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Anrnrner 181 j
'AlLenstetg. Sarnstag den 4. August 1828
81. Jahrgang
Zur Lage.
""In den AusAang der Festesfreude von Wien und Köln wo deutsche Sänger und deutsche Turner sich zu Hundert tausenden zusammengefunden hatten im jubelnden Bekennt uis zum einigen deutschen Vaterland und wo sie Zeugnis ablegten von dem nicht'erlahmten Eifer in der Pflege des Männergesangs und der edlen Turnkunst — in den Ausklang dieser Freude klang der Schmerzensschrei der Opfer des neuen Eisenbahnunglücks bei Dinkelscherben in Bayern und die bange Frage aller derer, die genötigt sind, ihr Leben und ihre Gesundheit der deutschen Eisenbahn anzuvertrauen: wie ist die Häufung dieser llnglücksfälle gerade i« Bayern nur möglich und wie ist ihnen zu begegnen?
Wie immer ist man sofort zu einer Konferenz zusammengetreten, hat man einen besonderen Ausschuß gebildet und beschleunigte Reformen versprochen. Hoffentlich wird nichts versäumt, selbst wenn man auch in Bayern das noch verbliebene heilige „Reservat" etwas ernster unter die Lupe und die Zange nehmen müßte.
Und weil wir nun doch einmal von der Eisenbahn reden mußten, so sei auch gleich der stumme East angefügt, der in dieser Woche mit seinen Begleitern in verhüllten Wagen von der deutschen Nordgrenze, aus Schweden kommend, bis zum Brenner ohne Aufenthalt gefahren ist, wie einer, der nicht bloß eine Schlacht, sondern auch einen Teil seines guten Namens verloren hat: der italienische General Nobile, der Leiter des italienischen Flugzeugwesens und der der Eroberer des Nordpols werden wollte. Wir wollen zu- -qeben: das Unglück hat den Mann und sein Unternehmen verfolgt. Und darum hätte er mit den Seinen vielleicht einen Anspruch auf unser Mitleid haben dürfen. Aber das wurde verscherzt durch die Art und Weise, wie das Abenteuer — denn zu einem solchen war das Unternehmen schon durch seine großspurige Aufmachung und marktschreierische Inangriffnahme geworden — sich entwickelte und jetzt ausklang.
Es ist erschütternd und zugleich die schärfste Verurteilung, was der tschechische Professor Vehouneck über die italienische Expedition auszusagen hatte. Dabei fällt besonders ins Gewicht, daß er keineswegs gegen die Italiener voreingenommen ist. Im Gegenteil! Er suchte sie stets mit Wärme zu verteidigen. Aber jetzt muß er feststellen, daß der Schwede Malmgren der einzige erfahrene Polarreisende der ganzen Expedition war. Und dieser erfahrene, gewissenhafte Gelehrte mußte über seine Begleiter und das ganze Unternehmen das Urteil fällen: „Wenn wir irgendwo auf Eis geraten sollten, so wäre das eine sehr traurige Expedition".
Sie ist es geworden; in weit größerem, gräßlicherem Umfange, als dies wohl Malmgren geahnt hat. Aber jetzt erleben wir, daß Nobile mit dem Rest seiner Leute vom deutschen Brenner an bis nach Rom von den Schwarzhemden wie ein Triumphator begrüßt, beglückwünscht und gefeiert wird, so daß, wenn er nur noch einen Funken von Mannesgefiihl in sich hat, sein ganzes besseres Ich sich dagegen aufbäumen und er sich dieser aufdringlichen, lärmenden Radaulust seiner Landsleute schämen sollte. Aber das ist der typische Volksgeist des heutigen faschistischen Italiens — und lediglich deshalb heben wir das besonders hervor: man hat den Italienern bis jetzt den wahren Sachverhalt vorenthalten; sie dürfen nicht die volle Wahrheit erfahren, llnd darum mußte auch der heimkehrende Nobile als Held ! und als Ueberwinder erscheinen, gleich wie die italienischen Truppen, so oft und schmählich im Weltkrieg geschlagen, bei all den Siegesdenkmälern, die ihnen zu Ehren überall in den italienischen Städten bis hinauf zum erzdeutschen Bozen "richtet wurden, als die nie bezwungenen, immer siegreichen Helden gefeiert werden. Das ist echt faschistisch; aber es ist nicht würdig, weil es voll welscher Lüge ist, die eines Tages beim Erwachen aus dem Taumel schlimme Früchte Selügen muß.
In Köln auf der Pressa ist der französische Unterrichts- dumster Herr io t erschienen. Das ist erfreulich. Er war, wie er selbst in einer Ansprache hervorhob, seinerzeit auch beim «eethovenfest in Bonn. Fetzt feierte er wieder mit schönen /»orten Deutschlands „geistige Machtstellung" und „den kul- urellen, intellektuellen Kontakt zwischen den beiden Nach- arvolkern Deutschland und Frankreich". Das war noch er- neulicher. Am erfreulichsten aber waren — wenn es nui ?uf die Worte ankommen würde — die Begeisterungsreden alten ELrzenichsaal zu Köln. Der Oberbürgermeister der Mnen Rheinstadt und der Reichsminister a. D. Külz wett- uerten.miteinander, die Friedensliebe Deutschlands her-
oorzuheben und darauf die Notwendigkeit auszubauen, Verbindungsbrücken zwischen zwei Nachbarnationen aufzubauen. Mit Bewegung, so betonte der französische Minister, habe er diese Erklärungen vernommen, und auch er betonte, daß Frankreich immer für jede ehrliche Verständigung zum Frieden bereit und daß es nachgerade an der Zeit sei, die Kräfte, die so lange für die Werke des Todes benützt worden seien, nun für Werke des Lebens einzusetzen. Es muffe daher aller Aufgabe sein, die Frist zu kürzen, um den Hoffnungen der Völker gerecht zu werden.
Sehr schön gesagt! Aber in denselben Tagen hat die französische Soldateska, die noch immer in deutschen Gauen ihr Wesen treiben darf, friedliche deutsche Bürger mißhandelt mit dem Zuruf: „Verreck, du deutscher Hund!"
Haben wir hier nicht die schreiendsten Widersprüche? Der Unterrichtsminister Frankreichs fließt über von friedlichen Versicherungen, die militärischen Machthaber Frankreichs aber fahren fort, ihre gepanzerte Faust Deutschland fühlen zu lassen und sie womöglich noch mehr zu stärken. Wir müs sen daher mit Bekümmernis fragen: was ist stärker und mächtiger in Frankreich, der Friedens- und Versöhnungs- wille oder die Gewaltherrschaft der militärischen Machthaber?
England und Frankreich haben die Welt durch eine Abmachung überrascht, die sich auf die ..Abrüstung" zwischen ihnen beziehen soll. Man weiß die Einzelheiten noch nicht alle. Nur bestimmten Mächten ist das Kompromiß mit- zeteilt worden; jedenfalls aber Deutschland nicht, denn es hat ja bei seiner Abrüstung zu Wasser und zu Lande militärisch nichts mehr zu bedeuten und zu sagen. Aber nachprüfen wird es dürfen und müssen, ob die :ue Abmachung »en Vorschriften des Friedensdiktats entbricht, das von Deutschland die Wehrlosmachung forderte mit dem Zusatz, »aß dann die übrigen Vertragsmächte Nachkommen werden. Deutschland hat seine Verpflichtungen erfüllt; die Abrüstungskonferenz in Genf aber war bisher die reinste Spiegelfechterei, mit der die anderen Vertragsmächte ihr Nichtwollen beschönigten.
Für die Reichsregierung ist der Weg, den sie angesichts dieser neuesten Schiebung zu beschreiten hat, klar vorgezeich- aet. Wie Graf Bernstorff schon in den früheren Stadien der Verhandlungen der Abrllstungskommisston sich entschieden gegen die Täuschungsmanöver der Gegenseite zur Wehr gesetzt hat, so erwarten wir auch jetzt, daß Deutschland sich mit aller Kraft gegen die englisch-französische Rüstungs- zarantie wendet. Dabei steht für uns im Vordergründe, daß Frankreich mit Hilfe Englands im besten Zuge ist, seine militärische Schlagkraft noch weiterhin zu erhöhen, anstatt sich der Abrüstung zu unterziehen. Man kann von Deutschland nicht verlangen, daß es mithilft, die militärische Vorherrschaft der französischen Republik in Europa zu sichern. Das wäre aber der Fall, wenn wir unsere Zustimmung dazu geben, daß sich die Abrüstung auf dem Lande nur auf stehende Heere, nicht aber auf die ausgebildeten Reserven beziehen sollen, auf die es doch in erster Linie ankommt.
Es ist aber geradezu auch eine zum Voraus vorgenommene Verhöhnung des Kriegsächtungspaktes, der, von Amerika entworfen, in der nächsten Zeit mit viel äußerem Gepränge in Paris unterzeichnet werden soll. Die beiden größten Militärmächte Europas garantieren sich zum Voraus ihre militärische Machtstellung, und dann nehmen sie vie Feder und unterschreiben ein Aktenstück, daß kein Krieg mehr erlaubt sein solle — nur der Verteidigungskrieg!
Was aber ist Verteidigungs-, was Angriffskrieg? Die Diplomatie hört nicht auf, ihre krummen Wege zu gehen, und die Völker schweigen dazu.
Eine MdMkmWuilg i» Gürzenich
Köln, 3. Aus. Zu Ehren des französischen Unterrichtsministers Serriot fand heute abend im Gürzenich ein Essen statt, in dessen Verlauf Oberbürgermeister Dr. Adenauer die Begrüßungsrede hielt. Der Besuch des Ministers Herrriot, der im Auftrag des französischen Ministerrats gekommen sei, und der Besuch so hervorragender Vertreter der öffentlichen Meinung Frankreichs hänge nicht zusammen mit den akuten Fragen der Politik. Trotzdem sei er von politischer Bedeutung. Wir haben, so fuhr Dr. Adenauer fort, Furchtbares erlebt und das alte
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Europa liegt in Trümmern. Wir stehen an der Schwelle eines neuen Zeitalters. Dieses neue Zeitalter kann ein besseres werden und muß ein besseres werden, wenn die Gutgesinnten in allen Ländern es wollen und dafür arbeiten. Die Presse aller Länder hat die Führerrolle auf diesem Wege. Was im Leben der einzelnen Menschen untereinander unerlaubt ist, das muß auch im Verkehr der einzelnen Staaten unerlaubt sein. Lernen wir einander kennen, glauben wir einander, vertrauen wir einander! Das ist der Weg zum Frieden. Frankreich hat die Möglichkeit, das Herz Deutschlands zu gewinnen; gebe Gott, daß es sie nütze.
Nach Dr. Adenauer gab der Reichskommissar der Pressa, der frühere Reichsinnenminister Dr. Külz seiner dankbaren Genugtuung über die Beteiligung Frankreichs an der Ausstellung und über den Besuch Herriots Ausdruck und erklärte sodann, daß die große internationale Kulturschau der Pressa die organisierte Versinnbildlichung der das öffentliche Leben beherrschenden geistigen Kräfte der einzelnen Völker und der geistig-politischen Auseinandersetzung in der Welt sein soll. Dr. Külz zitierte das Wort Herriots: „Für den Frieden kann nur wirken, wer innerlich friedlich gestimmt ist" uns gab der Hoffnung Ausdruck, der französische Minister werde sich davon überzeugen, daß dieses Wort auch für Deutsche zutreffe. Die spontanen Aeußerungen deutschen Volkstumes und deutschen Kulturwillens, wie sie auf dem Deutschen Sängerfest in Wien und auf dem Deutschen Turnfest in Köln gezeigt haben, hätten nichts Aggressives gegen andere Völker und Staaten. Dr. Külz erklärte, er vermöge keinen Grund zu erkennen, warum die Leiden großen Völker Frankreich und Deutschland sich zukünftig nicht gemeinsam in den Dienst friedlicher Höherentwicklung der Menschheit stellen könnten. Zwei Völker, die wie das französische und das deutsche der Welt in der Vergangenheit soviel geschenkt haben, seien! gerade dazu bestimmt, alles zwischen sich hinwegzuräumen, was ihren gemeinsamen Dienst an der Menschheit beeinträchtigen könnte. In dieser Beziehung darf der Satz Geltung beanspruchen:; „Der Worte find genug gewechselt, nun laßt uns endlich Taten sehen!" Möge die große geistige Schau am Rhein, so schloß' Dr. Külz seine Ausführungen, auch dazu beitragen, das gegenseitige Verständnis zwischen den Völkern zu vertiefen und zu festigen.
Hierauf ergriff Minister Herriot das Wort. Frankreich habe der Kundgebung nicht fern bleiben können, die darauf abziele, die geistige Verbindung der Völker aktiver und wirksamer zu gestalten. Wie es Herr Dr. Külz so treffend ausgedrückt habe, könne sich das wohlverstandene Nationalgefühl nicht in abstrakten Formeln äußern, es setze vielmehr die Kenntnis und die Achtung auch des Vaterlandes der anderen voraus. Mit lebhafter Genugtuung haben mich die Worte erfüllt, mit denen de» hochverehrte Vertreter der Reichsregierung den Friedenswillen: des deutschen Volkes betont; nicht ohne tiefe Bewegung habe ich! seine Erklärung vernommen, daß die Zukunft der Idee gehörte Man kann sicher sein, daß Frankreich seinen eigenen Traditionen treu bleiben wird und daß man es immer zu jeder ehrlichen Verständigung für den Frieden bereitfinden wird. Der Minister dankte sodann Oberbürgermeister Dr. Adenauer für den liebenswürdigen Empfang und fuhr fort: Ich danke Ihnen, Herr Oberbürgermeister, daß Sie mit einer solchen Kraft gesagt haben, für alle zivilisierten Menschen sei die Zeit gekommen, in der die Kräfte, die so lange für die Werke des Todes genutzt worden sind, nun für die Werke des Lebens eingesetzt werden. Das ist ein Unterfangen, das gleichzeitig viel Mut und viel Geduld erfordert. Es geht nicht ohne eine nunterbrochenen Feldzug gegen Skeptizismus, Spott und Dummheit, gegen sich erneuernde Vorstöße der Gewalt. Aber die Völker wollen den Frieden. Mit Danrvarkeit werden Sie die Männer begrüßen, gleichviel welcher Nationalität, die ihnen endlich Ruhe bringen, Ruhe für ihre Arbeit und das Leben für ihre Kinder. Ihnen kann ich hier die Versicherung geben, daß das republikanische Frankreich von der Notwendigkeit einer stabilen Organisation Europas und der' Welt durchdrungen ist. Es bat im Laufe der Zeiten selbst zu sehr gelitten, um nicht zu wünschen, daß der Wettbewerb der Nationen sich im friedlichen Eifer auf Wirtschaft und Wirt- ' schaftsleben konzentrieren möge. Frankreich weiß, wie groß der Anteil Deutschlands auf allen Gebieten von Wissenschaft, Literatur und Kunst ist. Ich wünsche, meine Herren, daß die Zusammenkunft in ihrer Stadt die Vertreter der ganzen internationalen Presse zur Hervorhebung der symbolischen Bedeutung veranlasse, die diese Kundgebung verdient. Und so wird- -»nser Zusammensein bei Ihnen mehr als ein bloßer Vorwand zu ^cnem Austausch leerer Söflichkeitsformeln bedeutet. Das Werk, zu dem wir uns berufen fühlen, wird, wie Herr Oberbürgermeister Dr. Adenauer gesagt hat, viele Schwierigkeiten und Gefahren durchmachen. Aber haben wir nicht selbst hier den Beweis vor Augen von der Geduld, die der starke Glaube auf sich zu nehmen vermag? Um Ihren Dom zu bauen, waren nicht weniger als sechs Jahrhunderte notwendig. Noch schwieriger mag es vielleicht scheinen, zu Ende zu führen, was allen Leidenschaften trotzen muß, um jenen Tempel der Gerechtigkeit zu verwirklichen, den die klarsten und edelsten Geister vorhergeschaut haben. Aber schon sind die Grundsteine gelegt. Die Menschheit kann nicht mehr warten, und es hängt von uns allen ab, das starke geistige Gebäude zu vollenden, in dessen Schutz die Massen aufhören werden, sich zu hassen, um sich endlich kennen und lieben zu lernen.