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MnnrrnLV 54

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Montag den 5. War;

51. Jahrgang

Sie WM« in Pole»

"" Die polnische Republik hat getreu dem französischen Vor- f bilde an dem Zweikammersystem seftgehalten. Das ohne viel ' eigenes Zutun der nationalen Selbständigkeit durch den Ausgang des Weltkrieges zurückgegsbene polnische Volk ist am letzten Sonntag zur Wahlurne geschritten, um seine > Stimme für den Sejm abzugeben, während die Wahlen zum - Senat am nächsten Sonntag stattfinden werden. Der dop- s pelte Mahlgang entspricht ganz der Eigenart des französi- j jchen Systems, wie ja überhaupt die polnische Verfassung ! «ine Reproduktion der französischen von 1875 ist. Der pol- i Nische Staat ist stark zentralistisch verwaltet. Die Gesetz- ^ gebung liegt bei dem aus allgemeinen, direkten, gleichen und s geheimen Wahlen hervorragenden Sejm und dem Senat, s dessen Befugnisse in der Vergangenheit allerdings nicht allzu : sehr in Erscheinung getreten sind. Die beiden Parlamentär!- r schen Körperschaften vereinigen sich in bestimmten Fällen - prr Nationalversammlung, die den Präsidenten der Republik ^ jeweils auf sieben Jahre wählt. s

Man kann gerade nicht behaupten, daß das polnische Volk s es verstanden hat, den denkbar günstigsten Gebrauch von : seinen parlamentarischen Einrichtungen zu machen. Das mag l bis zu einem gewissen Grade in der Eigenart der Nachkriegs- r Verhältnisse begründet sein, jedoch läßt es sich kaum leugnen. : daß die geringe zivilisatorische Stufe der übergroßen Mehr- > heit der polnischen Bevölkerung zu dem kunterbunten Durch- i einander beigstragen hat, dem man auf Schritt und Tritt l in der inneren Politik des Landes begegnet. Auch bei den ' diesjährigen Wahlen tritt am sinnfälligsten die Zersplitte- ' rung des polnischen Parteiwesens hervor. Nicht weniger als l 34 Listen machen es dem polnischen Staatsbürger schwer, den § richtigen Kandidaten, die ihm zusagende Partei ausfindig - zu machen. Wie toll die Verhältnisse sind, geht mit beson- ; derer Deutlichkeit daraus hervor, daß die Zahl der Par- f teien, die hinter den 34 Wahlvorschlägen stehen, noch viel j größer ist Daraus erklärt sich zur Genüge, daß der Wahl- - kampf in Polen mit einer Schärfe geführt wird, wie sie uns i im Reiche trotz mannigfacher Erlebnisse in der Vergangen- ^ heit doch noch unbekannt geblieben ist. Turbulente Ausschrsi- s tungen nicht nur in den großen Städten, sondern auch auf s dem flachen Lande sind keine Seltenheit. Den Parteien ist Z kein Mittel zu schlecht, ihre Wähler auf den Gegner zu j Hetzen. In sehr vielen Fällen kommt ihnen dabei zustatten, ! daß man in den Wahlversammlungen Analphabeten vor sich s hat, auf die das gedruckte Wort nicht wirkt und die deshalb s leicht der Versuchung unterliegen, dem auftretenden Agita- ? tor alles zu glauben. Diese Verwilderung der politischen c Sitten hat in einsichtigen Kreisen der polnischen Hauptstadt ; dazu geführt, daß man auf Abhilfemittel sann. Bei der i lebhaften Konkurrenz, die zwischen den Parteien herrscht, ist ^ es aber schließlich keiner Partei möglich, ganz auf bestimmte j Maßnahmen zu verzichten, die nun einmal die Volksseele s tief aufwühlen. ?

Für den deutschen Beobachter sind naturgemäß die Par- - teien der nationalen Minderheiten die wichtigsten. Bisher s nahmen 17 Abgeordnete im Sejm die Rechte der deutschen ; Minorität wahr, zu denen sich noch fünf Deutsche im Senat ^ gesellten. Diese Zahl entsprach nun keinesfalls der Vedeu- s tung des deutschen Elementes. Immerhin war sie respektabel j angesichts der Tatsache, daß die Polen durch die Anwendung § allerlei Manöver es verstanden hatten, die Rechte der Min- j derheiten bei den Wahlen zu schmälern, ja sie auf ein Mi- s nimum zu beschränken. Diesmal ist es nicht viel anders. Aus c allen Teilen der polnischen Republik kommen Klagen über : unvollständige oder gefälschte Wahllisten, über die mehr als ; sonderbare Einteilung der Wahlkreise, die es z. B. möglich : wacht, der polnischen Stimme den dreifachen Wert einer s deutschen zu verleihen. Besonders groß ist der Wahlterror j r» Ostoberschlesien, im ehemaligen Posen und überhaupt in s den Wahlbezirken mit starken nationalen Minderheiten. Es j rst erfreulich, daß sich bei den Wahlen eine Front der Min- ? derheitsparteien gebildet hat, von dem sich merkwürdiger- i die deutschen Sozialdemokraten ausgeschlossen haben. : Der MlNÄerheitenblock, auf dessen Hauptliste auch deutsche z - Stelle stehen, ging ziemlich znkunftsfroh f

Wahlen. Seine Gegner befanden sich in allen anderen ? politischen Lagern Polens, bei den Pilsudski-Freuden, bei der s rechtsstehenden Opposition, bei der radikalen Linken, zu der c !lch die Sozialisten beider Richtungen zählen. Die deutsche - l>t vor allen Dingen in ihrer Widerstandskraft ?

"Hdurchdie rigorosesten Maßnahmen der in den west- i woüün d^v'uzen amtierenden Wojewoden nicht gelähmt i

Neues vom Tage. ,

Industrie und Landwirtschaft j

Berlin, 4. März. Der Reichsverband der Deutschen Jndu- i strie hat in seiner letzten Präsidialsitzung die Notlage der - Landwirtschaft einer Besprechung unterzogen, als deren Er- . gebnis er die im Notprogramm aufgestellten Vorschläge aus- , driicklich billigt. Er hält sie für eine geeignete Grundlage und ? eine notwendige erste Arbeit, um mit einer wirksamen Hilfe ^ für die Landwirtschaft zu beginnen. Bei alledem müßten j aber die Notwendigkeiten der deutschen Gesamtwirtschaft mehr denn je berücksichtigt werden. Deshalb sei die Verfol- ? gung einseitiger und wirtschaftspolitischer Ziele, wie z. B. s eine grundlegende Aenderung unserer Handelspolitik, die i gleichbedeutend wäre mit einer Zurücksetzung deutscher Ex- j portinteressen, unbedingt abzulehnen. s

Stillegung großer Berliner Metallbetriebe j

Berlin, 3. März. Der Verband Berliner Metallindustrie!- s ler teilt mit, daß heute die Betriebe der Siemens L Halsk« ! A.-G., der Siemens Schuckertwerke, der Bergmann Elektri- : zitätswerke und der Mix L Genest A.-E., ferner am Montag : die Betriebe der Deutschen Telephonwerke und der Lorenz j A.-G. stillgelegt werden. Am Montag nachmittag wird die i Vertrauenskonimission des Verbandes Berliner Metallindu- - strieller eine Sitzung abhalten, um zur Lage Stellung zu c nehmen Es ist zurzeit noch nicht zu übersehen, wie viele > Personen von oMntag früh ab nicht mehr weiter beschäftigt s werden können. Es dürfte sich zunächst um etwa 48 888 Ar- ? Leiter und Arbeiterinnen handeln. Die Betriebe der Deut- ? schen Telephonwerke und der Kabelindustrie A.-G. werden I am Dienstag stillgelegt, wovon 1860 Arbeiter betroffen : werden. ?

Schlichtungsverfahren in Lohnfragen der Neichsbahnarbeitcr ^ Berlin, 3. März. Die Tarifgswerkschaften der Reichsbahn- arböiter haben bekanntlich die Lohnbostimmungen des Tarif- s Vertrages zum 31. März d. Js. gekündigt. Sie haben ihre i Forderungen an die Hauptverwaltung mündlich gestellt. Sie - foredrn eine Erhöhung des Stundenlohnes um 10 Pfennig j u. a. Die erhobenen Forderungen bedeuten eine Steigerung f der jährlichen Lohnausgaben um über 350 Millionen Mark. ; Diese Forderungen konnten von der Hauptverwaltung nicht f als geeignete Grundlage für Verhandlungen angesehen wer- ? den. Es wurde das Schlichtungsverfahren eingeleitet. s

Daily Telegraph" über die bevorstehende Ratstagung ! London» 3. März. Der diplomatische Berichterstatter des ? Daily Telegraph" schreibt unter Hinweis darauf, daß nur ; verhältnismäßig geringfügige Angelegenheiten bei der be- c sorstehenden Ratstagung in Eens zur Verhandlung stünden j und daß trotzdem Lhamberlain in Begleitung des bisherigen s Botschafters in Berlin und neuernannten ständigen Unter- ; staatssekretärs im Foreign Office erscheinen werde. Bisher ! war weder Lhamberlain noch Briand von ihren Haupt- i beratern in Genf begleitet. Die gleichzeitige Anwesenheit der ^ permanenten Leiter der drei großen auswärtigen Aemter bei der bevorstehenden Genfer Tagung bedeutet, wie man an- s nimmt, wahrscheinlich die Erörterung anderer Fragen als s der auf der Völkerbundstagesordnung verzeichneten mög- i lichevweise des Problems der Nheinlandräumung. Vor s den französischen und den deutschen Wahlen wird wohl keine i endgültige Wmachun-g über diesen Punkt zustande kommen, s aber die Grundlagen für eine künftige Regelung dieses s schwierigen Problems könnten wenigstens teilweise festgelegt - werden. In diesem Fall würde die Anwesenheit Lindsays für ! Lhamberlain von größtem Wert sein. s

Unterzeichnung des Tangerabkommens -

Paris, 4. März. Samstag nachmittag ist das französisch-spä- s Nische Tangerabkommen von dem Minister des Arabern Briand - und dem spanischen Botschafter Quinones de Leon unterzeichnet worden. Die Bestimmungen des abgeschlossenen Vertrages find s fast ausschließlich verwaltungstechnischer Natur. Das neue Ab- ! kommen übergibt den Spaniern keineswegs die vollständige Kon- i trolle über die Tangerzone, die auch fernerhin internationalisiert ' bleibt. Wesentlich ist, daß das spanische und das internationale ' Polizeikorps von Spaniern kommandiert werden. Das Abkom- j men, das nicht alle spanischen Hoffnungen erfüllt, siebt auch die z Einschränkung vor, dab der neue spanische Eeneralinsvektor der Polizei nicht das Recht bat, sich um die innere Verwaltung der r Stadt und der Zone zu kümmern. Ein Entgegenkommen an Spa- ' nien bedeuten besondere Abmachungen, die zur Unterbindung j des Waffenschmuggels bestimmt sind. Die Souveränität des > Sultans bleibt unangetastet und auch die übrigen Tanger- ; bebörden bleiben in ihrer Existenz und Zusammensetzung un- ! berührt. Für die nächste Zeit ist in Paris eine grobe Tanger- ! konferenz angesetzt, an der Frankreich, Spanien, England und : Italien teilnehmen sollen. Die Einladung an England und Italien wird ergehen, sobald sie das französisch-spanische Abkom- l men zur Kenntnis genommen haben. ,

Die Persönlichkeit des Attentäters im Reichs­entschädigungsamt

Aeber die Persönlichkeit wird aus Lauenstein gemeldet: Lang- kopp ist mit seiner Frau und mit seiner ietzt 14iäbrigen Tochter im Sommer 1919, als er von den englischen Behörden mit zahl­losen Leidensgenossen von Haus und Hof vertrieben worden war, in seine alte Heimat zurückgekehrt und wohnte zur Miete in einem Häuschen. Im Jahre 1920, nachdem Langkopp seine Entschädigungsansprüche in Berlin angemeldet und erstmalig eine kleine Abschlagszahlung erhalten hatte, schaffte er sich Pferd und Wagen an und betrieb in dem Ort und in der Um­gegend ein Fuhrunternehmen, das iedoch nicht florierte, sodatz L. schon nach einem Jahr das Geschäft wieder aufgab. Von da an lebte er hauptsächlich von den Geldern, die er vom Reichs­entschädigungsamt als Vorschußzahlungen erhielt. Er war im ganzen Ort als ein geistig vollkommen klarer Mann bekannt, der sehr ruhig auftrat, der auch nur selten in den Gastwirt­schaften zu finden war und im übrigen sich allgemeiner Achtung erfreute. Er war ein eifriger Jäger und frönte dieser Leiden­schaft mehr als ihm gut gewesen ist. Vor einiger Zeit wurde ihm nämlich zu ungewöhnlich günstigem Preise ein Bauerngut mit Jagdberechtigung angeboten, das 90 000 Mark kosten sollte. Langkopp hat geglaubt, durch einen Gewaltstreich sich die Mittel für die Gründung einer neuen Existenz schaffen zu können, die ihm auch die Möglichkeit gab, seiner Jagdvasston huldigen zu können. Am Mittwoch erklärte der Täter seiner Frau, er müsse nach Berlin, um dort eine endgültige Verrechnung mit dem Reichsentschädigungsamt vorzunehmen. Er hat iedoch nach der Schilderung seiner Angehörigen mit keinem Wort angedeutst, daß er eine Gewalttat vorhabe. Die Angehörigen waren bei der Nachricht, dab Langkopp verhaftet worden sei, vollkommen fas­sungslos.

Exzellenz von Glusenapp gestorben Berlin» 4. März. Exzellenz von Elasenapp, der frühere Vizepräsident der Reichsbank, ist gestern abend 9 Uhr an einem Herzschlag gestorben.

Flugzeugunfall

Rom» 4. März. Ein Wasserflugzeug» das von Livornq nach Torent fliegen wollte» verirrte sich und überschlug sich bei Potenz« dadurch, daß es an einen Baum stieß« Beide Insassen waren sofort tot.

Deutscher Reichstag

Berlin, 4. März.

Auf der Tagesordnung am Samstag stand die zweite Lesung ves Haushaltsplanes des Reichswirtschaftsministeriums.

Nach einer Rede des Reichswirtschaftsministers Dr. Lurtius sprach Abg. Heinis (Soz.). Er bedauert die Abdrosselung der öffentlichen Kredite durch den Reichsbankpräsidenten. Die Lobn- und Eehaltssummen des Siemenskonzerns betrugen 1925-26 etwa 176 Millionen, 1926-27 182 Millionen, während der Umsatz gleichzeitig von 660 aus 1206 Millionen stieg. (Hört, hört! links.) Die deutschen Kapitalisten haben eine Aufwertung um 100 Prozent erhalten. (Widerspruch rechts.) Wenn wir mit diesen Feststellungen recht behalten, dann gibt es kein Erbarmen mehr mit Lohnerhöhungen. Der Redner wendet sich gegen die Marken- artikelwirtschaft. Für die Staubsauger liebe sich höchstens ein Preis von 35 Mark rechtfertigen. Durch die künstliche Hochhal- tung der Preise wird die Erhöhung der Produktion verhindert.

Abg. Dr. Lejeune-Jung (Dntl.) betont, die für unsere jetzige Handelspolitik grundlegenden Meistbegiinstigungsverträse mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika und mit England hätten nicht das gehalten, was man von ihnen erwartet habe. Die englische Handelspolitik richte sich trotz unseres Handels­vertrages mit England vornehmlich gegen Deutschland. Auch der

Handelsvertrag mit Rubland»bat sich als völlig unzulänglich er­wiesen. Den italienischen Handelsschikanen, die einem Vertrags­bruch gleichkämen, müsse mit entsprechenden Maßnahmen begeg­net werden. Der Redner fordert eine elastischere Ausgestaltung der deutschen Zollpolitik, damit sie in Zukunft Loykottähnlichs Maßnahmen und Einfuhrbeschränkungen ebenfalls begegnest kann und betont nachdrücklich, daß die deutsche Landwirtschaft nicht im Interesse einer utopischen Exportpolitik aufgeopfert werden darf. Der Redner wart dringend vor Ratifizierung der Genfer Vereinbarung über Einfuhrverbote.

Abg. Dr. Desiauer (Ztr.) fordert einheitliche Wirtschaftsfüh­rung und einheitliches Wirtschaftsbewubtsein. Das grobe deut­sche Wirtschaftsproblem sei, daß zwei Drittel der deutschen Be­völkerung einen ungenügenden Lebensstandard haben. Jede» deutsche Ernährer einer Familie müsse jährlich von seinem Ve» dienst 200 Mark als öffentliche Reparationslast an das Aus­land abgeben. Das Tragische dabei sei, dab man noch nicht er­kennen könne, wann diese Last einmal aufhört. Der Zustand unserer Anleihepolitik ist keineswegs erfreulich. Die Durchfüh­rung der Normisierung in der Industrie ist eine wirtschaftlich» Notwendigkeit, gegen die mit sozialpolitischen Argumenten nicht angekämpft werden kann.

Fortsetzung der Debatte Montag 14 Uhr.