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Altensteig. Dienstag den 15. Mai 1928
Ser kmnlende deutsche Msttust
' Von besonderer Seite wird uns geschrieben:
Entscheidende Dinge bereiten sich in der deutschen Automobilindustrie vor. Aber nicht nur in der deutschen. Ein europäisches Autobündnis gegen die Sintflut amerikanischer Kraftfahrerzeugnisse ist im Kommen. Die Verhandlungen der europäischen Produzenten, die sich sicher äußerst schwierig gestalten werden, werden im September ihren Anfang nehmen. Die treibende Kraft für den Gedanken eines europäischen Autobiindnisses ist Mussolini und die bedeutende italienische Autoproduktion, deren Rentabilität durch die übermächtige amerikanische Konkurrenz gefährdet ist. Zn Frankreich, dessen große Autoindustrie auch eine schwere Krisis durchzumachen hat, steht man diesen Plänen sympathisch gegenüber und auch in Deutschland ist man nicht abgeneigt, den Besprechungen beizuwohnen. Voraussetzung für ein gemeinsames europäisches Vorgehen ist selbstverständlich eine weitgehende nationale Konzentration der Industrie. Ein deutscher Autotrust wurde schon lange von Sachverständigen für das Heilmittel der deutschen Automobilindustrie angesehen. Vorstufen zu ihm fehlen nicht. Es sei nur erinnert an den Zusammenschluß von Daimler- Venz, an die Fusion N.A.E.-Protos-Presto und an die Vereinigung von N.S.U.-Schebera. Der Dividendenausfall bei N.A.E.-Protos, der unliebsames Aufsehen erregt hat, wird auch in Zusammenhang gebracht mit einer bevorstehenden Fusion. Auch konnte man in der letzten Zeit starke Käufe bei stark steigenden Kursen in den Aktien dieser Unternehmungen bemerken. Dazu kommt, daß diese Gesellschaften alle mehr oder weniger enge Beziehungen zu der Darmstädter- und Nationalbank haben, und daß sie alle zu dem Jnteressenkreis des Herrn Jacob Schapiro gehören. Dieser in der Autoindustrie viel genannte Mann besitzt große Pakete von Daimler-Benz-Aktien, von N.S.U. und N.A.G. Man mag die große Rolle, die er spielt, bedauern oder begrüßen, bei einem kommenden deutschen Automobiltrust wird er nicht zu umgehen sein. Die Adler-Werke Kleyer, sowie Dixi und Magirus scheinen ebenfalls fusionsbereit zu sein, so daß der kommende deutsche Automobiltrust ein stattliches Gebilde darstellen wird, das sich international schon sehen lassen kann.
Der deutsche Automobiltrust mußte der ganzen technischen und wirtschaftlichen Entwicklung nach-eines Tages kommen. Bei einer anderen Industrie ist die Rationalisierung und die laufende Bandproduktion in so hohem Maße durchgebildet, wie gerade bei der Fahrzeugindustrie. Und nirgends ist die amerikanische Konkurrenz so drückend wie gerade hier. Vor dem Kriege war die deutsche Automobilindustrie führend (das Automobil ist eine deutsche Erfindung). Die Aktien der Automobilgesellschaften waren neben den chemischen die höchststehendsten und gesuchtesten Papiere der Börse. Der Krieg und die Nachkriegszeit brachten dann den entscheidenden Vorsprung der Amerikaner. Eine Zeitlang schien es, als ob die deutsche Automobilindustrie überhaupt dem Untergang geweiht sei. Unter ungeheuren Anstrengungen und Opfern gelang es dann den deutschen Unternehmungen wieder, Fuß zu fassen und langsam in harter Arbeit den Vorsprung Amerikas einzuholen. Die deutsche Automobilausstellung des Jahres 1926 brachte den entscheidenden Umschwung. Diese Ausstellung bewies, daß Deutschland wieder den Anschluß an das fabrikatorische und preisliche Niveau des Weltmarktes gefunden hat. Unsere führenden Unternehmungen hatten sich auf das laufende Bandsystem umgestellt und begannen mit der Serienfabrikation. Trotzdem ist natürlich die amerikanische Konkurrenz erdrückend groß. Denn uns fehlt der große Absatzmarkt, der den Amerikanern ein so billiges Fabrizieren ermöglicht. Während in Amerika aus jeden sechsten Einwohner ein Auto kommt und die Zahl derjenigen Familien wächst, die sich zwei Autos leisten können, ist das durch Krieg und Inflation, durch Dawestribute und Wirtschaftskrisen geschwächte Deutschland nicht in der Lage, nur mit annähernd gleichen Zahlen aufzuwarten. Die Motorisierung schreitet bei uns langsam fort, und man darf von ihr keine Wunder erwarten.
Die amerikanische Automobilindustrie ist aber auch durch die Logik der Verhältnisse zu einer verstärkten Exporttätig- teit gezwungen. Der Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Firmen nimmt auch dort Formen an, die die Rentabilität gefährden, den Binnenmarkt überfüttern und den Auslandsabsatz als Notventil notwendig machen. Gleichzeitig damit verstärkt sich die Konzentration der amerikanischen Automobilunternehmen mit dem Erfolge, daß immer größere Konzerne entstehen, die mit verschärfter Wucht die Weltmärkte mit ihren Erzeugnissen überschwemmen. Die Tatsache, daß die Zahl der eingeführten ausländischen Waren die eigene Produktion übersteigt (z. V. in Deutschland), beweist, daß die jetzt geltenden Zollsätze ungenügende Hilfsmittel sind, um die eigene Produktion zu schützen. Die deutsche Automobilindustrie konnte zwar ihre Ausfuhr steigern, aber nicht in dem gleichen Verhältnis, wie die Einfuhr zunahm. Unsere Autohandelsbilanz ist stark passiv. Besonders drückend wurde auch die ausländische Konkurrenz, als die großen amerikanischen Konzerne (wie Ford und General Motor) daran gingen, nicht fertige Automobile einzu- fuhren, sondern nur Einzelteils, um sie in eigenen Montagefabriken zusammenzusetzen.
Die amerikanische Konkurrenz kann nicht durch Zollmauern, sie kann nur durch Leistung geschlagen werden; wir müssen danach streben, den großen amerikanischen Konzernen mit ihren unbegrenzten Fabrikationsmöglichkeiten ähnliche deutsche Gebilde entgegenzusetzen. Die Konzentration ist auch hier das beste Mittel. Ein großer deutscher Autotrust kann ganz andere Mittel anwenden, um der amerikanischen Konkurrenz Herr zu werden, als vereinzelte deutsche Unternehmungen, die gegeneinander um den Absatz ihrer Fabrikate ringen müssen. Bei einem etwaigen europäischen Autobündnis kann dann Deutschland ein viel gewichtigeres Wort mitreden, wenn eine große Automobilunternehmung seine Interessen vertritt, als wenn viele Einzelfabriken auf den Plan treten. Der Automobilabsatz in Deutschland hat noch eine große Zukunft. Wollen wir, daß er mit ausländischen, lies amerikanischen Erzeugnissen, befriedigt wird, oder wollen wir, daß deutsche Automobile, die Tausende von Arbeitern Nahrung geben, auf unseren Straßen fahren sollen? Noch ist es Zeit, aber bald ist es zu spät. E.
Die „Jtalia" auf dem Weg zum Nordpol
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Schwetzlngcu — die Stadt der Spargels
Nahe bei Heidelberg, inmitten der fruchtbaren badischen Rbeinvfalz, liegt Schwetzingen, jene Stadt, die eigentlich nach dem Saupterwerbszweig ihrer Bevölkerung ein wohlgebundenss Päckchen Spargel im Wappen führen müßte. Schwetzingen ist nämlich in der Tat, neben dem märkischen Städtchen Beelitz, das hauptsächlich Berlin versorgt, die Stadt des Spargels. Meilenweit dehnen sich rund um die Stadt die durch ihre eigenartigen, welligen, flachen Hügelreihen charakteristischen Spargelplantagen, belebt von den weibleuchtenden Leinenhauben der „Svargelirauen", die mit langen Messern die Spargelstangen fachgerecht „stechen" und sorgsam in Körben sammeln. Eine mühsame Arbeit! Und dabei muß sie mit größter Sorgfalt regelmäßig vorgenommen werden, denn der Spargel sprießt in den Monaten Mai und Juni unaufhörlich ans Licht, und sobald er nicht rechtzeitig „gestochen" wird, kriegt er „blaue Köpfchen", die seinen Wert wesentlich herabsetzen oder ihn. ganz unverkäuflich machen, denn allzu blauköpsiger Spargel schmeckt bitter. — Aus kleinen Anfängen heraus hat sich die Schwetzinger Spargelkultur zu ihrem heutigen mächtigen Umfang entwickelt. Nicht nur der frische Spargel dieses Gebiets, sondern auch die in zahlreichen Fabriken hergestellten „Schwetzinger Spargelkonserven" sind weltberühmt. In der Pfalz und auch im übrigen Rheinland erscheint während der Spargelzeit das Svezialgericht „Rheinsalm mit Spargel" immer wieder auf dem Tisch. Jeden Abend um 6 Uhr beginnt auf dem weiten Platz und den Terrassen vor dem schönen Schloß der Schwetzinger Spargelmarkt. In riesigen Mengen kommen da die weißen Stangen mit den schmackhaften Köpfchen zum Verkauf und nehmen von hier aus ihren Weg in die Städte der näheren und weiteren Umgebung oder in die Konservenfabriken. Der seit Jahrhunderten betriebene Spargelbau hat allerlei interessante und eigenartige Volksbräuche erzeugt. In jedem halben Jahr findet einmal ein grobes Svargelfest statt. Den Mittelpunkt dieses Festes bildet ein grober festlicher Umzug durch die Straßen der Stadt. Dazu treten Svargelausstellungen und mancherlei Volksbelustigungen, wie sie zu einem richtigen Volksfest gehören. In diesem Jahr soll rum erstenmal sogar unter künstlerischer Leitung eine „Spargel- Revue" gespielt werden.
Außer durch seinen Spargel ist Schwetzingen weit über Deutsch- lano hinaus durch seinen herrlichen Schlotzpark, der zu den schönsten in Deutschland gehört, bekannt. Vor 200 Jahren lieb ihn der kunstsinnige pfälzische Kurfürst Karl Theodor nach dem Muster von Versailles anlegen und schlug in dem hübschen Schloß seine Sommerresidenz auf. Damals erlebte Schwetzingen seine Glanzzeit und war viele Jahr hindurch ein Sammelpunkt geistigen und künstlerischen Lebens. Goethe, Schiller, Mozart, Lessing und Klovstock und die Maler und Bildhauer Bouchardon, Pigage, Verschaffelt. Larabelli, Crepella, Kobell, Linck u. a. hielten sich zeitweise in Schwetzingen auf. Auch Voltaire war gern hier und schrieb eigens Stücke für das idyllisch im Park gelegene Naturtheater und die entzückende Kammerkunstbühne im Schloß. Noch einige Tage vor seinem Tode soll er ausgerufen haben: „Labt mich Schwetzingen Wiedersehen! Mein Hep> und meine Seele iebnen kich danach!" ---
51. Jahrgang
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Verhaftung
der BrmkmWer Fememörder;
Das Opfer unter hypnotischem Einfluß?
§ Die Hoteldirektorsgattin Anna Ebenhoch aus Salzburg, die im Parkhotel in Bad Wiessee als Küchen- beschließerin tätig war, fuhr Montag, den 1k. April, von Tegernsee mit der Bahn ab, um auf einige Tage ihre Angehörigen in Salzburg, die auch ihr Kind in Pflege haben, zu besuchen. Donnerstag, 19. April, wurde die Frau in einem Walde bei Bruckmühl tot aufgefunden, sie war durch drei Schüsse in den Kopf ermordet worden. Die Erhebungen ergaben, daß sie den Zug in Bruckmühl in BegleitunA eines Mannes verlassen hatte, der zweifellos der Täter war. Man stand zunächst vor einem Rätsel. Was ver- anlaßte die Frau, die in überaus glücklicher Ehe lebte den Zug zu verlassen und mit dem Manne in den Wald zu gehen? Es schien bei ihrem ganzen Charakter ausgeschlossen, daß sie einem Unbekannten gefolgt war. Fast ebenso dunkel war der Beweggrund des Verbrechens. Zwar waren Spuren festzustellen, daß sich Frau Ebenhoch gewehrt hat, aber die Untersuchung ergab, daß kein Sittlichkeitsverbrechen verübt worden war; nach den ersten Feststellungen fehlte nichts von den Habseligkeiten der Toten, so daß auch ein Raubmord nicht in Betracht zu kommen schien, zumal sogar das Geld, das die Frau mitgenommen hatte, noch vorhanden war.
Den Anstoß zur Aufklärung des geheimnisvollen Frauenmordes gab ein Zettel, den man im Walde in einiger Entfernung von der Leiche fand. Der Zettel lautete: „Ich bitte, mir unauffällig zu folgen. Habe wichtige Dinge mit Ihnen zu besprechen. Privatdetektiv Jungmann- Habermann."
Nun war es ja nicht sicher, daß der Zettel mit dem Mord in Zusammenhang stand, allein die Spur wurde verfolgt. Nachträglich wurde noch festgestellt, daß die Ermordete doch beraubt worden war, eine Brieftasche fehlte, was die Annahme eines Raubmordes nahelegte.
Der gefundene Zettel lenkte den Verdacht auf den 31 Jahre alten kaufmännischen Angestellten Heinrich Jungmann, der sich auch schon als Landwirt und Skilehrer versucht hat. Jungmann war wiederholt wegen Betrügereien zu Gefängnisstrafen verurteilt worden und hat in letzter Zeit, wie der Polizei bekannt war, in München und auswärts, zuletzt in Augsburg, Betrügereien und einen Diebstahl verübt.
Die Nachforschungen nach Jungmann in München waren ergebnislos. Daraufhin wurden umfassende Erhebungen eingeleitet, die am Samstag nachmittag in Nürnberg zu seiner Festnahme führten. Der Verhaftete wurde nach München gebracht und der Polizeidirektion überstellt. In der Vernehmung legte er bald ein Geständnis ab. Er hatte die Absicht, die Frau zu berauben und hoffte, eine größere Summe Geldes zu erbeuten. Als Beweggrund gibt er Notlage an. Jungmann versichert, daß ihm Frau Ebenhoch gänzlich unbekannt war. Wie es ihm gelungen ist, die Frau zum Verlassen des Zuges zu bewegen, ist noch nicht völlig aufgeklärt; der Mörder behauptet, die Frau durch hypnotische Beeinflussung dazu gezwungen zu haben. Die weitere eingehende Vernehmung Jungmanns wird wohl die Aufklärung aller Einzelheiten bringen.
Der Mm» mit de» so« Franc»
Vor dem Wiener Geschworenengericht hatte sich jüngst ein Mann zu verantworten, der durch seine Hochstapeleien schon oft die Öffentlichkeit beschäftigt und von seinen 42 Lebensjahren nicht weniger als siebzehn hinter Kerkermauern verbracht hat.
Der Hochstapler, um den es sich hier handelt, ist der ehemalige Artist Anton Dobrohruschka, der seine verbrecherische Karriere damit begann, daß er sich als Sohn des Kronprinzen Rudolf und der Baronin Betsera ausgab. Er wußte dieses Märchen und mit ihm das Gerücht, daß für ihn ein bedeutendes Vermögen hinterlegt sei, mit so großer Geschicklichkeit zu verbreiten, daß ihm viele leichtgläubige Gemüter, besonders Frauen, ins Garn gingen. '
Seinem flotten Leben als Sohn des Kronprinzen Rudolf wurde aber bald ein Ende gesetzt. Er hatte dann mehrere Jahre Gelegenheit, im Gefängnis über seine phantastischen Erzählungen nachzudenken. Als er später die Freiheit wieder gewann, verlegte er sich auf den Heiratsschwindel und die Fahl der von ihm ausgeplünderten Frauen ist Legion. Vom „ehemaligen Husarenrittmeister"' und „Generaldirektor" bis hinab zum „Herrschaftschauffeur" spielte er mit der größten Geschicklichkeit und wahrhafter Schauspielerischer Begabung jede Rolle, die erforderlich war, um die Frauen zu betören und ihnen das Geld abzuknöpfen. Und immer wenn eine feiner Bräute darauf kam, daß sie von ihm nicht nur die Liebe, son-r dern auch um das Geld betrogen fei, beruhigte er sie mit den Worten: „Sei gescheit, du wirst nichts verlieren; eine andere wird schon für mich zahlen."
Und tatsächlich hat der galante Heiratsschwindler immer mit dem Gelde seiner jeweiligen Braut den Schaden, den die Vorgängerin durch ihn erlitten hatte, gutgemacht. Er war in der Auswahl der Frauen, denen er sich z« Füßen legte, natürlich nicht wählerisch; die Hauptsache