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ALSrnsteig. Dienstag de» 3V. August

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Vor der Genfer Mkervmdriogmg

Berlin, 29. Aug. Wie den Blättern mitgeteilt wird, ist nicht anzunehmen, daß das Reichskabinett, das sich in seiner Dienstagsitzung bekanntlich noch einmal mit der außenpoli­tischen Lage vor dem Zusammentritt der Völkerbundstagung beschäftigt, eine besondere Entschließung hierzu fassen wird. Das Auswärtige Amt erwartet vorher noch eine offizielle Mitteilung über die Truppenverminderung, und der Reichs­außenminister wird im Kabinett die außenpolitische Lage noch einmal in einem Referat zusammenfassen. Da in der letzten Kabinettssitzung bereits völlige Uebereinstimmung erzielt wurde, wird der Reichskanzler zu der morgigen Be­ratung nicht nach Berlin zurückkehren. Es werden daher voraussichtlich nur Dr. Eeßler, Dr. Stresemann, Dr. Koch, Dr. Eurtius und Reichsminister Schiele anwesend sein.

Von der Tagung des Völkerbundsrates werden in Ber­liner politischen Kreisen irgendwelche Sensationen nicht er­wartet. Von grundsätzlicher Bedeutung unter den Punkten der Tagesordnung ist die Entscheidung in dem Streitfall zwischen Rumänien und Ungarn, weil sie die Frage der Kompetenz der gemischten Schiedsgerichte und die Anrufung des Völkerbundsrates gegen ihr Votum betrifft. Dieselbe grundsätzliche Frage spielt hinein in die Anrufung des Völ­kerbundsrates durch Griechenland wegen des Streitfalls um den Kreuzer Salamis. Die Reichsregierung hat mit der Angelegenheit direkt nichts zu tun. Die Entscheidung sollte durch einen Ausschuß vorbereitet werden. Besonders hat sich der englische Außenminister um die Beilegung bemüht. Er hat auch einen Vorschlag ausgearbeitet, der ein Entgegen­kommen von beiden Seiten und eine gewisse Entschädigung m die Vulkan-Werft vorsieht. Dieser Vorschlag ist aber von keiner Seite akzeptiert worden. Ferner stehen eine Reihe Danziger Fragen auf der Tagesordnung, lieber sie ist das wesentliche bereits in der Presse bekannt geworden.

- Das Völkerbundsplenum, das nach der Ratstagung Zu­sammentritt, wird sich vor allem mit der Weltwirtschafts­konferenz, der Durchführung ihrer Ergebnisse und mit der Abrüstung beschäftigen. Wie Dr. Stresemann auf der letzten Ratstagung angekündigt hat, wird in der Plenarversamm­lung von deutscher Seite eine Erklärung erfolgen.

Daneben werden natürlich auch wieder die besonderen Besprechungen der Außenminister stattfinden. Diese Bespre­chungen sind früher angegriffen worden, nach deutscher Auf­fassung aber mit Unrecht, weil sie doch nichts weiter sind, als die Ausnutzung aller Gelegenheiten zur Verständigung zwischen den Völkern. Uebrigens werden auch diesmal solche Besprechungen nicht nur zwischen den Vertretern der Lo­carnomächte, sondern auch mit den Ministern anderer Län­der erfolgen. Das Thema der Unterhaltungen zwischen den Außenministern der Locarnomächte wird zweifellos auch die Truppenverminderung im Rheinland wie die Fortführung der Locarnopolitik überhaupt umfaßen. In diesem Zusam­menhang ist es interessant, daß Briand seine Auffassung zu gewissen Fragen dieser Art noch vor dem Auseinandergehen der interparlamentarischen Union klarstellen wird, um so mehr, als die Aeußerungen Jouvenels sie ziemlich zugespitzt haben. Es muß übrigens vor der in der deutschen Presse häufigen Auffassung gewarnt werden, als sei Briand ein politisch bereits toter Mann. Im Gegenteil hat man aus der Entwicklung der letzten Wochen den Eindruck, daß er sich von seiner Krankheit, durch die er beinahe das Augenlicht verloren hätte, ausgezeichnet erholt hat, und daß er nun wieder eine stärkere Initiative entfaltet. Das ist auch bei der Behandlung der Truppenverminderung in die Erschei­nung getreten. Wenngleich das quantitative Ausmaß der Herabsetzung der Besatzungsstärke in Berliner politischen Kreisen keineswegs voll befriedigt, so ist die Tatsache der Verwinderung auf der anderen Seite doch von besonderer Bedeutung unter dem Gesichtspunkt des Prinzips der Fort­führung der Locarnopolitik und der Erfüllung der hiermit zusammenhängenden Zusagen. Diese Angelegenheit muß überhaupt anhand ihrer ganzen Entwicklung besehen wer­den. Als der Reichsaußenminister im Reichstag von unse­rem Recht auf Truppenverminderung sprach, erfolgte seiner­zeit in der französischen Kammer sofort eine Interpellation, die dieses Recht bestritt. Nachdem Poincare ihre Beantwor­tung verhindert hatte, stellte die französische Presse allge­mein die Behauptung auf, daß in dieser Frage kein Recht Deutschlands, sondern nur ein besonderes französisches Wohlwollen in die Erscheinung treten könne. Noch vor kur­zem hat dann der angebliche Bericht des Generals Euillau- hrat, der übrigens nicht direkt von ihm, aber aus seiner

j Umgebung, den leitenden Kreisen der Besatzung stammte, z die These aufgestellt, daß die Sicherheit Frankreichs diese ^ Verminderung ausschließe. Gegen diese These hatte Briand ? anzukämpfen. Der Verlauf hat dann gezeigt, daß seine ' Stellung erheblich stärker geworden ist. Er wurde dabei ! durch die ehemaligen Alliierten unterstützt, die die Auf- fassung der militärischen Kreise als eine Absage an Locarno > bezeichneten. Nachdem jede Verminderung von französischer ! Seite zuerst überhaupt abgelehnt worden war, gestand man , 8000 Mann zu und schließlich ist das Kompromiß zwischen , der französischen und der englischen Forderung die sich i auf 18 000 Mann belief zustande gekommen, indem man sich auf eine Zahl einigte, die zwischen 10000 und 11VVV i Mann liegt. Dabei ist zu beachten, daß in der Art der Durch- ! führung der Verminderung auf die Erleichterung der Woh- ! nungslage im besetzten Gebiet besonders Rücksicht genommen i werden soll. So soll z. B. ein großer Stab verlegt werden, der bisher sehr viel Räume beanspruchte. Hervorzuheben ist, , daß Chamberlain sich während der letzten drei Monate sehr

- energisch und zäh dafür eingesetzt hat, daß die Truppenver- ! Minderung bis zur kommenden Genfer Tagung geregelt i werde.

s Außerdem werden sich die Unterhaltungen der Außen«

^ minister diesmal zweifellos auch mit der Frage der Rheim I landräumung beschäftigen. In Berlin ist man freilich der ! Auffassung, daß eine Entscheidung hierüber vor dem näch-

- sten Jahr nicht zu erwarten ist, schon allein deshalb nicht, weil vor den französischen Wahlen niemand die Verantwor-

^ tung für die Regelung dieses großen Problems übernehmen ^ wird. Aber hier arbeitet die Zeit nur für den deutschen z Standpunkt. Die Anhänger einer langen Besetzungsdauer

- find schon jetzt so isoliert, daß sie nirgendwo in der Welt

! unterstützt werden. Sowohl England als auch Belgien legen ' auf die Fortführung der Besetzung keinen Wert. Was Jou- i venel hierzu gesagt hat, ist nur eine Anklage gegen die ^ französische Politik. Es liegt aber Grund zu der Annahme ! vor, daß auch offizielle Kreise Frankreichs den Standpunkt j Englands teilen, wonach die Ostfragen ebenfalls bereits j durch Locarno geregelt sind, und zwar in einer Form, die i die schiedsgerichtliche und friedliche Lösung von Streitfragen l gestattet. Die Reichsregierung betrachtet die Frage der » Rheinlandräumung unter einem Gesichtspunkt, der irgend- i welche Gegenleistung ausschließt. Das Projekt von Thoiry ' steht für sie als durch die Entwicklung überholt außerhalb ' der Debatte. ' ' .

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! Jas AesatzungskMpkMitz

z Englisches Nachgebe« Es bleiben KV VVO Manu z Deutschland wird nicht gehört

^ Paris, 29. Aug. Zu der Frage der Truppenverringerung j im Rheinland veröffentlicht Havas folgende Note aus Lon- j don: Die französische Antwort auf die letzte britische Note s zur Frage der Verringerung der Rheinlandtruppen traf ! am Samstag im Foreign Office ein. Die französische Regie- ; rung nimmt den letzten englischen Vorschlag an, die Ziffer j der im Rheinland befindlichen Truppen auf insgesamt H 8V V0V Mann durch proportionelle Verringerung zu ver- j mindern. Frankreich wird seine Effektivbestände um 8000. i England und Belgien um je 1000 Mann verringern. Im s Foreign Office erklärt man sich sehr befriedigt darüber, daß « zwischen den Alliierten eine Einigung zustande kam.

^ Die englische Darstellung ^

^ Berlin, 29. Aug. Der amtliche britische Funkspruch meldet: Das : französische Kabinett bat gestern der Verminderung der drei ! Besatzungsarmeen im Rheinland nach langer Beratung zuge- s stimmt, wie sie vom britischen Kabinett vorgeschlagen wurde. Der s gegenwärtige Stand der Besatzungstruvpen ist folgender: Frank- ! reich 56 500, Grobbritannien 7300, Belgien 6300, zusammen ! 70100. Die französische Regierung bat sich einverstanden erklärt, s die kombinierte Vesahungsarmee «m 10 000 Man« zu vermin- i der». Nach dem britischen Vorschlag, den die französische Regie- ' rung jetzt angenommen hat, bat sie sich aber mit einer propor- s tionellen Verminderung einverstanden erklärt. Das bedeutet eine j Herabsetzung der französischen Truppen um 8050 Mann, der bel- s gischen um 900 Mann und der britischen um 1050 Mann. Die l? französische Regierung behält sich dabei das Recht vor, im Falle,

; dab Erobbritannien oder Belgien später die Zurückziehung einer j größeren Zahl von Truppen beschlieben sollte, diese durch fran- : zösische Truppen zu ersetzen. Die Regelung, die in Londoner ! diplomatischen Kreisen eine gewisse Befriedigung ausgelöst hat,

! stellt ein Kompromiß zwischen den Ansichten der französischen und s der englischen Regierung dar, deren ursprünglicher Vorschlag auf eine Verminderung auf 56 000 Mann sich belief.

s Amerikanische Stimmen zur Besatzungsfrage

! Neuyork, 29. Aug. In derWorld" wird an Frankreich ! die Frage gerichtet, warum es sich nicht durch eine wesent« § liche Verringerung der Rheinlandbesatzung an der freund«

- schaftlichen Geste Englands beteiligen wolle. Der Appell an s die Furcht sei zwar gute nationalistische Politik, doch sei die . größere Weisheit einer weitherzigen Haltung unter groß« r zügiger Beurteilung der französischen und deutschen Inter» k essen offenbar. Deutschland halte sowohl Geist wie Buch-- ! stabe des Locarnovertrages und gewinne dadurch mehr als ! durch Nadelstiche.

! Der deutsche Botschafter bei Briand

- Paris, 29. Aug. Botschafter von Hoesch hatte am Sams- i tag vormittag eine Unterredung mit Minister Briand, um j die Diskussion über die Deutschland und Frankreich betref- s senden Fragen fortzusetzen, die er vor etwa 14 Tagen nach ^ seiner Rückkehr nach Paris eingeleitet hatte. Da ein deut- i scher Bericht ganz besonders darauf hinweist, daß alle Fra- s gen besprochen wurden, die das deutsche und das französische l Interesse gemeinsam in Anspruch nehmen, so darf man wohl I annehmen, daß vor allen Dingen die jetzt schwebende und ^ unmittelbar vor der Entscheidung stehende Frage der Her- ; absetzung der alliierten Streitkräfte im Rheinland erörtert ? wurde.

: Discount Cecils Rücktritt.

§ London, 29. Aug. Wie Reuter mitteilt, bestätigt es s sich, daß Viscount Eecil aus dem Kabinett ausgetreten ist, i weil er mit dessen Abrllstungspolitik nicht einverstanden ? ist. Er wird infolgedessen nicht nach Genf gehen.

^ London, 29. Aug. Viscount Eecil hat an den Premier- ; minister Baldwin ein Schreiben gerichtet, in dem er erklärt, verscheide aus dem Kabinett aus, weil er i keine Möglichkeit sehe, in der äußerst wich- ! tigen Abrüstungsfrage mit seinen Kolle­gen weiterhin zusammenzuarbeiten. Er l erwähnt die verschiedenen Mißerfolge der Abrüstungs- ! bestrebungen, insbesondere das Mißlingen der Genfer j Dreimächtekonferenz und erklärt, man habe in all diesen ; Fragen die von ihm befürwortete Politik abgelehnt, ob-

> wohl durch sie eine Einigung hätte Zustandekommen können, ^ bei der kein wesentliches britisches Interesse geopfert wor- i den wäre.

l Eine Erklärung Lord Cecils

! London, 29. Aug. Lord Eecil erklärte einem Presse- E Vertreter: Ich bin wegen der Abrüstungs- ? frage zurückgetreten. Mein Rücktritt tritt ! sofort in Kraft. Die Gründe für meinen Entschluß ? sind in der allgemeinen Geschichte der Abrüstungsfrage zu § finden und gipfeln in dem Scheitern der Genfer Konferenz. ; Ich fühle, daß ich in der Lage sein werde, bessere Arbeit für die Sache der Abrüstung außerhalb des Kabinetts als im ! Kabinett zu leisten. Daher werde ich nicht nach Genf j zur Teilnahme an der Sitzung der Völker- ibundsversammlung als einer der briti- ! schen Regierungsdelegierten gehen. Es ist natürlich möglich, daß ich in Zukunft nach Eens als Ver- i treter Großbritanniens gehen werde, ohne'Mitglied der ? Regierung zu sein. Aber darüber kann ich mich noch nicht ? äußern.

E Antwort Baldwins auf Cecils Rücktrittsschreiben s London, 29. Aug. Premierminister Baldwin hat an s Lord Robert Eecil ein Antwortschreiben gerichtet, in dem j es heißt: er sei der Ansicht, Eecil übertreibe die Meinungs- ! Verschiedenheiten zwischen ihm und den anderen Ministern, i Im wesentlichen unterscheide sich die Politik der Regierung nicht besonders von Cecils Ansichten und die Ergebnisse ihrer Politik, zu denen die Locarnoverträge zu rechnen ' seien, seien nicht unbeträchtlich gewesen. Baldwin weist

> ferner darauf hin, daß Cecils Instruktionen für die Ab- ! rüstungskommission tatsächlich von Eecil selbst ausgearbeitet

worden seien. Baldwin erklärt, er könne keinen Tadel wegen des Fehlschlagens der Marinekonferenz annehmen,

! die, wie er hoffe, trotz ihres scheinbaren Mißerfolges viel- ; leicht doch noch zu einer baldigen Herabsetzung der Flotten- s rüstungen und zu einer besseren Verständigung führen i könne. Er teile nicht Cecils Pessimismus, obwohl er die

> Schwierigkeiten auf dem Wege zur Abrüstung anerkenne,

! die zahlreich und groß seien, aberdies sei kein Grund,

' alle Bemühungen aufzugeben."