Frauentag.

Der enge Zusammenhang zwischen Volksgesundheit und Frauenbewegung veranlaßt den Verband württ. Frauenvereine, am 5., 6. und 7. Juni, während der Hygiene-Ausstellung, in Stuttgart einen außerordent­lichen Frauentag zu veranstalten. Von verschiedenen Gesichtspunkten aus wird die Bedeutung dieses Zusam­menhangs erörtert und die daraus hervorgehenden Auf­gaben klar gelegt werden. Im Verband sind nur solche Vereine zusammengeschlossen, die der allgemeinen Wohl­fahrt dienen oder für das. Wohl des weiblichen Geschlech­tes wirken, er umfaßt 5000 Einzelmitglieder und wurde im Jahre 1006 von der Vorsitzenden, Frl. Mathilde Planck, begründet.

Die Rapp schc Millionenerbjchaft.

Als vor einiger Zeit die Rapp'sche Millionenerb- schast wieder durch die schwäbische Presse spukte und sich in Ludwigsburg Hunderte von Erblustigen zusammen­fanden, sprach auch derHohenstaufen" Zweifel aus und warnte vor großen Hoffnungen. Wie berechtigt das war, zeigt folgender bei der Redaktion des Blattes ein­gelaufener Brief: Ambridge, Pa., den 28. Febr. 1914. An die verehrliche Redaktion desHohenstaufen", Göp­pingen (Württemberg). In verschiedenen Ausgaben Ihres geschätzten Blattes erschienen in letzter Zeit Ar­tikel betreffs derNapp'schen Millionenerbschaft". Mit Genugtuung las ich, daß Sie die vermeintlichen Erben nicht ermutigten, mehr Geld in die Sache zu stecken. Mein Vater, Karl Wagner, wurde durch den Advokaten Marckworth irre geführt und verlor deshalb viel Geld in der Sache. Auch andere verloren dabei, obgleich mein Vater nur mit den besten Absichten vorging. Die Harmonie-Gesellschaft" war nie so reich, wie viele Leute meinten, auf keinen Fall so wohlhabend, wie Marckworth behauptete, welcher den Leuten in Deutsch­land weis machte, daß sie Besitz von halben Staaten hätten. Sie hatten nur etwa 8000 Acker Land bei Economy und zerstreut liegende kleinere Besitzungen in Pennsylvania und anderen Staaten. Dagegen hatten sie ums Jahr 1890 gegen 1250 000 Dollar Schulden, weshalb eine Hypothek auf das Economy-Land ausge­nommen werden mußte. Da die Verhältnisse im Laufe der Jahre nicht mehr im Einklang mit denen der Zeit der Gründung der Gesellschaft waren und der Zeitgeist es verhinderte, daß neue Mitglieder unter den alten Bedingungen sich anschlossen, so beschlossen alle über­lebenden Mitglieder unter sich vor Jahren, die Gesell­schaft aufzulösen. Solches taten sie und verteilten den Erlös unter sich. Gewisse vermeintliche Erben Rapps sowie Verwandte früherer Mitglieder versuchten zu verschiedenen Zeiten Erbansprüche geltend zu machen. Die Gerichte haben jedoch immer für die Gesellschaft oder für die regelmäßigen Mitglieder ent­schieden. Besonders klar tritt solches in den letzten zwei Entscheidungen von Ver. Staaten-Richtern hervor, wonach die Mitglieder das Recht haben, alles ihr Eigen­tum zu verkaufen, und unter sich zu verteilen. Achtungs­vollst K. Rudolf Wagner. 269 Wagner Avenue, Eco­nomy, Pa.

Die Prostitution.

Gegenwärtig veranstaltet die Ortsgruppe München der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Ge­schlechtskrankheiten eine Tagung, auf der auch Sani­tätsrat Dr. Friedrich Hammer-Stuttgart ein Refe­rat erstattete, das sich insbesondere auf seine in Stutt­gart gewonnenen Erfahrungen stützt. Die dem System der Reglementierung der Prostitution anhaftenden Schwächen sind, so führte der Redner aus, bekannt, aber auch die Schwierigkeiten, die einer Besserung im Wege stehen. Mit Fanatismus der einen oder anderen Rich­tung kann die Frage nicht gelöst werden. Erstrebens­wert ist eine Aenderung des Reichsstrafgesetzes, soweit

sich dies auf das Wohnen der Prostituierten bezieht, die sich freiwillig in die Dirnenliste eintragen lasten. Die Prostituierten kehren in den höheren Lebensaltern häufig ganz von selbst wieder in geordnete Verhältnisse zurück: sic ziehen sich in das Privatleben zurück, er­öffnen ein Geschäft oder machen manchmal auch noch ganz gute Heiratspartien. Die Ursachen der Prostitution sind auch nach Ausführung dieses Referenten meist Ar­beitsscheue und jugendlicher Leichtsinn. Von Erfol­gen irgendwelcher Bessern ngs versuche i st selten die Rede. Theorie und Praxis gehen auf diesem Gebiete weit auseinander. Die freiwillig eingeschriebenen Dirnen machen der Polizei in Stutt­gart im allgemeinen weit weniger Schwierigkeiten als die geheimen Prostituierten. Die Kasernierung der Prostituierten in Bordellen scheint dem Zeitgeist nicht mehr zu entsprechen, wie der Rückgang der Zahl der Bordelle beweist. Die Internierung der Prostituierten in einer bestimmten Straße hat sich in manchen Orten verhältnismäßig gut bewährt, doch wird andererseits auch wieder Uber arge Mißstände geklagt. Die Be­strebungen der Abolitionisten, die die Prostituierten als ihre Mitschwestern betrachten, gehören in das Gebiet der frommen Wünsche, da die Voraussetzungen für die Erfüllung fehlen, denn die Prostituierten stehen meist auf einem sehr tiefen sittlichen Niveau. Nach den Sta­tistiken der stehenden Heere sind die Geschlechtskrank­heiten gegen früher bedeutend zurückgegangen und dies mag die Ursache sein, daß jetzt die Abolitionisten immer lauter nach Aufhebung der Reglementie­rung rufen. Aber es ist die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, daß dann die Geschlechtskrankheiten rasch wieder llberhandnehmen. Der Redner befürwortete eine bessere Erziehung der Jugend, Linderung der so­zialen Not, Modernisierung der Zwangserziehungsan­stalten, kostenlose Behandlung unbemittelter Geschlechts­kranker, will aber die freiwillige Einschreibung in die Dirnenliste, also die Reglementierung mit Zwangs­untersuchung und -Behandlung, beibehalten wissen. Mit den hiegegen geltend gemachten moralischen Bedenken will er sich nicht befassen, da ihm dies zwecklos erscheint.

Fleischabschlag.

Heidenheim, 18. März. Die Metzgerinnung hat den Preis für Schweinefleisch von 85 auf 80 L ermäßigt. Bei den übrigen Fleischsorten tritt eine Preisermäßi­gung nicht ein.

Tübingen, l8. März. Am Mittwoch, 25. März, mit Eintritt der Dunkelheit, werden die neuen Formen der Vorsignale und der Langsamfahrscheiben (Doppellicht) auf der Strecke PlochingenTübingen in Betrieb ge­nommen.

A«« rvvtt Zeit.

Die Berkehrseinnahmen

der deutschen Haupt- und vollspurigen Nebenbahnen einschließlach der bayrischen Staats- und Privatbahnen betrugen im Febr. 1914 im Personenverkehr 61 167 950 Mark, das sind gegen das Vorjahr 3 302 911 mehr, im Güterverkehr 179 547 907 gegen das Vorjahr mehr 611 562 -R.

Gräfin Fischler-Treubergs Ehe ungültig.

Die aus dem Berliner Prozeß bekannte Gräfin Fischler-Treuberg hat durch Erkenntnis des hiesigen Oberlandesgerichts ihren gräflichen Titel und Namen verloren. Der Graf Fischler-Treuberg hatte nämlich auf Nichtigkeit der Ehe geklagt, weil ihm beim Eingehen der Ehe das Vorleben seiner Gattin nicht bekannt ge­wesen sei. Diese Klage war vom Landgericht abgewie­sen worden. Das Oberlandesgericht dagegen erkannte auf Nichtigkeit der Ehe auf Grund des 8 1333 des Bür­gerlichen Gesetzbuches, wobei es als erwiesen annahm, daß der Graf tatsächlich über wesentliche Punkte des

Vorlebens der Beklagten und insbesondere über die Quellen, aus denen sie ihren Aufwand bestritt, nicht unterrichtet war. Im übrigen wurde in der Verhand­lung der nicht unerhebliche Umstand zur Sprache ge­bracht, daß der Graf für die Heirat kein Geld von der Beklagten bekommen habe, wie das vielfach behauptet wurde. Die Beklagte, die bekanntlich die Tochter eines Schneiders in Offenbach ist, wird ihren Mädchennamen tragen müssen. Da der gräfliche Name vielfach das Relief zu den eigenartigen Geldge­schäften und sonstigen Affären abgeben mußte, die in dem Berliner Prozeß zur Sprache kamen, greift die Nich­tigkeitserklärung dieser Ehe aus dem Gebiet des Per­sönlichen in das Bereich des allgemeinen Jntreestes über.

Hochwasser und Sturm.

Wesel, 18. März. Das Hochwasser des Rheins hat hier sehr bedeutenden Schaden verursacht. Am Hafen stehen sämtliche Lagerhäuser bis zum Dach unter Master. Einige sind bereits fortgerissen worden. I» der Hafen­straße reichen die Fluten bis dicht unter die Fenster der Wohnhäuser. Der Rhein bildet im Verein mit der hochgeschwollenen Lippe einen meilenweiten See. Meh­rere Wohnhäuser sind durch das Hochwasser vom Lande abgeschnitten.

Metz, 18. März. Wie den Blättern aus Kreuz­wald (Lothringen) gemeldet wird, hat der vorgestrige Sturm dort zwei Menschenleben gefordert. Ein von dem Sturm umgeworfener Baum fiel auf drei Arbeiter, die von ihrer Arbeit nach ihrem Wohnort zurückkehrten. 2 Arbeiter wurden so schwer verletzt, daß sie auf dem Wege nach dem Krankenhaus starben. Der 3. Arbeiter erlitt nur leichte Verletzungen.

Durch flüssiges Eisen getötet.

Vobrek (Schlesien), 18. März. Als gestern ein Gieß- wagcn vollgefüllt mit etwa 4 bis 5 Zentnern flüssigen Eisens vom Hochofenwerk nach dem Stahlwerk befördert werden sollte, kippte der Wagen auf bisher unaufge­klärte Weise um und der Inhalt ergoß sich auf eine m der Nähe befindliche Aufenthaltsbude, in der sich vier Arbeiter befanden. Die Bude fing sofort Feuer und die Arbeiter waren gezwungen, durch die flüssige Maste zu waten. Einer war sofort tot, die andern drei starben im Laufe der Nacht. Alle vier waren ver­heiratet.

Caillaux Ersatz.

Paris, 17. März. Wie amtlich gemeldet wird, ist Rene Renoult zum Finanzminister, der Handelsminister Malvy zum Minister des Innern und der Abgeordnete Raoul Peret zum Handelsminister ernannt worden.

Das parlamentarische Nachspiel zur Ermordung Calmettes.

Am Dienstag nachmittag gab es in der französischen Kammer eine bedeutsame Auseinandersetzung. Der Bo­napartist Delahaye brachte einen Antrag ein, in wel­chem gefordert wurde, daß die Kammer,erregt über den Mordanschlag der vergangenen Nacht, der nach dem Geständnis der Täterin den Veröffentlichungen Einhalt tun sollte, die geeignet waren, die Verdachts­gründe des Rechtsbruchs gegen einen auf Be­fehl handelnden richterlichen Beamten zu verstärken, die Regierung ersuchen soll, diesen Beamten seines Am­tes zu entsetzen, oder ihm aufzugeben, seine Ankläger zu verfolgen." Der Antragsteller hob mit diesem An­trag auf den Fall Röchelte ab, der vor etwa 4 Jah­ren die Justiz und die Politiker in Frankreich lebhaft beschäftigte. Rochette war ein Millionenschwindler; eine ganze Anzahl kleiner und großer Leute verloren durch seine Betrügereien Hab und Gut. Rochette war in er­ster Instanz verurteilt worden, der Pariser Appellhof aber verzögerte die letzte Entscheidung, sodaß Verjäh­rung eintrat, weil innnerhalb einer bestimmten Frist in der Berufungssache keine gerichtliche Handlung er-

Das Iischermädchcn.

8) Novelle von Björnstjerne Björnson.

Dies verwirrte ihre Gedanken; sie wollte nicht Hin­sehen, aber sie sah doch hin, und dort gerade als alle an­dern tief ergriffen waren, einige sogar in Tränen schwam­men, sah Petra mit Schräken Pedro sich erheben, mit offnem Mund und aufgerissenen Augen wie erstarrt stehnbleiben, nicht imstande, sich wieder hinzusetzen oder sich zu bewegen; denn ihm gegenüber stand Gunlaug in ihrer ganzen Höhe auf­gerichtet. Petra schauderte, als sie sie erblickte, denn sie war weiß wie das Altartuch. Ihr schwarzes, krauses Haar schien sich zu sträuben, während die Augen plötzlich einen feind­seligen Ausdruck annahmen, als wollten sie sagen: Weg von ihr! Was willst du von ihr! Er sank auch unter diesem Blick auf der Bank zusammen, und nach einer Weile schlich er zur Kirche hinaus.

Nun hatte Petra Ruhe, und je weiter die Handlung vorschritt, um so inniger nahm sie teil daran. Und als sie sich umwandte, nachdem sie ihr Gelübde abgelegt hatte und durch Träum zu Oedegaard hinübersah als zu dem, der allen ihren guten Vorsätzen am nächsten stand, da gelobte sie in ihrem Herzen, daß sie seinen Glauben nicht zuschanden machen wolle. Das treue Auge, das strahlend zu ihr herüber­blickte, schien um dasselbe zu bitten; aber als sie wieder auf ihren Platz zurückgekehrt war und ihn noch einmal ansehen wollte, war er verschwunden. Sie ging bald mit ihrer Mutter nach Hause, di« unterwegs die Bemerkung fallen ließ: Jetzt

habe ich das meine getan nun mag der liebe Gott das seine tun!

Als sie gegessen hatten, sie beide ganz allein, sagte sie weiter, indem sie sich erhob: Dann müssen wir jetzt wohl zu ihm zu dem Pfarrersohn gehn. Obwohl ich nicht weiß, wohin es führen soll, was er sich in den Kopf gesetzt hat, so hat er es doch wohl gut gemeint. Zieh dich wieder an, mein Kind.

Der Weg zur Kirche, den die beiden so oft zusammen ge­gangen waren, führte oben um die Stadt herum; durch die Gaffe waren sie bisher noch nie zusammen gegangen; die Mutter war wohl kaum jemals wieder darauf gewesen, seit sie zurückgekehrt war. Jetzt bog sie indessen in die Gaffe ein; sie wollte dort an der Seite ihrer erwachsnen Tochter gehn!

Am Nachmittag des Konfirmationssonntags ist so eine kleine Stadt auf der Wanderung, entweder von Haus zu Haus zum Glückwünschen, oder die Straße hinauf und hinab, um zu sehen oder gesehen zu werden. Bei jedem Schritt wird gegrüßt, man bleibt stehn, wechselt Händedrücke und wünscht Glück; das arme Kind erscheint in den abgelegten Kleidern des reichen und zeigt sich auf der Straße, um zu danken. Die Seeleute des Städtchens in ausländischem Putz, die Mütze im Nacken, und die Stutzer des Städtchens, die Handlungs­diener, die alle begrüßen, gehn in Scharen umher; die halb- erwachsnen Knaben der Lateinschule, jeder seinen besten Freund auf Erden am Arm, schlendern hinterdrein und üben naseweis Kritik alle aber mußten sie heute wohl oder übel vor dem Löwen des Städtchens, dem jungen Kaufmann und

reichsten Manne des Ortes, Dngve Bold, zurücktreten, der gerade aus Spanien zurückgekommen war, fix und fertig, morgen die große Fischhandlung seiner Mutter zu überneh­men. Einen Hellen Hut auf seinem hellblonden Haar strahlte er in den Gassen, sodaß die jungen Konfirmanden beinahe vergessen wurden; alle hießen ihn willkommen, er sprach mit allen, lachte alle an auf und nieder in der Gasse sah man den Hellen Hut auf dem Hellen Haar und hörte sein Helles Lachen. Als Petra und ihre Mutter hinauskamen, war er der erste, auf den sie stießen, und als hätte er sich wirklich ge­stoßen, so schreckte er vor Petra zurück, die er nicht wieder­erkannte.

Sie war groß geworden, nicht so groß wie die Mutter, aber doch größer als die meisten, leicht, fein, schelmisch, ganz wie die Mutter und doch wieder nicht wie die Mutter, in beständigem Wechselschimmer. Selbst der junge Kaufmann, der ihnen folgte, vermochte die Blicke der Spaziergänger nicht mehr zu fesseln; die beiden zusammen, Mutter und Tochter, waren eine weit fremdartigere Erscheinung. Sie gingen schnell, ohne zu grüßen, weil sie selten von andern als von Seeleuten gegrüßt wurden, kamen aber noch schneller densel­ben Weg wieder zurück, denn sie hatten gehört, daß Oedegaard soeben das Haus verlassen und sich nach dem Dampfschiff be­geben hatte, das gleich abgehn sollte. Petra drängte besonders vorwärts; sie mußte, sie mußte ihm Lebewohl sagen und ihm danken, ehe er abfuhr; es war ja unrecht von ihm, so von ihr zu gehn!

(Fortsetzung folgt.)