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Schwarzwälder TageszeitungAus den Tannen"

Die österreichische Sozialdemokratie und der 7. Oktober Wie«, 2. Okt. Das Verbot für den 7. Oktober angemel­deten sozialdemokratischen Arbeitertag löste bei den Arbei­tern große Erregung aus. Die Sozialdemokraten erklären, daß sie keinesfalls zulassen werden, daß am Sonntag nur der Heimwehraufmarsch stattfindet. Wenn dieser auch ver­boten werde, geordnet und organisiert in Wiener-Neustadt zu erscheinen, würden sie sich doch in den Straßen einfinden und sie sperren, um den Heimwehraufmarsch unmöglich zu machen. Für Mittwoch ist eine große Versammlung des Republikanischen Schutzbundes einberufen, in der zu der neuen Lage Beschluß gefaßt werden soll. Die Garnison von Wiener-Neustadt soll aus der Stadt abziehen und durch Wiener Militär ersetzt werden. In einigen Familien von Wiener-Neustadt werden bereits Vorkehrungen getroffen, um die Frauen und Kinder während der kritischen Tage nach auswärts zu bringen.

Zentrum und Volksbegehren Berlin, 2. Okt. Die Zentrumspartei fordert ihre Mitglie­der auf, an dem kommunistischen Volksbegehren sich nicht zu beteiligen. Sie sieht in dem Volksbegehren und Volksent­scheid lediglich ein Mittel kommunistischer Parteiagitation, das nicht geeignet ist, eine sachliche Klärung der mit dem Panzerkreuzerbau aufgerollten Fragen herbeizuführen.

Volkspartei und Preußenregierung Berlin, 2. Okt. Der volksparteiliche Reichswirtschafts­minister Dr. Lurtius hat lautVorwärts" einen persön- lichen Schritt bei dem preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun unternommen, um diesen zu bewegen, die Umbildung der preußischen Regierung im Sinne der Großen Koalition herbeizuführen. Ministerpräsident Braun hat darauff ge- anwortet, daß er nicht in der Lage sei, sozusagen von Amts wegen diese Umbildung herbeizuführen. Er müsse vielmehr die Initiative in dieser Richtung den Parteien überlassen» besonders der Volkspartei, die von sich aus die notwendigen Verhandlungen mit den bisherigen preußischen Koalitions- Parteien anstreben müsse. Braun hat aber auch keinen Zwei­fel darüber gelassen, daß er nach wie vor für die von ihm geführte Politik in Preußen eine möglichst große parla­mentarische Mehrheit für das einzig richtige halte.

Strafverfahren gegen Thälmann Berlin, 2. Okt. Nach einer Meldung desBerliner Tage­blatts" aus Hamburg hat die Staatsanwaltschaft Hamburg wegen der zu ihrer Kenntnis gelangten Unterschlagungen und Betrügereien in der kommunistischen Partei das Straf­verfahren gegen Thälmann und drei Genossen eingeleitet.

Das Urteil im Prozeß gegen Lärm Weimar, 2. Okt. Nach vierstündiger Beratung des Wei­marer Schwurgerichts wurde heute nachmittag das Urteil im Prozeß gegen den Komplizen Heins, den Melker Rudolf Lärm, verkündet. Er wird wegen schweren Diebstahls in 23 Fällen, wegen Diebstahlsversuchs in 4 Fällen und wegen Verbrechens gegen das Sprengstoffgesetz und anderer Ver­gehen zu 14 Jahren Zuchthaus, Ehrenrechtsverlust von fünf Jahren und Stellung unter Polizeiaufsicht, außerdem zur Tragung der Kosten verurteilt.

Dre sozialdemokratische Aufmarsch in Wiener Neustadt zugelassen

Wien, 2. Okt. Wie verlautet, haben die Besprechungen innerhalb der niederösterreichischen Landesregierung zur Aufhebung des Verbotes des sozialdemokratischen Aufmar­sches in Wiener Neustadt geführt. Die Verhandlungen wegen Festsetzung einer Abgrenzungslinie für die beiden Aufmärsche dauern fort. In Uebereinstimmung mit dem Willen der Veranstalter beider Kundgebungen ist man in leitenden Kreisen der politischen Parteien und in der Re­gierung voller Zuversicht, daß die Kundgebungen ohne Zwischenfall verlaufen werden.

Macdonalds Kritik der britischen Außenpolitik Birmingham, 2. Okt. Auf der Konferenz der britischen Arbeiterpartei hielt Ramsay Mgcdonald eine Ansprache, in der er die Außenpolitik der britischen Regierung scharf ver­urteilte. Er beantragte die Annahme eines Beschlusses, der die Forderung enthält, daß die Regierung den allgemeinen Schiedsgerichtsvertrag unterzeichnet, den britisch-französi­schen Flottenpakt ausgebe, einen wirksamen Abrüstungs­oertrag unterzeichne und alle fremden Truppen bedingungs­los aus dem Rheinland zurückziehe.

Amerika gegen eine Verquickung der Reparationen und der alliierten Kriegsschulden.

Washington, 2. Okt. Aus eine Anfrage, die auf Poin- zmres Rede in Chambery bezug nahm, wurde heute im Weisen Hause erklärt, Vorschläge, daß die amerikanischen Steuerzahler die deutschen Reparationen bezahlen sollten, seien wiederholt gemacht worden und würden offenbar auch weiterhin gemacht werden. Amerika lehne derartige Vorschläge ab und könne auch keinen Zusammenhang zwischen den Reparationen und den alliierten Kriegs­schulden sehen. Diese seien durch Abkommen geregelt, die bis aus eines kürzlich ratifiziert worden seien. Der Präsident halte eine weitere Diskussion dieser Frage in der Presse für nutzlos und betrachte das Kapital der alliierten Schulden als abgeschlossen.

Aus Stadl und Land

Winterfahrplan. Zum 7. Oktober dieses Jahres, dem Tage des Beginns des Winterfahrplanabschnittes 1928/2S, wird der amtliche Taschenfahrplan für Baden und das von den Reichsbahndirektionen Karlsruhe und Stuttgart ge­meinsam bearbeiteteKursbuch für Südwestdeutschland und Schweiz" neu herausgegeben. Ein beigelegtes rotes Merk­blatt weist kurz auf die durch die Verminderung der Wa­genklaffen bedingten Aenderungen hin.

Calw, 2. Okt. (Das Bezirksfest des Evang. Volks­bundes.) Am Sonntag, 14. Oktober, wird in Calw das Bezirkssest des Evang, Bolksbundes stattfinden, ver­bunden mit der gottesdienstlichen Eröffnung des Kirchen­bezirkstages. Die gottesdienstliche Feier beginnt am Nachmittag,- Stadtpfarrer Müller-Zavelstein wird die Predigt. Pfarrer Pfisterer-Stuttgart (Geschäftsführer des Evang. Volksbundes) eine Ansprache überChrist, Gemeinde und Volk" halten. Gemeinde- und Chorge­sang bilden den Rahmen. Zum Ausklang des Tages wird' abends eine geistliche Abendmusik dargeboten, zu Zer zwei Münchner Künstler gewonnen sind, Oskar Besem- selder und Helga Thorn.

Wildbad, 1 . Okt. Wildbad ist um eine Errungenschaft reicher. Als eines der ersten deutschen Bäder hat es im Kurhaus, das bis auf weiteres geöffnet bleibt, durch die Firma Siemens und Halske eine Großver­stärkeranlage einbauen lassen, durch die auch den außerhalb der eigentlichenSaison" eintresfenden Gästen Konzerte, Vorträge, Tanzunterhaltungen usw. geboten werden können.

Ludwigsburg, 3. Okt. Heute vormittag verläßt die 1. Schwadron der Fahrabteilung Nr. 5 Ludwigsburg, um sich nach ihrem neuen Standort Ulm zu begeben.

Stuttgart, 2. Okt. (Tagung.) Der Reichsverband Deut­scher Stuhlfabrikanten hält Anfang Oktober seine diesjäh­rige Herbsttagung in Stuttgart ab. Maßgebend für die Wahl Stuttgarts war die gegenwärtig im Ausstellungs­gebäude auf dem Jnterimtheaterplatz stattfindende Aus­stellungDer Stuhl" und die vomHaus für Technik und Industrie" gleichzeitig veranstaltete Sonderausstellung von Spezialmaschinen für die Stuhlfabrikation im Landes­gewerbemuseum.

Tagung. Die Kriegsteilnehmer der württ. Korps- und Feldschlächtereien veranstalteten am Sonntag im Hinden- burgbau in Stuttgart eine gut besuchte Kameradenzusam­menkunft, in welcher Zahn-Mühlacker der gemeinsam ver­lebten Kriegszeit gedachte und zur Pflege des kameradschaft­lichen Geistes aufrief. Nach zustimmenden Worten von In­spektor Beck-Stuttgart und Weber-Salach, die dem Ein» berufer dankten, wurde beschlossen, diese Zusammenkunft all­jährlich und zwar erstmals im Mai 1929 in Stuttgart ab­zuhalten.

Tödlicherllnfall. In einem Anfall von Unwohlsein stürzte in der Möhringerstraße ein 45 Jahre alter Fuhr­mann von seinem Fuhrwerk. Er zog sich eine Gehirnerschüt­terung zu und ist im Marienhospital den erlittenen Ver­letzungen erlegen.

von Astrid Baering

Orrginalübersetzung aus dem Schwedischen von vr. Gerhard Niedermeyer 48) (Fortsetzung.)

Jetzt kam's jetzt wurde der erste Holzstoß entzündet, auf der Seite der Außenbauern, hoch oben im Lande der Leiden, und sein Schein fiel blutrot nieder in die glanz­lose Tiefe des Sumpfs. Entsetzt versteckten die Seejung­fern sich im Schlamme und krochen in den Schatten der Tiefe, aber der Feuerschein traf sie auch dort.

Noch ein Stoß ward entzündet. Der Feuerschein breitete sich weiter über das Wasser des Sumpfs, der einem finsteren Pfuhle glich. Wie Blut lag es über dem feuchten Haar der Eeejungsern, das sich rings um ihren Schlangenleib wand. Geschlagen waren sie heute, geschlagen vom Licht, das doch des Bösen nicht mächtig war.

Die Jnnenbauern hatten ihren Holzstoß auf dem Sumpfberge am Wettersteine. Der wurde zuletzt von allen angezündet. So wollt's ein alter Brauch. Bei guter Zeit hatte die Jugend sich versammelt, um nach Teer und Holz zu sehen, das zu doppelter Mannshöhe aufgestapelt war. Aber sie warteten damit, den Holzstoß anzuzünden, bis all die anderen Feuer übers Land leuchteten. Man hatte gelost, von wem der Stoß angezündet werden sollte. Das Los fiel auf Mats. Jetzt stand er da, mit der Pechfackel bereit, und wartete. Ein Feuer nach dem anderen leuch­tete im Dämmerscheine auf, das ganze Küstenland auf der anderen Seite des Berges entlang. Es war, als ob die großen, mächtigen, stillruhenden Sterne etwas von ihrem Frühjahrsfeuer nieder auf die erwachende Erde hatten tropfen lassen. Zum Schluß leuchtete ein einsamer Holz­stoß weit drüben am blauen Meeresstreifen auf, wo einst das Unglück geschehen war, gewaltig und hell mit einem starken und stillen Schein erschien es dem klaren Abend­sterne gleich. Der Frühling hatte nun seine Botschaft bis zum Meer hin gesandt.

Da entzündete der Jüngling die Pechfackel in seiner Hand und warf ste in den Holzstoß. Gerade als das Feuer ausflammte, sah er Anna-Greta kommen. Sie kam den

> Weg herauf mit ihrer leuchtend roten Mütze, mit einem z Rock aus derselben Farbe und über dem blaugeränderten z Mieder einen Schal mit eingewebten Rosen im mattesten ^ ! Rosa. Ein breiter schwarzer Seidenschal mit reichbordier- i ^ ten Enden lag um ihre Schulter. Sie lachte der Jugend s entgegen und ließ das Band in frohem Leichtsinn wehen, j All das Niedliche in ihrer Gestalt wurde vom Glanz des ^ Walpurgisfeuers übergoffen. !

- Noch niemals war sie so nixenhaft, so lockend und ver- j ! führerisch gewesen. Gerade so in ihrer ganzen Schönheit s ; war ste in seine Jugend getreten und hatte ihm den Atem

genommen. Wie ein Bettler stand er da und sah auf sie ^ ^ durch das leuchtende Feuer, schielte nach einem Lächeln, i nach einem Blick. Aber es war, als ob sie ihn nicht sähe,

; und das Feuer brannte höher und höher. s

? Es dauerte nicht lange, da trat einer zu ihr, das war ^ der Altbursche vom Ol-Olsa-Hofe. Man traute seinen Augen nicht, so fein war er. Seine Mütze war blendend s weiß, und seine Vatermörder reichten bis zu seinen großen

- haarigen Ohren. Keiner hatte solche Manieren wie er,

' denn der Altbursche vom Eroßhofe war einmal mit seiner

Mutter auf einer Stromschute bis nach Stockholm gefahren. ! ^ Also, er wußte, wie man sich zu betragen hatte. j

i Jetzt bückte er sich krumm wie ein Flitzbogen vor Anna- s Greta und sagte etwas, etwas Feines war's sicher, denn , er las oft in großen Büchern und er hatte ein Poesiealbum ! mit Verschluß, in das die Mamsell vom Pfarrhof einen i Vers von einer blauen Viole hineingeschrieben hatte. Aber j er stand wie eine Krähe inmitten der Jugend, die rings- ! herum tuschelte^ und Anna-Greta drehte sich wütend auf dem Absatz. Verstohlen sah sie nach Mats, bedachte sich ^ einen Augenblick, wandte sich wieder an Gammel-Erik und zwar mit einem freundlichen Bescheide. Die Mädchen I hörten auf zu brummen, steckten die Köpfe zusammen und äußerten: s

Sieh mal, Gammel-Erik, wie er Anna-Greta freit, i Sieh mal an! Schließlich kriegt der Altbursche vom Osla- ? Hofe die Anders-Ersa-Anna-Greta! Eine größere Krähe i hat es nicht gegeben. Was hilft's, wenn sie sich immer so ! angestellt hat, wenn das so gedacht war." Sie fingen an, ! an ihren Fingern abzuzählen das gab soundsoviel Kühe, i soundsoviel Scheffel, wenn Anna-Gretas Vatererbe hinzu- I

kam, und bei jedem Finger, der bei der Rechnung hinzu­kam, wurden die Gesichter länger und länger und die Be­merkungen boshafter. Auf der anderen Seite des Feuers stand Mats einsam und arm und dachte, es sei ein Feuer aus der Hölle stlost, was ihn von seinem Mädchen trennte.

Da wurden Stimmen vom Wege her vernehmbar. Ein ganzer Haufe Volks kam. Sie gröhlten und sangen und be­trugen sich wie Wiloe. Jetzt traten sie auf den Waldplatz. Es waren Waldarbeiter und Tagelöhner, Einar mitten unter ihnen. Sein Arm hing am Halse eines langen, fin­steren sünfundzwanzigjährigen Gesellen, eines fremden Flößers, der auf dein Weg den Fluß hinauf war. Dem Frühling zu Ehren hatten ste zwei Flaschen Branntwein gelöscht, und nun ließen sie sich nicht halten.

Das Feuer stieg jetzt hoch hinauf, es sprühte Funken, dis auf dem Altarsteine wie rotes Gold blitzten. Hoch auf zum Himmel stieg der goldene Glanz. Am stärksten ent­zündete er sich an Anna-Gretas Jungmädchenmütze, sodatz aller Augen sich dorthin richteten. Als Einar seine Schwester zu sehen bekam, nahm er den Flößer mit sich zu ihr hin. Anna-Greta grüßte errötend und lachte, sie sah das Zu­sammentreffen nicht ungern endlich bekam sie doch etwas von dem neuen Volk zu sehen, von dem ihre Mutter sie ferngehalten. All das Frohe, Junge, Lebenslustige in ihrem Wesen flog dem schönen, fremden jungen Manne entgegen, der da kam. Hübsch war er, und der leichte Rausch machte ihn noch hübscher. Er ward nicht grob und voll da­von wie die Bauernjungens, es gab ihm eine Freiheit und Leichtheit, die keiner von ihnen besaß. Anna-Greta sah, scherzte und lachte, fingerte an ihrer Schärpe und bewegte sich in ihrem Kleid wie im Tanz.

Ganz nahe am Feuer stand immer noch Mats. Es schien ihm ins Gesicht. Seine Kleider wurden heiß, er merkte es nicht. Er mußte nur sehen und wieder sehen. Auf den langen hübschen Kerl da, er so leicht zu Worten kam. Noch nie hatte er einen so auffallend hübschen Menschen, wie den Flößer, gesehen. Lang wie eine Fichte war er. Braun von Sonne und Wind. Mit Haaren, schwarz wie ein Tatar. Die Zähne blitzten und glänzten wie weißester Frühlings­winterschnee. Ein Hauch von der langen Wanderung stand über ihm.

(Fortsetzung folgt.), f