knüpfte, kam die Anerkennung zum Ausdruck für die Maßnahmen der Regierung. Es wurde die Hoffnung ausgesprochen, daß die Weingärtner nicht entmutigt die Flinte ins Korn werfen, und die Notwendigkeit des Spritzens betont. Der Behauptung, daß die Weinberge degeneriert seien, wurde entschieden widersprochen. Das Gesetz wurde an den Finanzausschuß verwiesen. — Weiterhin befaßte sich das Haus mit einem Antrag des Abg. Graf (Z.) betreffend Neuordnung des Diätenregulativs. Der Finanzausschuß beantragte hierzu folgende Richtlinien: Festlegung bestimmter, im allgemeinen gegen bisher nicht erhöhter Tagesvergütungen als Ersatz für die außerhalb des Wohnorts entstehenden Mehrkosten, in geeigneten Fällen Gewährung von Pauschalen, Ersatz der wirklichen Reisekosten unter Berücksichtigung der Kraftwagenlinien, eventuell auch hier Festsetzung von Pauschalvergütungen oder Kilometergeldern. Dieser Antrag wurde gegen einige Stimmen des Zentrums angenommen. Morgen vormittag 9 Uhr Fortsetzung.
Schwarz-rotes Wahltechtelmechtel.
In der Kammer-Debatte über die Errichtung einer Sonderanstalt der Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung für die Arbeiter der württembergischen Verkehrsanstalten, die am letzten Mittwoch zu Ende ging, deckte der sozialdemokratische Abgeordnete Keil als Tatsache auf, daß bei den letzten Wahlen das Zentrum in zwei Fällen um die sozialdemokratische Unterstützung nachgesucht und in einem Fall zentrumliche Hilfe ange- boten habe. Die „Schwäbische Tagwacht" erzählt darüber.
Als das Zentrum bei den letzten Landtagswahlen im Bezirk Oberndorf in die Nachwahl kam, fürchtete es den Verlust des Mandats und suchte bei unserer Partei Hilfe. Die Freunde des Herrn Andre fuhren nach Tuttlingen, um für die Hilfe in Oberndorf für Tuttlingen Gegenleistung anzubieten. Ein Arbeitersekretär und ein Geistlicher unternahmen den Bittgang zur Sozialdemokratie und wiederholten ihn, als sie keinen Erfolg hatten. Herr Andre will sich gegen diese Schritte gewendet haben; mit jedem Satz aber, den er sprach, ritt er sich mehr in die Tinte. Er wußte um die Schwindelmanöver in Oberndorf, denen er seine Wahl verdankt, und tat nichts gegen sie. Am Wahltag wurden vom Zentrum Plakate angeschlagen, die besagten, in Oberndorf trete unsere Partei für das Zentrum, in Tuttlingen das Zentrum für den Genossen Mattutat ein. Diesen Schwindel wollte Andre mit der Wendung entschuldigen, das Zentrum habe durch die Anschläge nur die Liberalen ärgern wollen! Ein weiterer Angeklagter wurde in dem Abg. Herbster vor das Forum gezogen. Dieser hatte bei der Konstanz er Reichstagsersatzwahl unseren Genossen Mattutat morgens 6 Uhr aus dem Bett geholt, um ihn mit dem Versprechen entsprechender Gegenleistungen zu bestimmen, dafür einzutreten, daß unsere Genossen in Konstanz für den Zentrumsmann stimmen sollten!
Diese dem Zentrum jedenfalls recht unangenehmen Dinge bestätigt auch das „Deutsche Bolksblatt", wenn es schreibt:
„Der Abg. Herbster mußte zugeben, daß er vor ein paar Jahren anläßlich der damaligen Reichstagsnachwahl in Konstanz persönlich bei dem Abg. Mattutat war, um in vertraulicher Weise über die Möglichkeit sozialdem. Stichwahlhilfe zu sprechen. Wenn Abgeordn. Herbster hiebei geglaubt hat, dieser Schritt werde von einem Sozialdemokraten wirklich „vertraulich" behandelt, so hat er sich hierin nun bitter getäuscht gesehen. Nach andern Vorgängen hätte er sich von vornherein sagen müssen, daß von einem Sozialdemokraten die Wahrung eines „vertraulichen" Gesprächs nicht erwartet werden kann. Uebrigens hat Herr Herbster lediglich auf den Wunsch eines persönlichen Freundes im Kon-
Das Iischermädchen.
g) Novelle von Björnstjerne Björnson.
Sie sah keinen von all denen, die sie ansahen, sie sah nur den Rauch des Dampfschiffes über den Dächern, und der schien sich zu entfernen. Als sie an die Brücke kamen, stieß der Dampfer gerade ab, und mit Tränen in den Augen eilte sie weiter hinaus in die Allee,, sie lief mehr, als sie ging, und die Mutter schritt hinterdrein. Da der Dampfer einige Zeit gebraucht hatte, um im Hafen zu wenden, kam sie gerade noch früh genug, daß sie an den Strand hinunterspringen, auf einen Stein steigen und mit dem Taschentuch winken konnte. Die Mutter blieb in der Allee zurück, sie wollte nicht hinabgehn; Petra winkte, höher und höher schwenkte sie das Tuch, aber niemand winkte zurück.
Da konnte sie sich nicht mehr halten, sie weinte so heftig, daß sie den Weg oberhalb der Stadt zurückgehn mußten. Die Mutter folgte ihr, aber sie schwieg. Das Dachstübchen, das die Mutter ihr heute geschenkt hatte, und wo sie diese Nacht zum erstenmal geschlafen und heute morgen mit so großer Freude ihre neuen Kleider angezogen hatte, empfing sie jetzt am Abend in Tränen aufgelöst, ohne daß sie auch nur einen Blick für alles um sie her hatte; sie wollte nicht hinabgehn zu den Seeleuten und Gästen, die gekommen waren; sie zog ihr Konfirmationskleid aus und setzte sich auf das Bett, bis die Nacht hereinbrach. Erwachsen zu sein erschien ihr als das größte Unglück, das es gab.
stanzer Bezirk hin, ohne jeden Auftrag der Parteileitung gehandelt; die Zentrumspartei weist deshalb etwaige Versuche, sie für den unüberlegten Schritt des Abg. Herbster verantwortlich zu machen, mit aller Entschiedenheit zurück."
Das Zentrum hat jetzt kein Recht mehr, irgend einer andern Partei, wie sie auch heißen möge, jemals Vorwürfe über ein Zusammengehen mit der Sozialdemokratie zu machen.
Abgestürzt.
Ulm, 20. März. Zwei zur Fliegerstation Straßburg kommandierte Offiziere des hiesigen Feldartillerie-Regiments Nr. 49 sind am Dienstag verunglückt: Leutnant Schefold und Leutnant Slang stürzten mit einer Flugmaschine aus 50 Meter Höhe. Leutnant Schefold verletzte sich an beiden Knien; Leutnant Stang trug Verletzungen am Knöchel und im Gesicht davon.
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Deutscher Reichstag.
Berlin, 19. März.
Der Reichstag nahm seine Sitzungen heute wieder auf. Der Präsident erbat und erhielt die Ermächtigung, dem Kaiserpaar und dem Herzogspaar von Braunschweig zur Geburt des braunschw. Thronfolgers zu beglückwünschen. —
Die Besprechung des Etats von O st a f r i k a wurde fortgesetzt. Dabei packte der Zentrumsabgeordnete Erzberger mit erfrischender Rücksichtslosigkeit einige feine Sächelchen aus. Er stellte dem Kolonialstaatssekretär die Frage: Ist der Erlaß des frühern stellvertretenden Gouverneurs von Ostafrika, des Generalleutnants von Wrochem, über das Grüßen noch in Kraft? Dieser Herr v. Wrochem hat im Jahre 1893 in Ostafrika als stellvertretender Gouverneur einen Hundeerlaß und einen Gruß erlaß herausgegeben. (Hört! hört! und Heiterkeit.) Der Eruß- erlaß ist besonders interessant. Danach sind sämtliche Boys der Europäer, sämtliche Angestellte beim Gouvernement und alle Farbigen, auch Inder, Griechen usw. verpflichtet, den Gouverneur und seinen Stellvertreter zu grüßen, sowohl im Vorbeigehen, aber auch, wenn die Leute irgendwo sitzen oder liegen. Wenn sich die Leute in einem Kaufmannsladen befinden, so müssen sie herauskommen und ebenfalls grüßen. (Hört, Hört!) Wird dieser Grußerlaß heute noch aufrecht erhalten? Ein Mann, der den stellvertretenden Gouverneur v. Wrochem nicht kannte und ihn nicht grüßte, wurde von Herrn v. Wrochem angefahren: „Sie unverschämter Flegel, warum grüßen Sie nicht? Ich bin der stellvertretende Gouverneur und stehe hier an Stelle des Kaisers!" (Heiterkeit.) Als der Mann entgegnete, daß er den Herrn noch nicht kenne, da er erst einige Tage dort sei, schrie Herr v. Wrochem laut: „Sie sind ein geborener Flegel! Ich werde euch Schweinepack schon beibringen, mich zu grüßen! Ihr werdet an mich denken, ihr Flegel!" Herr v. Wrochem hat wahrscheinlich gemeint, er habe einen Reichstagsabgeordneten vor sich. (Große Heiterkeit.) Der Erlaß gilt auch für die Matrosen unserer Marine. Ein Matrose von der „Möwe", der den Herrn auch* nicht kannte, wurde angeschrien: „Ihr Schweinepack, könnt ihr nicht grüßen!" Dieser Erlaß hat schon internationale Verwicklungen zur Folge gehabt, da er auch für Inder und Griechen gelten soll. Im Jahre 1894 wurden daher diplomatische Vorstellungen in Berlin erhoben. Herr o. Wrochem wurde zur Verantwortung gezogen, und nun kam das Interessante. Als er sich verantworten sollte, da hatte er an einem Morgen sich den Schlüssel zum Bezirksgericht geben lassen, um dort eine Aenderung in Ausdrücken des Erlasses vorzunehmen (Lebhaftes Hört! hört! und Unruhe), um die Schuld von sich abzuwälzen und andere, Unschuldige, in den Verdacht zu bringen, als ob sie einen
Gleich nach der Konfirmation ging sie eines Tages zu Oedegaards Schwestern, merkte aber bald, daß das ein Fehlgriff Oedegaards gewesen sein mußte; denn der Propst tat, als sähe er sie nicht, und die Töchter, beide älter als Oede- gaard, verhielten sich steif. Sie begnügten sich damit, ihr sehr spärliche Mitteilungen im Namen des Bruders darüber zu machen, was sie jetzt anfangen sollte. Den ganzen Vormittag sollte sie in einem Hause außerhalb der Stadt an den häuslichen Verrichtungen teilnehmen und am Nachmittag in die Nähschule gehn; schlafen, frühstücken und Abendbrot essen sollte sie zu Hause. Sie tat, wie ihr geheißen war, und fand sich recht gut hinein, solange ihr alles, neu war; dann aber, namentlich als der Sommer kam, fing es an sie zu langweilen; denn um diese Zeit hatte sie immer den ganzen Tag oben am Walde gesessen und in ihren Büchern gelesen, die sie jetzt auf das schmerzlichste vermißte, wie sie Oedegaard vermißte, wie sie die Unterhaltungen mit ihm vermißte. Die Folge davon war, daß sie schließlich mit jeder Unterhaltung vorlieb nahm, die sich ihr bot. Um diese Zeit kam nämlich ein junges Mädchen in die Nähschule, das Life Lit hieß, d. h. sie hieß Life, aber nicht Let; denn Let hieß ein junger Kadett, der in den Weihnachtsferien zu Hause gewesen war und sich mit ihr auf dem Eise verlobt hatte, als sie noch ein Schulmädchen war. Life wollte darauf sterben, daß es nicht wahr sei, und fing an zu weinen, sobald man davon sprach; aber sie hieß nun doch Life Let. Die kleine lebendige Life Let weinte oft und lachte oft; aber sie mochte weinen oder lachen, immer dachte sie an Liebe. Ein Bienenschwarm von Gedanken, von
solchen horrenden Erlaß herausgegeben hätten. (Lebhaftes Hört! hört! Unruhe und Bewegung.) Geschehen ist aber dem Herrn v. Wrochem nichts. Er ist dann in China verwandt worden, und hat es trotz aller dieser Heldentaten zum Generalleutnant gebracht. Im Interesse des deutschen Ansehens muß gefordert werden, daß dieser Erlaß, falls er noch in Kraft ist, sofort kassiert wird. (Beifall.)
Staatssekretär Dr. Eolf verneinte Erzbergers Frage. — Keinath (Natl.), Bruckhoff (F. Vp.), Noske (Soz.), Arendt (Rp.) sprachen gleichfalls. — Beim Etat für Südwestafrika ergriffen das Wort: Hoch (S.). Dr. Solf, Erzberger (Z.), Waldstein (F. Vp.). Freitag Fortsetzung.
Die Rote Woche in Berlin.
Als Ergebnis der Noten Woche in Berlin teilt der Vorwärts die Gewinnung von 11 000 neuen Parteimitgliedern und 8000 neuen Vorwärtsabonnenten mit.
Vom Torpedoboot in den Grund gerannt.
Venedig, 19. März. Ein italienisches Torpedoboot T 56 stieß mit einem kleinen von Lido kommenden Passagierdampfer zusammen, der sofort sank. Nur 8 Personen sollen gerettet sein. An 50 ertranken, darunter der russische Vizekonsul Merkenski; abends 8 Uhr waren 6 Leichen geborgen.
Die Krise im französischen Kabinett.
Paris, 19. März. Marineminister Monis hat seine Demission gegeben. Mit der Leitung des Marineministeriums wurde vorläufig Kolonialminister Lebrun betraut.
Berlin, 19. März. Die Kaiserin ist heute abend um 6.54 Uhr vom Potsdamer Bahnhof wieder nach Braunschweig zurückgereist. Der Kaiser hat seiner Gemahlin das Geleit zum Bahnhof gegeben.
Handel «nd Verkehr.
Stuttgart, 19. März. Der Geschäftsbericht der Stuttgarter Industrie- und Handelsbörse für das Jahr 1913 bringt eine Reihe von Marktberichten und zwar über rohe Baumwolle, Baumwollspinnerei u. -Weberei, sowie Ausrüstung, baumwollene Garne und Tücher, wollene Strickgarne, Trikotwarenfabrikation, Leinenspinnerei, Leinenweberei und Kohlenmarkt. Dem Bericht ist ferner zu entnehmen, daß sich der Ausschuß in seiner am 2. März abgehaltenen Sitzung durch Beiwahl der Herren Direktor Bachofen-Unterhausen, Anton Hüttenmüller-Stuttgart, Richard Melchior-Nürtingen, Karl Schirm-Reutlingen und Direktor Wagner- Calw auf die statutenmäßig vorgeschriekene Zahl von 30 Mitgliedern ergänzt hat. Bei der Neuwahl des Vorstandes wurde in diesen als Vorsitzender Fabrikant Adolf Leuze-Stuttgart, als erster stellv. Vorsitzender Direktor Eugen Anhegger-Eßlingen, als zweiter stellv. Vorsitzender Kommerzienrat Konrad Eminder-Reutlin- gen, als Schatzmeister Geh. Hofrat C. v. Staib-Stutt- gart und als Mitglieder Kommerzienrat Heinrich Otto- Stuttgart und Fabrikant Anton Baur-Hall wiedergewählt.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.
Gottesdienste.
Sonntag Lätare, 22. März. Vom Turm: 460. Predtgtlted: 283, 1—3, Der Herr ist gut. 9'/s Uhr: Vormitt. Predigt, Vikar Hermann. " 1 Uhr: Christenlehre mit den Töchtern' 5 Uhr : Bibelstunde im Vereinshaus, Stadtptarrer Schmid' Das Opfer ist für den Kirchbau in Gerhausen bestimmt. Donnerstag, 26. März. 8 Uhr abends: Bibelstunde im Vereinshaus, Stadtpfarrer Schmid.
Freitag, 27. März. 10 Uhr: Stellen der Konfirmanden in der Kirche. Das Opfer ist für die Konfirmandenhäuser in Altshausen und Bietenhausen bestimmt.
neuen wunderlichen, erfüllte bald die ganze Nähschule; streckte sich eine Hand nach der Garnrolle aus, so geschah es um zu freien, und die Garnrolle sagte ja oder gab einen Korb; die Nadel verlobte sich mit dem Faden, und der Faden opferte sich Stich für Stich für die Grausame; wer sich stach, vergoß sein Herzblut, wer die Nadel vertauschte, war treulos. Flüsterten zwei von den Mädchen zusammen, so mußte ihnen etwas Merkwürdiges geschehen sein; bald flüsterten zwei andre und noch zwei, jede hatte ihre Vertraute, und es gab tausend Geheimnisse, es war gar nicht zum Aushalten.
Eines Nachmittags in der Dämmerung, in so einem feinen Regen, den man Staubregen nennt, stand Petra mit einem großen Umschlagetuch über dem Kopfe daheim vor dem Hause und sah auf die Diele hinein, wo ein junger Seemann stand und einen Walzer pfiff. Sie hielt das Tuch mit beiden Händen unter dem Kinn zusammen, sodaß man nur die Augen und die Nase sehen konnte; der Seemann aber entdeckte sofort, daß sie ihm zublinzelte, und er sprang gleich hinab zu ihr, wo sie stand. — Hör einmal, Gunnar, willst du einen Spaziergang machen? — Aber es regnet ja! — Pah, ist das der Rede wett? — und dann gingen sie nach einem kleinen, höher hinauf gelegnen Hause. — Kauf mir ein paar Kuchen — von denen mit Schlagsahne. — Immer willst du Kuchen haben! — Von denen mit Schlagsahne! — Er holte ihr etliche heraus; sie streckte die eine Hand unter dem Tuche hervor, nahm sie und ging schmausend weiter.
(Fortsetzung folgt.)