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Aus Sladk und Land-
Altensteig, den 16. März 1928.
Raubmord in All ellsteig
Gestern abend ereignete sich hier ein schauererregender Mord. Nachbarn fanden abends Frau Seifensieder Friedrike Steiner in ihrem Kaufladen im Blute liegend tot auf. Ueber die näheren Umstände der Tat herrscht noch Dunkel.
Frau Seifensieder Steiner, Witwe, lebte allein in ihrem Hause und besorgte trotz vorgerücktem Alter immer noch ihr Ladengeschäft. Auf die Mordtat wurden Nachbarn dadurch aufmerksam, daß gestern abend, angeblich lchon nach 5 Uhr, Leute in den Laden wollten, um Einkäufe zu machen und wiederholt vergeblich an der Ladenglocke läuteten. Dies kam bei der alleinstehenden Frau zwar ab und zu vor, aber da dieser Zustand anhielt und bei de: eintretenden Nacht auch kein Licht gemacht wurde, beunruhigte sich die Nachbarschaft immer mehr und ein Nachbar und eine Nachbarin entschlossen sich, nach Frau Steiner zu sehen. Den Laden fand man verschlossen vor und so gingen die Nachbarn in die Wohnung im ersten Stock. Als man Frau Steiner dort nicht fand, gingen die Suchenden vom Hausgang zum Laden und fanden sie hier in einer großen Lache Blut vor dem Ladentisch liegend mit einer furchtbaren Wunde über dem Schädel tot vor. Eine Eisenstange, mit der die Verstorbene ihren Laden zu schließen pflegte, fand man später mit Blutspuren und Haaren, woraus man dann ersah, daß die Tote erschlagen worden war. Die Ladenkasse fand man, abgesehen von einem kleinen Betrag, leer vor. Sonst aber war im Laden nichts besonders auffallendes wahrzunehmen.
Ueber den Zeitpunkt der Tat weiß man bis jetzt nichts bestimmtes; auch nichts über die Täterschaft. Obwohl die Tat schon gegen abend ausgefllhrt worden zu sein scheint, soll man sie erst nach halb 7 Uhr entdeckt haben, so daß der Zeitpunkt der Tat etwa 2 Stunden zurückliegen kann.
Es verbreitete sich gestern Abend ein großer Schrecken über die hiesige Einwohnerschaft, als die grausige Tat und das furchtbare Schicksal der Frau Seifensieder Steiner bekannt wurde. Sie führte seit dem 1918 erfolgten Tode ihres Mannes, des in weiten Kreisen bekannten Seifensieders Fritz Steiner, das Geschäft weiter, das ganz gut ging und womit die Frau, die durch die Inflation auch um die zurückgelegten Kapitalien kam, ihr Leben fristete. Frau Steiner war dabei sehr sparsam. Sie stand im 65. Lebensjahr, verlor im Krieg zwei hoffnungsvolle Söhne und hinterläßt einen Sohn in Rothenburg o. der Tauber, der dort den Berus des Vaters als Geschäftsführer ausübt und eine Tochter, die mit dem Gewerbelehrer Eßlinger in Heilbronn verheiratet ist. Ihr Schicksal geht der hiesigen Einwohnerschaft um so näher, als sie immer eine sehr freundliche Frau war und jedermann gegenüber ein leutseliges Wesen hatte. Die Verstorbene war eine Tochter des Lehrers Bauser, der durch die von ihm herausgegebene Landkarte von Württemberg auch in weiteren Kreisen bekannt war.
Zur Untersuchung des Raubmordes traf gestern abend 11 Uhr die Mordkommission aus Stuttgart ein, die fast die ganze Nacht hindurch die Beweisaufnahme machte und Zeugen vernahm. Heute vormittag traf auch das Gericht aus Nagold mit dem Eerichtsarzt und die Staatsanwaltschaft aus Tübingen hier ein.
Bei der Sektion der Leiche, die heute vormittag er- folgte, wurden 18 größere oder kleinere Wunden am Köpfe der Getöteten festgestellt, daher auch der furchtbare Blutverlust, den die Verstorbene erlitten hat.
— Schließt schriftliche Lehrverträge ab. Aus Anlaß der bevorstehenden Entlassungszeit wird den Eltern der ins Berufsleben gehenden jungen Mädchen dringend der Abschluß eines schriftlichen Vertrages mit dem Lehrherrn nahegelegt. Ein solcher Vertrag muß das gesamte Lehrocrhältnis regeln, wie Ausbildung, Leistung, Vergütung, Urlaub sowie die Bestimmung enthalten, wonach sich der Lehrherr verpflichtet, nach einer bestimmten Frist den Eltern oder dem gesetzlichen Vertreter des Lehrlings mitzuteilen, ob sich oer Lehrling sür den kaufmännischen Betrieb eignet.
— Schont die Hecken. In der jetzigen Vorfrühlingszeit kann man wieder häufig an Waldrainen und Wegrainen Feuerbrände beobachten, die besonders die Hecken in Mitleidenschaft ziehen. Auf Oedungen sollten aber die Hecken unter allen Umständen geschont werden, denn sie bieten nicht nur Brutstätten für unsere Singvögel, sondern gewähren diesen auch Schutz vor den Katzen und Raubvögeln. Wenn jetzt vielfach ein Mangel an Singvögeln beobachtet wird, so trägt nicht zum geringsten Teil die Vernichtung der Hecken die Schuld^
Nagold, 15. März. (Schlußprüfung der Landwirtschaftsschule in Nagold.) Im Festsaal des Seminars fand am gestrigen Mittwoch die Schlußprüfung der Landw. Winterschule Nagold unter Anwesenheit von Oberamtmann Baitinger, Oekonomierat Prinz als Vertreter der Zentralstelle der Landwirtschaft, sonstigen Gästen und Angehörigen der Schüler statt. Geprüft wurde in den Fächern: Waldbau (Forstmeister Birk), Milchwirtschaft (L. L. Kurtz), Rechnen (Hauptl. Unrat), Fütterungslehre (L. L. Haecker), Vürgerkunde (Prof. Bauser), Obstbau (OA.-Vaumwart Walz) und Buchführung (L. L. Haecker). Die Prüfung zeigte, daß die Schüler in der kurzen Zeit des Schulbesuchs ein Können erreichten, das Schülern und Lehrern das beste Zeugnis ausstellte. Das Ziel der Schule, aus den Jungbauern theoretisch und praktisch tüchtige Menschen heranzubilden, werde voll erreicht, das bewies auch die volle Befriedigung über die Leistungen, die
Oekonomierat Prinz ausdrückte. Staatshilfe allein bringe der Landwirtschaft nicht die Hilfe, die der Landwirt zur Besserung seiner Lage brauche, der Landwirt selbst müsse sich weiterbilden und dieses notwendige Wissen zu vermitteln, sei Sache der Landw. Winterschule, die zu besuchen in einem zweiten Kurs er den Jungbauern dringend empfahl. Landwirtschaftslehrer Häcker dankte allen Stellen, die sich um die Errichtung der Landwirtschaftsschule bemüht haben und gab einen Bericht über den Besuch der Schule, nach dem 24 Schüler des oberen Kurses ihre Vollausbildung erhielten. Anschließend folgte eine Verteilung mit drei von der Zentralstelle gestifteten Preisen, die folg. Schülern überreicht wurden: 1. Preis Wilhelm Betsch-Pfrondorf; 2. Josef Burkhardt-Beihingen; 3. Karl Vühler-Spielberg. Weitere Preise erhielten: Adam Lampart-Erömbach, Friedrich Roller-Ettmanns- weiler und Jakob Kirn, Ettmannsweiler. In dem Gast- Hof zur „Traube" schloß sich noch ein gemütliches Beisammensein an, und wurde auch zu weiterem Zusammenschluß eine Schülervereinigung gegründet. Zum Vorstand der Schülervereinigung wurde Karl Dürr- Mindersbach und zu Beisitzern Herrgott-Nagold, Lampart- Erömbach und Rapp-Oberschwandorf gewählt. Der Jahresbeitrag beläuft sich auf 1 Mark, der jeweils ohne Aufforderung in Anbetracht der geringen Höhe an den Schulvorstand abzufllhren ist. Ein gemeinschaftlicher Ausflug ist nach der Heuernte nach Hohenheim geplant. Diesen Besprechungen folgte die eigentliche Schlußfeier, w» Frohsinn und Heiterkeit nach geleisteter Arbeit so recht zum Durchbruch kam. Schön und harmonisch verlief die Feier und die Prüfung zeigte, daß die Schüler bestrebt sind, reiches Wissen zu erwerben, aber auch der Lehrer, Landwirtschaftslehrer Häcker, wohl in der Lage ist, reiches Wissen zu vermitteln und den Schülern das nötige Rüstzeug für ihren Lebensberuf zu geben. Allgemeine Befriedigung und besten Eindruck nahmen denn auch die Zuhörer mit nach Hause, sicher in dem Gedanken, die Schule in Zukunft in ihrer Aufgabe stets zu unterstützen.
Calw, 15. Mürz. (Aushebung des Zollamts Neuenbürg.) Mit Wirkung vom 1. April wird das Zollamt Neuenbürg aufgehoben. Der Geschä tsöezirk Neuenbürg wird von diesem Zeitpunkt ab dem Zollamt Calw zuge- t^N.
E Eutingen, OA. Horb, 16. März. Gestern vormittag --ereignete sich bei den hiesigen Bahnhofsumbauten ein schwerer Unglücksfall. Einige Rollwagen stieße» aufeinander, wobei einer der Wagen entgleiste. Dabei wurde der 22 Jahre alte Karl Efrörer von Weitingen eingeklemmt und ihm der Fuß oberhalb des Knöchels abgedrückt.
Herrenberg, 14. März. Gestern war die alljährliche Schlußprüfung der Landwirtschaftsschule. Als Vertreter der Zentralstelle für Landwirtschaft war Land.sökono- , Zmierat Prinz erschienen. — 2m Auftrag der Ortsgruppe der Hausfrauenvereine sprach gestern die Landesoorsitzende, Frau Professor 2akob-Tübingen über das Thema „Die Hausfrauen in anderen Ländern". An dem Abend war auch eine Ausstellung von Kocherzeugnissen des gegenwärtig auch von dem Hausfrauenverein eingerichteten Kochkurses. Dieser wird von Fräulein Aufhammer geleitet.
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Er schüttelte verneinend den Kopf. „Es könnte dir Fluch bringen. Maria. Ein Mensch, wie ich, hat kein Recht zu -jegnen."
Statt jeder Antwort zog sie seine Hand an ihre Lippen.
Ein Windstoß fuhr gegen das Haus, daß die Terrasjen- türen weit aus den Angeln sprangen Blattwerk tanzte in Len Raum. Der Lichtkegel der Lampe umschloß Rolf Macha- tizkas schlanke Gestalt in dem langen, schwarzen Gewände, an dem der Wind zerrte. Ohne sich umzusehen, ging er den Weg nach dem Tore.
Maria sah ihm nach, hörte die Türe ins Schloß zurück- : fallen und suchte seine Gestalt nochmals zu erspähen. Aber 'Las Dunkel der Nacht verschlang sie erbarmungslos.
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In der großen Gaststube der Kantine qualmten die Petroleumlampen an den langen Eilenstäben, von denen sie gehalten wurden. Ein Luftgemisch von Bier und Schnaps. Ge- -fottenem und Gebratenem, von Gemüsen und Speiseresten kam aus der Küche nebenan, deren Klappfenster nach oben geschoben waren. Der Rauch von Pfeifen. Zigarren und Zigaretten stieg zur Decke und verdichtete sich dort zu dampfendem Nei . der kaum mehr das rötliche Licht der Lampen durchsickern ließ.
Lärmen und Lachen schwirrte durch den Raum, als seien die Männer^trotz der noch frühen Abendstunde vollkommen berauscht. L-ie schlugen mit Fäusten und Krügen aus die Tische ein und juchten sich gegenseitig an Stärke des Organes zu überbieten.
Dazwischen horchten sie auf den blonden, bärtigen Mann, der als einziger die Schmalseite des langen Tisches tnne hatte. Dann brüllten sie oufl Klopften sich auf die Schenkel, wenn s Spott gewesen oder gestikulierten mit Armen und Häm ">. wenn er ein Schlagwort in die Menge warf.
'-rll ., wenn wir mit einem Weib nicht fertig würden/ ln,. . er soeben über die Köpfe der anderen hinweg. ^,Die wird noch zahm und schmiegsam werden! Sie braucht
uns >a! — Wer macht denn die Arbeit? — Wir! Wer gibt seine Lungen her für diesen Hundelohn? — Wer schwitzt und oerdürstet Sommer wie Winter an den Oefen und schluckt den Staub der Schleiferei? Wir!" —
„Wir! — Wir!" — Die Krüge flogen zum Munde! Die Gesichter röteten sich! Die Augen flackerten!
Die Bestie „Mensch" begann zu erwachen und reckte die Glieder.
„Runter vom Pferd mit ihr, wenn sie wieder vorüberreitet!" schrie der Bärtige. „Sie soll laufen wie unsereins. Reißt sie heraus aus dem Wagen! Ihre Füße sind jünger, als die unseren! Sie kann gehen! Wir müssen's auch! — Sie hat ein ganzes Haus für sich! Wir stecken zusammengepfercht wie die Füchse und müssen noch froh sein um diese Löcher von Wohnungen."
„Er hat Recht," brüllten einige an der Längsseite des Tisches. „Hängt ihr ein Dutzend Kinder an den Hals!"
„Recht hat er! — Runter muß sie vom Pferd! — Raus muß sie aus dem Wagen und aus ihren Zimmern! Einen Teil ihrer Wohnung muß sie uns abtreten! Wir sind auch Menschen und gehören nicht zum Viehzeug!"
„Laß sie einmal hungern," schrie die Stimme des Blondbärtigen wieder über die Köpfe hin. „Das macht fügsam! Wenn sie am Abend die Augen zutut, hat sie schon, was sie den nächsten Morgen braucht. Wir müssen's uns erst verdienen. Wenn sie krank ist, legt sie sich ins Bett. Wir müssen arbeiten, bis wir umsallen. Kein Hund und keine Katze schert sich darum, ob wir krepieren oder nicht." .
„Kei-ei-ne Katz," gurgelte ein Betrunkener nach.
Die Türe flog auf, in dem rötlichen Licht, um das Dampf und Qualm zusammenschlug, stand Machatizka und blinselte in den Nebelrauch.
Eine Flut von Stimmen überschrie seinen „Guten Abend."
„Kommst du endlich? — Was hat sie gesagt? — Hat sie klein beigegeben? Was gibt sie mehr?"
„Nichts!"
Ein Heulen war die Antwort.
Machatizka ging auf den Tisch zu und stemmte die Hände aus die weißgehobelte Platte, auf welcher das Bier in schmutzigbraunen Lochen stand. „Sie kann nicht! — Jetzt nickt!"
Ein wildes, häßliches Lachen! Ein rasender Tumult, in dem einer den andern zu überschreien suchte, ließ den Nebeldampf, wie vom Winde getrieben, durcheinanderflattern. „Hast du ihr gejagt, daß wir uns nicht darum scheren, ob sie will oder nicht?"
„Sie kann nicht" wiederholte Machatizka. „Jetzt nicht! — Ihr müßt das einsehen."
Der Blondbärtige kam auf ihn zu. „Hat dir wohl et» paar schöne Augen gemacht, das Fräuleinchen, was? —- Und „Herr Machatizka" gesagt? Wie? — Und dann eia bißchen um den Bart gestreichelt, das Mädelchen?"
„Laß deine frechen Finger weg," sagte Machatizka, al» ihm der andere die Hand auf die Schulter legen wollte. „Sie hat auch Auslagen! Ihr müht das in Betracht ziehen!" sprach er beruhigend.
„Ja! Hat sie," meckerte ein dünner Mensch mit zer> lumptem Rockkragen: „Ein hübsches Pferdchen und einen netten Wagen! — Hat auch Auslagen! — Iaaa!"
Ein wieherndes Gelächter folgte. Machatizka nahm einen der Bierkrüge und stieß ihn auf den Tisch, daß die Scherben in breitem Strahlenbündel auseinanderflogen. „Was schickt ihr mich dann, daß ich mit ihr reden soll? Warum geht ihr nicht selber?"
Ein paar der ärgsten Schreier stürzten sich auf ihn und wollten ihn zu Boden werfen. Machatizkas beide Fäuste fuhren in die Höhe: „Dem ersten, der mich anrührt, schlage ich den Schädel ein."
„Laßt ihn," mahnten ein paar der Gemäßigten, deren Kops noch ruhig zu denken vermochte: „Hat sie gar keine Zugeständnisse gemacht?"
„Für jetzt nicht." Machatizka war wieder ruhig geworden und setzte sich auf einen der Stühle, den man ihm an den Tisch geschoben hatte. „Ihr müßt es einsehen," begann er, und seine Stimme hielt die anderen nieder. „Sie hätte mir sogar die Bücher gezeigt."
„Hätt dir gezeigt." höhnte der Blonde und sah sich mit zwinkernden Augen im Kreise um.
„Halt dein loses Mundwerk, Sabienski," mahnte Machatizka. „Sie hat zuviel Ausgaben gehabt in diesem Jahr Den Kantinenbau, den Kanal gegen Hochwasser, zehn Schüler, für die sie zahlt, hat sie in der Fachschule in St. Georgen."
„Eine Bagatelle bei ihren Einnahmen," rief Sabienski dazwischen.
„Geh hin und laß dir die Bücher zeigen."
„Sollte mir einfallen! Aber wenn — bei mir käme sie nicht so sachte weg. Die würde ich klein machen und vor mir kriechen lassen, daß sie nicht einmal mehr ein Mausloch findet, zum Hineinschlüpfen, die müßte sich kuschen. Keinen Laut dürfte sie mehr von sich geben, als: ja — und ja — und wieder ja. Für jedes „nein" bekäm sie einen Schlag ins Gesicht von mir." (Fortsetzung folgt^ :