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ALterrsteig, Samstag den 20. Oktober 1928

52. Jahrgang

Zur Lage.

Der Flug desGrafen Zeppelin" nach Amerika beherrschte

die Öffentlichkeit in einem Matze, wie es kein zweites Er­eignis dieses Jahres tat, abgesehen vom Ozeanflug der bei­den Flieger Köhl und Hünefeld. Der Flug des Luftschiffes hebt sich hinaus über Ereignisse ähnlicher Art, von Flug­zeugen ausgeführt, nicht nur weilL. Z. 127" mehr als 60 Passagiere an Bord hatte, sondern aus vielen andere» Gründen. Es geht dabei um allgemeine kulturelle, verkehrs- und geschichtspolitische Werte. Es existieren in der Welt keine Zeppeline, die nicht deutscher Herkunst wären. Diese deutsche Erfindung wird jetzt in England und in Amerika nachgeahmt, aber keines der beiden Länder ist soweit, dah sieihren" Zeppelin aufsteigen lassen könnten. Darum wird der Zeppelin in der ganzen Welt mit Deutschland identi­fiziert. Eben darauf sutzen die politischen Wirkungen auch dieses Amerikafluges. Schon der Probeflug über das be­setzte Gebiet, England, Holland und Dänemark übte solche aus. Die französischen Besatzungsbehörden protestierten gegen das Ueberfliegen deutschen Bodens durch den Zep­pelin. Aber dieser Eifer wurde selbst in Paris als über­trieben empfunden und die Angelegenheit im stillen bei­gelegt. Aber je größer der Anklang des Zeppelinfluges im Ausland ist, umso zwingender wirkt die Sinnlosigkeit der Rheinlandbesetzung. Aus seinem Hauptflug nach Amerika hatGraf Zeppelin" die Hoheitsgebiete von rund fünf Län­dern überflogen, davon vier, die unsere Gegner im Kriege waren, nämlich Frankreich, England (Gibraltar), Portugal und die Vereinigten Staaten. Aus Zeppelins Weg lagen die Festungen und Großstädte wie Belsort, Lyon und Marseille. Jedesmal mutzte das Luftschiff in weitem Bogen einen Um­weg machen, um nicht diplomatische Schwierigkeiten zu ver­ursachen. Die wichtigste politische Bedeutung des Zeppelin­fluges gehört aber dem Amerikabesuch. Das Lustschiff ist der Sendbote und das Freundschaftszeichen des deutschen Volkes in ganz anderem Matze alsZ. R. 3", das als Reparations- luftschiff abgeliefert werden mutzte. Nun ist es ein wirklicher Freundschaftsbesuch. Wenn sich die politischen Wege Deutsch­lands und Amerikas kreuzen, so wird das Volk immer wie­der an den Zeppelin denken, der wie ein Engel aus einer fernen Welt in Lakehurst zur Erde niederstieg. Vor vier Jahren hat der damalige Präsidentschaftskandidat Coolidge bei der Ankunft vonZ. N. 3" Dr. Eckener persönlich in Lakehurst begrüßt, was ihm von seiner Wählerschaft hoch angerechnet wurde. Diesmal hat der aussichtsreichste Prä­sidentschaftskandidat Hoover, da er als Privatmann zur Landung nicht Zutritt hatte, bei der Ankunft vonL. Z. 127" einen Brief zur Begrüßung geschrieben, der in der amerikanischen Öffentlichkeit stark verbreitet wurde. And nun verhandelt Dr. Eckener in Amerika über die Einrich­tung eines Luftverkehrs mit den amerikanischen Geldleuten und arbeitet damit an einem aussichtsreichen Friedenswerk, das der Versöhnung zweier Völker dient, die noch vor zehn Jahren im Kriegszustand lagen. Wie sich die Zeiten ändern!

Mit dem fühlbar näherkommenden Spätherbst regt sich allenthalben die politische Geschäftigkeit. Auch in der Außen­politik dürste es nun wieder lebhafter werden, will doch der deutsche Reichsautzenminister Dr. Stresemann am 1. Novem­ber sein Amt wieder übernehmen, von dem er monatelang durch ernste Erkrankung ferngehalten war. Unterdessen hat der Entschädigungsagent Parker Gilbert in Berlin seine Fühler ausgestreckt, um der in Genf beschlossenen Sachver­ständigenkommission zur Regelung des Dawesplaues auf die Füße zu helfen. Er war in London und Paris und will anscheinend auch noch Brüssel und Rom besuchen, um mit den Regierungen über die Höhe der deutschen Schuld und die Aenderung des Dawesplanes Rücksprache zu nehmen, vor allem ds^ kommenden Konferenz der Finanzleute die Wege ebnen. Bei der Festsetzung der Endsumme, die zwischen 30 und 50 Milliarden genannt wird, scheint Gilbert in Lon­don nicht viel erreicht zu haben. Die Zusammenkunft, die in den Wintermonaten stattfinden wird, mutz Klarheit darüber bringen, was wir zu zahlen haben und zugleich eine Herab­setzung der Jahresleistungen nach dem Dawesplan. In der Räumungsfrage ist im November wohl ein Schritt Deutsch­lands bei den Mächten zu erwarten, zumal die Räumung unabhängig von der Entschädigungsfrage ist. Wenig erfreu­lich ist der erneute Abbruch der deutsch-polnischen Verhand­lungen über den Abschluß eines Handelsvertrages. Obwohl Deutschland den Polen allerlei Zugeständnisse gemacht hat, fordern st« die freie Einfuhr von Schweinen und Rindvieh, die Deutschland keinem Land eingeräumt hat. Mit Rücksicht auf die Lage unserer Landwirtschaft und auf andere Han­delsverträge kann jedoch Deutschland derartige Forderungen niemals annehmen. Nun ist wieder eine Pause auf dem Lei­

densweg dieser Verhandlungen mit einem Nachbarstaat ekv getreten. Das Reichskabinett mutz sich allmählich schlüssig werden, ob es überhaupt noch einen Zweck hat, mit Polen weiter zu verhandeln.

Der Deutsche Reichstag will am 13. November seine Ar­beiten ausnehmen. Ob es bis dahin gelingt, eine Umbil­dung der Reichsregierung vorzubereiten, die auf der Grund­lage der Großen Koalition mit gesicherten Mehrheitsver­hältnissen fruchtbare Arbeit zu leisten imstande ist, erscheint fraglich. In Preußen ist der Versuch dieser Art stecken ge­blieben. Wünschenswert ist es auf jeden Fall, namentlich im Hinblick auf die kommenden außenpolitischen Entschei­dungen wie Räumung und Endregelung der Entschädigungs­zahlungen. Auch die Gestaltung der inneren Finanzlage, die Beratung des neuen Reichshaushalts für das kommende Jahr erfordert klare Mehrheitsverhältnisse.

Im Reichstagsausschuß für die Strafrechtsreform find dir Arbeiten seit einer Woche wieder im Gange. Nun steht man an einer Frage, bei der die gegensätzlichen Meinungen am heftigsten aufeinanderprallen: das ist die Frage der Bei­behaltung oder Abschaffung der Todesstrafe. Mit Schlag­worten und Gefühlen läßt sich diese Frage nicht lösen, sie steht sozusagen außerhalb parteipolitischer Betrachtung. Die Todesstrafe verträgt sich nicht mehr mit dem aufgegebene« Rechtsstandpunkt des Staates, daß die Strafe nicht eine Sühne für ein begangenes Verbrechen darstellen soll, son­dern nur eine Einrichtung zur Besserung des Verbrechers und zur Sicherung der Gesellschaft. Eine vollständige Be­seitigung dieser Strafart wird aber von den verschiedensten Parteien aus staatspolitischen Gründen abgelehnt. Die vor­läufige Entscheidung des Ausschusses ist erst in kommender Woche zu erwarten.

Die Frist für die Einzeichnung zum kommunistischen Volksbegehren über das Panzerkreuzeroerbot ist abgelaufen. Das Volksbegehren hat nicht die notwendige Stimmenzahl von 4 Millionen gefunden, so daß die Reichsregierung von sich aus keinerlei Schritte unternehmen wird, um den be­gonnenen Panzerkreuzer nicht vollends ausbauen zu lassen. Damit dürfte aber die Angelegenheit noch nicht ganz er­ledigt sein, da von sozialdemokratischer Seite im Reichstag ein Vorstoß ni ähnlicher Richtung wie beim Volksbegehren erfolgen dürste.

Neues vom Tage

Tagung der Finanzminrster

Berlin, 19. Okt. Im Zusammenhang mit der Tagung des Ausschusses der Länderkonferenz, die Ende Oktober in Ber­lin stattfinden soll, wird, wie dieVosfische Zeitung" meldet, auch der Finanzministerausschuß, der aus dem Rsichsmini- ster der Finanzen und aus vier Finanzministern der Länder besteht, zusammentreten, um das Ergebnis seiner Arbeiten !»r Sicherstellung einer möglichst sparsamen Finanzgebah- cung in Reich, Ländern und Gemeinden endgültig zu for­mulieren.

Pause in den deutsch-polnischen Verhandlungen Berlin, 19. Okt. Reichsminister i. R. Dr. Hermes erstat­tete dem Reichskabinett Bericht über seine letzten War­schauer Besprechungen. Daraus ergibt sich, daß zunächst eine Pause in den Verhandlungen eintritt, welche durch die pol­nische Erklärung veranlaßt ist, daß die Kommissionsarbei­ten für den Augenblick gegenstandslos seien. Da trotz deut­schen Entgegenkommens von polnischer Seite, namentlich in der Zolltarifkommisfion, keinerlei nennenswerte Zuge­ständnisse gemacht worden sind, ist der polnischen Erklärung Rechnung getragen worden. Die deutschen Mitglieder der bis zuletzt in Warschau tagenden Zolltarifkommission kehren deshalb zunächst nach Berlin zurück. Es wird das Reichs­kabinett zur jetzigen Lage im einzelnen Stellung nehmen.

Im Herbst und Winter

ist es ein Bedürfnis, sich eine gute Zeitung zu halten. Versäumen Sie daher nicht, die Schwarzwälder TageszeitungAus den Tannen" zu bestellen, sie unterrichtet Sie rasch und in über­sichtlicher Weise über alle Vor­gänge auf allen Gebieten I;

Die Begrüßung der Zcvvelinbesatzung in Philadelphia Philadelphia, 19. Okt. Dr. Eckener und die ihn begleitenden Mitglieder der Zeppelinbesatzung wurden von einer viele Tau­sende zählenden Menschenmenge, die trotz des Regens dicht ge­drängt die Straßen, von den Vororten angefangen, bis zum Rathaus füllten, herzlich willkommen geheißen. Bei dem Empfang im Ratbaus erinnerte Bürgermeister Mackey an die Verdienste deutscher Einwanderer um die Entwicklung Phila­delphias und Pennsylvaniens. Daran schloß sich ein Festessen, im Bellevue-Hotel, zu dem über 1400 Personen geladen worden waren. Ansprachen hielten der Bürgermeister Mackey, der Prä­sident der Handelskammer, Eadsden, und der Präsident der Deutschen Gesellschaft, Schmidt. Eckener betonte in seiner Er- widerungsansvrache, daß es das deutsche Volk gewesen sei, das den Bau des Luftschiffes ermöglicht habe. Es bat deshalb, so fuhr er fort, ebenso an vem Erfolg teil wie wir, die wir das Luftschiff über den Ozean brachten.

Las Datum der Rückreise

Neuyork, 18. Okt. Wie die Eoodyear-Zevvelin-Comvany Mit­teilen läßt, ist die Rückkehr desGraf Zeppelin" nach Deutsch­land vorläufig aus den 27. Oktober festgesetzt. Der Besuch des Luftschiffes im mittleren Westen ist auf drei Tage bemessen. Am Montag soll es in Detroit eintreffen. Wenn die Wetterverbält- nisse es gestatten, soll auch St. Louis besucht werden.

Dr. Eckener zum Frühstück bei Cookidge Washington» 19. Okt. Dr. Eckener und vier weitere Her­ren vomGraf Zeppelin" find heute mittag Gäste des Präsidenten Cookidge bei einem Frühstück im Weißen Hause gewesen, an dem auch Marinesekretär Wikbur sowie die Sekretäre für die Kriegs- und Handelsmarine teilnahmen.

Parker Gilbert in Poris

Paris, 19. Okt.Petit Journal" berichtet, daß der General­agent für die Reparationszahlungen, Parker Gilbert, in Paris eingetroffen ist. Das Blatt glaubt zu wissen, daß er beute eine Unterredung mit Poincare haben wird, die sich auf die Mög­lichkeit einer Revision des Dawesplanes beziehen wird. Von Paris aus wird Parker Gilbert nach Rom und dann wahrschein­lich nach Brüssel fahren, um dort Besprechungen über das gleiche Thema zu führen. Alsdann wird er nach Berlin zurllckkebren, um die Verhandlungen mit der Reichsregierung fortzusetzen.

Auch der englische Schahkanzler in Paris Paris, 19. Okt. Der englische Schatzkanzler Winston Churchill ist Freitag früh 5 Uhr unerwartet in Paris eingetroffen. Er hatte gemeinsam mit dem Generalagenten für die Reparations­zahlungen, Parker Gilbert, heute vormittag von 19 bis 11.29 Uhr eine Unterredung mit Ministerpräsident Poincare über die Zu­sammensetzung der Finanzsachverständigenkommission, deren Bil­dung in Genf beschlossen worden ist. Churchill, der mittags in der englischen Botschaft frühstückte, reiste nachmittags wieder nach London zurück. Wie die Agentur Havas mitteilt, wird der Meinungsaustausch in dieser Frage in den nächsten Tagen »wischen sämtlichen interessierten Regierungen fortgefübrt werden.

Die Pariser Reise Churchills London, 19. Okt. Wie Reuter erfährt, bestand der Hauptzweck der plötzlichen Pariser Reise Winston Chur­chills darin, mit der französischen Regierung und dem Reparationsagenten Parker Gilbert die sehr wichtige Frage der Zusammensetzung des Ausschusses der Finanz­sachverständigen von Großbritannien, Frankreich, Belgien, Italien, Japan und Deutschland zu besprechen, der das gesamte Reparationsproblem untersuchen und, wenn mög­lich, die im Dawesplan nicht angegebene Gesamtsumme der deutschen Verpflichtungen festsetzen soll.

Führerneuwahl im Zentrum Berlin» 20. Okt. DieWestdeutsche Arbeiterzeitung", das von dem Reichstagsabgeordneten Joos geleitete Blatt der katholischen Arbeitervereinigung in München-Glad­bach bemerkt in einem ArtikelVon kommenden Dingen", daß sicherem Vernehmen nach der Reichsparteitag (der in Düsseldorf abgehalten wird), der Partei einen neuen Vor­sitzenden zu geben haben werde. Es verlautet, daß Reichs­kanzler a. D. Dr. Marx sein Amt niederzulegen gezwungen sei. Ernste gesundheitliche Gründe verbäten ihm ditz fernere Führung der Partei. Es erhebe sich daher die Frage nach dem neuen Mann. DieVossische Zeitung", die gleichfalls von dem bevorstehenden Rücktritt Marx be­merkt: Diese Rücktrittsabsichten werden zwar mit Gesund­heitsrücksichten begründet, man hat aber den Eindruck, daß Marx aus politischen Gründen zu seinem Entschluß gelangt ist, auf die Führung des Zentrums zu verzichten.

Man weiß nämlich, daß Marx mit seiner These, das Zentrum solle gegenüber dem Kabinett Müller-Franken Zurückhaltung üben und auf eine weitergehende Bindung verzichten, was praktisch also auf eine Verhinderung der großen Koalition hinauslaufen würde, nicht durch, gedrungen ist.