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Ai ^ - freist. Sarirstag oen 5. Mai 1028

51. Jahrgang

Zur Lage.

In der deutschen Politik ist nun der Wahlkampf in vol­lem Gange und er wird sich in den letzten zwei kommenden Wochen vor dem 20. Mai immer mehr steigern. Das Rot- "frontverbot des Reichsinnenministers von Keudell wurde, dem Antrag von 16 deutschen Landesregierungen entspre­chend, durch einen Beschluß des Reichsgerichts abgelehnt. Es ist dies eine bittere Pille, die das Reichsgericht dem Reichsinnenminister just zwei Wochen vor den entscheiden­den Wahlgängen in Reich und Ländern zu schlucken gibt. Irgendwelche politische Folgerungen daraus werden aus praktischen Gründen nicht eintreten, denn zwei Wochen vor den Wahlen wäre ein Ministerwechsel sinnlos. Viel bedroh­licher erscheint unsere Wirtschaftslage durch die kommende Kohlenpreiserhöhung um durchschnittlich 1 Mark pro Tonne und die Gefahr einer Erhöhung der Eisenbahntarife. Die Reichsbahn hat der Regierung hierzu eine Denkschrift vor­gelegt. So erfreulich die Lage am Arbeitsmarkt sich gestal­lt, so schwer muffen sich Maßnahmen wie Kohlenpreis­erhöhung und Tariferhöhung bei der Reichsbahn auf die Allgemeinheit auswirken. Nimmt man noch dazu, daß in Wahlzeiten bekanntlich viel gelogen wird, so kann man ver­stehen, daß die Gerüchte über eine neue Inflation nicht ver­stummen wollen. Ein neuer Währungszerfall in Deutschland M aber gar nicht denkbar, zumal unsere ganze Finanz- gebahrung ja der Kontrolle des Reparationsagenten unter­steht. Was zu befürchten ist, ist eine neue Preiswelle, die freilich von vielen als die Schraube ohne Ende betrachtet roird. Der Vertreter der Bank von Frankreich verhandelt r« diesen Tagen in Berlin mit dem Reichsbankpräsidenrsn Dr. Schacht. Es wird behauptet, daß dabei nur die Frage der Stabilisierung der rumänischen Währung besprochen

würde. Aber es ist kein Zweifel, daß es sich um die Stabili­sierung des französischen Franken handelt. Man rechnet da­mit, daß Poincare im Laufe des Sommers, im Juni oder Juli, die Entwertung des Franken um 80 Prozent gesetzlich festlegen will. Die französische Bank soll sich in London und Reuyork, auf den Weltmärkten der Eeldleute, bereits ge­wisse Zusicherungen verschafft haben. Die Berliner Verhand­lungen sollen die Unterstützung der Reichsbank bei der Frankenstabilisierung sicherstellen.

s. Die Reichsregierung hat in dieser Woche eine klare Ant­wort zum amerikanischen Kriegsächtungspakt gegeben. Sie ist bereit, einen solchen Vertrag zu unterzeichnen und sieht in den von ihr eingegangenen Verträgen keinen Hinde­rungsgrund. Zu dem französischen Gegenentwurf nimmt die deutsche Note keine Stellung, aber es werden in ihr zwei Punkte hervorgehoben: Deutschland nimmt das Recht der Selbstverteidigung in Anspruch und erwartet, daß nicht nur die sechs Großmächte den Kriegsverzichtpakt eingeheu. daß er vielmehr auch auf die übrigen Staaten ausgedehnt wird. Ein derartiger Vertrag müsse auch das ist aus der deut- fchen Note herauszulesen die Vorstufe der allgemeinen Abrüstung sein, die in Genf so erbärmlich zum Stillstand 'gekommen ist. Die Aufnahme der deutschen Note in Wa­shington war eine überaus freundliche und hat die Eng­länder veranlaßt, ihre Antwort zu beschleunigen. Lham- berlain, der britische Außenminister, wird sich zwar wieder sehr diplomatisch ausdrücken und seinen französischen Freunden um Briand die Steigbügel halten müssen, damit man in Paris nicht allzusehr in den Verdacht des Kriegs­hetzers gerät.

Kriegsstimmung herrschte in dieser Woche zwischen Eng­land und Aegypten. Die ägyptische Regierung und das Par­lament wollten ein Gesetz erlassen, das die Freiheit des Vsr- sammlungswesens in Aegypten sicherstellte. England sandte eine Note und drohte mit Kriegsschiffen. Daraufhin gab Aegypten nach. Auch in China scheint sich der Bürgerkrieg zu verwirren durch das Eingreifen japanischer Truppen auf der Halbinsel Schantung. Es kam bereits zu Kämpfen zwi­schen Chinesen und Japanesen bei der Stadt Tsinanfu.

Den deutschen Ozeanfliegern wurde in Neuyork und Washington ein überaus herzlicher Empfang bereitet und die Vegrüßungsfeste werden noch einmal eine Woche weiter­gehen. Die Begeisterung der Amerikaner für Rekorde ist ja bekannt. Aber es hat sich doch gezeigt, daß dieser Flu^ nich ?e>lkerverbindende und aussöhnende Wirkung hervor-

,- Aus Pommern ist das italienische Luftschiff, mit Eene- ral Nobile als Führer nun zum Flug nach Spitzbergen auf- sestiegen. Der Nordpolflug selbst soll zurzeit der Hellen machte um die Sommersonnenwende stattfinden.

Ser Ausschuß für DttmlMMfom

Berlin, 4. Mai. Freitag vormittag trat im Pfeilersaal des Reichskanzlerhauses der im Januar von der Länderkonferenz beschlossene Ausschuh für Verfassungs- und Verwaltungsreform zu seiner ersten Sitzung zusammen. Den Vorsitz führte in Ver­tretung des auf Erholungsurlaub befindlichen Reichskanzlers Dr. Marx sein Stellvertreter. Rekchsjustizminister Herst. An der Sitzung nahmen die neun von der Reichsregierung berufenen Mitglieder teil, nämlich: die Reichsminister Dr. v. Keudell, Dr. Köhler, Dr. Curtius und Dr. Schätze!, Reichsminister a. D. Hamm, die Aniversitätsprofessoren Eeheimräte Dr. Anschütz und Dr. Triepel, llnterstaatssekretär a. D. Busch und Reichstags­abgeordneter Dr. Brüning, sowie die neun Ländervertreter, Ministerialdirektor Dr. Brecht (Preuhen), Ministerpräsident Dr. H-.ld (Bayern), Ministerialdirektor Dr. Poetzsch-Heffter (Sach­sen), Staatsminister Bolz (Württemberg), Gesandter Honold (Baden), Staatsminister Dr. Leutheusser (Thüringen), Staats­präsident Adelung (Hessen), Bürgermeister Dr. Petersen (Ham­burg), und Ministerpräsident Deist (Anhalt). In Begleitung der Ländervertreter bezw. als Stellvertreter waren u. a. an­wesend: Staatsminister Dr. Stütze! und Gesandter Dr. v. Preger (Bayern), Gesandter Dr. Bosler (Württemberg), Gesandter Dr. Ruh (Hessen), Senator Dr. Strandes (Hamburg) und llniversi- tätsprofessor Dr. Nawiasky. Staatsminister a. D. Reichssvar- kommissar Saemisch nahm als Generalsachverständiger an der Sitzung teil. Nach kurzen Vegrühungsworten durch den Vor­sitzenden erstattete der Reichsminister des Innern, Dr. v. Keu­dell, ein Sachreferat über das Arbeitsprogramm, an das sich eine Aussprache anschloh.

Berlin, 4. Mai. In der ersten Sitzung des Ausschusses für Verfassungs- und Verwaliungsreform wird man sich, wie schon mitgeteilt worden ist, zuerst eingehend mit den Fragen der Geschäftsordnung befassen. Hierbei handelt es sich vor allem um die Frage, welches Gewicht die Stimme des Reichskanzlers als des Ausschußvorsitzenden bei der Abstim­mung haben soll, da den 9 Stimmen der Reichsregierung 9 Stimmen der Länder gegenüberstehen, kommt einem Stimmrecht des Kanzlers besondere Bedeutung zu. Nach derTäglichen Rundschau" wird man wohl in Fragen der Geschäftsordnung dem Reichskanzler das ausschlaggebende Stimmrecht übertragen. In sachlicher Beziehung wird in der Hauptsache das Arbeitsprogramm festgelegt, bestimmte Ar­beitsgebiete abgegrenzt und in Verbindung damit die Re­ferate verteilt werden.

Die Nachmittagssitzung des Ausschusses für Verwaltungsreform

Berlin» 4. Mai. In der Nachmittagssitzung des Aus­schußes für Verfassungs- und Verwaltungsreform wurden nach eingehender Aussprache die Verhandlungen zu Ende geführt. Abschließend stellte der Ausschuß noch als zunächst zu behandelnde Probleme fest:

1. Die Frage des Verhältnisses von Reich zu Ländern, insbesondere Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung,

2. die Frage der kleineren und der leistungsschwachen Länder und der territorialen Flurbereinigung,'

3. die sich unbeschadet von Ziffer 1 und 2 ergebenden all­gemeinen Fragen der Verwaltungsreform.

Zu Ziffer 1 und 2 betraute der Ausschuß den Reichs- i minister des Innern, den Reichsminister der Finanzen, Mi- j nisterialdirektor Dr. Brecht (Preußen), Ministerpräsident j Dr. Held (Bayern), Ministerialdirektor Dr. Poetzsch-Heffter ; (Sachsen) und den Reichsminister a. D. Hamm mit der Auf- ; gäbe, mit möglichster Beschleunigung, spätestens bis Ende ; Juni 1928 durch Sammlung von Material und auf andere ^ geeignet erscheinende Weise diskussionsreife Unterlagen für die nächste Sitzung des Ausschußes zusammenzustellen. Zu Ziffer 3 beauftragte der Ausschuß den Reichsminister der Finanzen, Ministerialdirektor Dr. Brecht (Preußen), Staatsminister Dr. Stütze! (Bayern), Staatsminister Dr. Apelt (Sachsen), Staatspräsident Bazille (Württemberg) und Staatspräsident Adelung (Hoffen), in Verbindung mit dem Reichssparkommiffar, Staatsminister a. D. Saemisch, mit der entsprechenden Aufgabe.

Zer Mg M öpWerzeil

^ DieJtalia" über Finnland

! Bardö, 4. Mai. Nachdem das Luftschiff den Bottnischen Meer- ; busen überquert hatte, nahm es über den Wäldern und Hügeln ' Finnlands Kurs auf Vadsö., Es herrscht ruhiges, schönes Wetter E Die letzten Meldungen aus Finnland laßen erkennen, dah dis «Jtalia" scharfem Nordwind begegnet ist. Das Luftschiff hat iy k den letzten Stunden nur lehr geringe Fahrt gemacht. Vadsö

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liegt 200 Kilometer östlich des Nordkaps im norwegischen Finn­marken an dem ins nördliche Eismeer mündenden Baranger Fjord. Von Vadsö bis zum nächsten Hauptziel des Flugs, nach Spitzbergen, sind es noch 1000 Kilometer. Die Strecke Stolp! Vadsö beträgt über 2000 Kilometer.

DieJtalia" in Vadsö gelandet Vadsö, 4. Mai. DieJtalia" landete Freitag vormittag 8.10 Uhr in Vadsö am Varanger-Fjord.

DieJtalia« iu Vadsoe

Badsoe, 4. Mai. Heute abend herrscht hier starker Regen mit Tauschnee. Die Wetteraussichten lauten auf steifen Nordwestwind. Nobile hat das Luftschiff noch nicht verlaßen.

Verzögerung des Weiterflugs derJtalia« Vadsoe, 4. Mai. Da die Witterungsverhältnisse zwischen Vadsoe und Spitzbergen nicht günstig sind und es in Green Harbour schneit, wird der Aufenthalt derJtalia" hier sich über einen längeren Zeitraum als berechnet erstrecken« Vielleicht wird es sich um einige Tage handeln. Bei der Festmachung am Haltemast erhielt das Luftschiff einen kleinen Riß an der Spitze. Abgesehen von dem letzten Teil der Fahrt, wo es schneite und ziemlich stürmte, hatte! d>e ..Jtalia" auf der Reise gutes Wetter

Spitzbergen, dasBoldonnell" für NordpsMeser

romantisch, ein ungeheurer Block aus Eis und Granit, so taucht Spitzbergen, dieser nördlichste Vorposten der zivilisierten Welt, aus dem blauen Meer auf. Früher Ziel der Nordland­reisenden, ist jetzt dieses Eiland aus Eis und Schnee Stützpunkt und Luftschiffbasis für die Polarforscher. Wie vor wenigen Wochen das Interesse der Welt auf den Flugplatz Valdonnsl in Irland gerichtet war, so harrt man jetzt mit Spannung der Jtalia" mit ihrem kühnen Führer General Nobile und seines Fluges über den Nordpol. Spitzbergen besitzt bereits eine Tra­dition als Ausgangspunkt für Polarexpeditionen. Graf Zeppelin hatte für seinen geplanten Polarflug dort Station gemacht, kleine rote Gebäude, eine meteorologische Station und die Rests einer Luftschiffhalle geben noch Zeugnis ab von den Plänen des genialen Erfinders. Auch die anderen Polarforscher benützten Spitzbergen als Start- und Landungsplatz, und der amerikanische Nordvolbezwinger Wilkins ist dort erst vor einiger Zeit gelandet- Von der Zeppelin-Expedition des Jahres 1910 ist auch noch der hohe eiserne Haltemast vorhanden, an dem das Luftschiff ver­ankert werden sollte. Die Hausse in Nordpolexveditionen hat in dem einsamen Spitzbergen und besonders in der kleinen Hafen­stadt Green Harbour in der Kingsbay reges- Leben geboren« Wer weih, vielleicht erhält das eisumschlossene Spitzbergen noch einmal wirtschaftliche und politische Bedeutung, wenn es ge­lingen wird, das Nordpolgebiet zu erforschen und für Menschen erschließbar zu machen. Aber das sind Zukunftsvhantasien. Vor­erst leben in dem ca. 60 000 Quadratkilometer groben Gebiets nur ca. 1000 bis 1500 Menschen. Ja, bis zum 14. August 1928 gehörte dieses riesige Territorium keinem Lande, es war Nie­mandsland, und erst an diesem Tage wurde es mit Zustimmung der Großmächte Norwegen einverleibt.

Spitzbergen wurde im Jahre 1596 von dem Holländer Bar- rents entdeckt, und Nieuwland (neues Land) benannt. Aber nie­mand wagte sich dort anzusiedeln, und erst im Laufe des 19. Jahr­hunderts wurde das Gebiet näher erforscht. An der Erschließung Spitzbergens find deutsche Forscher hervorragend beteiligt, so Koldewey 1868, von Heuglin 1870, Kükenthal 1886 und 1889. Dem Golfstrom, der Spitzbergen umspült, ist es zu danken, daß trotz der nördlichen Lage die Durchschnittstemperaturen im Ver­hältnis nicht allzu niedrig sind. Das Jahresmittel beträgt un­gefähr7,6 Grad, die Mitteltemperatur des kältesten Monats März17 Grad, und die Durchschnittstemveratur des wärmsten Monats Juli -5 4,8 Grad. Daher ist auch die Flora nicht allzu dürftig. Es wurden von-Forschern 122 Gefäßpflanzen beobachtet. Die Renntiere finden auf groben Flächen die mit Moos und Farnen reichlich bewachsen sind, Nahrung. Von Landsäugetieren finden sich dort außer dem Renntier noch Blaufüchse, Eisbären und Weißfüchse. Die Einwohner leben vom Walfisch- und See­hundfang und von der Renntierzucht.

Auch die Industrie hat in dieser Eiswüste bereits Boden ge­faßt. Auf dem östlichen Teile, dem sogenanten Jakobland, hat man Kohlenvorkommen gefunden. Der Abbau rentiert sich des­wegen, weil er fast ganz im Tagebau geschehen kann. Es ist selbstverständlich schwer, Arbeiter für diese von der Welt nahezu abgeschnittene Gegend zu finden. So müssen sich denn auch di« Arbeiter verpflichten, fünf Jahre dort auszuharren. Die An­kunft eines Schiffes aus Norwegen in Kingsbay ist immer ein Ereignis für die Einwohner, die hier auf dem nördlichsten Vor-, Posten Europas den unendlichen Eismassen gegenüber leben. Was muß erst das Luftschiff des General Nobile für ein Er­eignis für sie bedeuten? Fromme Wünsche werden dieJtalia" * begleiten, wenn sie einsam und stolz ihren Flug antritt über die unendliche Eiswüste nach unbekannten und unerforschten Ge­bieten! --