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Eonntagsausgabe der Schwarzwälder Tageszeitung „Aus den Tannen"
Nr. 2 . 0 ,
Anzeigenpreis: Die einspaltige Zeile 20 Pfg., die Reklamezeile 50 Pfg.
Altensteig, Sonntag. 13. Mai
Bezugspreis im Monat 40 Pfennig Die Einzelnummer . . 1V Pfennig
1928
' Sonntagsgedanken.
Mutterliebe
Was man von der Mutter bat, das fitzt fest und liitzt sich nicht »msredeu, das behält man, und es ist auch gut so, denn jeder Keim der sittlichen Fortentwicklung des Menschengeschlechts liegt darin verborgen. Wilhelm Raabe.
Ja Muttertreu' ist immer gleich, und Mutterliebe wund erreich; und Mnttersorge nimmt kein End', bis daß sich Leib und Seele trennt.
Friedrich O s e r.
Der Liebe Tod Ein Wort zum Wahlkampf
Otto Fromme! hat einmal das-Wort gesagt: „Der Parteigeist ist überall und immer in der Welt aller Liebe Tod." Dieses Wort gilt es ganz besonders zu Wahlzeiten zu beherzigen; nirgends und nie feiert der deutsche Parteigeist solche Triumphe wie da. Erst neulich hat einmal Graf von Keyersing geschrieben: „Die neue Welt läuft eine Gefahr, über die sich die wenigsten klar zu sein scheinen. Diese Gefahr ist, dah die Liebe auf der Erde aussterben könnte."
Vielen wird es freilich weltfremd, ja geradezu lächerlich erscheinen, wenn man das Wort Liebe im Blick auf das politische Leben überhaupt noch in den Mund nimmt. Kampf ist doch hier die Losung, namentlich in der Wahlzeit, Kampf der wirtschaftlichen Interessen, der politischen Weltanschauungen, Kampf um die Geltung in der Öffentlichkeit, um die Wahlstimmen, um die Macht im Staat.
Man mag alles Verständnis dafür haben, dab es Fragen im öffentlichen Leben gibt, die nur auf dem Wege des Kampfes aus- getragen werden können. Aber ist wirklich Kampf hier die einzig -brauchbare Losung? Und ist es einerlei, in welchem Geist, mit welchen Mitteln und um welche Ziele der Kamps geführt wird? Es must doch gerungen werden um den Ausgleich, nicht um die Verewigung der Gegensätze, um ein gemeinsames Arbeiten im Dienst des Volkes, nicht um eine einseitige Interessengemeinschaft. Sollte in diesem Zusammenhang das Wort Liebe als innerste Beseelung des politischen Wirkens so ganz sinnlos sein?
Ohne Liebe kein gegenseitiges Verstehen. In der heutigen Lerufssvezialisierung, wo fast keiner mehr ein Ganzes überblickt, ist das gegenseitige Verstehen uns ohnehin schwer genug gemacht. Man weiß zu wenig vom Andern, von seinen Bedürfnissen und von seiner Not. Aber wenn die Liebe tot ist, will man nichts mehr voneinander wissen und will sich nicht einmal mehr verstehen, und das ist das Schlimmste.
Und ohne Liebe auch keine Volksgemeinschaft mehr. Es ist ein Verhängnis, wenn das System der politischen und wirtschaftlichen Interessengruppen dazu führt, dab deren Vertreter nur »och die Lautsprecher einer festgelegten Meinung sind, aber »icht mehr den Gründen der Andersgesinnten Gehör schenken und sie für die eigene Stellungnahme erwägen können. Es gibt keine Gemeinschaft, auch keine Volksgemeinschaft mehr, wenn man einander nimmer Gehör schenkt. Das ist die erste Forderung der Liebe, und wenn sie nicht mehr gilt, so haben wir als Volk aufgehört zu existieren. Darum soll man's nicht leicht nehmen, den Parteigeist so auf die Spitze zu treiben, dab ei der Liebe Tod bedeutet. Es steht zu hohes auf dem Spiel.
Friedrich Hilzingex.
Iran Agnes und ihre Kinder
Der Roman einer Mutter. — Von Fritz Hermann ElLser Copyright by Marti» F-ucktwanger, Halle (Saale)
Da kommt der Rauscher-Jäger eines Tages zum alten Engler. Es ist nur selten, daß der Grünrock sein Revier verläßt. Es mutz etwas Besonderes sein, was ihn zum Schunmelbaron heute führt.
„Hallo! Seit wann kommt denn der Wald jetzt zu den Menschen?", begrüßt der Schimmelbaron seinen Freund.
„Nun, wenn die Menschen nicht zum Walde kommen, muß es so sein!" Der Rauscher und der Engler drücken sich die Hände.
„Sei recht willkommen! — Willst du vielleicht ein Schlachtschwein bei mir kaufen?"
„Wir wollen viel richtiger einmal über die junge Färse sprechen, die ich von dir ins Futter kriegen soll."
„Die junge Färse... ? Du von mir ins Futter kriegen? ^ — Ach. nun ja, jetzt verstehe ich dich, Rauscher-Jäger! Komm in die Stube!" Belustigt und zugleich verlegen lacht der Engler.
Frau Agnes' Junge hat die Rede ausgeschnappt. Er bat den Sinn der Worte ganz genau verstanden und ist mit einem Male wie aus dem Häuschen. Er geht den beiden nicht mehr von den Fersen und macht sich, wie von ungefähr, in einer Stubenecke was zu schaffen. Das ist fein eigenes Fell, sein Träumen und sein ganzes Denken, um das man hier verhandeln will. Wie gut vom Rauscher- Förster, daß er sich selbst erkundigen kommt! Es ist gerade noch die rechte Zeit!
„Willst du die Sache denn nicht bald in Ordnung bringen? Ich muß nun wissen, ob ich deinen Werner Ostern in die Lehre bekomme, oder ob ich einen anderen Jungen nehmen muß. Ich werde allenthalben schon darum-bestürmt; es wollen viele Jungens Jäger werden."
„Da haben wir es ja! Dieser Beruf ist überfüllt. Der Junge, hat er ausgelernt, wird dann doch keine Stellung bekommen", versucht der Engler auszuweichen.
„Rede nicht solches Zeug! Du weißt genau: ein guter Förster findet immer sein Revier."
„Wer sagt es, daß der Junge tüchtig wird? Der lernt im Leben nicht das Schießen."
„Ist auch nicht nötig! Den Wald und das Wild zu pflegen, ist eines rechten Jägers rechte Sache. Das Schießen besorgen die Herren schon selber. Ein Pfleger aber wird der Junge wie nur selten einer. Du sagst ja, daß auch ich nicht das Schießen verstehe. So gut ich es kann, lernt er es noch immer. Und dann hat er ja dich, die Hasen und die Hühner wegzuputzen, wenn sie ihm gar zu dreist werden sollten." ,
„Du verstehst es, einem zuzureden."
Da lacht der Rauscher aus Leibeskräften. „Du tust wahrhaftig, als wollte ich dir einen Stier abschachern. An dir will ich, Schimmelbaron, beileibe nichts verdienen. Nur um den Jungen tut es mir leid. Du hast es ihm doch versprochen."
„Versprochen hin, versprochen her, was weiß der Junge noch davon! — Was wird der ganze Kram Wohl kosten?"
„Der ganze Kram? Erlaube mal!" Der Rauscher macht ein bitteres Gesicht, nur seine Augen lachen jetzt noch Heller. „Als ob ich mir das nicht gleich gedacht hätte! Du sparst jetzt wieder einmal an der falschen Stelle! Wie dem auch sei! Von Rock uüd Stock (Uniform und Flinte) wirst du dabei natürlich nicht abkommen können. Ich will von dir, dem Jungen zuliebe, jedoch nur halbes Lehr- und Kostgeld haben. Hörst du, Schimmelbaron! Auf hundert Taler aber wirst du rechnen müssen."
„Das ist für mich zu viel Geld! Ich kann das nicht mehr an dem Jungen wagen!"
Der Rauscher steht den Engler böse an. „So macht ihr es! Erst wird solch Bengel verwöhnt und verzogen, es werden chm allerhand Flausen und große Rosinen in den Kopf gesetzt. Später, wenn es heißt, für die rechte Sache Rechtes anzuwenden, versagt ihr dann. Es ist doch immer dasselbe!" ^
„Was geht denn mich der Junge an! Laß seine Mutter für ihn sorgen! Es ist genug, daß ich den Jungen großgezogen habe!" Listig, befreit, sieht jetzt der Engler in des Jägers Auge.
„Du wirst es selbst am besten wissen, alter Junge! Mir war es des Kindes halber. Es ist wahrhaftig schade um den Bengel!"
Der Rauscher reicht dem Engler freundschaftlich die Rechte. Er schlägt die Büchse über seine Schulter, macht sich wegsertig. Der Engler geht mit ihm bis vor das Haus. Sie sprechen über dies und jenes, dann geht der Jäger seinem Walde zu...
Frau Agnes' Junge hockt erstarrt in einem Winkel. Er kann nichts denken und kein Glied am Leibe rühren. Sein eigenes Blut hört er durch seine Pulse jagen, der Kopf ist ihm zum Bersten heiß.
Es ist unfaßbar, was er hier erlauscht hat. Daß er kein Jäger werden soll, ist noch das wenigste für ihn. Damit wird er sich abzufinden wissen. Daß ihn jedoch der Engler, jener Mann, den er hoch über alle stellte, den er liebte, wie nur Kinder ihren Vater lieben können, auf einmal jetzt verleugnet, tut furchtbar, unermeßlich Weh. lind „Agnes" ist nun dennoch seine Mutter?
Der Junge kann zuerst das alles nicht begreifen. Er bäumt sich auf gegen das Neue, sein Herz will von dem allen noch nichts wissen. Es wird viel Zeit vergehen
müssen, um dieses alles zu verwinden. Das Leben hat die . schlimmste Wunde in sein Kinderherz gerissen.
Und als der Engler jetzt von draußen kommt, da jagt er wie gehetzt vor ihm davon. Den ganzen Tag verkriecht er sich dann irgendwo im Garten. Er kann nicht weinen und nicht schreien. Er weiß nur, daß er niemand hat, zu dem er Vater oder Mutter sagen kann! Und daß er niemanden, niemanden eine Freude macht!
Erst spät am Abend kommt er dann zum Vorschein.
Man hat ihn nicht einmal vermißt. Die Tante nur, die schimpft mit ihm heute ganz abscheulich. Er hat ja seine Arbeit nicht verrichtet.
Da kriecht er, scheu und müde wie ein Tier, mit dump fem Kopf und einem heißen Schmerz im Herzen, auf sein Lager. Er möchte sich in seine Decke bis tief unter die Erde verkriechen, und wagt dabei kein Glied zu rühren.
Am Morgen erst zwingt ihn der Schlaf. Und dann kommen endlich auch die Tränen. Er fühlt zum erstenmal, so tief und dumpf, wie es selten junge Menschen fühlen, daß jede Kreatur auf sich allein im Leben angewiesen ist, daß wir uns selbst durch dieses Leben ringen müssen, ohne daß Eltern und Geschwister oder andere Leute, mögen sie es noch so gut meinen, uns helfen können.
Zweiundzwauzigstes Kapitel.
Frau Agnes wird nicht froh im Leben. Die Sorge drückt sie schier zu Boden, die Sorge um die Kinder und die Angst, immer und immer denken zu müssen, ob Wohl das Geld, das sie für eine Hilfeleistung bekommt, auch bis zur nächsten reichen wird. Er ist nicht groß, ihr jetziger Bezirk, und dementsprechend ist ihr Einkommen. Sie muß viel Nebenarbeiten verrichten, um sich und ihre Kinder zu ernähren. Sie hilft den Bauern bei der Feldarbeit, sie schneidert nebenbei, gibt sich zuweilen auch als Wasch- und Kochfrau her. Was sie verdient, das sind jedoch nur Hungergroschen. Dazu muß sie die eigenen Kinder noch vernachlässigen. Es ist ein Glück, daß jetzt ihr Walter ein gescheiter Bengel wird. Der ist recht folgsam, wartet schon das kleine Schwesterchen. Aber es tut Frau Agnes in der Seele Weh; sie ist voller Unruhe und Angst, wenn sie die beiden von früh bis abends ohne Aufsicht sich selbst überlassen muß. Frau Agnes sitzt zuweilen eine ganze Nacht, de» nächsten Tag und dann noch einmal eine Nacht bei fremden Leuten. Sie hat dann nicht nur Beistand und Verantwortung für die in schwerer Stunde liegende Mutter zu tragen, sie sorgt sich noch um die eigenen Kinder, die jetzt allein und auf fremde Hilfe angewiesen sind. Man nutzt Frau Agnes, die noch Anfängerin ist, im Beruf gar weidlich aus, und ist der Meinung, sie hätte weiter nichts zu tun, als allen Leuten hier und dort gefällig zu sein. Sie müßte obendrein sich freuen, recht viel Beschäftigung zu haben. Nur beim Bezahlen ihrer Mühe, ihrer Hilfeleistung, zieht man diese Ansicht weit weniger, in Betracht.
Frau Agnes hat in ihrem Berufe «icht gefunden, was sie erwartete. Er verlangt viel Pflichtbewußtsein und höchste Leistungen von den Trägerinnen, ohne fie dafür aller Not und Sorge zu entheben.
Und obendrein beneiden sie die Leute noch. Beneiden sie, daß sie nicht so wie andere Frauen des Ortes schwerste körperliche Arbeit verrichten muß; den Tag einteilen kann, wie sie es will, das Leben sich nach eigenem Wunsche gestalten kann. Beneidet sie um ihre Weißen, «nzerschunde- nen Hände, um jede Bluse, jeden Rock, den sie aus alten Sachen, einstiger Herrlichkeit, zu neuem Schmuck sich bereitet. Beneidet sie schier um die Luft, die sie gemeinsam mit diesem dummen, hirnverbrannten Volke atmet.
Und eines Tags ist es so weit, daß diesem Neid und dieser Dummheit eines Tischlermeisters Frau die Krone aufsetzt. Sie fährt nach Breslau, meldet sich auch zu einem Hebammenkursus an. Sie will's in Zukunft so gut wie Frau Agnes haben, will ihr das Leben reichlich sauer machen und recht tüchtig Konkurrenz bereiten.
Frau Agnes lacht zuerst darüber. Dann wird sie ärgerlich, und später macht sie sich viel Kummer. Wie soll es werden, wenn sich künftig zwei Frauen in den schmalen Verdienst des kleinen Ortes teilen sollen? Was wird das! noch für neue Not und neuen Aerger geben? ^