sprochene Dank allen Mitwirkenden sei auch an dieser Stelle wiederholt.

Pforzheim, 27. Febr. Aus Niefern wird berichtet: Am 25. November vorigen Jahres, abends 9.30 Uhr, wurde der Stationsarbeiter Christian Ziebold in Nie­sern beim Ueberschreiten der Gleise von der Lokomotive eines von Pforzheim kommenden Zuges erfaßt und in das andere Gleis geschleudert, auf dem ein von Mühl­acker kommender Zug einfuhr. Ziebold, der Vater von 0 Kindern ist, wäre von diesem Zuge überfahren worden, wenn der in Pforzheim beschäftigte Metalldrücker Schneider, der 21jährige Sohn des Christian Schneider in Göppingen, ihn nicht unter Nichtachtung der bestehen­den Gefahr rechtzeitig noch zur Seite gezogen hätte. Schneider mutzte sich, um nicht selbst überfahren zu wer­den, mit dem Geretteten zwischen den beiden Zügen zu Boden werfen. Für diese tapfere Tat hat jetzt die Eisenbahndirektion in Karlsruhe Schneider ihre wärmste Anerkennung ausgesprochen und ihm eine Eeldbeloh- nung von 50 -4t als äußeres Zeichen dieser Anerken­nung überwiesen.

Württemberg

Württembergischer Landtag.

Stuttgart, 27. Febr.

Die Zweite Kammer begann heute nachmittag die zweite Beratung des Lichtspielgesetzes, nachdem die erste Beratung in der Ersten Kammer schon vor längerer Zeit erfolgt war, und nahm zunächst den Art. 1 an, zusammen mit den Ausschutzanträgen, die der Be­richterstatter Weber (Z.) begründete. Gegen den Art. 1 stimmte nur die Sozialdemokratie. Während er grund­sätzlich nur solche Bildstreifen zulätzt, die von derLan - d e s zensurstelle geprüft sind, bezeichnet Art. 2 die Gründe für ein Verbot der Zulassung. Dabei ist auch von einer Verletzung des religiösen Empfindens die Rede und die Altersgrenze für Jugendvorstellun­gen wird auf 17 Jahre festgesetzt. Ein Volkspartei licher Antrag Eisele wollte diesen Passus streichen und die Altersgrenze auf 16 Jahre herabsetzen, ein sozial- deinokratischer sogar auf 14. Um 7 Uhr wurde abge­brochen und die Weiterberatung auf morgen vormittag 9 Uhr vertagt.

Der Gesangbuchstreit.

Der Ausschuß für innere Verwaltung hielt gestern eine Sitzung ab, in der die Eingabe des Verbandes der selbständigen Buchbinder Württembergs um Veranlas­sung eines Verbots des Vertriebs der Gesangbücher durch Geistliche, Lehrer, Kirchengemeinderäte und Mes­ner zur Beratung kam. Berichterstatter war der Abg. HiIIer (B.K.)

Infolge des Konsistorialerlasses vom 29. November 1912 würden die Gesangbücher in erheblicher Anzahl den Kirchengemeindegenossen durch Vermittlung der Geistlichen, Kirchengemeinderäte usw. geliefert, was eine große Unzufriedenheit unter den Buchhändlern, Buchbindern usw. hervorgerufen habe, umsomehr, als man dabei über den Erlaß hinausgehe, in dem diese nichtfachliche Vermittlung nur anbedürftige" Ee- meindegenossen gewünscht werde. Der Berichterstatter stellte einen Antrag, die Eingabe der Buchbindermeister der Regierung zur Berücksichtigung zu übex- weisen. Gegen den Antrag wandte sich der Kult- minister. Es handle sich nur um 10 N des von den Geistlichen vermittelten Bedarfs und außerdem sei die Sache eine innerkirchliche Angelegenheit, gehöre also vor die Synode. Von einem Volksparteiler wurde ge­sagt, man dürfe dem Pfarrer, der kein Staatsbeamter sei, nicht verwehren, seiner Gemeinde Gesangbücher zu vermitteln; ein anderer (Hartenstein) stellte den An­trag: die kirchlichen Stellen sollen künftig die Verkaufs­vermittlung der Gesangbücher auf die Fälle wirklicher Bedürftigkeit beschränken. Bei der Abstimmung wurde der Antrag Hiller abgelehnt, gegen die Konservativen, dann der Antrag Hartenstein angenommen, mit 7 gegen 6 Stimmen. Zentrum und Sozialdemokratie enthielten sich jeweilig der Abstimmung.

Die reichsgesetzliche Krankenversicherung in Württemberg.

Da Reichsarbeitsblatt veröffentlicht in der neuesten Nummer eine Statistik, wonach in Württemberg seit 1. Januar 1914 657 873 Personen gegen Krankheit ver­sichert sind und zwar bei den Ortskrankenkassen 534 379, Lei den Betriebskrankenkassen 119 253 und bei den Jn- nungskrankenkassen 4241 Mitglieder. Im Jahre 1912, also vor der Einführung der Reichsversicherungsord­nung waren 580 356 Personen gegen Krankheit ver­sichert. Die Reichsversicherungsordnung brachte demzu­folge nur eine Steigerung der Verstchertenzahl um 45 977, womit sich die Einführung von Landkrankett­kassen nicht begründen läßt.

Bevölkerungsabnahme.

Im vergangenen Jahre waren in der Stadt Stuttgart 7284 Eeburtsfälle, 2859 Eheschließungen und 4182 Sterbefälle zu verzeichnen. 1912 waren es 7373 Eeburtsfälle, 3017 Eheschließungen, und 4154 Sterbefälle. Demnach ist der natürliche Be­völkerungszuwachs von 3219 im Jahre 1912 auf 3102 im vergangenen Jahre gesunken. Der Rückgang der Ge­burten und die gleichzeitige Vermehrung der Sterbe­fälle nebst der Verminderung der Eheschließungen gibt zu denken.

Die Kirche".

Am dritten Vortragsabend der Freunde der christl. Welt sprach Professor v. Schee l-Tübingen über Luthers Anschauung von der Kirche. Er entwickelte sie aus der Rechtfertigungslehre. Zunächst wandte sich der Redner gegen das Vorurteil, als ob der Rechtfertigungsgedanke dem Protestantismus aus­schließlich eigentümlich wäre; er liege vielmehr der kath., wie jeder sonstigen Form des Christentums zu Grunde. Der Katholik betrachte die Kirche als eine Veranstal­tung der göttlichen Gnade, die fündige Menschheit zu retten. Durch die Sakramente (Taufe und Buße) wird der natürliche Mensch mit einer übernatürlichen Ena- denkraft ausgestattet, mit deren Hilfe er die Werke schafft, durch die er sich die Seligkeit verdient. Somit erscheint das Verhältnis zwischen Gott und Mensch un­ter dem Schema des Rechtes. Ganz im Gegensatz dazu bedeutet für Luther die Rechtfertigung die neue Wil­lensrichtung des Sünders zu Gott: einerseits ist er sich dauernd seines Abstands von Gott bewußt, andererseits lebt er von Gottes Barmherzigkeit er istSünder und gerecht zugleich". Damit entfernt sich Luther for­mell vom Urchristentum, dessen Leitgedanke ist: die Heiligen" leben von Gottes Gnade. Aber der Sache nach greift er zurück auf den Grundgedanken des Evan­geliums von Gottes verzeihender Vaterliebe. Der Vor­wurf, als sei damit der Christ der Pflicht enthoben, sitt­lich sortzuschreiten, zeigt nur, daß der eigentliche Sinn der Anschauung Luthers völlig verkannt ist. Denn der Gerechtfertigte hat wirklich Gott seinen Willen zuge­wandt, nur empfindet er dauernd, daß er immer der Gnade bedarf. Von seiner Rechtfertigungslehre aus gewinnt Luther eine durchaus neue Stellung zur Kirche. Sie ist ihm die Sammlung der Gerechtfertigten (nicht der Heiligen), in der jeder Gläubige von Gottes Barm­herzigkeit lebt. Von Gott stammt alle Gnade. Die Kirche ist also nicht die sichtbare Darstellung des Gött­lichen in der Welt, die Stellvertreterin Gottes, an der der einzelne seinen Halt fände, (vgl. Len neuen Fasten­brief des Kardinals Kopp). Gott allein ist heilig, unter den Menschen nichts als sein Wort. Als Gemeinschaft der Gerechtfertigten ist deshalb für Luther die Kirche unsichtbar. Sofern sie in die Erscheinung tritt, ist sie eine menschliche, rein natürliche Größe, nur dazu da, den Gläubigen die Bahn frei zu machen für den Ver­kehr mit Gott. An den Vortrag schloß sich eine kurze Aussprache an. Nächster Vortrag: Donnerstag, 5. März, überKirche" undSekte".

Rosa Luxemburg im Zirkus.

Stuttgart, 27. Febr. Heute abend fand im Zirkus am Marienplatz eine große Volksversammlung statt, in der die bekannte sozialdemokratische Agitatorin Rosa Luxemburg im Anschluß an das Frankfurter Urteil ge­gen den Militarismus sprach. Das Zirkusgebäude wurde schon kurz vor 1-8 Uhr polizeilich gesperrt, um einer Ueberfüllung vorzubeugen. Nach dem ersten Teil der Rede Rosa Luxemburgs ersuchte der Versammlungs­leiter die Anwesenden, wenigstens zu einem Teil das Lokal zu verlassen, um es auch den Tausenden, die noch vor dem Gebäude versammelt seien, zu ermöglichen, an der Versammlung teilzunehmen.

Von Jungdeutschland.

Die erste öffentliche Tagung des Zungdeutschland- bundes wird in diesem Jahre auf Einladung des Lan­desausschusses Württemberg in Stuttgart in der Zeit vom 21. bis 24. Mai stattfinden.

Fleischabschlag.

Ebingen, 26. Febr. In ihrer gestrigen Generalver­sammlung beschloß die hiesige Metzgergenossenschaft, den Preis für das Pfund jeder Sorte um 10 Pfennig herab­zusetzen, und zwar soll die Preisermäßigung sofort in Kraft treten.

Ulm, 27. Febr. Münsterbaukomitee und Kirchen­gemeinderat genehmigten Pläne und Kostenvoranschlag für den Unrbau der Münsterorgel, die hienach statt 109 klingenden Registern 168 bekommt. Die Kosten betra­gen 56 000 «4t.

A»» ««tz Katt.

Was ist Wahrheit?

In dem zum Kirchspiel Strllmpselbrunn ge­hörenden, aber sieben Kilometer von diesem ent­fernten Filialdorf Weisbach im badischen Oden­wald ist es, wie der Frankfurter Zeitung geschrieben wird, zu einem Massenaustritt aus der evangelischen Landeskirche gekommen. Don den 314 evangelischen Einwohnern haben 310 dem Ober­kirchenrat ihren Austritt aus der Kirche angezeigt. Der Grund hierfür ist, daß Weisbach keine eigene Kirche besitzt, und deshalb, als im vorigen Jahr Strümpfel­brunn über 100 000 «4t Zuschuß zu einem Kirchen- und Pfarrhausbau vom Oberkirchenrat in Karlsruhe bewil­ligt erhielt, um eine angemessene Summe bat, damit auch in Weisbach eine Kirche errichtet werden könne. Diese Bitte soll der Oberkirchenrat ausweichend und zwei weitere Gesuche gar nicht beantwortet haben.

Wie wir nachträglich vom Evgl. Presseverband er­fahren, ist diese Nachricht völlig aus der Luft gegriffen. Die Evangelischen in Weißbach gehören nach wie vor der badischen Landeskirche an und von einem Austritt ist nicht die Rede.

Der Reichstag

setzte die Zweite Beratung des Etats für die Verwal­tung der Reichseisenbahnen fort. Die kurze Anfrage des Abg. Keil (Soz.) über die Erkrankungen beim Trainbataillon 13 in Ludwigsburg wird von der Re­gierung erst später beantwortet werden.

Straßburger Rowdies.

Straßburg, 26. Febr. Von zuständiger Seite wer­den heute drei weitere Fälle von Angriffen auf Mili- türpersonen mitgeteilt. Am vergangenen Samstagabend wurde ein Unteroffizier des Feldartillerie-Regiments Nr. 51 von acht Zivilisten, die ihm folgten, in der Nähe des Metzgerplatzes auf das gemeinste be­schimpft und dann zum Stehenbleiben aufgefordert. Der Unteroffizier erklärte, sie sollten ihm vom Leibe bleiben, sonst mache er von seiner Waffe Gebrauch. Als trotzdem einer mit offenem Messer auf ihn los ging, zog er den Säbel und schlug, noch bevor der Messerheld zustechcn konnte, ihn so kräftig auf den Kopf, daß er blutend und schreiend Reißaus nahm. Seine Begleiter ergriffen gleichfalls die Flucht. Am Montagabend wurde ein Sanitätssoldat in der Nähe der neuen Orts­krankenkasse von vier Zivilisten ohne jeden Anlaß an­gegriffen und geschlagen. An demselben Abend hörte der Posten vor dem Stallzelt auf dem Polygon auf sei nein Patrouillengang vor seinem Zelt die Worte:I ch bringe den Po st en heute abend noch u m." Auf seinen Haltruf erhielt er keine Antwort, wurde viel­mehr von zwei Personen, die sich offenbar im Zelt auf­gehalten hatten, angefallen und gestoßen. Der Versuch, während dieses Angriffes sein Gewehr zu laden, miß­lang dem Posten, so daß die Angreifer ungestraft ent­kamen. Auf Grund der letztgenannten Vorkommnisse ist nunmehr von dem Gouvernement angeordnet wor­den, daß alle außerhalb der Stadt stehenden Posten von jetzt ab mit geladenem Gewehr dort zu stehen haben.

Sturm und Unwetter.

Wer den Stand des Barometers beobachtete, wird das auffallend schnelle und tiefe Fallen desselben vom Samstag auf Sonntag gesehen haben und auf beträcht­liche Witterungsstörungen gefaßt gewesen sein. Solche Störungen sind auch tatsächlich eingetreten und wir lasen außer den gemeldeten Föhnstürmen und Störungen der Schiffahrt auf dem Bodensee, von schweren Stürmen, Lawinenstürzen, Ueberschwemmungen und mit diesen Naturereignissen verbundenen großen Schäden, so leider Verlust von Menschenleben.

Ein Leser unseres Blattes hatte die Freundlichkeit, einen kleinen Artikel desCorriere della Sera", einer italinischen Zeitung, der einen Einblick in diese gewal­tigen Sturmschäden in der Schweiz und in Italien ge­währt, ins Deutsche zu übertragen und uns zur Ver­fügung zu stellen:

Am Löschberg wurde durch den ungeheuren Sturm ein Eisenbahnzug bei der Ausfahrt vom Tunnel bei Kandersteg mit solcher Wucht erfaßt, daß ein Per­sonenwagen und der Postwagen umgeworfen, und zwei Personen getötet, eine dritte verwundet wurde. Die Hilfeleistung wurde durch die Macht des Sturmes denn niemanden konnte sich auf den Füßen halten, sehr erschwert. Am Gotthard sind zwei ungeheure La­winen niedergegangen, Telegraf und elektrische Anlagen wurden überall zerstört, bei Appenzell wurde der Post­wagen samt den Reisenden in eine Schlucht geworfen, das Schicksal derselben ist noch unbekannt. Eine große Lawine ist zwischen Eöschenen und Eurtnellen nie­dergegangen. Die Bahnlinie wurde für einige Stun­den blockiert, da die Geleise durch den Schnee, Felsmassen un Bäume vollständig zugedeckt wurden. Die ersten Züge, so wird von Bellinzona am 23. Februar früh ge­schrieben, konnten nicht weiterfahren. Die späteren Züge, da mit Mühe nur ein Geleise freigelegt werden konnte, hatten große Verspätungen, Eüterzüge fielen aus. Eine zweite Lawine fiel in der Nähe der Villa Bedretto, zerstörte vollständig zwei große Ställe und verschüttete den darin sich befindlichen Viehstand, zum Glück konnten sich die Hirten durch Flucht retten? Die elektrischen Bahnen Oberitaliens erlitten großen Schaden, teils durch Zerstörung der Leitungen, teils durch die großen Wassermassen. Ungeheuer störend wurde die plötzliche Finsternis, da die elektrischen Leitungs­drähte zerrissen, empfunden.

Jena, 27. Febr. Eeh.-Rat Wilhelm Ostwald über­reichte nachmittags Prof. Ernst Häckel die Festschrift des Deutschen Monistenbundes zum 80. Geburtstage seines Ehrenpräsidenten, die 122 Beiträge enthält. Kaufmann Rieß-Hamburg teilte mit, daß die bisherigen Samm­lungen des Häckel-Schatzes für den Monismus 41100 Mark ergeben haben. Häckel sprach mit bewegten Wor­ten seinen Dank für die Ehrengabe aus.

Stuttgart, 26. Februar. Schlachtviehmarkt. Zuge­trieben: 189 Stück Großvieh, 516 Kälber, 876 Schweine. Ochsne 1. Kl. 9498 «4t. Bullen 1. Kl. 8486 «4t, 2. Klasse 8283 °4t. Stiere 1. Kl. 9698 «4t. Jungrinder 2. Kl. 9295 «4t, 3. Kl. 8891 «4t. Kälber 1. Kl. 104 bis 108 -4t. 2. Kl. 98103 «4t. 3. Kl. 9298 °4t. Schwein, 1. Kl. 66-64 -tt, 2. Kl. 6162 «4t. 3. Kl. 5557 «4t, Verlauf des Marktes: mäßig belebt.