endgültige Anweisungen bezüglich der Politik Nankings erhielt. Der Gesandte fährt sofort nach Mukden ab, wo er eine Zusammenkunft mit General Tschanghsüliang haben wird. Es wird erwartet, daß erfolgreiche Bemühungen unternommen werden, um eine Konferenz zwischen dem Gesandten und einem russischen Delegierten in Charbin oder Moskau zuwege zu bringen.
England und Aegypten
London, 30. Zuli. Der Staatssekretär für den Krieg, Shaw, erklärte in einer Rede, die Regierung werde Aegypten seine Unabhängigkeit geben unter Bedingungen, die glückliche Beziehungen zwischen den Aegyptern und den Engländern schaffen und die Verbindungswege Englands mit seinem Ostreich für alle Zeiten sicher gestalten werden- Die englisch-amerikanischen Seeabrüstungsbesprechungen London, 30. Zuli. Zm Foreign Office fand eine weitere Besprechung über das geplante englisch-amerikanische Ses- abrüstungsabkommen statt, an der auf englischer Seite Premierminister Macdonald und der erste Lord der Admiralität, auf amerikanischer Seite die Botschafter Dawes und Gibson teilnahmen. Wie vrelautet, wurde ein erheblicher Fortschritt erzielt.
Amerika zur englischen Kritik am Poungplan Neuyork, 30. Zuli. In einem Leitartikel bemerkt „World", die englische Kritik am Youngplan im Unterhaus habe wohl ihren tieferen Grund. Die Unterstreichung der aus englischer Seite gebrachte» Opfer sei wohl in dem Wunsche zu suchen, daß London Sitz der geplanten internationalen Bank werde und dieser Wunsch ließe sich durch den Hinweis auf die englischen Opfer besser rechtfertigen.
Autokatastrophe
Rhodos, 30. Zuli. Ein Postauto, in dem sich 18 Personen befanden, stieß bei der Rückfahrt nach der Stadt Rhodos gegen die Mauer eines Hauses. Sieben Insassen des Postautos wurden getötet und acht schwer verletzt.
Aus Stadt und Land
Altensteig, den 31. Juli 1929.
Amtliches. (D i e n st e r l e d i g u n g.) Die Bewerber um die Försterstelle Hallwangen, Forstbezirk Pfalzgrafenweiler, haben sich innerhalb 14 Tagen auf dem Dienstwege bei der Forstdirektion zu melden.
Württ. Volkstheater. Die auf heute anberaumten Vorstellungen des Württ. Volkstheaters im „Grünen Baum-Saal" können besonderer Umstände halber erst morgen Donnerstag stattfinden.
Achtung auf deu Kartoffelkäfer! Die ständig drohende Gefahr der Einschleppung des Kartoffel- oder Koloradokäfers aus Frankreich zwingt uns zu größter Wachsamkeit diesem Schädling gegenüber. Sie ist erfahrungsgemäß im Juli-August besonders angebracht, da sich zu dieser Zeit etwaige Einschleppungen des Schädlings aus den Kartoffeläckern am leichtesten bemerkbar machen. Zeder Landwirt beobachte daher sorgfältig seine Kartoffelfelder auf diesen Schädling hin; findet er auffallenden Blattfraß an den Kartoffelstauden oder einen Schädling, der dem Kartoffelkäfer zu ähneln scheint, schicke er sofort einige beschädigte Stauden oder einige der verdächtigen Tiere an die Landesanstalt für Pflanzenschutz in Hohenheim zur Untersuchung ein.
— Wie viel Handgepäck darf man ins Abteil mitnehmen? Es führt fast ständig zu llnzuträglichkeiten, wenn Reisende das Abteil über Gebühr mit Gepäck belegen und dadurch häufig eine Behinderung des Verkehrs oder der Bequemlichkeit herbeiführen. Es sei daher darauf hingewiesen, daß das Handgepäck für jeden Reisenden ni»;t 23 Kilogramm übersteigen darf. Nur in die Abteilung mit der Kennzeichnung „Für Reisende mit Traglasten" darf Gepäck im Eesamtegwicht von 30 Kilogramm mitgenommen werden. Wer bei einer Zugrevision mit mehr Gepäck angetroffen wird, setzt sich einer Bestrafung aus, abgesehen davon, daß das Uebergepäck in den Packwagen geschafft werden muß.
Walddorf, 29. Juli. (Ausflug.) Am letzten Sonntag veranstaltete der hiesige Radfahrerverein „Edelweiß" einen Ausflug an den Bodensee. Pünktlich morgens um halb 4 Uhr war das Auto der Firma Kaiser-Nagold zur Stelle und auch die Teilnehmer hatten sich präzis eingefunden und um 3.43 Uhr verließen wir unter frohem Sang unseren Heimatort. Ueber Rottweil gings und um 9 Uhr hielt das Auto in Ueberlingen. Hier wurde ein gutes und reichliches Vesper eingenommen. Um 10.20 Uhr bestiegen wir den Dampfer „Zähringen", der uns bis Meersburg brachte. Hier mußten wir umsteigen und erreichten gegen 12.15 Uhr Friedrichshafen. Im Gasthaus zum „Schiff" nahmen wir das Mittagessen ein, um nachher die Hafenanlagen, ein Wasserflugzeug und das Museum in Friedrichshafen zu besichtigen. Durch Anschläge darauf aufmerksam gemacht, daß „Graf Zeppelin" zu einer Probefahrt aufgestiegen war, beschlossen wir, die Landung desselben am Abend abzuwarten. Es war interessant zu sehen, wie der Riefen- fisch zur Erde gezogen wurde. Um 7.30 Uhr bestiegen wir wieder unser Auto. Ueber Ravensburg-Saulgau gings in rascher Fahrt heimwärts. Alles in allem ein herrlicher Ausflug,^der so recht den ewigen Alltag vergessen ließ.
Oberschwandorf, 29. Juli. Am letzten Sonntag fand hier die jährliche Ausschußsitzung des Bezirksfeuerwehrverbandes Nagold statt. Nach den von Oberamtsbaumeister Schleicher-Nagold geleiteten Verhandlungen fand anschließend eine Uebung der hiesigen Wehr statt. Am 1. September findet in Walddorf der diesjährige Bezirks- Feuerwehrtag statt, bei welchem die Mitwirkung der Nagolder Motorspritze vorgesehen ist. An die Wehren des Bezirks ergeht heute schon die Aufforderung, sich zahlreich zu beteiligen.
„Die blonde Bouizetta"
Roma« von Leontine oo« Wi«terfekd-Plate«
j(33. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
Und obgleich die Wolfshunde just aufheulten bei ihrem Morgenimbiß, die Tauben so laut gurrten und die Kette «n Ziehbrunnen schnurrend raffelte, hatte WM es doch gehört und fuhr herum.
Er sah sich suchend um nach ihr, die ihn gerufen.
Da sah er sie km Garten flehen an der Mauer unter dem alten Ltndenbaum, langsam ging er zu ihr.
„Guten Morgen, Bonizetta. Du hast mich gerufen?"
Sie sah aufmerksam tu die Ferne, als suchte sie Lori etwas.
.Ha, WM. Ich wollte dich nur fragen, well doch beule v wunderbarer Tag ist — ob wir nicht doch ans die itherbetze reiten wollen?"
Er wechselte die Farbe.
Bann sagte er lene:
„Du sollst dich nicht bezwingen um meinetwillen, Boni- Jch weiß ja wohl, wie du über mich denkst seil Nacht. Mer du hast recht. ES ist ein schöner Tag Ich werde Kraffto sagen, daß er mit dir reitet."
Da fühlte sie, wie langsam und siedend heiß etwas Mtfftteg in ihren Augen. Verlegen sah sie zu Boden.
„Und du willst gar nicht mit. Will?'"
Er schlug mit der Gerte, die er ln der Hand hielt, an Deine hohen Stulpsttefel.
„wozu, Kind. Du reitest ja lieber ohne mich. WaS DM ich dir den schönen Lag vc-derben?"
Gewaltsam riß sie sich zusammen und sagte leise, ohne 0e» Kopf zu Heden: ,
»Komm mit, WM. Ich bitte dtch darum." !
Da neigte er sich vor ihr — kühl — fremd:
„Wie du befiehlst, Bonizetta. Zjch Degen, daß er die Pferde sai^>
Sogleich ging er wieder zurück ans den Hof.
Bonizetta aber wagte es nicht, den Kopf zu bebea^ well » SU HAß und unaufhaltsam Wer Sie Wangen rmu. —
Ste ritten durch den herbMnmten Wald wie durch sku Lar von lauter Gold.
Sie rttten aber or vorm» BonfMa «vff nck lch wel tz ern
Zelter, den Falken auf 8er Fcmst. links Mll. rechts Kmffto. In der ,-^ernx ipnterdrein Wulf und Friedet.
Kraffto rn all der sonnigen Fülle, vtt ihn umgab.
werde Muff gleich
wußte sich nimmer zu fassen vor Glück. Er
erzählte
leuchtenden Augen von allen Wundern ringsumher» als hätten die andern nicht selber Augen, 8aS zu schauen. Dazwischen jauchzte und lachte er und brachte ihr Arme voll Glockenblumen und Farnkraut und schmückte ihr Pferd mit Grün, als ginge es zur Hochzeit.
Dsnizetta schüttelte den Kopf.
„Manchmal weiß ich nicht, Buben, wer von euch närrischer ist. Wechselnder als Aprtlwetter — heute p» ---» morgen so. War's gestern tn Ahrweiler so schön, Latz du heute so lustig bist?"
Er s ah sie an.
Hn seinen schwarzen Augen flammte es wie Sonnen- wendfeuer tn der IohanniSnacht.
„Ich Hab einen Traum gehabt diese Nacht. Das war der süßeste Traum tn meinem Leben. Oh» Bonizetta! Was ist die Welt heut schön!"
Sie ritten unten km Tal am Kloster vorbei. Da hob sich Bonizetta im Sattel und blickte über die graue Mauer hinein in die blühende Rosenpracht. Sie grüßte die heimlichen Stätten» die ihre Kindheit geschirmt, und scch im Geiste dke frommen Frauen alle den Rosenweg wandeln, Schwester Wendula und Felizitas, die dicke Pförtnerin und die strenge Schwester Mathilde, vor der sie alle gezittert, waren fie wohl drrnnen in der Kapelle zur Frühste, dieweil es ausgestorben schien km Hof und Garten. Leise seufzte Bonizetta und ritt langsam den ander« nach. —
Will sah sie an.
.Marum seufzt dn so. Bonizetta? Hast du Hetmweh nach dem Kloster?"
Sie schüttelte den Kopf.
„O nein. Will."
Und sie machte sich mit den Zügeln za schaffen.
Er aber sah sie cm und mutzte an den Abend senken, wo er und Kraffto sie mit Fackellicht aus dem Kloster geholt. Wo er so stolz und siegesgewtß 8« Aebtisstn zuge- rufen: „Sie steht tm Schutz der Grafen von Are!"
Das war noch nicht zwei Monde her. Und heute?
Da ritt Ke wieder «eben ihm auf derselben Straße.
Wer ihre Wangen waren blaß geworden^ und daS
sah es doch. Kam das, weil icke Flechten es so «iever- zwanyen. die st» schwer und golden am Hinterkopf lagen?
Oder kam das daher, weil sie droben nicht gefunden, was sie gesucht? Weil der Graf von Are, der sie zu schützen versprochen mit feinem Herzblut, sein Wort vergessen und gebrochen?
Er griff hart tn die Zügel, datz sich Afator jäh ausbäumte.
Oh, wie wollte er sie schützen und hüten von mm cm, als das heiligste Kleinod seiner Seele.
Schützen? Konnte er das Venn noch? Hatte sie ihm nicht selber gezeigt, datz er ihr Vertrauen verloren für immer? Wollte sie sich denn überhaupt noch schützen lasse» von ihm?
Er bitz die Zähn« zusammen, datz sie knirschten.
Er hatte es ja verscherzt In alle Ewigkeit, ihr Schutz und Schirm sein zu dürfen.
Sie verachtete ihn. Nwn blieb ihm um «och etnSr er mutzte gehen. Und wußte auch wohin.
Aber er konnte den Blick nicht wenden von der blonde» rau im blauen, wehenden Mantel. Leise nickte das grüne »kraut im Zaumzeug, mit dem Kraffto ihren Zelten geschmückt. Dann wandte sie den Kopf.
»Warum hast du deinen besten Falken zu Hause gelassen, WM? Er hatte solche Sehnsucht gestern nach freiem Flug ins Blaue."
Bonizetta, darum ließ er auch den Kerker und
„Fort? Er ist Kr entflohen ?"
Kraffto rief es fast vorwurfsvoll.
„Ja, und ich ließ ihn auch ruhig. Tr wär wohl storben sonst tn der Gefangenschaft. Edelfalten bro Sonne und Luft."
„Die brauch kch auch!" lachte Kraffto und reckte die Arme. „Darum scheint mir auch nichts hasseuSwerter al» Gefängnistürme und Kloflermaueru."
Bonizetta sah tn die Ferne.
Da runzelte Kraffto die Sttrn.
„Du bist so still heut. Bonizetta, mrd hast Kch doch erst so auf den Mit gefreut. Ast Kr'S nicht auch gar sonnig zu Sinn, daß vn deu Kwstermauerm entflohen?"
Sie Iah noch immer tu Ke Ferne.
(Fortsetzung folgt.)