Aügem. Anzeiger für die Bezirke Nagold, Ealw a. Sreudeustadt ANtrblatt für den Bezirk Nagold«. Mensteig-Stadl

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Unrnrrrev 266

Attensteig» Montag den 14. Uooerndeo 1927

31. Jahrgang

Msziehende WirtschastrgMtter

Eine Folge des Reparatlonsschrfftwechsels zwischen Parker Gilbert und der Reichsregierung ist, wie es scheint, bereits - eingetreten: den öffentlichen Körperschaften, Ländern unv Gemeinden ist es gegenwärtig so gut wie unmöglich, ihren Nnlsihebedarf oder doch das, was sie darunter verstehen, zu befriedigen. Der innere Kapitalmarkt hat so gut wie gar ! keine Reserven, was sich am deutlichsten an den autzeroroent- ' kich gesunkenen PfanÄbrief-Emmissionen während der letzten - Monate zeigt. Der Kapitalmarkt des Auslandes aber hält ^ stch dem deutschen Anleihebedürfnis gegenüber außerordeut- lich stark zurück, und es hilft dabei nichts, daß wir uns in . Deutschland darüber klar sind, daß er dabei weit über das l Ziel hinausschießt. i

Das alles muß natürlich seine Rückwirkungen auf die s deutsche Wirtschaft haben, die ja zu einem nicht unerheb- < lichen Teil mit Aufträgen der öffentlichen Handangekur- E bel't" worden ist. Sie selbst ist unmittelbar von der Eeldsnte ? her zwar nicht bedroht, da nach matzgMichen Aeußerungen s amerikanischer Finanzmänner der deutschen Privatwirtschaft i auch weiterhin die erforderlichen Mittel zur Verfügung ge-- i stellt werden. Beweis dafür ist die glatte Unterbringung s der Anleihe des Norddeutschen Lloyds zu einem Verhältnis- mäßig günstigen Emissionskurs und Zinssatz. Fallen aber ? die Aufträge von Ländern und Gemeinden, die bisher in ^ großem Umfange gegeben worden sind, weg, dann muß das s bei einer ganzen Anzahl von Industrien sehr empfindlich ^ fühlbar werden, soweit es nicht gelingt, für die entstehenden i Lücken anderswo neue Aufträge in möglichst gleichem Um- fange hereinznholen. ^

In Frage kommt hierbei an sich nur das Ausland, da aus s dem inneren Markt kaum mehr herauszuholen ist als gegen- - wärtig. Aber gerade in dieser Beziehung haben sich in der ; letzten Zeit die Verhältnisse trotz steigender Ausfuhrziffern . nicht unbeträchtlich für die deutsche Gesamtwirischaft ver- s schlechtert. In einer ganzen Anzahl von Waren, in denen ; Deutschland mit anderen Nationen im Wettstreit steht, s haben wir die Weltmarktpreise bereits wieder erreicht, in s vielen Fällen sogar schon etwas überschritten. Man kann - sagen, daß steigende Preise auch ein Zeichen guter Konjunk- i kur seien, und das ist gewiß richtig. Für den inneren Markt ; mag man sich bedingt einer solchen Erscheinung freuen, für ! den Wettbewerb im Ausland kann sie unter Umständen »er- ! nichtsnd sein. Die Dinge bekommen ein um so bedrohlicheres - Gesicht, als es nach allen bisherigen Anzeichen durchaus den i Arischein hat, daß wir uns einer neuen Lohnwelle, deren s Ausmaß noch nicht feststeht, nähern. Die nicht ganz glück- i kiche Regie in der Frage der Besoldungsreform hat schon, t «he noch überhaupt die Vorlage der Reichsregierung darüber s bekannt war, lebhafte Befürchtungen in allen Lagern der s freien Arbeitnehmerschaft ausgelöst, und wenn auch der l achttägige Bergarbeiterstreik im mitteldeutschen Braunkoh- ; lenrevier nicht in einem eigentlichen Zusammenhang mit - den Vesoldungsreformplänen der Reichsregierung stand und s auch nicht mit ihnen begründet wurde, so sind doch gewisse s unterirdische Beziehungen zwischen den beiden Erscheinungen ? für jeden Kenner volkswirtschaftlicher Zusammenhänge - außer jedem Zweifel. Dabei ist den verantwortlichen Stft- > len sowhl bei den Arbeitnehmern wie bei den Arbeitgebern - wie endlich auch den zuständigen Roichsbehörden, nicht ein- ! mal ein Vorwurf zu machen, daß sie nicht beizeiten Vorsorge ' Seyen allzu schwere Erschütterungen des Wirtschaftslebens ? und des Wirtschaftsfriedens getroffen hätten. Im Gegenteil, f «in großer Teil der Tarifverträge läuft noch bis ins nächste ' Fahr, zum Teil sogar bis Ausgang 1928. Soweit in der- - artigen Abmachungen also überhaupt eine Sicherung der ! wirtschaftlichen Kontinuität geschaffen werden kann, ist sie > unbedingt geschaffen worden. Allerdings ist es nicht ganz - unrichtig, wenn von Seiten der Arbeitnehmer eingewandt « wird, daß bei Abschluß dieser Tarifverträge der Man einer i Wesoldungserhöhung noch nicht bekannt gewesen, zum min» « dösten jedenfalls noch nicht in sein akutes Stadium getreten » fei. An diesem Puitkte nun zeigt sich sehr deutlich die Gefahr - der Verknüpfung rein wirtschaftlicher Gesichtspunkte mit po- ' Mischen Momenten im Kampf um die soziale Besserstellung. - Wir können vor dieser Ideenverbindung nicht nachdrücklich i !genug warnen. Kommt es erst wieder nmal dazu, daß s ^ziale Kämpfe in der politischen Arena ausgefochten wer- i den, dann muß das nicht nur zu einer tiefgehenden Zer- i Elustung unseres politischen Lebens führen und unter Um- s ständen auf lange Zeit hinaus alle Mög ketten einer var- ? lamentarischen Neugruppierung verschütten, sondern es s wurde letzten Endes auch die Konjunktur, aus der allein s ja stergende Lohnerträge zu zahlen sind, von der Vertrauens­

feite her abbauen, was umso leichter geschehen kann, als man sich ja allgemein darüber einig ist, -mf wie schwachen Fußen unsere Konjunktur steht und wie l.ügfich si« behan­delt werden muß.

llr» das württ. Laadtagswahlrecht

Zu den Ausführungen des Landtagsabgeordnete« Schees in der Sitzung des württ. Landtags vom 4. No­vember über das bestehende württ. Landtagswaht- recht macht derReutlinger Generalanzeiger" die fol­genden beachtenswerten Ausführungen. Sie werden sicher auch bei unseren Lesern Interesse finden, umsomehr als die brennende Frage der Wahlrechtsreform für alle Parteien ohne Unterschied die gleiche Bedeutung hat. parteipoli­tische Sonderinteressen also völlig ausscheiden.

Die Schriftleitung.

Wir können leider mit der Auffassung des Abgeordne­ten Schees, als ob eine Aenderung des Wahlverfahrens nicht möglich und nicht dringlich sei, nachkeiner Seite einig gehen. Eine Wahlresorm in Württemberg ist nicht nur nötig und möglich, viel mehr noch: sie brennt uns ge­radezu auf den Fingern. Weiß Herr Schees nichts davon, daß draußen im Lande in allen Wählerschichten und ohne Rücksicht aus die Parteizugehörigkeit unser heutiges Wahl­recht es ist, das eine Hauptschuld trägt an der Unzufrieden­heit der Wähler mit dem heutigen parlamentarischen Sy­stem und der politischen Betätigung überhaupt? Dieses komplizierte und unübersichtliche Wahlverfahren^ von dem man kecklich behaupten kann, daß seine Einzelbestimmungen und seine Auswirkungen noch nicht einmal zum Wissensbe- stand aller Abgeordneten selbst gehören, hat uns das Wahl­recht in Wirklichkeit längst genommen. Was übrig geblieben ist, ist das bloße Stimmrecht. Der jetzige Zustand der Kandidatenaufstellung durch ein enges Parteigremium bedeutet in Wirklichkeit schon eine Vorwahl, die den Wähler im Lande draußen vor fertige Tatsachen stellt und ihm jede Möglichkeit nimmt, andere als von der Par­teileitung vorgesehene Persönlichkeiten auf seinen Mahl­zettel zu nehmen. Früher durste er wählen, jetzt darf er nur noch ab stimmen. Dabei ist jede Verbindung des Wählers mit seinem Abgeordneten verloren gegangen, und die Wähler erleben das unwürdige Schauspiel, daß man sie vor jeder Wahl auf dem Schachbrett der Wahlarithmetik hin und her schiebt, d. h. Wahlbezirke konstruiert, die heute aus diesen, morgen aus jenen Oberämtern bestehen. Es war nicht von ungefähr, daß die badische Regierung den Entwurf ihres neuen Wahlrechts, das vor kurzem Gesetz geworden ist, u. a. damit begründete:Durch das gegen­wärtige Wahlrecht werde tatsächlich die Vorschrift der Ver­fassung, daß das Wahlrecht unmittelbar sei, nicht mehr er­füllt." Daß bei diesem Wahlrecht die gesunde Führeraus­lese und jeder Nachwuchs politischer Führer gehemmt, ja fast unmöglich gemacht ist, deshalb zu einer Verarmung und Verflachung des politischen Lebens führen muß, das sind weitere Gründe, die an sich schon genügen würden, laut nach einer Wahlrechtsreform auch in Württemberg zu rufen.

Der Abg. Schees hat mit seiner Meinung jedenfalls nicht di« Massen der wllrttembergischen Wähler im Lande hinter sich, und wir erheben deshalb unsere Stimme war­nend und verlangend, daß das KapitelWahlreform" mit diesen Ausführungen im Landtag nicht zur Seite gelegt wird. Auf die Gefühle der einzelnen Her­ren Abgeordneten in allen Parteien kann dabei keine Rück­sicht genommen werden. Das Wahlrecht ist ein Recht des Volkes. Die Art der Kandidatenernennung wie bisher und die Zumutung an die Wähler, mit dem starren, viel- namigen Parteizettel sich jedes persönlichen Einflusses zu begeben, muß verschwinden, auch wenn als Schreckschuß das Einerwahlverfahren früherer Zeiten an die Wand ge­malt wird, an dessen Wiedereinführung in alter Form ja kein Mensch ernstlich denkt.

Neues vom Tage.

1 Die Städte und die Kosten des Reichsschulgesetzes Berlin, 12. Nov. «Der Vorstand des Deutschen Städtetages hat dem Vildungsausschuß des Reichstages eine Eingabe übermittelt, worin er erneut die Forderung betont, daß die Kosten aus der Durchführung des Reichsschulgesetzes den Schulträgern vom Reich ersetzt werden. Nicht die Gemein­den seien es, die die Neugründung von Schulen betrieben, sondern das Reich führe durch das Reichsschulgesetz eine sehr weitgehende Umgestaltung der Verwaltungsgrundlagen der Volksschulen herbei.

; Reichskanzler Marx über seine Wiener Reise

Berlin, 12. Nov. Dem Berliner Vertreter derNeuen Freien Presse" erklärte Reichskanzler Dr. Marx: Dr. Stre- semann und ich legen den größten Wert darauf, die per- i sonlichen Beziehungen zwischen den deutschen und öster- l reichischen Staatsmännern fortzusetzen. Unser Besuch in Wien ist eine Erwiderung des Besuches des österreichischen Bundeskanzlers in Berlin. Große politische Auseinander-

- setzungen werden während unseres Wiener Besuchs nicht stattfinden. Wir müssen, weil die Arbeit in Berlin drängt,

' bald wieder nach Berlin zurückkehren. Bestimmte Fragen

- haben wir mit der österreichischen Regierung nicht zu er- , örtern. Wahrscheinlich wird auch vom Entwurf des neuen

Strafrechts die Rede sein, das beiden Staaten gemeinsam ! sein soll. Die deutsch-österreichische Rechtsangleichung wird , auf dem Gebiete des Strafrechts wahrscheinlich bald voll- j kommen sein.

! Die Frage der Rückgabe des beschlagnahmten deutschen

- Eigentums in Amerika

Washington, 12. Nov. Anläßlich einer Besprechung des i Arbeitsprogramms von Senat und Abgeordnetenhaus wurde , die Hoffnung ausgesprochen, daß die Vorlage über die Rück- ° gäbe des beschlagnahmten deutschen Eigentums bald erledigt

- wird und zwar in der zu Ende des letzten Tagungsabschnitts ? beschlossenen Form. Voraussetzung dabei ist, daß der Senat s dieser Fassung zustimmt. DerNeuyork Times" zufolge s bringt die Regierung der Eigentumsvorlage besonderes In- i teresse entgegen.

; Rußlands Teilnahme an der vorbereitenden Abrüstungs» j konferenz

s Genf, 12. Nov. Bekanntlich hatte die Sowjetunion dem ^ Generalsekretär des Völkerbundes mitgeteilt, daß sie an der j kommenden Session der vorbereitenden Abrüstungskomm H- sion teilnehmen wolle. Gleichzeitig hatte die Sowjetregie- , rung Angaben über das Datum der Eröffnung und die > Tagesordnung verlangt. Die gewünschten Auskünfte wurden ' dann Tschitscherin übermittelt und dieser hat jetzt mit Datum von 10. November an den Generalsekretär bestätigt,

! daß die Regierung die Einladung zur Teilnahme annehme.

- «Journal" über die französisch-jugoslawischen Vertrag«

« Paris, 12. Nov.Journal" charakterisiert den Inhalt s des abgeschlossenen französisch-jugoslawischen Bündnis-

- und Freundschafts-, sowie des Schiedsgerichtsabkommens c folgendermaßen: Das Freundschaftsabkommen besteht aus s zehn Artikeln. Beide Signatare verpflichten sich zunächst, r nicht zum Kriege zu schreiten, abgesehen von drei Fällen: z 1. Berechtigte Verteidigung gegen einen Angriff, 2. Ver- s pflichtung zur sofortigen Hilfeleistung auf Grund wn Ar- ; tikel 16 des Völkerbundsstatuts, 3. Intervention auf An- ; ordnung des Völkerbunds auf Grund Art. 15 Abs. 8 des k Völkerbundsstatuts. Das Schiedsgerichtsabb men besteht ' aus zwei Teilen und allgemeinen Bestimmungen. Zunächst i schließt es formell von dem Schiedsgerichtsverfahren sämt-

liche Streitigkeiten aus, die vor dem Abschluß dieses Ab- ? kommens liegen. Abgesehen hiervon könne«? sämtliche an- : veren Konflikte nur auf friedlichem Wege gelöst werden, s Die Schlichtungskommission zur Regelung dieser Fragen k bestehe aus je einem Vertreter der beiden Parteien und : drei neutralen Delegierten, von denen einer den Vorsitz j führt. Sämtliche Konflikte, die nicht auf diplomatischem s Wege geregelt werden können und keinen juristischen ? Charakter haben, sind dieser Schlichtungskommission zu unterbreiten, deren Verfahren in allen Einzelheiten ge- s regelt ist.

Ein italienisches Dementi

; Rom, 12. Nov. Der Podesta von Bozen richtete ein

- Telegramm an den hiesigen Vertreter der Associated Preß, s in dem er entschieden die angeblich aus Bozen stammende ^ Nachricht dementiert, daß in Südtirol Befehl gegeben s worden sei, die deutschen Grabinschriften von den Fried-

- Höfen zu entfernen.

Rede des Reichswirtschaftsminister Dr. Curtius in

- , Frankfurt a. M.

? Frankfurt a. M.» 12. Nov. Bei der Feier des 50jährigen s Bestehens desVereins zur Wahrung der Interessen der . chemischen Industrie Deutschlands" hielt Reichswirtschafts«

; minister Dr. Curtius ein Ansprache, in der er u. a. sagte:

- Es ist eine besonders harte Schule, durch die die deutsche ' chemische Industrie gehen muß. Wir haben es erlebt, wie ? ein Teil unserer früheren Absatzgebiete uns verloren ge- , gangen ist, wie diese Länder den Abschluß Deutschlands j vom Weltmarkt dazu benutzt haben, sich selbst in wenigen i Jahren eine eigene Industrie heranzuziehen, zum Teil