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Uirrrrrrrer 285 j Alten steig» Samstag den 8. Oktober 1927_s 51. Jahrgang
Zur Lage.
Der Anfang dieser Berichtswoche stand im Zeichen de« hindenburgtages, der im deutschen Volk stärksten Widerhall gefunden hatte. Berlin hatte jedenfalls kaum einmal solche Kundgebungen voll starker vaterländischer Eindrücke gehabt. Vas Erfreulichste war dabei, daß im gesamten Bürgertum veitgehcnde Uebereinstimmung herrschte und datz die Fahren des alten und neuen Reiches einträchtig nebeneinander oehten. Auf die kleinen Differenzen und die parteipolitischen Sticheleien, die teils zu großen Aktionen gemacht werden sollten, soll hier nicht näher eingegangen werden. Jedenfalls waren die Worte, die aus Anlatz des 86. Geburtstages seitens der Reichsregierung und des Reichspräsidenten an das deutsche Volk ergingen, getragen von dem Gedanken, die Einigkeit im Innern zu mehren, den Hader zu stillen und - de« großen Gedanken einer wahrhaft deutschen Politik den : Weg zu ebnen. ^
Unterdessen sind im Laufe der Woche die Probleme s »er innerdeutschen Politik stark in den Vordergrund ge- : Koten. Zn einer Besprechung der Ministerpräsidenten der : Länder und hernach in einer weiteren Verhandlung der ' Kinanzminister der Länder wurde über den Finanzausgleich gesprochen, sowie über Fragen, die im Zusammen- : Hang mit de: Vesoldungsresorm stehen. Nachdem schon die s bayerische Staatsregierung erklärt hatte, datz sie nicht in der « Lage sei, die Kosten der Vesoldungsevhöhung zu überneh- i Men, ist auch in: badischen Landtag ein Beschluß gefaßt wor- ' den, durch den das badische Staatsminifterium ersucht s wurde, in Berlin mit allem Nachdruck dafür einzutreten, f Mtz dem Lande Baden die zur Durchführung der Besoldungs- erhöhung erforderlichen Mittel vom Reiche zur Verfügung . Mellt werden, sei es durch Verzinsung der Eisenbahnschuld des Reiches, sei es in anderer Weise. Auch die württem- f belgische Regierung hat einen ähnlichen Standpunkt sin- ^ genommen, nachdem zuvor in Stuttgart eine Konferenz der j Lddeutschen Länder getagt hatte. .
Ob mit diesen Fragen zusammenhängend weitergehende i staatsrechtliche Probleme über Derwaltungsvereinfachung « »der gar über die Frage des Einheitsstaates aufgeworfen morden sind, steht dahin. Es scheint jedenfalls nicht zweck- , mäßig, diese Fragen im jetzigen Augenblick aufzurollen, i «achdem namentlich im deutschen Süden die Erhaltung der « Eigenstaatlichkeit von der Mehrheit des Volkes verlangt wird. Dennoch dürste die Frage infolge unserer finanziellen Bedrängnis durch Steuerlasten und Dawesplan für die Zu- - Kruft eine große Rolle spielen, namentlich auch bei den kom- ^ «enden Wahlen im nächsten Jahre. In Beziehung auf Las ! Reichsschulgesetz haben die meisten Länder von ihrem An- i tragsrecht Gebrauch gemacht, so datz sich mit Sicherheit vor- ! aussagen läßt, datz der vorgelegte Entwurf in verschiedenen s Punkten abgeändert werden dürfte. Eine Reihe von Län- - Lern haben Anträge gestellt, die noch über die preußischen ! Anträge hinausgehen. Der Kampf dreht sich vor allem um ; die Stellung von Eemeinschafts- (Simultan-) und Bekennt- - msschule. Der Entwurf sieht eine Gleichstellung vor. di« i Verfassung aber bevorzugt, allerdings auch nicht ganz klar ! und eindeutig, die Gemeinschaftsschule. Baden und Hessen setzten sich für die Simultanschule ein, allerdings hat der ; entsprechende Beschluß der badischen Regierung insofern i überrascht, als er keine glatte Ablehnung des Entwurfes z darstellt, sondern nur eine Hinausschiebung der Fristen be- ! züglich der Umstellung der Schularten. Es besteht kein Zwei- s fÄ, daß das badische Zentrum im Sinne des Entwurfes.eine ? Lösung befürwortet und daß eben in der badischen Regie- : rung, in der sich außer Zentrum auch Demokratie und So- ' zia-ldemokratie befinden, nun eine mittlere Linie gesucht ! wird. !
Eine weitere innerpolitische Streitfrage ist über die Aus- ! kaudsanleihen aufgetaucht. Ende September wurde die ! öffentliche Meinung in Deutschland durch die Washingtoner ? Meldung in Erregung versetzt, wonach sich bei der Auflegung i der letzten preußischen Staatsanleihe in Höhe von 36 Mil- ! lionen Dollar nachträglich Schwierigkeiten ergeben hätten, s Es wurde bekannt, daß der Generalagent für Reparations- ! Zahlungen, Parker Gilbert, gegen die Anleihe Einspruch er- ' hoben habe. Der Grund dafür kann kein anderer sein als - der, daß der Generalagent durch die zunehmende Verschiff- - düng deutscher öffentlicher Organe eine Minderung der c deutschen Zahlungsfähigkeit und weiter eine Verringerung » der Ueberweisungsmöglichkeit von Reparationsbeträgen be- ! fürchtet. Außerdem besteht eine Meinungsverschiedenheit - zwischen der Reichsbank und der Oesfentlichkeit über die i Zweckmäßigkeit von Auslandskrediten. Eine Beratungsstelle ! entscheidet bisher mit Stimmenmehrheit, ob der einzeln« '
Anleiheplan volkswirtschaftlich zweckmäßig ist. Eine weiter« Verschärfung trat in den gesamten Fragenkomplex dadurck ein, daß die Reichsbank ihren Diskont von 6 auf 7 Prozem erhöhte, was allerdings mit währungs- und börsentechnischer Maßnahmen im Zusammenhang steht. Immerhin ist Lurck diese Zinserhöhung, die eine Kreditverteuerung im Gefolgt hat, eine neue Belastung der Wirtschaft zu verzeichnen. Öl unter den neuen Zinssätzen und der Versteifung des Kaps ialmarktes die Hochkonjunktur der Wirtschaft noch lana- rnhalten wird, muß die Zukunft lehren. "
Der Rücktritt des Memeler Landesdirektoriums ist dff logische Konsequenz der Landtagswahlen tm Memelgeöiet, ie eine überwältigende deutsche Mehrheit brachten, von der Herr Schwellnus m« und nimmer ein Vertrauensvotum bekommen hätte.
In Paris wünscht man die Abberufung des russischen Botschafters Rakowski. Anlaß dazu gaben die Vorgänge bei den Sacco- und Vanzetti-Demonstrationen. Nun will Moskau und sein Außenminister Tschitscherin nichts davon wissen; denn überall gilt die Forderung nach Abberufung eines Gesandten als Unfreundlichkeit, ja als Bruch diplomatischer Beziehungen. Da man in Paris auf der Entfernung Rakowskis besteht, bleiben ernste Rückwirkungen zu befürchten
Neues vom Tage.
Das Reichskabinett über die Frage der Ausländsanleihen
Berlin, 7. Okt. Unter dem Vorsitz des Reichskanzlers Dr. Marx fand heute nachmittag in der Reichskanzlei eine eingehende Aussprache des Reichskabinetts unter Beteiligung des Reichsbankpräsidenten und des Generaldirektors der Deutschen Reichsbahngesellschaft über die Frage der Ausländsanleihen statt. Bei dieser Aussprache wurde eine völlige Einmütigkeit darüber erzielt, daß für Deutschland auch in der nächsten Zukunft die Aufnahme langfristiger Ausländsanleihen nicht entbehrt werden könne und wirr- schaftlich und finanzpolitisch durchaus berechtigt sei. Ferner herrschte darüber Uebereinstimmung, daß jede unter Berücksichtigung der heutigen Eesamtlage nicht dringliche oder unwirtschaftliche Ausgabe in Deutschland, sei es aus Ausländsanleihen oder aus anderen Quellen, unbedingt zu vermeiden sei.
Zinserhöhung bei der Deutschen Rentenbankkreditanstalt
Berlin, 7. Okt. Im Anschluß an die Reichsbankdiskont- rrhöhung hat die Deutsche Rentenbankkreditanstalt ab 1. November den Zinssatz für die von ihr ausgegebenen kurzfristigen Personalkredite um 1 Prozent erhöht. Nicht erhöht wird der Zinssatz für die im November zurückzuzahlenden sogenannten Abwicklungskredite und der für Sonderkredite, die in der Form von Personalkrediten, Kleinbauernkrediten und Umschuldungskrediten auf längere Zeit gegeben sind. Der Höchstzinssatz, den der Landwirt für diejenigen Kredite, für die eine Zinserhöhung eintritt, zu zahlen hat, beträgt einschließlich Provision
Die Angelegenheit Rakowski
Paris, 7. Okt. „Petit Parisien" glaubt zu wissen, daß die zuständigen Stellen am Quai d'Orsay zurzeit die letzte Hand an eine Note legen, die aDsbald Tschitscherin Lurch Botschafter Herbette übermittelt werden soll und die einen offiziellen Antrag auf Abberufung Rakowskis enthalten wird. In dieser Note werde die französische Regierung zweifellos sämtliche Bedenken gegen das Verbleiben Rakowskis als Botschafter Vorbringen, nämlich die Unterzeichnung des Manifestes des Zentralausschusses der kommunistischen Partei durch den Sowjetbotschafter und die Tatsache, daß Rakowski plötzlich ohne vorherige Verständigung mit dem Quai d'Orsay den Wortlaut des russischen Vorschlages zur Schulden- vegelung veröffentlichte. Zur Aufrechterhaltung normale, Beziehungen zwischen den beiden Ländern und im Interesse einer wirksamen Wiederaufnahme der Verhandlungen sei die Ersetzung Rakowskis erforderlich.
Der Neuyorker Bürgermeister über Berlin
London, 7. Okt. „Daily Expreß" zufolge erklärte der roi seiner Europareise zurückgekehrte Neuyorker Bürgermeistei Walker dem Berichterstatter eines Neuyorker Blattes übei Berlin: Der Grundton Berlins ist Leistungsfähigkeit. Ir vieler Hinsicht ist es eine der bewundernswürdigsten Städte Seine Reinlichkeit und seine modernen Einrichtungen Haber auf mich großen Eindruck gemacht.
Sitzung der sozialdemokratischen Neichstagsfraktion Berlin, 7. Okt. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktiok : beschäftigte sich in ihrer heutigen Sitzung mit dem Reichs« i schulgesetz. Die Aussprache ergab volle Einigkeit darüber , daß der Keudellsche Entwurf aufs schärfste abzulehnen ifl ! und alle Bestrebungen zur Konfessionalifierung der Volks, i schule abzuweisen sind. Von einer formulierten Stellung, s nähme wurde vorläufig abgesehen, da zunächst das Ergebnis s der Beratungen des Reichsrates über die Anträge der Läw s derregierungen abgewartet werden soll.
? Albert Thomas in Berlin
' Berlin, 7. Okt. Der Direktor des Internationalen Ar- : beitsamtes ist Freitag morgen in Berlin eingetroffem ! Albert Thomas hat zunächst mit dem Reichsarbeitsministei , und dem Staatssekretär des Reichsarbeitsministeriums
- eine Reihe von Fragen besprochen, die sich auf die bevor- i stehende Tagung des Internationalen Arbeitsamtes iv s Berlin beziehen. Anschließend hat er den Spitzen de,
: Reichs- und Staatsbehörden Besuche abgestattet.
s Diez an der Lahn und Bad Ems besatzungsfrei? i Berlin» 7. Okt. Nach einer Meldung der Voss. Zeitg. aus
' Köln werden die in Diez an der Lahn liegenden Besat- j zungstruppen am 25. Oktober die Stadt verlassen und nach
> Landau und Neustadt a. H. «brücken. Andere Truppen s werden nicht in den Ort gelegt, sodaß Diez von der Be-
- satzung befreit wird, die es acht Jahre und zehn Monat,
: hindurch gehabt hat. Die Gendarmeriestation in Diez bleibi l aber bestehen. Nach derselben Zeitung wird auch Bad Ems i besatzungsfrett" "
Vor der lleberreichung der französischen Note in Moskau Paris, 7. Okt. Wie die Agentur Havas mitteilt, wird de,
! französische Botschafter in Moskau, Herbette, heute dem : Volkskommissar Tschitscherin die Note der französischen Regierung übergeben, in der die Abberufung Rakowskis gefor.
- dert wird.
Chamberlain in Paris
^ Paris, 7. Okt. Ehamberlain ist heute vormittag aus Mao : seille kommend in Paris eingetroffen. Er wurde am Bahn« i Hof vom Kabinettschef Briands bearüstt. . - - -
. Unterredung zwischen Chamberlain und Briand Paris» 7. Okt. Entgegen der allgemeinen Annahme, daß Chamberlain und Briand erst im Anschluß an das morgen mittag am Quai d'Orsay stattfindende Frühstück eine Unterredung haben würden, hat diese bereits heute
> nachmittag von 5—6 Uhr unbemerkt stattgefunden. Das j offiziell hierüber ausgegebene Kommunique besagt: „Die ' beiden Außenminister haben die gegenwärtig beide Länder interessierenden Fragen Revue passieren lassen. Sie
. haben noch einmal die Uebereinstimmung ihrer Ansichten ? festgestellt."
; Zum Schulgesetz
! Berlin, 7. Okt. In der heutigen Morgenpresse wurde die . Vermutung ausgestellt, daß auf Grund der Beratungen im ^ Reichsrat das «Schulgesetz von der Regierung in Form einer i Doppelvorlage dem Reichstag vorgelegt werden wird. Wie ' den Blättern mitgeteilt wird, läßt sich im Augenblick noch i nicht ersehen, was geschehen soll. Die Möglichkeit liegt na>
: türlich vor. Vielleicht werden aber auch die Vorschläge des ! Reichsrates in den Entwurf eingearbeitet, worüber man sich : in den nächsten Aachen schlüssig werden dürfte.
. 31. Generalversammlung des evangelischen Bundes
! Eisenach, 7. Okt. Der evangelische Kirchenbund nahm ; in der Frage des Konkordats eine Entschließung an, in ' der die Rechtsform des Konkordats mit aller Entschie- ' denheit abgelehnt wird und eine Regelung der Frage zwischen Staat und Kirche auf dem Wege deutscher ' Staatsgesetze vorgeschlagen wird. In einer zweiten Einschließung zum Reichsschulgesetz wird unbedingtes : Festhalten an der Staatsschule und an der uneingeschränk- s ten Beibehaltung der christlichen Simultanschule gefordert.
s Belgrads Forderungen in Sofia
Belgrad, 7. Okt. Wie verlautet, wird die südslawisch« i Regierung voll Bulgarien die Auflösung der mazedonischen : Organisationen fordern. Sollte die bulgarische Regierung hierzu unfähig sein, so fordert der südslawische Gesandte, daß mit dieser Aufgabe ein fremder Staat beauftragt
- werde, der als der Beauftragte des Völkerbundes Vorgehen j würde. Kriegsminister General Hadjitsch bestätigte, daß i einer der Mörder des Generals Kowatschiwitsch bereits i verhaftet werden konnte. Nicht zwei, sondern drei Komi- ^ iadschis haben den lleberfall ausgeführt.
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