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! 31. Jahrgang
Altensteig, Freitag oen 10. August 1928
Riesenbräilde
Ei« Grvtzfeuer in der Lberpfalz — 40 Häuser abgebrannt
Weiden. 9. August. In der Ortschaft Luhe bei Weiden in der Oberpfalz ist durch Kurzschluß ein Niesenbrand ausgebrochen, durch den nach den bisherigen Meldungen 40 Hauser abgebrannt sind. Die Feuerwehren aus der ganzen Umgebung sind zur Bekämpfung des Feuers, die durch herrschenden Wassermangel erschwert wird, herbeigeeilt. Bis 8 Uhr abends war- der Brand nicht gelöscht.
Luhe, Oberpsalz. 9. August. Das Feuer, das heute nachmittag 1 Uhr hier ausgebrochen ist, ist in dem Anwesen des Landwirts Reichenberger, wo zurzeit das Getreide mit einer Maschine gedroschen wird, durch Kurzschluß ausgebrochen. Bon den rund 105 Häusern sind 40 Wohnhäuser und mindestens 120 Nebengebäude niedergebrannt. Die Ernte, die in den Stadeln untergebracht war, ist sämtlich verloren. Die Kirche konnte gerettet werden. Rur der Kirchturm ist abgebrannt. Das Vieh konnte zum Teil gerettet werden. Hab und Gut der vom! Brande getroffenen ist sämtlich verloren. Das wenige Mobiliar, das ins Freie gebracht werden konnte, fing infolge der riesigen Hitze Feuer und ist ebenfalls verbrannt. Für die obdachlosen Einwohner sind keine Wohnungen vorhanden. Sie müssen zum Teil in den wenigen sstehenge- bliebenen Häusern unterge'bracht werden, oder Notquartiere beziehen. Schule und Postagentur sind ebenfalls' nieüergeorannt. Die Einwohnerschaft des Marktfleckens beträgt 700 Personen. Der Verlust von Menschenleben ist nicht zu beklagen. Ein Einwohner ist an Rauchvergiftung schwer erkrankt. Zurzeit wütet das Element ungebrochen weiter.
Zwei Riesenbrände in der Tschechoslowakei 173 Häuser eingeäschert.
Prag. 9. August. In der Gemeinde Szögy bei Parkany entstand ein Brand, der sich mit rasender Geschwindigkeit ausbreitete und 173 Häuser einäscherte. 600 Familien mit 2000 Köpfen sind obdachlos. Zwei Kinder werden vermißt. Der Schaden wird aus ungefähr 10 Millionen Kronen geschätzt.
In der Gemeinde Loschitz in Mähren brach heute aus unbekannter Ursache Feuer aus, das, vom starken Winde unterstützt, sich mit großer Geschwindigkeit ausbreitete. Dem Brande sind bisher 15 Wohnhäuser und der Rathausturm zum Opfer gefallen.
Eia farchtlarer AataaagM ia Vorarlberg
Innsbruck, 9. August. Die Bundesbahndirektion Innsbruck teilt mit: Die Lokomotive eines Personenzuges erfaßte auf der Bundesstratzenübersetzung bei Kilometer 2,1 der Strecke Feldkirch-Buchs bei halbgeschlossener Schranke das Automobil des Arztes Dr. Hans Köhler aus Nenzing, das mit sechs Personen besetzt war. Das Auto wurde auf einer Strecke von 30 Meter mitgeschleift und in Hunderte von Stücken zertrümmert. Bon den K Insasse« wurden 5 getötet und zwar Dr. Köhler und Frau, Hermann Suchard, gebürtig aus Darmstadt und eine Frau Nellesen, Inner eine Frau, deren Persönlichkeit noch nicht fest- Schellt werden konnte. Fräulein Karoline Ellers, gebürtig aus Essen-Ruhr, wurde schwer, aber augenscheinlich nicht lebensgefährlich verletzt. Das Unglück ereignete sich um 2.2g Ahr nachmittags. Während der Bahnwärter die Schranke schloß, fuhr ein Pferdefuhrwerk in der Richtung auf Feldkirch unter die niedergehende Schranke. Um dieses Fuhrwerk nicht einzuschließen, lüftete der Wärter ein wenig die Schranke. Das Fuhrwerk kam hindurch, das aus der Gegenrichtung kommende Auto aber, dessen Lenker die Halbstellung der Schranke benutzte, um noch durch- Suschlüpfen, wurde von dem heranbrausenden Zuge erfaßt.
Die Opfer des Autounglücks in Vorarlberg Bregenz, 9. August. Zu dem Automobilunglück bei Altenstadt auf der Eisenbahnstrecke Feldkirch-Buchs wird noch mitgeteilt: Der verunglückte Dr. Köhler war Besitzer des Alpenhotels Bacora und hatte mit seiner Frau und einigen Gästen seines Hotels eine Ausfahrt gemacht. Die tödlich verunglückten sind: der 38jährige Arzt Dr. Köhler und seine 36jährige Ehefrau Grete, die Musik
lehrerin Karoline Ellers und Frau Maria Nellesen aus Essen-Ruhr, sowie der 30jährige Waldemar Karl Suchard aus Darmstadt. Die sechste Insassin des Autos, Edith Schik aus Stuttgart, erlitt einen Schlüsselbeinbruch und dürste mit dem Leben davonkommen.
Kundgebung der Kriegsopfer
Berlin, 9. August. Aus Anlaß der vierten Jahresversammlung der internationalen Arbeitsgemeinschaft der Kriegsopfer und Kriegsteilnehmer fand heute abend eins vom Neichsverband deutscher Kriegsbeschädigter und Kriegshinterbliebener und vom Reichsbund der Kriegsbeschädigten einberusene öffentliche Kundgebung der Berliner Kriegsopfer statt, an der auch Vertreter der Reichsund Staatsbehörden und der ausländischen Bruderorganisationen in Frankreich, Oesterreich, Tschechoslowakei, Jugoslawen usw. teilnahmen. Nach Begrüßungsworten des Vorsitzenden des Reichsverbandes deutscher Kriegsbeschädigter, Lehmann, sprach als erster Referent der derzeitige Präsident der internationalen Arbeitsgemeinschaft, Viala- Paris, der als höchstes Ziel der Aufgaben der internationalen Arbeitsgemeinschaft die Befriedung der Menschheit bezeichnete. In erster Linie sollten die beiden ersten Kulturvölker Deutschland und Frankreich fortan in Eintracht den Frieden schaffen. Präsident Vrandeiß vom österreichischen Bund der Kriegsbeschädigten gab der Hoffnung Ausdruck, daß die deutschen und die österreichischen Verbände bald zu einem Bunde im gemeinsamen Vaterland vereint sein mögen. Als Vertreter aus der Tschechoslowakei sprach Neumeister, der u. a. darauf hinwies, daß es in seinem Lande noch schlecht stehe mit der Versorgung der Kriegsopfer, und Leppin, der u. a. ausführte, daß die freie Entwicklung und Selbstbestimmung der Völker unbedingt zu fordern sei und dies nur ermöglicht werden könne, wenn alle Staaten abrüsten. Riemer vom Reichsverband deutscher Kriegsbeschädigter betonte, daß die Frage des Friedens keine nationale, sondern eine Menschheitsfrage sei. Die deutschen Kriegsopfer müßten, wie Frankreich, auch einen Vertreter im Völkerbund haben. Hirsch-Wien trat als Vertreter der österreichischen Kriegsblinden für eine bessere Versorgung der Kriegsopfer ein. Im Verlaufe der Kundgebung ergriffen auch noch andere deutsche und ausländische Vertreter das Wort.
Der MtergaW der ttal. ll-Booter
Nom, 9. August. Die „Tribuna" veröffentlicht Einzelheiten über die Gespräche, die zwischen dem Funker des verunglückten Unterseebootes 14" und dem Funker des Unterseebootes ,R 15" stattfanden, nachdem das U-Boot
15" einige Meter tief unter den Meeresspiegel getaucht war, um die genaue Lage des gesunkenen Schwesterbootes festzustellen. Auf den Ruf des „x 15" antwortete der Telegraphist von ,R 14": „Wir beklagen 6 Tote. Das Wasser ist in den Hinterteil des Bootes eingedrungsn. Das Boot steckt im Meeresgrund. Die Lage des U-Bootes rst vertikal." ,R 14" signalisierte bald darauf das Vorhandensein von giftigen Gasen, die infolge des Kontaktes der Akkumulatoren mit Meerwasser entstanden waren. Das Meerwasser war bei den Versuchen der Taucher das gesunkene Unterseeboot mittels Röhren mit Luft zu'versorgen, eingedrungen. Die Mannschaft teilte mit, daß die Luftzufuhr keine Erleichterung bringe und daß sie sich infolge der Gase in einer überaus schlimmen Lage befänden. Der Funker signalisierte weiter den Rettern, sich zu beeilen. Während der Nacht waren die Taucher infolge des schweren Seeganges gezwungen, die Arbeit aufzugeben. Gegen 11 Uhr nachts wurden die Signale des Funkers von „1? 14" immer schwächer. Die Retter vernahmen noch deutlich die Worte: „Wir sind verloren"!; dann wurden nur noch einige Punkte und schwache Striche vom Radiotele- graphisten des ,R 14" übermittelt und schließlich folgte tiszcs Schweigen. Als das U-Boot gehoben und geöffnet wurde, fand man den toten Funker vor seinem Apparat, aus dessen Taste noch immer seine leblose Hand ruhte.
Das Beileid der deutschen Regierung
Rom, 9. August. Der deutsche Geschäftsträger hat auftragsgemäß der italienischen Regierung zu dem Verlust der Offiziere und Mannschaften der italienischen Marine, die bei dem Untergang des Unterseebootes ,R 14" ums Leben gekommen sind, das Beileid der Reichsregierung ausgesprochen.
Mil im Hmdwerkskammerprszetz
Stuttgart, S. Aug. 12. Verhandlungstag. Heute vormittag galt die verhältnismäßig kurze Verhandlung den Angeklagten selbst zu ihrer Verteidigung. Der' Hauptangeklagte Wolf sprach seiner ganzen Art nach am längsten. Er meinte, die Vorgänge hätten ihn körperlich und seelisch so mitgenommen, daß er seine letzte Verteidigung nicht so ausgiebig gestalten könne, wie das eigentlich seine Absicht gewesen sei. Zum Schluß seiner Ausführungen äußerte er, daß er durch seine viel zu große Inanspruchnahme für die Interessen des Handwerks sein eigenes Geschäft vernachlässigt habe, erklärte aber, daß ein eigentlicher Schaden finanzieller Art durch seine Verfehlungen der Handwerkskammer nicht entstanden sei. Seine mehr als einstündi- gen Ausführungen beschloß er damit, daß er das Gericht bat, ihn wesentlich milder zu beurteilen, als dies aus dem Strafantrag des Staatsanwalts bervorgeht, und außerdem darum nachsucht, möglichst aus der Haft entlassen zu werden, damit er für seine Angehörigen wenigstens vorübergehend sorgen könne.
Die übrigen Angeklagten begnügten sich mit ganz kurzen Bemerkungen. So der Angeklagte Gerhardt, der sich wie der Angeklagte Klemm dem Ausführungen seines Verteidigers anschloß. Die Angeklagte Vetter betonte nochmals, daß sie ihre ganze Kasse lediglich nach den Anordnungen ihrer Vorgesetzten geführt habe. Der Angeklagte Fischer hob hervor, daß ihn auch bei den Handlungen, die von der Anklage als strafbar bezeichnet worden sind, kein böser Vorsatz geleitet habe. Er habe aber beute noch ein gutes Gewissen und hoffe auf die von seinem Verteidiger beantragte Freisprechung. Der Angeklagte Herkom- mer weist darauf hin, daß er zu Unrecht 14 Tage auf der Anklagebank gesessen habe und große Einbußen in seinem Kredit und seiner Ehre erlitten habe. Er bittet um Wiedergutmachung dieses Schadens durch ein entsprechendes Urteil. Der Angeklagte Siller betont, daß auch er sich unschuldig fühle und weist darauf hin, daß er sich monatelang den schwersten Angriffen durch die Presse ausgesetzt gesehen habe. Er bittet daher das Gericht, das Urteil so zu gestalten, daß seine Ehre wieder hergestellt werde. —
Gegen 10 Uhr zog sich dann das Gericht zur Beratung des Urteils zurück.
Das Urteil lautete:
Wolf 3 Jahre 4 Monate Gefängnis, unter Anrechnung von vier Monaten Untersuchungshaft,
Dr. Gerha rdt 2 Jahre, Anrechnung von 18 Monaten Untersuchungshaft,
Klemm 1 Jahr Gefängnis, ab 18 Monate Untersuchungshaft,
Vetter 3 Monate 15 Tage Eefännis, verbüßt durch Untersuchungshaft,
Fischer anstelle einer an sich verwirkten Gefängnisstrafe 488 Mark Geldstrafe,
Siller, Rößler und Herkommer wurden freigesprochen.
Winberlms Krankheit
Im europäischen Interesse war die ernsthafte Erkrankung ves britischen Außenministers zu keinem Zeitpunkt mehr zu bedauern wie gegenwärtig. Als es feststand, daß der Kel- loggpakt Ende dieses Monats in Paris unterzeichnet werden sollte, und zwar von den in Frage kommenden Außenministern persönlich, da bestand wohl nirgends ein Zweifel darüber, daß die Gelegenheit des Pariser Zusammentreffens auch zu politischen Gesprächen über die Kriegsächtungsfrage hinaus führen würde. Offiziell hätte freilich von Deutschland in Paris das europäische Problem der Rheinlandräumung kaum angeschnitten werden können, nachdem der amerikanische Staatssekretär Kellogg erklärt hatte, daß er sich in anderweitige politische Diskussionen nicht verwickeln lassen wolle. Allgemein gesehen ist auch Genf hierfür wohl der geeignetere Boden. Immerhin waren die Außenminister Deutschlands, Englands und Frankreichs doch durch ihre langjährige Zusammenarbeit in der internationalen Politik miteinander so vertraut, daß Dr. Stresemann in der französischen Hauptstadt wohl Gelegenheit gesunden hätte, wenigstens in vertraulichen Gesprächen eine offizielle deutsche Aktion vorzubereiten.
Inwieweit das jetzt noch möglich ist, da anstelle Hcham- berlains Lord Cushendun, vor wenigen Jahren noch einer der grimmigsten Deutschenfeinde, über den Kanal zur Unterzeichnung des Friedenstraktates kommt, bleibt abzuwarten. Auf alle Fälle ist die Rheinlanddiskussion durch das Ausfallen Chamberlains in der bedauerlichsten Weise abgeschnitten worden. Bei der politischen Eesamtlage ist es nun nicht weiter verwunderlich, daß über die Erkrankung des britischen Außenministers und ihre eigentliche Ursache alle erdenklichen Kombinationen entstanden sind. Und die Version, wonach Chamberlain oder doch mindestens der britischen Politik seine Erkrankung recht gelegen gekommen sei, ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. In der Tat wäre der britische Außenminister wohl in eine gewisse Verlegenheit geraten, wenn Stresemann das Pariser Zusam-