radbahn, noch für einen Neubau Urach—Münsingen und erklärte rundweg, die Regierung könne sich nicht bereit erklären, überhaupt eine der Nebenbahnen zu berücksichtigen, sondern wolle in 2)4 bis 3 Jahren die Denkschrift einbringen, weshalb er die Anträge auf Erwägung empfehle. Das schließlich« Ergebnis war die Annahme eines Antrags Wieland (Natl.) mit Zusätzen von Kiene (Z.) und Eisele (V.), nach dem die Regierung eine Denkschrift über die Sache vorlegen soll und dabei die Möglichkeit einer Entlastung der Hauptbahn und zweckmäßigen Verbindung nach dem Oberland zu prüfen, desgl. sämtliche Eingaben für erledigt zu erklären hat.
Dagegen stimmten nur die Sozialdemokraten und der Vertreter Urachs, Bräuchle (V.). Fortsetzung morgen vormittag.
DieErledigungdes Falles Wagner.
Heilbronn. 4. Febr. (Telegr.) Hauptlehrer Wagner ist infolge Beschlusses der Strafkammer im Einverständnis mit der K. Staatsanwaltschaft außer Verfolgung gesetzt und dauernd in eine Irrenanstalt verbracht worden.
Diese Maßnahme stützt sich auf die psychiatrischen Gutachten der Professoren v. Gaupp-Tübingen und Wol- lenberg-Straßburg. Beide Gutachten kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß der Angeschuldigte zur Zeit der Begehung der Straftaten ohne allen Zweifel an chronischem Verfolgungswahn gelitten hat. Dieser Auffassung ist das Gericht beigetreten, indem es die volle Ueberzeugung erlangte, daß der Angeschuldigte seine Straftaten unter dem Zwange einer die freie Willensbestimmung ausschließenden krankhaften Störung der Eeistestätigkeit begangen habe, daß er also strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden könne. Eine etwaige Hauptverhandlung hätte unmöglich zu einem anderen Ergebnis führen können. Deshalb mußte von einer Hauptverhandlung abgesehen und der Angeklagte dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprechend außer Verfolgung gesetzt werden. Da der Angeschuldigte als gemeingefährlich erscheint, so ist gleichzeitig seine dauernde Unterbringung in einer Irrenanstalt veranlaßt worden. Die Anstalt wurde bis jetzt noch nicht genannt.
Der liebe kleine Boy.
Der reiche Amerikaner aus dem Goldlande Kalifornien, Longfield-Wolf, wohnte zuletzt in Stuttgart und führte bis dahin beim Einwohnermeldeamt schlechthin den einfachen Namen Wolf. Er wohnte bei seinem Onkel in der Reinsburgstraße. Der 20jährige Albert Wolf ist gebürtig aus Thann in Bayern. Er hat noch einen Diebstahl von 16 000 auf dem Gewissen und war deshalb schon vorher von der deutschen Polizei gesucht worden. Wolf scheint auch noch mehrere Verbrechen in Frankreich verübt zu haben. Er hatte aber die Allüren eines Amerikaners so genau studiert und wußte diese so exakt zu kopieren, daß er allgemein auch von sonst nicht so leicht zu täuschenden Personen als Amerikaner angesehen wurde. Zahlreiche Besucher des Stadtgartens erinnern sich gewiß des jungen Amerikaners mit dem glattrasierten Gesicht, der kurzen Shag-Pfeife im Mund und der flachen Tellermütze auf dem Kopf.
Der Mldfang.
17) Novelle von Adolf Schmitthenner.
Valentin tat einen herzhaften Schluck und setzte den Pokal auf den Tisch nieder. Das freundliche Erlebnis hatte jede Spur von Besorgnis aus seinem Antlitz verscheucht.
Wir danken den Herren, sagte er, und wir wünschen einem jeden viel Fortun in der Welt und deutsches Glück in der Liebe.
Wir danken auch! riefen die Studenten.
Ihr habt eine schöne Klinge, sagte Valentin zu dem Sprecher. Erlaubt, daß ich sie beschaue. Ich bin Schwertfeger und habe Freude an solchen Dingen.
Wir wollen gehn! drängte ich, aber die beiden waren ganz im Augenblick verloren.
Während Valentin die Waffe betrachtete, sagte Kunigunde:
Ist einer von den Herren aus Schlesierland?
Ich! rief einer, und ein feiner Geselle stand auf. Mattin Opitz heiße ich und bin aus Bunzlau in Schlesien.
Dann werden wir bald Landsleute sein, sagte Kunigunde und streckte dem Studenten ihre Hand hin, die dieser ehrerbietig ergriff. Wir ziehn nächster Zeit nach Rosenberg in Schlesien.
Dort sind wackre Bürger, sagte der Student. Schlesien heißt euch willkommen. Führt mich einmal mein Weg nach Rosenberg, so kehre ich bei euch ein. Dann wollen wir miteinander fröhlich sein und uns erzählen vom Wolfsbrunnen und vom Neckar und von dieser wunderschönen Stun.
Weg mit der Hand! schrie in diesem Augenblick Valentin. Er hatte sich umgedreht und schaute mit entsetzten Augen dem
Der Stadtgarten war der Lieblingsaufenthalt des Herrn Wolf alias Longfield-Wolf. In seinem dortigen großen Bekanntenkreis wurde er seiner „Gutmütigkeit" wegen kurzweg der kleine liebe Boy genannt. Es soll köstlich gewesen sein, wie der kleine „Boy" deutsch radebrechte, genau wie ein echter Amerikaner! Und was wußte der jung Gentleman nicht alles zu erzählen von seiner reichen Verwandtschaft, seinem reichen Onkel und seiner Tante, die irgendwo hier in Stuttgart wohnen sollten. Jeden Sonntag, und sobald er sonst einmal unsichtbar gewesen war, war er nämlich mit diesen auf ihrem Gute bei Freudenstadt gewesen. Der kleine liebe Boy hatte die Qual der Wahl unter den ihm entgegenschlagenden Damenherzen, deren Besitzerinnen sämtliche gerne'den von Herrn Longfield-Wolf versprochenen Ehering für 7000 ^ besessen hätten und die Haushaltung mit erstklassigem Koch, Auto und was sonst noch alles zu dem selbstverständlichen Zubehör des reichen Kaliforniers gehört. Die dem Gauner zum Opfer Gefallenen, Mutter und Tochter, wurden zunächst um ein gutes Stück Geld gebracht. Die Amerikaner sind bekanntlich sportliebend, selbstverständlich hatte auch Herr Longfield-Wolf diese Passion. Er wollte sogar das Fliegen lernen und begab sich zu diesem Zweck nach Berlin, wo er mit seiner Begleiterin 4 Wochen im Hotel Adlon wohnte. Die Kosten des Fliegenlernens mit dem drum und dran mußte natürlich die künftige Schwiegermutter bezahlen. Der Brief aus Amerika, der die Ankunft des reichen Vaters anzeigte, fiel dadurch auf, daß er keine Freimarke trug. Der Gauner wußte sich geschickt hinauszureden: Er sei Markensammler und habe deshalb die Marke bereits entfernt.
Stuttgart, 4. Febr. Der Polizeibericht meldet: Der angebliche Ingenieur Longfield-Wolff, der nach Zeitungsnachrichten an der am 30. vor. Mts. in San Remo verübten Mordtat beteiligt ist, wurde am letzten Samstag in der Person des ledigen Mechanikers Albert Wolf, geb. am 22. 9. 94 in Tamm O.A. Ludwigsburg (nicht Tamm in Bayern) amtlich ermittelt. Wolf war bis vor kurzem hier wohnhaft und in dem Geschäft seines Vaters tätig. Seine angebliche Frau ist Stuttgarterin. Wolf hatte sich hier schon längere Zeit als Sohn eines reichen amerikanischen Plantagenbesitzers in Santa Rosa ausgegeben und auf großem Fuße gelebt. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß durch ihn noch weitere Personen als die bekannten Festgestellten, geschädigt worden sind.
Opferwillige Kameradschaft.
Das Präsidium des Württembergischen Kriegerbundes hat zur Linderung der Not der durch die Sturmflut an der Ostsee heimgesuchten Kameraden 150 .st bewilligt.
Opfer des Eissports.
Friedrichshafen. 3. Febr. Beim Schlittschuhlaufen auf dem Bodensee ist gestern bei Steckborn ein junger Mann, ferner am Horn bei Berlingen zwei junge Leute durch das Eis gebrochen. Der erste ertrank. Von den beiden anderen fand gleichfalls einer den Tod im See; der dritte wurde gerettet.
Ebingen, 2. Febr. Gestern nachmittag ist aus Zürich die Leiche der dort gestorbenen 26 Jahre alten Luise Fuß hier eingetroffen. Das Mädchen ist beim Schlittenfahren so schwer verunglückt, daß es nach kur-! zer Zeit starb. !
Rottweil, 3. Febr. Am Sonntag wurde hier nach einem Vortrag des Parteisekretärs Staudenmeyer ein Ortsverein der Fortschrittlichen Volkspartei gegründet.
Büttel ins Angesicht. Der hob die hinuntergeschleuderte Hand empor wie ein Raubtier seine Tatze und legte sie schwer auf Valentins Schulter. Der stand zitternd und mit gesenktem Haupt. Und der Büttel sagte langsgm und feierlich, wie wenn es ein Gesangbuchvers wäre: **
Im Namen meines gnädigen Kurfürsten ergreife ich Euch als Wildfang und begehre meinen Fahegulden.
Er zog die Hand von der Schulter und streckte sie hin, seine Gebühr zu empfangen.
Büttel, rief ich, das ist ein grausamer Irrtum. Valentin Herbett ist ein Mainzer Bürgerkind, so ehrlich wie Ihr und ich.
Er soll die Hand aufheben, wenn er ehrlich ist! erwiderte der Büttel. Aller Augen wandten sich auf Valentin. Der bewegte die Hand, aber sie fiel ihm schlaff herab, und der Kopf sank ihm auf die Brust.
Der Büttel aber zog eine Schrift aus seinem Rock und entfaltete sie.
Hier steht es, sagte er behäbig. Unser AuSfauth zu Mainz hat sein Sigill darunter gesetzt. Valentin Herbetts Vater ist auf dem Henkerskarren gesessen und sollte mit dem Rad gerichtet werden. Aber Valentin Herberts Mutter, damals noch Jungfrau, hat ihn vom Karren losgeschnitten und zum Gatten begehrt. Nach deutschem Recht und Brauch ist Valentin Herbert unehrlich, und nach König Wenzels Ver- willigung ist er mit all dem Seinen auf Kind und KindeSkind dem Pfalzgrafen bei Rhein leibeigen.
Der Büttel faltete die Schrift zusammen und steckte sie umständlich in den Rock. Valentin stand da wie ein ge- brochner Mann. Kunigundens Angesicht war erstarrt. Sie schaute verständnislos bald den einen, bald den andern an, wie wenn das alles in fremder Sprache geredet wäre.
Gmünd, 3. Febr. Auf dem Bahnhof Maitis der Nebenbahn Gmünd-Göppingen versuchte ein junger Bahnhilfsarbeiter am Samstag abend nach Abgang des letzten Zuges nach Gmünd den Hauptmann von Köpenick zu spielen, indem er sich dem Stationsbeamten als Kontrolleur vorstellte. Der Beamte ging scheinbar aus das Ansinnen, ihm die Bücher vorzulegen, ein, bis er seinen Revolver erreicht hatte, mit dem er den Spaßvogel zur Ergebung zwang. Er wurde in den Ortsarrest und Montag früh nach Göppingen gebracht. Die Sache dürfte bei der Bahnbehörde wohl nicht als Spatz aufgefaßt werden.
A»» weit «ird Aoit.
Deutsche Offiziere nach Frankreich verflogen.
Straßburg, 3. Febr. Heute stiegen hier der Oberleutnant Prestin vom Bad. Futzarttllerieregiment Nr. 14 und Leutnant Eerner vom Lothr. Fußart.-Regt. Nr. 16 mit einem Flugzeug auf. Die Offiziere folgten aus ihrem Flug von Straßburg nach Metz der Eisenbahnlinie und bogen, als sie in Saarburg angekommen waren, irrtümlich nach rechts ab. Ihren Irrtum bemerkten sie erst, als sie Luneville im Tale vor sich liegen sahen. Sie gingen sofort nieder. Der Unterpräfekt ließ den Apparat, der von Gendarmen und einer Abteilung Artilleristen bewacht worden war, demontieren. Dabei waren die Mechaniker des 8. Artillerieregiments den Offizieren behilflich. Die Landungsstelle liegt zwischen Chauteheux und Lroismare, 9 Km. von der deutschen Grenze und 2 Km. von dem Fort Manonvillers entfernt. Einer der deutschen Offiziere begab sich sofort nach der Landung nach dem Bürgermeisteramt von Lroismare, um Beistand zu verlangen, da das Flugzeug, ein Zweidecker, bei der Landung stark beschädigt worden war. Der Bürgermeister verständigte sofort telephonisch die Zivil- und Militärbehörden von Luneville. Um 2 Uhr begaben sich zwei Generale der Garnison von Luneville nach Lroismare, um die beiden deutschen Offiziere zu vernehmen.
Nancy, 3. Febr. Die beiden deutschen Offiziere wurden heute abend um 6 Uhr von dem Brigadekommandeur General Varin zum Bahnhof Avricourt geleitet. Das Flugzeug wird abmontiert und mit der Eisenbahn nach Metz gebracht werden.
Allerlei aus dem Elsaß.
Der bisherige Kommandeur des Eren.-Reg. Nr. 12 in Frankfurt a. O., das Oberst v. Reuter übernimmt, Oberst Sauberzweig, ist unter Enthebung von seiner Stellung als Regimentskommandeur a la Suite des Regiments gestellt worden. — Aus Straßburg wird der Tägl. Rdsch. berichtet: Infolge der wiederholten vorzeitigen Bekanntgabe von Regierungsmaßnahmen im Elsaß in französischen Zeitungen sind die in Betracht kommenden Ministerialbeamten zu einer dienstlichen Erklärung aufgefordert worden. — Infolge der Vorgänge beim Postamt Zabern werden mehrere Beamte und Unterbeamte des dortigen Postamts versetzt werden.
Die Putilow-Angelegenheit.
Zu der Aufregung der Presse in der Putilow-Angelegenheit schreibt Jaures in der „Humanite": Woher kam dieser patriotische Lärm? Eutunterrichtete Geschichtsschreiber und scharf blickende Psychologen sind ! überzeugt, daß das Lreusot-Werk, bedroht in seiner vor- ! herrschenden Stellung in Petersburg, den Alarmruf los- lietz, um die französischen Banken zu zwingen, das Geld herzugeben, dessen die Putilow-Werke bedurften. Vergebens möchten jetzt diejenigen, die die Sache in die
Valentin hob langsam den Kopf und sagte leise: Ihr habt Recht Büttel. Und doch hat Eure Hand verdient, abgehauen zu werden, weil sie sich an einem freien Mann vergriffen hat. Erst heute über vierzehn Tage habt Ihr das Recht, mich zu fassen. Bis dahin habe ich mit dem Kurfürsten nichts zu schaffen.
Da irrt Ihr Euch! sagte der Büttel behaglich. Die Sonne ist untergegangen. Jahr und Tag ist vorbei. Als Ihr vorhin an mir vorüberginget, stand die Sonne noch am Himmel, da wäret Ihr noch frei. Wer jetzt seid Ihr dem Kurfürsten eigen.
Heut über vierzehn Tagen! stammelte Valentin.
Heute, heute, sagte der Büttel, heute mit Sonnenuntergang sind zwölf Monate, sechs Wochen, drei Tage vorbei, fett Ihr in Heidelberg Ungezogen seid. Glaubt Ihr mirs nicht, so schaut selber nach.
Er griff wieder in die Tasche, und nachdem er eine Weile darinnen herumgekramt hatte, zog er ein ander Papier heraus, den von der kurfürstlichen Kanzlet ausgestellten Befehl. Er entfaltete ihn und hielt ihn Valentin unter die Augen.
Der warf einen Blick hinein. Seine Augen wurde» größer und größer. Er streckte die Arme vom Leib und ballte die Fäuste. Dann, lösten sich die Finger langsam, und die Hände schlugen an den Leib. Er wandte den Kopf seiner Braut zu, sah sie traurig an und sagte: Kunigunde, es ist so.
Da kam Leben in ihr starres Gesicht. Ihre Augen sprühten Feuer. Sie richtete sich hoch auf und zischte: Pfui über deine Mutter! Pfui über dich!
Sie wandte sich um und ging hocherhobnen Hauptes au» dem Kreise. Die Umstehenden wichen rechts und links auf die Seite, sodaß sie wie durch eine Gaffe schritt.
Margarete ging schluchzend hinter ihr her. Aber nach