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AttkNtteig. Samstag de« 1v. Juli
1927
Zur Lage. i
Die Naturkatastrophen dieses Sommers haben nun auch ! sas deutsche Land betroffen. Zuerst gab es infolge Hochwas. jers und Dammunterspülu-wg das Eisenbahnunglück im Harz, ? bei dem zwölf Menschen das Leben verloren und noch mehr ! »exletzt wurden, und dann kam das in seiner Größe und ^ Schnelligkeit bisher in Deutschland nie erlebte Hochwasser im » Müglitztal und Gottleubatal im sächsischen Erzgebirge, dem s ISO blühende Menschenleben zum Opfer fielen. Wir sind es ; gewöhnt, daß in den Sommermonaten jeweils durch Natur- ! ereignisse wie Blitzschlag und Hochwasser Menschenleben ge- ! sährdet, ja vernichtet werden. In diesem Umfange wie j in Sachsen hat sich kaum einmal durch einen Wollenbruch s innerhalb weniger Nachtstunden eine solche Katastrophe voll- § zogen. Es sind in diesem Gebiet etwa 106 Gebäude der Der- j aichtung anheimgefallen, am meisten in dem Badeort Berg- : zießhübsl. An der Muglitz allein sind 30 Wohnhäuser und i Fabrikgebäude weggerissen, 27 Eisenbahnbrücken zerstör: r oder weggeschwemmt, und überdies 40 Brücken der Talstraße s vernichtet worden. Man mag daraus den Millionenschaden i ermessen, der hauptsächlich auf dem privaten Eigentum s schwer liegt und ganze Familien vor ein Nichts gestellt hat. s Die Schwere des Hochwassers erklärt sich aus der stellen- s weise vollkommenen Absperrung des Abflußraumes durch ; angeschwemmtes Holz. Im sächsischen Landtag wurde von ! der Regierung dieser Tage erklärt, daß einzelne Talsperren ? auch keine Rettung gebracht hätten, sondern nur ein großes ^ System von Talsperren, größere Brücken usw., vielfach For- - derungen, die nicht durchführbar seien in den engen Tälern. ? Die Teilnahme des deutschen Volkes an dem großen Unglück s ist allgemein, auch die kleinen Staaten Europas und die i Neutralen haben der Reichsregierung, wie es sich gehört, s ihre Teilnahme bekundet, nicht aber, wie es bisher diplo- - malischer Brauch war, die Großmächte, ausgenommen Ame- i rila. Selbst der „Vorwärts" findet dies auffallend. s
Auch das Unwetter, das vom letzten Freitag auf Sams- ! tag die Waldungen zwischen Erzgrube nnd Besenfeld heim- s gejuckt hat, verursachte den Waldbesitzern ungeheuren Schaden, l Glücklicherweise sind jedoch hier Menschenleben nicht zu°,be- ?- Klagen. ^
Zu den Naturkatastrophen ist auch das Erdbeben in Pa- ° lästina zu rechnen, das im heiligen Land erheblichen Sach- ^ schaden anrichtete. Am Ostjordanland gab es auch viele z Todesopfer. Die Zahlen darüber schwanken zwischen 250 und ! U>00. In Jerusalem selbst scheint es nur Verletzte und keine ! Toten gegeben zu haben. Erfreulich bleibt, daß die deutschen x Siedler, bekanntlich vor allem die schwäbischen Templer, heil s, davonkamen. Freilich Sachschaden haben auch sie erlitten, r Auf Einzelheiten ist noch zu warten. ^
Der Deutsche Reichstag ist am Ende der Vorwoche pro- ! grammätzig in die Ferien gefahren, nachdem er noch ein- s mütig die Reichsregierung ermächtigte, für die vom Unglück s Betroffenen in Sachsen Reichsmittel zu verwenden. Bisher ^ sind zwei Millionen angewiesen, von der sächsischen Regie- ^ rung 10 Millionen. In der letzten Sitzung des Reichstages - wurde auch die Zollvorlage nach den Ausschußbeschlüssen ? durch die Regierungsparteien verabschiedet. Der Reichsrat, , der ursprünglich die Vorlage unter preußischer Führung ab- k gelehnt hatte, billigte sie dieser Tage und hat keinen Ein- ? sprach gegen die Inkraftsetzung des Gesetzes erhoben. Der r Einspruch Hamburgs gegen Erhöhung des Zuckerzolls verfiel ? der Ablehnung. Die Reichsregierung hat in dieser Woche !! noch allerlei wichtige Eesetzesarbeit geleistet. Das Liquida- l tionsschädengesetz wurde fertiggestellt und ist dem Reichsrat ? überwiesen. Es soll endlich unseren Ausländsdeutschen, die , durch den Krieg von der Scholle vertrieben wurden und Nie- s senverluste erlitten, Entschädigung gewähren in Höhe von l einer Milliarde. Sodann ist das Reichsschulgesetz vom Ka- > dinett erledigt worden. Die Veröffentlichung steht bevor, s Der Reichstag wird sich auf einer Ta-gui^g im September : damit beschäftigen. Die Einigung des Reichskabinetts in der s Schulfrage erfolgte mit einem Vorbehalt der Volkspartei- i lichen Minister Stresemann und Curtius bei der Frage der Simultanschule in Baden, Hessen und Nassau. Mit der Vor- > legung des Gesetzentwurfes kommt nunmehr die Schulfrage s ins Rollen, und es ist bekannt, wie sich daran die Geister ? erhitzen. Indes soll das Gesetz ja nur eine Lücke ausfüllen, ^ die in Weimar offen gelassen wurde von Parteien, die heute s in der Regierung und in der Opposition stehen. Wie schwie- ! rig das Problem ist, geht daraus hervor, daß bisher jeder ! deutsche Innenminister sich mit der Materie beschäftigte und s Entwürfe ausarbeiten ließ, sodaß ein Berliner Blatt schreibt, l daß mindestens einige Dutzend solcher Entwürfe zur Schul- '
frage vorliegen. Nach Veröffentlichung des Entwurfes wird näher auf die Sache eingegangen werden können. — Das Reichskabinett hat auch vier Gesetze zur Vereinheitlichung des Steuerwesens bearbeitet. Sie sollen eine Vereinfachung der Steuern und der Steuerverwaltung lbringen, den Steuerpflichtigen eine klare llebersicht über die Steuerschuld schaffen und auch Ersparnisse an den Berwaltungskosten einleiten.
Auch die französische Kammer ging in die Sommerferien» nachdem sie dem Handelsminister noch die Ermächtigung erteilte, mit Deutschland ein Handelsprovisorium abzuschließen. Die Verhandlungen sollen günstig fortschreiten, sodaß bis Ende des Monats ein langfristiger Zwischenvertrag zum Abschluß kommt. Es sah einige Tage in der Kammer so aus, als ob die Absicht bestünde, das Kabinett Poincare zu stürzen. Zum Schluß konnte Poincare aber wieder als Sieger hervorgehen.
Die Annahme des Gesetzes über di« Wahlreform in der französischen Kammer ist freilich für den Ministerpräsidenten Poincare nur ein halber Erfolg. Denn sie bedeutet einen Sieg der Linken, den diese noch zudem, wenigstens zu einem gewissen Teile, der Passivität zu verdanken hat, mit der sich die Regierung in diesem parlamentarischen Kampfe dem Ansturm der linken Seite des Hauses gegenüber gewappnet hatte. Während die Rechte des Parlaments sich heftig gegen den von der Linken eingebrachten Gesetzentwurf zur Wehr setzte, ließ die Regierung den Dingen so ziemlich ihren Lauf — wahrscheinlich dazu veranlaßt durch die Erwägung, daß die Notwendigkeit einer finanziellen Gesundung des Landes in den Vordergrund gestellt werden müsse. Es ist ja auch in der Wahlreforml alte von Rednern der Rechten darauf hingewiesen worden, mtz die Regierung durch ihre Haltung einem Gesetz zur Annahme verhelfe, das nach der Ansicht! zum minderen eines Teiles ihrer Mitglieder unerwünscht und gefährlich sei. Aua» in der Frage der Erhöhung der Be- aMtengehälter, die trotz des energischen Einspruches Pmn- cares beschlossen wurde, gab Poincare nach. Die Erhöhung erhielt rückwirkende Kraft, was eine Vermehrung des dafür vorgesehenen Kredits um eine Halbe Milliarde bedeutet. Wie das französische, so sind auch die übrigen Parlamente m Sommerurlaub gegangen, sodaß jetzt die sogenannte Saure- gurkenzeit in der Politik kommen kann.
Freilich bleibt der Abschluß hinsichtlich der deutschen Außenpolitik recht unbefriedigend. Die Besichtigung der zerstörten deutschen Ostfestungen durch die Beauftragten der Dotschafterkonferenz hat zwar ein Protoko.. zutage gefördert, das Deutschland die Anerkennung gibt, den Abrüstungsoerpflichtungen nachgekommen zu sein. Aber in Paris hat eine neue Deutschenhetze eingesetzt, die von Brüssel aus unterstützt wird. Der belgische Kriegsminister hat bisher nicht Farbe bekannt, worauf seine Verleumdungen gegen die deutsche Reichswehr sich stützen. Die Reichsregierung har wiederholt Vorstellungen erhoben. Vandervelde, der verantwortliche Minister für die Außenpolitik, hat sich in der Kammer um eine Antwort gedrückt und eine harmlose Locarnorede gehalten. In England redet die Presse ein offenes Wort, wenn sie schreibt, daß nach Erfüllung der deutschen Entwaffnungsverpflichtungen Deutschland einen Anspruch auf die Rheinlandräumung habe. Freilich Herr Chamberkam schwieg auch darüber vor dem Unterhaus, wenn auch der Regierungsvertreter später zugab, daß die Truppenoerminderung nicht den Versprechungen gemäß durchgeführt wurde. Es weht in der Politik aus Paris ein eisiger Wind, keine Spur von Locarnogeist trotz aller friedfertigen Reden.
In Genf hat die Abrüstungskonferenz der drei Mächte noch immer ihre Schwierigkeiten in der Kreuzerfrage. Man will die Zahl der großen Kreuzer und ihre". Tonnengehalr beschränken, gleichzeitig aber eine Gefamttonnenzahl fest- ietzen, die den Mächten gestattet, eine nicht geringere Kriegsflotte aufrecht zu erhalten. Man darf annehmen, daß zuletzt schon ein« Einigung zustande kommt, wenigstens eine solch; um der Welt Sand in die Augen zu streuen.
Die Wahlen zum rumänischen Parlament haben der Partei Vratianu eine so überwältigende Mehrheit gebracht, daß sie auf die spärlichen Reste der Opposition kaum Rücksicht zu nehmen braucht. Den mehr als 320 Sitzen der Liberalen stellen sämtliche anderen Parteien rund 75 Mandate entgegen, die Partei des Generals Averefcu hat es überhaupt nicht vermocht, auch nur einen Vertreter in das neue Parlament zu entsenden. Das neue Kabinett Vratianu bezeichnet in Kundgebungen an die Presse Rumäniens und des Auslandes sein Programm als das einer Konsolidierung der rumänischen Verhältnisse in jeder Beziehung; was die außenpolitische Einstellung angeht, so hat der Außenminister besonderen Nachdruck auf die Notwendigkeit einer Festigung der Leinen Entente gelegt.
! Schwere Unruhe» in Wien
j Wien, 15. Juli. Im Januar d. I. waren bei einem Zusamu ^ menstob zwischen sozialistischen Arbeitern und Frontkämpfern i» ! Schattendors lBnrgenland) ein Arbeiter und ein achtjährigen r Knabe erschossen, vier Arbeiter und ein sechsjähriger Knabe ve« ! wundet worden. Gestern abend wurde in dem wegen dieser Bo« ! fälle angestrengten Prozeb das Urteil verkündet. Die Anseklag« ! ten wurden freigesvrochen. Vor dem Gericht hatte sich eine grobes i Anzahl junger Leute eingefunden, die das Urteil teils mit Pfui», teils mit Seilrnfen aufnahmen. Die Polizei zerstreute dies Menge.
Heute früh erfolgte in zahlreichen Industriebetrieben eine teil« i weise Arbeitseinstellung. Biele Arbeiter marschierte» in
- langen Zügen zur Universität, zum Nathans und zum Parla- ; urentsgebäude. Das Wachanfgebot an de« bedrohte« Stel» s len war viel zu gering. Ein Sturm auf die Universität mitzlanH ; sodah sich die Demonstranten damit begnügen nwbte«, die Fen« ! fterscheibeu einzuschlagen. ZuschwerenZnsammeustöhe»
- kam es vor dem Parlamentsgebäude und am Rathaus. Es fiel i ein Schub, der angeblich aus einem Fenster abgefeuert wurde, s Dieses Haus wurde gestürmt. Schon nach 11 Uhr was i die Lage so kritisch, dab die Wachmannschaften von der ! Waffe Gebrauch mache« mutzten. Sie feuerte« zunächst ; Schreckschüsse ab, mutzte« dann aber scharf feuern, als die Meng«
- nicht weichen wollte. In der Mittagsstunde rückten gröbere Ab« i teilnngen des Revublikanischen Schutzbundes an, «m »wische« z der Polizei und den Demonstranten zu vermitteln. Bezeichnen« i derweise befinden sich unter den Demonstranten zahlreich« s Frauen. Auf Einspruch des Bürgermeisters hat der Polizeivrä« j sident die Wachen angewiesen, von der Waffe nur Gebrauch zu i machen, wenn sie selbst bedroht find. Mit den Balken, Leitern s und Brettern eines Gerüstes wurden Barrikaden vor dem Par- " lamentsgebäude errichtet, um die berittene Polizei am Bor» s dringen zu verhindern, was auch gelang. Auf Grund einer sozial- s demokratischen Anfrage wurde schlietzlich die Polizei vom Parlamentsgebäude wieder zurückgezogen.
- Der Justizpalaft in Flammen
! Wien, IS. Juli. Im Justiz valast, der von den Den-an« i stranten und zwar hauptsächlich von Kommunisten besetzt ist, s brach kurz nach Mittag ein Brand aus. Das Innere des Ge» , bändes war zunächst von den Demonstranten verwüstet worden, l dann wurden die Möbel und vor allem Aktenstücke, darunter ? lluch wichtiges Material, wie Grundbücher usw. in die Borhalle ' geschleppt und in Brand gesteckt. Bald sah m, n Flamme»
- und Ranch aus den Fenster« des Erdgeschosses s und des ersten Stockwerkes schlage«. Eine starke ! veuerwehrabteilung, die sich dem Gebäude nähern wollte, wurde i von einer mehr als tausendköpfige« Demonstrautenmenge anfge» s »alten, beschimpft, bedroht und vmtzte «nverricftteter Dinge wie,
< Ser abziehe«.
Kurz vor zwei Uhr hörte man vor dem Parlament aus de» Richtung des Bezirks Josephsstadt Gewehrschüsse, was s eine allgemeine Panik hervorrief. Der Polizei- E Präsident hat dem Drängen bürgerlicher Politiker, darunter des s Präsidenten des Nationalrates, nachgegeben und stärkere Poli- s zeiabteilungen mit Karabinern ausgerüstet zum Justizpalaft und s zum Rathaus gesandt. Inzwischen war unter den Aufrührern ; das falsche Gerücht verbreitet worden, dab Militär von autzer- i halb Wiens anrücke. Infolgedessen begannen die Aufrührer, das s Rathaus mit Barrikaden zu umgebe», in der An- , nähme, datz das Militär zuerst dieses Gebäude besetze« werde, f Die Feuerwehr konnte infolgedessen bis in nächste Nähe des
- brennenden Justizvalastes Vordringen und mit dem > Löschen besinnen. Gegen 2 Uhr gab die Polizei gegen das Rat- s bans «nd die umliegenden Straben Schüsse ab. Im Rathaus f wurde ein Magiststratsbeamter nnd ein Arbeiter erschossen und : fünf weitere schwer verletzt. Die Polizei ging nach zwei Rich» r tnngen vor. Die Polizei feuert ununterbrochen.
? Es verlautet, datz die Kundgebungen bisher neun Todes» j ovfer gefordert haben. Die ersten Toten gab es bei dem Sturm k' "ui die Wachstube in der Lichtenfeldgasse. Ein Trupp stürmt« i die Exveditiousränme der grotzdentsche« „W jener Neueste«
^ Nachrichten". Sämtliche Möbel und das Ervveditions» j material wnrde« auf die Straben geworfen und in Brand ge» i steckt. Ein Versuch, auch in die Redaktionsräume einzudringen» i wurde von der Polizei mit Unterstützung der Redakteure und ' des Personals vereitelt-
! 40 Todesopfer in Wien?
z Berlin, 15. Juli. (Priv.-Tel.) Nach einer Meldung der ' „Vossischen Zeitung" aus Wien, erklärte der Chefarzt der ^ Wiener freiwilligen Rettungsgesellschaften, daß nach seiner Kenntnis die Zahl der Opfer bisher 40 Tote und H 200 Verwundete beträgt. Der Brand im Justizpalaft, s so meldet das Blatt weiter, hat den Höhepunkt erreicht, l Das ganze riesige Gebäude ist ein einziges Flammenmeer,
' über das Flammenzungen 20 m hoch zusammenschlagen. 4 Der Bahnverkehr auf' der Süd- und Westbahn ist noch immer unterbrochen. Der Straßenbahnverkehr ist eingestellt.