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ArrrnrrrsV 163

Alterrsteig. Scrmstag den 14. Juli 1328

31. Jahrgang

Zur Lage.

Uttt sengender Elut sendet die Sommersonne ihre gol Herren Strahlen zur dürstenden Erde. Hochsommer ist am gebrochen, fast zu früh, denn die Feldgewächse bedürfen noch des Wachstums, ehe die Reife einsetzen und die Ernte be­ginnen kann. Nach Regen lechzt die Natur. Möge der Him- ivel die schön stehenden Kruchtselder bewahren und dem deutschen Volk eine Ernte schenken, die über die Nöte dieser ßeit hinweghilft!

f Don Sommer- und Ferienstimmung ist in der Politik noch mcht allzuviel zu verspüren. Der kritische Beobachter wäre jzeneigt, Vergleiche zu dem Jahr 1914, zum Beginn des Weltkrieges, zu ziehen. Wie damals ist auch in diesem Som- drer der europäische Osten in Gärung begriffen. Südslawien ^Serbien) steht in einer Staatskrise. Die Führer der kroati­schen Bauernpartei fordern die Teilung Südslawiens in tzwei selbständige Staatsgebiete, die nur durch Personal­union miteinander verbunden sein sollen. Der gemeinsame König soll Alexander sein. Die Italiener spielen ein gefähr­liches Spiel. In Bozen wurde das Siegesdenkmal in An­wesenheit des italienischen Königs eingeweiht, die Grenzen jSüdtirols wurden abgesperrt und der Grundsatz derUn­antastbarkeit der heiligen Grenzen des freien Landes Ita­lien" von den Faszisten proklamiert. Nordtirol veranstaltete seine Eegenkundgebung auf dem Jselsberg bei Innsbruck.

Auch in Griechenland besteht eine Staatskrise. Venizelos at den früheren griechischen Diktator Pangalos, der seit kwei Jahren auf der Insel Kreta gefangen gehalten wurde, Rn Freiheit gesetzt, das Parlament aufgelöst und nach Art per Diktatoren aus dem Verordnungswege die Mehrheits- doahlen eingeführt. Ebenso gewalttätig arbeitet Mussolini »n Rom, der in aller Stille eine Kabinettsumbildung vor- «ahm. Er ließ feinen Finanzminister und Unterrichtsmini- per fallen, sowie acht Staatssekretäre, ohne daß zuvor «jemand eine Ahnung von diesem Kabinettswechsel hatte.

Vollends ungeklärt ist die Lage in Polen, nachdem Pil- sndski seine Sommerreise verschoben hat, und weil er nach dem Scheitern der polnisch-litauischen Verhandlungen in Kowno neue Gelüste nach einer Diktatur zu erkennen gibt. Der Streit um Wilna kann überhaupt nicht durch Verhand­lungen und friedliche Mittel gelöst werden. Er drängt nach einer kriegerischen Entscheidung. Polen rüstet sich dazu und die Militärpartei sitzt an der Macht. Durch die letzte Kabi­nettskrise in Warschau ist ohnedies ein Rechtsruck zu ver­zeichnen. Pilsudski hat bekanntlich den polnischen Sejm ein Parlament der Lumpen und Dirnen genannt, aber keine Partei hat gewagt, dagegen aufzutreien, nur die Sozial­demokratie hat dieser Tage eine Gegenerklärung heraus­gebracht, die als eine Kampfansage gegen Pilsudski auf­zufassen ist. Das ist um so bemerkenswerter, als nach dem letzten Staatsstreich des polnischen Diktators ein sehr gutes Einvernehmen zwischen diesem und der Sozialdemokratie herrschte. In Warschau sind nun die nationalistischen und militaristischen Kreise obenan.

Poincare hat in Paris die Kammer in Ferien geschickt, nicht ohne Widerstand. Ein radikaler Abgeordneter stellte den Antrag, seine Anfrage über die rumänische Anleihe zu behandeln. Poincare war darüber so verärgert, daß er eine Forderung auf Zweikampf stellte und private Lebensver- hältniffe seines politischen Gegners enthüllte. Hintennach Äber kam die amtliche Bekanntgabe, daß Poincare auf die Anfrage nach der Sommerpause im Parlament antworten werde. Derartige Entgleisungen wären in einem deutschen Parlament unmöglich. In der belgischen Kammer muß trotz der Sommerhitze und trotz des Protestes der Sozialisten noch in kommender Woche die Militärvorlage durchgepeitscht werden. Im englischen Parlament drückt sich Chamberlain um eine klare Auskunft über seine Stellung zum Kriegs­achtungspakt und zu der Räumung der Rheinlands. Er erweist sich immer mehr als ein Werkzeug Frankreichs. Im englischen Oberhaus gab es auch eine nicht uninteressante Aussprache über das Phosgengas in Hamburg. Es ist aller­lei, was man sich in England erlaubt: Schnüffeleien fremder Militärbeauftragter in Deutschland, obwohl die Zeit der !fremden Militärkontrollen vorüber ist. Diese Einmischung auswärtiger Politiker in deutsche Angelegenheiten mutz fchärfstens zurückgewiesen werden.

Der Deutsche Reichstag geht nun in die großen Sommer- Mien. Er hat in wenigen Tagen noch drei Punkte des Regierungsprogramms in Arbeit genommen, aber der Er­folg ist ein recht zweifelhafter. In der Frage des National- ffeiertages wurde keine Einigung erzielt. Der gesunde Men­schenverstand sagt jedem, daß der 11. August, der Ver-

sassungstag, für einen solchen Festtag des Volkes praktisch unmöglich ist, aber die Parteipolitiker der Linken ließen sich nicht belehren. Es wurde zwar im Reichstag eine Mehrheit für Verweisung der Eesetzesvorlage an den Rechtsausschuß erzielt, aber die Behandlung des Gegenstandes ist auf den Herbst verschoben, wo man hofft, daß unter dem Druck Preußens und der notwendigen Koalitionserweiterung doch die Deutsche Volkspartei nachgeben wird. Nur mit Hilfe der Oppositionspartei der Deutschnationalen wurde im Reichs­tag sodann die Vorlage zur Einkommensteuersenkung nach dem Antrag der Sozialdemokraten, Demokraten und des Zentrums angenommen. Die Deutsche Volkspartei und die Bayerische Volkspartei, also zwei Regierungsparteien, woll­ten die Sache bis zum Herbst vertagt wißen. Die letzte Ent­scheidung über die Vorlage steht beim Reichsrat, in dem die Länder ihre Bedenken gegen die Vorlage bereits zum Aus­druck gebracht haben. Es ist wahrscheinlich, daß die Lohn- steuersenkung dort zunächst keine Mehrheit findet, so daß das Gesetz im Herbst zu neuer Beratung gestellt werden muß. In der letzten Sitzung des Reichstages wurde die Amnestievorlage verabschiedet, die den politischen Gefan­genen Freiheit und Strafmilderung bringt. Auf sozialpoli­tischem Gebiet wurde durch den Reichstag die Verlängerung der Krisenfürsorge für gewisse Berufsgruppen beschlossen. Das Reichskabinett beschäftigt sich wieder mit der Erhöhung der Eisenbahntarife, die der Verwaltungsrat der Deutschen Reichsbahn erneut gefordert hat. Eine Tariferhöhung, die von einem Kabinett mit Führung der Sozialdemokratie gebilligt würde, ist für die deutsche Wirtschaft und das deutsche Volk untragbar, zumal der neue Reichsarbeits­minister Wisset! erst dieser Tage den Rückgang der Kon­junktur festgestellt hat.

Außenpolitisch bleibt noch bedeutsam, daß die Reichs­regierung die bedingungslose Zustimmung zum Kriegs­ächtungspakt in einer Note nach Amerika erteilt hat, wäh­rend man in Paris und London noch immer allerlei Vor­behalte zu konstruieren versucht, diese aber wohl nicht aus­zusprechen wagt, weil dadurch eine Schädigung der Be­ziehungen zu Amerika befürchtet wird.

Vom hohen Norden liegen nun erfreulichere Meldungen vor: Lundborg, der zur Rettung der Italiener aufgestiegene schwedische Flieger, der dabei selbst verunglückt ist, wurde geborgen. Zwei weitere Gruppen Nobiles, die Malmgren- Gruppe und die Viglieri-Eruppe, sind gerettet worden, teils durch Flugzeuge, teils durch den russischen EisbrecherKras­sin". Der Schwede Malmgren, der mit Nobile aufgestiegen und verunglückt ist, har allerdings das Leben verloren.

Me deutsche Mworwte an Amerika

Berlin, 13. Juli. Die deutsche Antwort auf die amerikanische Note vom 23. Juni betr. den Kriegsächtungspakt hat folgenden Wortlaut:

Ew. Exzellenz bestätige ich den Empfang der Note vom 23. Juni ds. Js. über den Abschluß eines internationalen Paktes zur Aechtung des Krieges und beehre mich, darauf im Aufträge der deutschen Regierung folgendes zu erwidern:

Die deutsche Regierung hat die Ausführungen der Note und den ihr beigefügte revidierten Entwurf des Paktes mit größter Sorgfalt geprüft. Sie stellt mit Genugtuung fest, daß der in der Note dargelegte Standpunkt der Regierung der Vereinigte« Staaten von Amerika der grundsätzlichen deutschen Auffass« ng entspricht, wie sie in der Note vom 27. Avril ds. Js. mitgeteilt wurde. Auch mit den Aenderungen in der Präambel des Entwurfs des Paktes ist die deutsche Regierung einverstanden. Sie freut sich daher, erklären zu können, daß sie von den in der Note Ew. Exzellenz vom 23. Juni enthaltenen Darlegungen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika Akt nimmt, daß sie der Auslegung zustimmt, die darin den Bestimmungen des in Aussicht genommenen Paktes gegeben wird und daß sie demgemäß bereit ist, diesen Pakt in der jetzt vorgeschlagenen Form zu unterzeichnen, (gez.) Schubert.

Amerika und die Antwort

Washington, 13. Juli. Die deutsche Antwortnote auf den amerikanischen Antikriegspaktoorschlag wurde hier veröffent­licht. Die Zeitungen betonen übereinstimmend, daß Deutschland wiederum als erster Staat den Friedensvorschlägen Amerikas zugestimmt habe.

Der französische Botschafter hat Staatseskretär Kellogg auf­gesucht und ihm mitgeteilt, daß der französische Minister des Aeußern, Briand, voraussichtlich am Samstag, dem französischen Nationalfeiertag, Botschafter Herrick die vorbehaltlose Zustim­mung der französischen Regierung zu de« in der letzten Note Kelloggs enthaltenen Erklärungen übermitteln werde.

Am Ende der Nordpoltragödie

Ein neuer Akt der Nordpoltragödie, aber gottlob ein er­freulicher. Die längst totgeglaubte Malmgreen-Gruppe, die ms drei Mann bestand, konnte von dem EisbrecherKras- zn" gerettet werden. Allerdings Prozessor Malmgreen ist iot, er hat schon vor einem Monat sein Leben für das Aben­teuer General Nobiles eingebüßt. Die beiden anderen der lFruppe, Mariano und Zappi, leben und befinden sich nmp leidlich wohlbehalten an Bord des Eisbrechers. Unglaube liche Strapazen mutzten sie erleiden, die letzten zehn Taget waren sie ohne Nahrungsmittel und Mariano ist ein Beik^ rrfroren. Nunmehr fährtKrafsin" mit Volldampf voraus^ um die Viglieri-Eruppe auch noch zu retten. Dicke Eismassew trennen ihn von dem Standort des Roten Zeltes, obwohst nur zwei Meilen Luftlinie zurückzulegen sind. Der Fliege^ Tschuchnowskr, einer der bekanntesten russischen Flieger, deH zuerst die Malmgreen-Gruppe gesichtet hat, hatte sich inv Nebel verirrt, mußte notlanden, wobei das Flugzeug, übrft gens eine deutsche Junkersmaschine, solche Vefchädigungerv erlitt, daß es nicht mehr aufsteigen konnte. Der Flieger unÄ seine Begleiter konnten, mit Lebensmitteln und Waffen gup ausgerüstet, das Land erreichen, so daß begründete Hofft nung besteht, daß sie sich durchschlagen werden. Unterdessech gelang auch die Rettung der Viglieri-Eruppe. So sind ich letzter Stunde doch noch einige Ueberlebende der tragischen Expedition gerettet worden.

Die Fachleute haben Recht behalten, die von Anfang an erklärten, daß nur Eisbrecher und speziell die russischen Eisbrecher das Rettungswerk vollenden können. Der Eis­brecherKrassin" ist ein schon ziemlich altes Schiff, er führte früher den NamenJermak" und wurde nach dem Plan des Admirals Malkarofs erbaut. DerKrassin" hat 10 800 Tonnen Wasserverdrängung leer und 14 783 Tonnen mit Wasserballast. Er ist 93 Meter lang, 21,6 Meter breit und hat 5,5 bis 7,6 Meter Tiefgang. Vier Dampfmaschinen von zusammen 12 000 Pferdekräften treiben drei Schrauben am Deck und eine im Bug. Der Jermak alias Krassin vermag feste Eisdecken von 7,6 Meter Dicke zu zertrümmern. Er fährt mit Volldampf in das Eis hinein und zermalmt es durch seine Schwere. Durch paffende Verteilung von Wasser- ballast in Doppelbooten wird je nach der Eisstärke das Schiff mehr oder weniger vorn gehoben. DerKrassin" hat einen stark zurückgekrümmetn Bug und gilt immer noch als das beste Schiff feiner Art. Der Namenswechsel wurde nach dem bolschewistischen Umsturz vorgenommen. Krassin war einer der bekanntesten russischen Revolutionäre, er war Botschafter in London und er hat den Vertrag zwischen! England und Rußland unterzeichnet. Nach ihm heißt nun der frühere Jermak.

Der Eisbrecher hat bekanntlich auch Flugzeuge an Bold, die für die zwei besten russischen Flieger Bapuschkin und Tschuchnowski bereitstehen. Beide haben ihr möglichstes ge­tan, um die im Eise Versprengten zu retten, beide haben dabei ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Es ist übrigens inter­essant zu hören, daß derKrassin" augenblicklich unter Kriegsorder steht und daß die Mannschaft dreifache Löh­nung erhält. Der andere russische EisbrecherMalygin", der von Archangelsk abgefahren war und eine mehr östliche Route eingeschlagen hatte, blieb bekanntlich unterwegs stecken, weil er zu schwach war, das Eis zu zertrümmern.

Re Rel!W Ewig

Auch die Gruppe Viglieri gerettet

Rom, 13. Juli. Nach einem Funkspruch derCitta dl Milano" hat der russische EisbrecherKrassin" die Gruppe Viglieri am Donnerstag abend um 8 Uhr an Bord ge­nommen.

Die Rettung der Viglieri-Eruppe Moskau, 13. Juli. Die geretteten Italiener schilderten dem Vertreter der Telegraphenagentur der Sowjetunion an Bord desKrassin", sie hätten den Eisbrecher zunächst in einer Entfernung von 13 Kilometern bemerkt und sich be­ruhigt, als sie den direkten Kurs des Eisbrechers auf ihren Standort wahrnahmen. Von der Jtalia-Eondel sind ledig» lich klägliche Trümmer übrig geblieben.

Die Aleffandri-Gruppe gefunden Moskau, 13. Juli. Einer Meldung der Telegraphenagem tur der Sowjetunion zufolge ist nach den letzten Nachrichten der Standort der Alessandri-Gruppe, die mit dem Ballon, körper der Jtalia abgetrieben worden war, 80 Grad 45 Mst