Sonnlügsausgabe

arzwälder TageszeitungAus den Tannen"

Uv. 12

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Altenfteig» Sonntag» 18. Mär;

Bezugspreis im Monat 40 Pfennig Die Einzelnummer . . 10 Pfennig

1928

Sonntagsgedanken.

Frühlingsglaube.

Es muß doch Frühling werden!" Und es ist Frühling geworden, sogar noch vor dem Kalendertermin. Das große, millionensältige Wunder des Keimens und Kno- spens, Grünens und Blühens hat wieder angehoben. Wer nicht ganz stumpfsinnig ist, erlebt es ehrfürchtig mit. Schon die alten Lateiner sprachen vomheiligen Früh­ling". Von jeher hat aber die neuerwachende Natur über alle Freude hinaus, die sie unmittelbar dem aufgeschlosse­nen Gemüt bietet, auch als Sinnbild der Hoffnung für das Menschenleben gegolten.

Wann der Winter ausgeschneiet, tritt der schöne Sommer ein also wird auch nach der Pein, wer's erwarten kann, erfreuet".

So singt der große Sänger aus der furchtbaren Zeit des 30 jährigen Kriegs. Wer's erwarten kann, wer hell­sichtig ist und Geduld hat! So hellsichtig, daß du im Frühlingswunder das Walten 'des Schöpfers sichst, der auch dein Leben gestaltet,- so geduldig, daß du seine Zeit als Leine Zeit betrachten lernst. Wer meint, er müsse den keimenden Samen aus der Erde und die knospende Blume aus ihren Hüllen reißen, der verdirbt beides und bringt sich um die Freude und um die Frucht des War­tens. Ties ergriffener Frühlingsglaube läßt sich durch keinen Rückschlag des Winters, durch keinen Frost und keinen Tod müde, ungeduldig oder irre machen, son­dern greift über alles Sichtbare und über alle Zeit hinaus nach dem, der einst alles neu macht. H. Pf.

Fra« Agnes und ihre Kinder

Der Roman einer Mutter. Don Fritz Hermann Gläser LopprigHt dy Martin Ni»uLtwaugor, Halle (Saale)

, Neuntes Kapitel.

... Dann räumte« wir die Gucke einmal aus. Die Bielauer Weber reden sicher heute noch davon. Heil, di« hatten vor den Weigelsdorser Bauernburschen höllischen Respekt. Und als ich Siebzig plessiert im Bürgerquartie, lag Peterswaldener Rahner, der Lauterbacher Reicheli «ud ich Ware« bei einem Bäckermeister im Quartier. dc teerten wir in Alton« den NudeUops. Militär und Zivil bekamen dort stets Streit miteinander. Durch Regiments­befehl war uns, den Elfern, der Zutritt zu diesem Gast­hause streng verboten worden. Wir drei waren nun aber doch hineingeraten. Und bald gab es die schönste Schläge­rei. Auf unserer Seite wurde blank gezogen, die anderen schlugen mit Bierseideln, mit Stuhl- und Tischbeinen um sich. Na, wir sind noch gut davongekommen. Nur dem Wirt blieb nicht ein ganzes Stück im Saale. Aber das will ich dir andermal erzählen. Heute ist mir eine andere Geschichte frisch im Gedächtnis ..."

Ja, Vater, die möchte ich gern hören! Er­zähle...!"

Frau Agnes' Junge ist gescheit. Er weiß mit dem be­trunkenen Manne richtig umzugehen. Der alte Engler er­zählt ihm wieder und immer wieder die alten Geschichten, von seiner Jugend- und Burschenzeit, von Siebzig und Sechsundsechzig, vom Lindenhof, den er früher besessen und aus dem ihn der ehrgeizige Hartmann getrieben, von Bauern, Höfen und Handelsleuten, die er weit und breit im Lande kennt und von denen er immer etwas zu er­zählen weih. Die Hauptsache aber ist: er läßt dann dem Jungen die Zügel, die Pferde traben, ohne daß ihnen die Peitsche auf dem Rücken tanzt. Das ist des Erfolges schon reichlich genug.-

Und so erzählt er auch heute wieder die alten Ge­schichten, die Frau Agnes' Junge von seinem Großvater Wohl schon zehnmal gehört hat. Denn immer, wenn der Engler einen in der Krone hat, wenn er mit Werner über Land fährt, erzählt er dem Kinde seine Erlebnisse. Was er doch früher für ein Kerl gewesen, wie er gelebt, mit aller Welt und jedem Menschen gerauft habe. Der Junge ist s« klug, ihn ruhig prahlen und gewähren zu lassen. Daun

überläßt er ihm doch wenigstens die Pferde, läßt Zügel und Peitsche in Ruhe und fährt an jedem Wirtshause vor­über ...

Der Junge ist heilfroh, daß es bisher so gut gegangen ist. Nun sind sie schon im Nimptscher Kreise, und haben bald ihr Ziel erreicht. Es ist aber auch Nacht geworden. Der Alte steckt die Wagenlichter an und heißt den Jungen schneller fahren. Wenn das Verladen der zehn fetten Schweine erst vorüber wäre! Der Engler ist zwar nüch­terner geworden, die frische Lust hat ihm sehr gut getan. Doch immerhin...!

Der Bauer, der die Tiere liefern soll, ist natürlich nicht zu Hause. Er muß erst aus dem Kretscham, wo er Karten spielt, herbeigeholl werden. Die Knechte sind zum Teil auf ihrer Kammer, es ist ja spät am Abend. Der Engler will den Bauern selber holen; die anderen sollen einstweilen Waage und Gewicht zur Stelle schaffen. Da wird dem Jungen himmelangst. Er weiß genau, wenn erst der Eng­ler wieder in das Wirtshaus kommt, dann geht das Trin­ken von neuem an. Aber er darf nicht widersprechen, will er den Alten nicht zum Zorne reizen. Er bleibt indessen bei den Pferden.

Dann endlich kommen beide an, der Bauer und der alte Engler. Man hört ihn schon von ferne räsonieren. Der Schimmelbaron ist beim Trinken wieder auf den Ge­schmack gekommen. Das kann ja noch recht lustig werden!

Das Abwiegen beginnt. Die Tiere wollen nicht aus dem Stalle. Das Verladen ist, beim Schein einer dürfti­gen Laterne, ein äußerst mühsames Beginnen. Ein jedes Tier wird einzeln aus dem Stalle gezogen, in ein Trag­gestell und auf die Waage gebracht und dann von kräftigen Armen auf den Wagen gehoben. Die Tiere schreien das ganze Dorf zusammen. Die Männer pusten, schwitzen, fluchen, die Mägde und die Frauen kreischen. Der Schim­melbaron greift zu, so alt wie er auch ist, als hätte er Stahl in den Sehnen. Und endlich ist das letzte Tier verladen. Run geht es an das Rechnen und Bezahlen.

Und Werner luchst, und gibt auf alles acht. Wenn er den Wien nur erst auf dem Wagen hätte! Wenn erst die Pferde aus dem Dorfe trabten! Ja: wenn!, wenn!, wenn!

Der Engler ist ganz anderer Meinung. Der hat, als er Vorhin im Kretscham war, aufs neue Korn geschmeckt. Und den Geschmack hat er noch auf der Zunge. Denn das Gesöff geht einem ja wie Feuer durch die Adern, das macht den Menschen erst zum rechten Kerl! So meinte der Alte, schnalzend, lallend.

Den Bauer ladet er mit auf den Wagen; und peitschen­knallend geht es bis vor das Wirtshaus. Hier sitzt die ganze Stube voller Männer. Mit Hallo wird der Engler gleich empfangen. Auf ihn hat man die ganze Zeit ge­wartet. Denn wo der Schimmelbaron Einkehr hält, da geht es bald laut und lustig zu. Die Wirtsleute bekom­men gut zu tun.

Werner hat auf die Pferde aufzupassen. Die wollen nicht mehr stehen, wollen nach ihrem Stalle und an die Krippe. Die Tiere sind seit frühestem Morgen unter­wegs.

Der Junge drückt sich ängstlich an die Tiere. Wenn das nur gut zu Ende gehen möchte! Er kennt den Alten ganz genau. Wenn er jetzt wieder trinkt, dann wird er unausstehlich. Er fängt bestimmt noch Händel an. Wie oft ist es schon vorgekommen, daß sich das Kind zwischen die Männer stellen mußte, um Schlägereien und Totschlag zu verhüten. Nur um des Kindes halber schonte man de« Alten. Dem Jungen ist heute himmelangst!

Und auf dem Wagen peitscht der Engler dann sicher die Gäule, daß sie sich kaum im Zügel halten lassen. Der Wa­gen ist heute ganz besonders schwer geladen. Die Räder knarren an allen Speichen. Wenn Unvorsichtigkeit die Zügel führt, muß es heute noch ein Unglück geben. Wenn nur die Heimfahrt gut vonstatten ginge!-

Der Junge schleicht sich immer wieder zu dem Alten, bittet, bettelt, weint und fleht. Der Mann ist wie vom Teufel selbst erfaßt. Das Kind, auf dessen Bitte er sonst immer hört, hat seine Macht heute über ihn verloren...

Die Peitsche an der Schulter, das Branntweinglas in der erhobenen Rechten, steht er am Schanktisch, zecht, er­zählt und prahlt, und fängt zum Schlüsse mit allen Hän­del an. Mit dem Wirt, der seinen Schnaps zu teuer

verkauft; mit den Bauern, die ihre Schweine und daN Vieh zu füttern nicht verstehen; die ihn gemeinsam heute betrügen und bestehlen wollen.

Zuerst lacht man aus vollem Halse; man trampelt mit den Füßen, ruft ihm freche Worte zu. Der Engler bleibt keinem die Antwort schuldig. Die Stimmung wird nu« schon gereizter. Man reckt sich vor, der Wirt besänftigt, manche springen von den Stühlen auf. Die Männer drän­gen sich jetzt um den Engler. Man schreit, gestikuliert, und stürzt den Branntwein wie das Wasser durch die Kehle.

Der Junge faßt den Alten an der Hand; er weicht nicht mehr von seiner Seite. Und wieder sagt der Engler je­mandem ein hartes Wort. Der andere springt auf, erregt, mit aufgedunsenem Gesicht. Der Engler soll das Wort zurücknehmen, denn sonst... Mit beiden Fäusten packt er zu und hält den Engler an der Brust. Dem steigt der Fusel in den Kopf. Im Augenblick dreht er die Peitsche um. Er schlägt mit ihrem harten Heft den anderen mitten in dar Gesicht...

Ein Schrei! Ein Taumeln! Männer stürzen auf de« Engler zu...

Der Junge reißt blitzschnell den Alten durch die Tür oer Wirtsstube. Sie knallt zu. Der Schlüssel dreht sich schon im Schlosse...

Das macht den Alten nüchtern, bringt ihn halbwegs zu Verstand.

Auf den Wagen! Schnell! Wir müssen auf und da­von fahren!"

Mit seinen schwachen Kräften Hilst das Kind dem alte« Manne.Galopp!" Ein Peitschenhieb! Die Pferde lass«» rs sich nicht zweimal sagen...

Da drinnen bricht die Tür aus ihren Pfosten. Fluchet' Schreie! Verwünschungen! Männer taumeln aufgeregt! ins Freie. Fäuste recken sich zum Himmel hoch. Und einer! kommt noch an den Wagen, der schon im Rollen ist. Ei«! Griff, ein Klingen, und ein Teufelslachen!Fahr' zu, d» Händlerseele! Du entgehst nicht deinem Schicksal!" Die- Schimmel liegen in den Sielen, als brauste der Leib­haftige davon...

Gott sei gedankt!" Der Junge spricht's aus volle« Herzen. Mit heiler Haut ist heute der Schimmelbaro« noch davongekommen. Man hätte ihn sonst lahm und bla« geprügelt.

Gott sei gedankt! Es hat ein jedes Kind und jeder Trinker seinen Schutzgeist. Der wendet manches Un­heil ab."

Die Nacht ist längst hereingebrochen. Der Weg nach Hause ist sehr weit. Aber die beiden Schimmel laufen, der Wagen rollt, daß selbst dem Engler bald das Herz im Leibe lacht. Die beiden Gäule und der Junge! Da läßt der Alte nichts darauf kommen. Die haben ihn schon manchmal aus einer Not herausgeholfen. Es ist ein Staat, wie die beiden Tieren vorwärts rasen. Und wie das Kind die Zügel führt. Der Wagen fliegt jetzt schier an Strauch und Baum vorüber, die längs der Straße und aus der Nacht heraufwachsen. Nachtgespenster, Wegmerkmale...

Krampfhaft hält das Kind die Zügel in den Keine« Fäusten. Das Kerlchen sitzt gebannt, die Blicke geradeaus und in die Dunkelheit gerichtet. Er sitzt, als hielte er eines Schiffes Steuer. Ein Flackerlicht zeigt ihm den Weg. Die Schimmel vor ihm dehnen sich wie Nebelflecke. Prellbock­steine, hart an Gräben und an Gruben aufgerichtet, rufe« ihm eine grelle Warnung zu.

Der Junge und die beide« Gäule! Auf diese drei ist noch Verlaß auf dieser Welt! Der Alte spricht es lallend in die Winde. Die Pferde ketten mit den Hufen nach. Der Junge und die beiden Schimmel! Da Hab' ich meine Freude dran! Und langsam fühlt er sich geborgen und zufrieden. Die Freude läßt ihn ruhig lächeln, macht müde, malt ihm Träume vor. Auf einmal ist der alte Engler ein­geschlafen. Er lehnt in seiner Ecke wie ein Klotz, ver­schnarcht die Zeit, die ganze Welt und sein Betrunken» sein...

Auf einmal ein tief-dumpfer Schlag! Ein Knirsche«, Schreien, Helles Schweinegrunzen! Der Wagen taumelt, stürzt, und wird aus seiner Bahn gerissen. Den Junge« wirft es vom Kutscherbock; er fliegt zur Seite, wie ein Bündel hingeschleudert. Die Pferde und der Wagen stehen

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