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Miem. Anzeiger für die Bezirke Ragslk. Ealw n. Ircudenftadt Amtsblatt für den Bezirk Ragald u. Mensteig-Stadt

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Uurrrrnei? 2113

Alten steig» Sanrstag den 12. Uooemdeie 1927

I 31. Jahrgang

Zur Lage.

Für das deutsche Volk war wohl das bedeutsamste Ereig. i «is der letzten Woche die Veröffentlichung des Memoraw : dmns des Generalagenten Parker Gilberts und der dar­auf notwendig gewordenen Antwort der Reichsregierung. ! Es war bedeutsam für die deutsche Innen- wie Außen- ^ Politik. Mit den Presseäußerungen im Inland wie im Aus­land ist es aber nicht getan, darf es nicht getan sein. Wir . selbst müssen uns gründlich prüfen, was Wahres an dem Vorhalten des Amerikaners ist, und müssen dann auch mit allen Kräften bestrebt sein, zu ändern und zu bessern, was möglich ist. Nur so können wir dem Finanz-Kontrolleur und unfern auswärtigen Gläubigern beweisen, daß wir keine »faulen Schuldner" sind. Wir müssen das tun nicht bloß wegen unseres internationalen Ansehens und unserer Kre­ditwürdigkeit, sondern mehr noch im Selbsterhaltungstrieb. Ts ging, unleugbar, aufwärts mit der deutschen Volkswirt­schaft, besonders in diesem Jahre; und es wäre geradezu ein himmelschreiendes Unrecht und ein heilloses Verbrechen am deutschen Volke, wenn wir wieder zurückfallen würden ' in das namenlose Unglück vergangener Jahre zurück­fallen dadurch, daß wir nicht maßhalten können in den eigenen Ausgaben, indem wir nicht unterscheiden können, ! was wünschenswert und gut und nützlich, und dem, was ^ Unbedingt notwendig ist, und zwar auch jetzt in den Nöten ? der Zeit notwendig ist. Denn auf diese Unterscheidung ! lammt es in erster Linie an. t

^ Die Bildung eines reparationspolitischen Ausschusses, den - die Reichsregierung beschlossen hat, schafft endlich die not- s wendige Zentralstelle für die Reparationsangelegenheiten, ; die in den nächsten Monaten und Jahren immer mehr zum r Kernproblem nicht nur der deutschen, sondern der gesamt- - europäischen Politik werden dürften. Wir hoffen, daß damit ! endlich die Reibungen und Widerstände, die in der Be- > Handlung der Reparationsfrage zwischen den Ministerien ! ümmer wieder auftraten, endgültig beseitigt find. Gerade j das Reparationsproblem eignet sich ja am allerwenigsten s für irgend welchen Ressortpartikularismus, und man möge S Auf allen Seiten bedenken, daß es nicht nur eine Frage der j Finanz- oder Außenpolitik, sondern mindestens ebenso sehr s !eme Angelegenheit der Wirtschafts- oder Kulturpolitik ist z vnd daß es in seinen letzten Auswirkungen sich auf allen Gebieten deutscher Lebensäußerung bemerkbar macht. !

iJnHm Bestreben nun nach Vereinfachung und Erspa- i irung tritt jetzt mehr als je die Frage der größeren Ein- j heitlichkeit im Reich in den Vordergrund. Das bedeutet ! das alte Problem des Verhältnisses der Einzelländer zum ^ Reich. Seit der Reichsschöpfung unter Bismarck hat diese j Grundfrage nie ganz geruht. Jetzt ist es bezeichnend, daß ! auch wirtschaftliche Organisationen sich mit ihm eingehen- z der beschäftigen, wie erst jüngst der Reichslandbund. Auch - das Zentrum des Reichstags und des preußischen Land- ! tags sah sich in dieser Woche genötigt, in wiederholten, s ausgedehnten Sitzungen sich mit diesem Problem abzugeben, i Nicht weniger als vier Abgeordnete hatten hiezu Referate ^ übernommen, darunter auch der badische Landtagspräsident s Baumgartner. Nach einer bis in die Nacht fortgesetzten Be- s ratung wurde einer besonderen Kommission die Aufgabe - zugewiesen, das reichhaltige Material und die Anregungen - der Referate zu prüfen und das Ergebnis einer neuen ge- ? meinsamen Sitzung der Fraktionen vorzulegen. -

Man mag sich zu der Frage stellen, wie man will, das eine scheint uns sicher zu sein: so wie die Verhältnisse sind, kann und darf es nicht weiter gehen. Denn zu viele Doppel- . arbeit mit ihrem Zeit-, Kraft- und Geldaufwand wird durch ' diese Geschäftsführung neben- und durcheinander im Reich ' und in den Ländern vergeudet. Kommt die Reichsregierung ^ zu dem festen Entschluß, hier zu ändern und zu sparen, hemmt sie auch die Vielgeschäftigkeit der Eesetzgebungs- und Vüromaschinerie, dann wird sie dem Reparationsagenten : glaubhaft Nachweisen können, daß die Steigerung des öffent- ' lichen Finanzaufwandes und die Aufnahme immer neuer i Kredite im Auslande eine Erscheinung der Uebergangs» s jahre, nicht aber eine Dauererscheinung ist; Parker Gilbert ! muß anerkennen, daß die Innen- und Kulturpolitik in j Deutschland nicht ausschließlich vom Standpunkte der Repa- - rationen betrachtet oder gar geführt werden darf, ohne : daß die Deutschland im Dawesabkommen ausdrücklich zu- ! gesicherte staatliche Souveränität zu einem bloßen Schein ! wird. ;

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' In England haben die führenden Männer in der letztens Woche sich auffallend viel mit den Fragen des europäischen Friedens und der Verträglichkeit unter den Nationen be­schäftigt. Baldwin, der Ministerpräsident, Ehamberlain, der Minister des Auswärtigen, Lord Eecil, der ausgeschie­dene Völkerbundsdelegierte, und Lloyd George, der ehe­malige Beherrscher der englischen Kriegspolitik und An­wärter eines kommenden Ministeriums, sprachen in ver­schiedener Abtönung von dem friedlichen Ausgleich üsr europäischen Interessen. Und immer wieder wurde dabei der Nachgiebigkeit Deutschlands im Locarnovertrag neben dem angeblichen Entgegenkommen Frankreichs gedacht. Aber keiner der jetzt noch im Amte befindlichen Machthaber Englands konnte sich dabei zu der Schlußfolgerung auf­schwingen, zu sagen: also müssen die bedrückenden Zustände im Rheinland aufhören; Franzosen, Engländer und Bel­gier müssen endlich nach neun Jahren den deutschen Boden räumen, wo sich ihre Soldateska immer noch in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden wie in Privatwoh­nungen, auf die Tausende von wohnungslosen Deutschen warten, breit machen und nicht gar zu selten auch deutsche Bürger schwer belästigen. Nur Lloyd George hatte den Mut, die Ilnwahrhaftigkeit und den Vertragsbruch der Alliierten zu geißeln, die Abrüstung und Räumung ver« sprachen, bis zur Stunde jedoch ihr gegebenes und besiegel­tes Wort nicht hielten. Die amtierenden Kollegen in Eng­land und Frankreich aber ließen diese Mahnung stillschwei­gend über sich ergehen. . ^

Bemerkenswert aus der Rede des englischen Außen­ministers aber war die Einladung an Rußland zur Wie­deranknüpfung der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten. Sobald Rußland auf jede bolschewistische Agitation in England verzichte und sich also in innere An­gelegenheiten des fremden Staates nicht einmische, könne die Verbindung, meinte der englische Minister, wieder her­gestellt werden. Eine Antwort erfolgte hierauf von Ruß­land nicht, das auf die Propaganda seiner neuen Völker­heilslehre nicht verzichten will. Was nach dem Folgenden begreiflich ist.

s Besoldungsvorlage und Regierungspartei

s Berlin» 12. Nov. Die Vertreter der Koalitionsparteien ' traten gestern nachmittag 3 Uhr im Reichstag zu einer in- j terfraktionellen Besprechung zusammen. Gegenstand der s Erörterung war die Besoldungsvorlages Im ^ Verlaufe der Besprechung berichteten die Vertreter der Regierungsparteien über die Haltung ihrer Fraktionen, wobei von den Vertretern der Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei die bestimmte Er­klärung abgegeben werden konnte, daß ihre Fraktionen für die Besoldungsvorlage der Regierung eintreten. Der Zentrumsvertreter erklärte, daß seine Fraktion bisher noch keinen endgültigen Beschluß gefaßt habe, son­dern erst anfangs der nächsten Woche dazu kommen werde. Man wird, wie dieTägliche Rundschau" schreibt, an- ^ nehmen dürfen, daß auch das Zentrum sich entschließen wird, für den Besoldungsentwurf der Regierung einzu­treten, so daß eine einheitliche Front der Regierungspar­teien in dieser Frage als sicher angenommen werden kann, z

DieDeutsche Allgemeine Zeitung" weiß sogar mit­zuteilen, daß die gestrigen interfraktionellen Verhandlun- ^ gen insofern zu einem Teilergebnis geführt haben, daß die i Ausschußbeartungen auf der Grundlage des Köhler'schen ! Entwurfes fortgesetzt werden sollen. Soweit sich eine ! Uebereinstimmung in einzelnen Fragen noch nicht erzielen ; läßt, sollen die entsprechenden Eesetzesteile einstweilen ^ zurückgestellt werden. Heber die Einstufung der Warte- standsbeamten wurde eine Einigung erzielt. An der ! Verabschiedung der Vesoldungsreform an l sich besteht, wie das Blatt erklärt, nach wie vor kein E Zweifel. Für das Schulgesetz gilt das gleiche wie i für die Besoldungsvorlage. Auch hier wird man auf der ; Grundlage des Regierungsentwurfes weiter verhandeln, l und, wenn sich keine Uebereinstimmung erzielen läßt, ids ; entsprechenden Paragraphen einstweilen zu vertagen, j

Sitzung des Reichsausschusses der Deutschen Volkspartet

Die Sowjetrepubliken feierten in dieser Woche mit einem Massenpomp unter Aufmarsch der ganzen zur Verfügung stehenden Roten Armee und von Millionen Arbeiter das Fest des zehnjährigen Bestehens der Sowjetrepubliken. Rykow sprach dabei über die bisherigen Erfolge der soziali­stischen Volksbeglückung. Und aus 43 Ländern des Erdballs waren 947 Delegierte anwesend, die diesem Evangelium lauschten, um sie dann auch in ihrer Heimat den Gläubigen und Ungläubigen weiter zu vermitteln.

Freilich, alle sind nicht beglückt von der Entwicklung der Dinge, darunter auch solche nicht, die seither in vorderst:r Reihe der Vorkämpfer des Sozialismus standen, wie Trotzki, Radek und Genossen. Sie versuchten am Jubeltag, die Demonstranten von ihrer Festfreude abzubringen. Aber man ließ sie nicht zum Worte kommen. Und jetzt sollen sie sogar förmlich und öffentlich verfehmt werden gerade wie bei den Faschisten Italiens. Das ist da wie dort die Freiheit der eigenen Ueberzeugung und des persönlichen Willens!

Neues vom Tage.

Das Schicksal der Besoldungsresorm

Berlin, 11. Nov. In dem parlamentarischen Hochbetrieb, der augenblicklich im Reichstage herrscht, ist zurzeit der Kampf um das Schulgesetz gegenüber der Besoldungsvorlag« zurückgetreten. Allgemein besteht die Ansicht, daß die Be­ratung über die Besoldungsvorlage aus allgemein politischen Cri Sen beschleunigt werden muß, damit sich das Reichs­tag ienurn. das. am 22. November wieder Zusammentritt, mi: möser Frage endgültig beschäftigen kann. In Kreisen der Regierungsparteien besteht die Absicht, die Vorlage einem Unterausschuß des Haushaltsausschusses zu überwei­sen. da man von einer Veratuftg-in einem kleineren Kreise eine Beschleunigung erhofft. PWMner Zurückziehung der Vorlage durch die Regierung kUHMrzeit ebenfalls keine Rede sein. Ebensowenig gilt es E parlamentarischen Krei­sen als ausgeschlossen, daß die Regierungsparteien die Vor­lage in ihrer jetzigen Form fallen lassen, was jedoch nicht ausschlietzt, daß durch gewisse Umgruppierungen beim Aus­bau der Besoldungsordnung versucht werden soll, Ersparnisse zu erzielen. Jedenfalls besteht bei allen Parteien die Ansicht, daß die Beamten möglichst bald in., den Genuß der Gehalts» aufbesierunaen kommen müssen. .

Berlin, 11. Nov. Der Reichsausschuß der Deutschen Bolks- partei trat heute in Berlin unter dem Vorsitz des Reichs­außenministers Dr. Stresemann zu einer Tagung zusammen. Zur Verhandlung stand das ThemaReich und Länder". Rach einem einleitenden Vortrag Dr. Stresemanns ging Landtagsabgeordneter Dr. Leidig ausführlich auf das Ver­hältnis zwischen Reich und Ländern ein.

Eine Entschließung des Parteivorstandes und des Reichs­ausschusses der DVp.

Berlin, 11. Nov. Der Parteivorstand und der Reichs­ausschuß der Deutschen Volkspartei haben, wie die Natio­nalliberale Korrespoendenz meldet, nach Entgegennahme der Berichte der Minister Dr. Stresemann und Dr. Cur- tius zur gegenwärtigen, insbesondere durch den Meinungs­austausch des Reparationsagenten mit der ReichsregierunA beeinflußten Lage eine Entschließung gefaßt, in der e» heißt: Ein Einspruch des Reparationsagenten gegen die zurzeit von der Reichsregiernng vorgelegten großen Gesetze mit finanzieller Auswirkung, insbesondere die Besoldungs­vorlage und das Entschädigungsschlußgesetz liegt nicht vor. Seine Berechtigung könnte auch in Zukunft nicht anerkannt werden. Die deutsche Volkspartei hält daran fest, daß di« beiden genannten Vorlagen schleunigst zu verabschieden find. Dagegen verlangt sie mit gleichem Nachdruck die In­angriffnahme einer durchgreifenden Verwaltungsreform, die unter Umständen auch vor einer Aenderung der Ver­fassung, soweit das Verhältnis des Reichs zu den Ländern in Frage kommt, nicht halt machen darf. Die Wirtschaft Deutschlands bedarf dringend der Minderung der auf ihr ruhenden Lasten. Die Haushaltsgebarung des Reichs muß so gestaltet werden, daß der künftige Reichshaushalt nicht nur ohne Steuererhöhung ausgeglichen, sondern daß auch die so notwendige Senkung der Realsteuern tatsächlich durch« geführt werden kann.Arbeitgeber und Arbeitnehmer leiden gleichermaßen unter der Höhe der fatalen Lasten, denen noch immer nicht entsprechende Leistungen gegenüber stehen. Es wird ein Weg zu suchen sein, der geeignet ist, die hem­mungslose Bewilligung von Mehrausgaben durch das Par­lament einzuschränken. Eine Einwirkung des Reichs auf Länder und Gemeinden im Sinns' sparsamster Haushalts­führung ist deshalb unbedingt notwendig. In erster Li ne gehört hierzu eine starke Einschränkung der Anleiheauf- nahme, die nur unter der Kontrolle des Reichs in Zukunft möglich sein darf.