_ Hermann Hesse-Abend.

Der Württb. Goethebund^eranstaltete am"Mitt- woch abend im Gustav Sieglehaus in Stuttgart einen Volks-Unterhaltungsabend, der unsrem engeren Lands­mann, Hermann Hesse, und seinem Schaffen gewidmet war. Das Stuttg. Tagblatt berichtet darüber:

Von jedem Menschen gehen unsichtbar und unmeß- bar Strahlen seines Wesens aus. Je lebendiger er in sich ist, um so stärker". Diese Worte Lhotzkys kamen mir gestern unwillkürlich ins Gedächtnis und ihre Wahr­heit mutzte umsomehr fühlbarer werden, wenn ein so glückliches Bemühen der Mitwirkenden, wie beim gest­rigen 34. Volksunterhaltungsabend im Gustav Siegle­haus, die Arbeit des Dichters den Anwesenden nahe zu bringen wußte. Mit einer kurzen und doch so lebens- als eindrucksvollen Rede von Redakteur Hermann Mis­senharter (Württbg. Ztg.), wurde der Abend eingc- leitet. Er erzählte uns von Hermann Hesses Lebens­schicksalen, seinen Werken, wie sie eine reine und gütige Liebe zur Menschheit atmen. Nicht etwa mit dem RomanPeter Camenzind" des Siebenundzwanzig- jährigen hat, wie viele glauben, das dichterische Schaf­fen Hesses die Höhe überschritten, sondern es bedeutet .dieses Werk nur den Abschluß der Jugend und das Er­wachen zu hellerem Tage mit gereifterem Schaffen. Aus der Subjektivität der lyrischen Stimmung ringt sich der Dichter nunmehr zu einer objektiveren Gestaltung durch. Aber nicht nur ein reifer Dichter ist Hesse, son­dern auch ursprünglichster Dichter: die in seinem In­nern zur Reife gekommenen Bilder drängen zu plötz­licher Verwirklichung. So hat er seineGertrud" in nur wenigen Tagen niedergeschrieben". Diesen schö­nen Beschreibung von Hesses Wesen und Kunst schlossen sich dann Vorträge verschiedener Gedichte und Erzählun­gen durch Stuttgarter Schauspieler an, und Fräulein < Elisabeth Wesler sang Lieder von Hesse.Es ist schade und tief zu bedauern," meint der Rezensent de: Wrttb. Ztg.,daß sich bisher die modernen Komponisten noch verhältnismäßig wenig um die feinen Edelsteine der Hesseschen Lyrik gekümmert und lieber zu harmlosen und unbedeutenden Sächelchen von Hartleben und Vier­baum gegriffen haben. Das scheint jetzt allmählich an­ders zu werden. Da und dort kann man in letzter Zeit Lieder von Hesse singen hören und wenn die gestrigen Proben keine rühmlichen Ausnahmen, sondern einen typischen Beweis bilden, so hat er auch seinen Kom­ponisten gefunden in Othmar Schoeck. Dieser Komponist versteht alle Stimmungen Hesses. die zarten feinen und besinnlichen, wie auch die frischen und von sonniger Heiterkeit durchleuchteten musikalisch voll auszuschöpfen. Seine Melodien find dabei durchaus ursprünglich in der Melodik und gut sangbar. Vielleicht wird Schoeck für Hesse, was Hugo Wolf für Mörike war. Wenn man durch den Komponisten wieder mehr des Lyrikers Hesse gedächte und seine Lieder zum Besitz des deutschen Hauses machte, so wäre das sehr rfreulich. Die Vorbedingungen dazu scheinen erfüllt zu sein. Der Abend wurde für die Kunst Hesses und für den Dichter zu einem schönen Ehrenabend."

Ob nicht auch einmal für die Vaterstadt des Dich­ters ein Abend am Platze wäre, an dem man über seine Dichtungen reden und seine Lieder fingen hören würde? Wo sind die Hesseverehrer? Ein derartiger Georgenäumsvortrag" würde ein volles Haus bringen!

Württemberg.

Württembergischer Landtag.

Stuttgart, l2. Februar.

Die Zweite Kammer nahm heute zunächst die Ab­stimmungen über die Frage der Arbeitslosenfürsorge vor.

Der Antrag Wieland betreffend gleichmäßige Be­rücksichtigung der organisierten und Nichtorganisierten Arbeiter bei Gewährung von Staatsbeiträgen wurde mit 78 gegen 4 Stimmen, der Antrag Kiene, betreffend die Gewährung von Staatsbeiträgen an Gemeinden zur Unterstützung unverschuldet arbeitslos Gewordener mit 59 gegen 23, der weitere Antrag Kiene betreffend Berücksichtigung des Kleingewerbes bei der Vergebung von Lieferungen für Heer und Marine einstimmig, der Antrag Hiller, betreffend Gewährung von Staatsbei­trägen an Wohltätigkeitsvereine zur Unterstützung der Arbeitslosen, mit 45 gegen 33 Stimmen bei 3 Enthal­tungen angenommen. Sodann wurde die in der vori­gen Woche abgebrochene Beratung des Gesetzentwurfs über die Pensionsrechte der Körperschaftsbe­amten und ihrer Hinterbliebenen fortgesetzt. Ein Ausschußantrag, wonach das Witwengeld und die Wai­senaussteuer von den Pensionen nicht abgezogen wer­den dürfen, wurde trotz des Widerspruchs des Ministers und unter Ablehnung eines Antrags des Bauernbunds angenommen. Art 7 wurde ohne Debatte genehmigt. Zu Art. 8, der die Beitragsleistungen der Kassenmit­glieder regelt, lag eine Bitte des Vereins der Körper­schaftsbeamten vor, die Eintrittsgelder zu erlassen. Das Haus beschloß entsprechend dem Ausschußantrag ein 10- prozentiges Eintrittsgeld.

Nach Erledigung einiger weiterer Ziffern des Ar­tikels wurde die Weiterberatung auf morgen 9 Uhr ver­tagt, außerdem Landespolizeizentrale.

Eine Erklärung des Bischofs.

Rottenburg, 12. Febr. Nach den Berichten über die Verhandlung des Prozesses KochRieg in Ulm hatte Professor Koch über eine mit dem Bischof Dr. v. Kepp- ler am17. März 1913 geführte Unterredung bekundet: Der Bischof habe ihm gesagt, der Fall ließe sich glatt erledigen, wenn nicht ein geistlicher Herr wäre, der in Aussicht gestellt habe, das Material nach Rom zu schicken, wenn der Fall nicht so erledigt werde, wie er ihn er­ledigt haben wollte. Auf die wiederholte Frage habe der Bischof nochmal gesagt, der Fall ließe sich glatt er­ledigen." Dazu bemerkt der Bischof folgendes: Heber die 2>L Stunden dauernde Unterredung am 17. März 1913 habe ich sofort nachher genaue Aufzeichnungen ge­macht. Mit diesen stimmt die obige Wiedergabe meiner Worte nicht. Von einerglatten Erledigung" ge­sprochen zu haben, kann ich mich nicht entsinnen. Wäre dieser Ausdruck gebraucht worden, so hatte er jeden­falls nicht den Sinn, der Bischof würde ohne weiteres von Klage und Enthebungsantrag zurücktreten, wenn nicht die Meldung nach Rom in Aussicht zu nehmen wäre. Denn der Bischof hat wieder und wieder, auf wiederholte Anfragen des Professors, nachdrücklichst be­tont, er müsse und werde seine Klage aufrecht erhalten und weiterführen, weil er ihn seiner ganzen Geistesrich­tung und Herzensstellung nach für den Vortrag der Dogmatik als nicht geeignet betrachten müsse, wenn nicht der Professor von sich aus sich entschließe, von diesem Lehramt zurückzutreten.

Der Mldfang.

28) Novelle von Adolf Schmitthenner.

(Schluß statt Fortsetzung).

Dann suchten seine Augen mich.

Als sie mich gefunden hatten, rief er: Herzbruder! Grüße den Meister und deine Margarete! Grüße mein Weib! Grüße sein Grab!

Herzbruder! rief ich hinauf.

Valentin kniete jetzt nieder neben dem Pfarrer und hörte auf dessen Gebet. Dann stand er auf und reichte dem Geistlichen und dem Henker die Hand. Seine Augen grüßten mich noch einmal. Darauf kniete er nieder und legte den Kopf auf den Block.

Der Henker ließ sein Schwert im Sonnenschein funkeln. Das Eisen war so lauter und blank wie damals, als Kuni­gunde und Valentin es miteinander geputzt hatten. Der Henker besah die Bilder auf der Breite des Schwertes, und mit lauter Stimme las er die Beschrift:

Wenn ich das Schwert tu aufheben.

Dann schenke dir Gott das ewige Leben!

Amen! rief eine Stimme aus der Menge.

Der Meister hob das Schwert hoch in beiden Händen ein Blitz zuckte herunter ich schloß die Augen . . .

So erzählte der Ratsherr und Schwertfegermeister aus dem Burgweg zu Heidelberg seinem Stubenherrn hoch oben auf dem Turmaltan der Heiliggeistkirche. Sie saßen neben­einander auf dem Bänklein, dem herunterrauschenden Neckar zugekehrt. Das weiße Haar des alten Mannes und die dunkelblonden Locken des Jünglings leuchteten im Sonnen­schein. Die Schwalben flogen über ihnen hin und her, und von Viertelstunde zu Viertelstunde raffelte es im Uhrwerk und dröhnte der Glockenschlag.

Johannes hatte seine Erzählung beendet. Jodokus schaute ihn an mit feuchten Augen und griff nach seiner

Hand. Da aber der Alte seine Augen geschlossen hatte, saß Jodokus stille wartend da, derweilen eine Träne über seine Wange schlich. Als der Meister die Augen aufschlug, drückte ihm der Studiosus die Hand und sagte leise: Ich danke Euch.

Der Meister stand auf, sah nach der Sonne und dann über die Stadt hin und sagte:

Es ist spät geworden. Meine Hausfrau weiß, daß ich mich da oben immer verfilme; aber diesesmal hat es gar lange gedauert; ich schätze, daß sie schon eine ganze Weile unten auf mich wartet.

Er trat an das Geländer und schaute hinab. Als er sein Antlitz wieder hob, leuchteten seine Augen auf, und er rief: Nein, sie kommt eben erst.

Er beugte sich über die Schutzmauer und grüßte mit der Hand einem alten Frauchen hinunter, das vom Barfüßlerkloster her zur Kirche eilte. Sie hatte ihren Blick heraufgerichtet und dankte nickend und winkendem dem Gruße. An der Hand sprang eins ihrer Enkelkinder.

Margarete! sagte der Alte innig vor sich hin. Dann wandte er sich dem Turm zu: Wir wollen ihr entgegen.

Er ging voran. Als sie unter der Glockenstube hin­schritten, hielt der Alte und lauschte. Jodokus warf einen scheuen Blick hinauf nach dem Armensünderglöcklein. Dann eilten sie hastig weiter; der Student war erbleicht, als ob ihm ein Schauder über den Rücken liefe.

Sie stiegen nun langsam die Treppe hinab.

Der Meister war auf der zweitobersten Stufe stehn ge­blieben und hatte seinem jungen Hausgenossen freundlich zugenickt. Das sah dieser für ein Zeichen an, daß er wieder reden dürfe.

Was ist aus Kunigunde geworden? fragte er.

Sie hat den Turm nicht verlassen, antwortete Johannes, sich an dem Seile haltend und dann und wann stehn bleibend. Die Witwentrauer hat sie nicht abgelegt. In die Schmiedes

Jugendliche Verzweiflungstat.

Stndelfingen, 12. Febr. Aus einer hies. Weberei haben sich am Bkontag der 19jährige Weber Karl Weihing und die 17jährige Marta Faißt entfernt. Wei- hing hatte auf seinem Webstuhl einen Zettel mit den Worten zurllckgelassen: Lebet wohl, auf Nimmerwieder­sehen. Man befürchtete, daß die beiden jungen Leute Selbstmordgedanken trügen, machte sie ausfindig und be­wog sie, nach Sindelfingen zurückzukehren. Gestern nach­mittag nahm aber Weihing neuerdings Abschied von seiner Mutter und sagte, daß er jetzt sterben müsse, weil er Lysol getrunken habe. Eine Stunde darauf war er tot. Die Faißt erklärte, sie habe ihrem Schatz verspro­chen, ebenfalls Lysol zu trinken und konnte nur mit Mühe daran gehindert werden, ihm in den Tod zu fol­gen. Wie es heißt, hatten die Eltern Weihings dem Liebesverhältnis Hindernisse bereitet.

Verbranntes Kind.

Reutlingen, 12. Febr. In Wannweil bemerkte ge­stern abend der Hausbesitzer Johannes Hipp einen star­ken Brandgeruch und hörte gleichzeitig ein Kind jäm­merlich schreien. Als er nachsah, fand er das 3^ Jahre alte Mädchen des Fabrikarbeiters Zeiler mit brennen­den Kleidern. Das Kind war dem Ofen zu nahe gekom­men. Es wurde sofort nach Tübingen geschafft, dürfte aber kaum zu retten sein. Auch Hipp hat beim Ersticken der Flammen erhebliche Brandwunden an den Händen davongetragen.

Sinken der Milch- und Fleischpreise.

Göppingen, 12. Febr. In einer Versammlung von Milchhändlern des Bezirks wurde gestern die Ermäßi­gung des Milchpreises von 20 Pfennig auf 18 Pfennig pro Liter beschlossen und zwar vom 16. Februar ab.

Eßlingen, 12. Febr. Angesichts der niederen Preise besonders für fette Schweine haben sich die hiesigen Metzger endlich veranlaßt gesehen, von heute ab beim Schweinefleisch einen Abschlag von 90 auf 85 Pfennig eintreten zu lassen.

Warmbronn OA. Leonberg, 12. Febr. Die Wahl des Stadtschultheitzenamtsassistenten Eugen Stumpf in Bad Liebenzell zum Ortsvorsteher der hiesigen Gemeinde wurde von der K. Regierung des Neckarkreises bestätigt.

Heilbronn, 12. Febr. Der strittige Lotteriegewinn ist gestern den fünf Gewinnern in Beträgen von viermal je 8332.63 und einmal 16 665.28 -K ausbezahlt wor­den. Ob der angebliche sechste Gewinner seine Klage aufrecht erhalten will, ist abzuwarten.

Reutlingen, 12. Febr. Dieser Tage durften Priv. Georg Oberdörfer und seine Ehefrau Barbara geb. Schepperle im Kreise ihrer nächsten Verwandten das Fest der goldenen Hoheit begehen.

Gorichtssaal.

Stuttgart, 12. Febr. Einen unvorhergesehenen Ver­lauf nahm, wie der Beobachter erzählt, dieser Tage eine Verhandlung vor dem Schöffengericht Stuttgart. An­geklagt war der Ehauffeur der Sauerkrautfabrik Echter­dingen wegen Krankenkassensachen. Um nun wegen der Verhandlung keine Zeit versäumen zu müssen, nahm er auf seinem Lastauto eine Ladung Sauerkraut mit nach Stuttgart. Vor Gericht erschien er deshalb in einer Chauffeurkleidung, während er den Wagen bis zur Be­endigung der Verhandlung vor dem Eerichtsgebäude

ist sie niemals mehr gekommen, und ihre Ausgänge hat sie in der Dämmerung gemacht. Ich bin ein unehrliches Weib, hat sie gesagt, und wenn mich die Herrschaft nimmer auf dem Trrme duldet, so ist mein Platz da, wo Margarete niemals hingeht: im Winkel zwischen Mantel und Mauer.

Als der Tilly ins Land kam, schafften wir Margareten, ihren Vater und Kunigundens Vater auf den Dilsberg. Dort haben sie die böse Zeit sicher überstanden. Kunigunde blieb während der Belagerung auf ihrem Posten. Durch verab­redete Zeichen hat sie dem Kommandanten auf dem Schlosse mitgeteilt, was sie vom Turme aus über den Feind erspähte. Bei der Erstürmung der Stadt ist sie getötet worden.

Wie fand sie den Tod? fragte Jodokus.

Wie ein Soldat, im ehrlichen Streit, durch eine Kugel in die Brust.

Wie wir oben auf dem Turme den letzten Kampf hat­ten, nachdem die Tore gefallen und die Häuser ringsum er­stürmt waren wie ich dann mit ihrer Leiche in einem Versteck des Kirchenspeichers die Nacht zubrachte, und wie am andern Morgen die Jesuiten bei ihrem Einzug in die Kirche uns in ihren Schutz nahmen, das erzähl ich Euch ein ander­mal.

Er stieß das Pförtlein auf und hielt die Hand über die Augen, geblendet vom hereinflutenden Sonnenschein. Wo sind sie? fragte er, auf das lichte Pflaster tretend, und spähte rechts und links.

Jodokus, der hinter ihm aus der Finsternis gekommen war, sah lächelnd zur Seite und legte zum Zeichen des Ein­verständnisses den Finger auf die Lippen.

Großvater! Großvater! rief es, und des Meisters Enkel­kind sprang aus der Bude des Geschirrhändlers, worinnen es sich versteckt hatte, und es breitete seine Aermlein um die - Kniee des alten Mannes. Und jetzt stand auch Frau Marga­rete auf, die, um plaudernd zu warten, sich auf den Schemel des Geschirrhändlers gesetzt hatte.