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Amtsblatt für den Gberamtsbezirk Nagold und Mensteig. Stadt. Allgsmsinsr Anzeiger für die Bezirke Nagold, 5 alw u Freudenstadl

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Nr. 47 y/ >

Zur Lage. l

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Der Fevruar geht zu Emde und der erste Frühlingsmona: I zieht herauf. Wird er uns mit dem warmen Frühlingsglan^ der Sonne auch neues Leben in Politik und Wirtschaft brin­gen, hoffnungsvolles Aufwärtsschreiten, neues Blühen und ^ Gedeihen des Vaterlandes? j

Die Verhandlungen im Reichstag und seinen Ausschüssen ' ikbor den neuen Reichshausha-lt haben deutlich gezeigt, daß vir die schwere Steuerlast wohl noch etliche Jahre tragen» za dankbar sein muffen, wenn nicht angesichts der in den nächsten Jahren steigenden Daweslasten keinerlei weitere krhöhung eintritt. Es kann ja wohl da oder dort Milde­rungen geben, die Gesamtlast, die auf den Schultern des ' deutschen Volkes ruht, wird in den nächsten Jahren noch här- i ter drücken. Ob es dann allmählich gelingt, die Unmöglich- i öeit der dauernden Erfüllung des Dawesplanes auch unseren j Gegnern klar zu machen, erscheint noch sehr fraglich. Di« s Nutznießer aus unseren Reparativnslasten wiffen die Mil- ! Konen wohl zu schätzen, die ihnen von deutscher Seite Jahr » «n Jahr zufließen. So erhält Frankreich z. V. im laufenden - Reparationsjahr, das im September zu Ende geht, rund 800 « Millionen von Deutschland. Die bisherigen Beratungen im ? baushaltsausschuß des Reichstages brachten bezüglich der Kosten der Reichswehr keinerlei Ermäßigungen oder nen­nenswerte Abstriche, obwohl das deutsche 100 000 Mann- EAdnerheer soviel kostet wie das frühere viel stärker« Reichsheer. Aber es ist erklärlich, daß die für den Grenz­schutz des Reiches verantwortlichen Männer, den uns selbst das Friedensdiktat zugesteht, keinerlei HerabmiNderung der btärkeverhältnisse und der Ausrüstung zugestehen, da im Versailler Vertrag die Zusammensetzung und Rüstung der Reichswehr aufs genaueste vorgesch-rieben ist und keinerlei Veränderung von den Gegnern gebilligt würde. General Heye, der neue Chef der Heeresleitung, will die Reichswehr -mn Bolksheer machen. Der Reichstag hat in seiner Voll­versammlung in dieser Woche den Reichsjustizetat iu zwei­ter Lesung erledigt. Es wurde dabei viel von der Vertrau­enskrise gegenüber der Justiz gesprochen. Sie wurde zwar vom neuen Justizminifter Hergt als erledigt bezeichnet, es scheint aber, daß noch nicht alle Zweifel cm einem unab­hängigen gerechten Gerichtswesen beseitigt find. Di« Wie­dereinführung der alten Schwurgerichte wurde abgelehnt. Im übrigen waren die Blicke nach vorwärts gerichtet auf dir neue Strafrechtsform, die in diesem Jahr noch dem Reichs­tag zugehen soll.

An der deutschen Außenpolitik haben neue Zwischenfälle in der Pfalz die Aufmerksamkeit des deutschen Volkes er­regt. Die Verhaftung zweier Gendarmeriebeamten kann als einer der vielen Willkürakte der französischen Soldateska betrachtet werden. Auch im Saargebiet soll nach derSaar­brückener Zeitung" eine Entscheidung in der Frage des Verbleibens der französischen Truppen im Saargebiet zu Ungunsten Deutschlands getroffen worden sein. Zunächst haiü»elt es sich freilich um eine Entscheidung der Regievungs- kommiffion, die mit vier zu eins dem Völkerbund vorschlagen will, daß die 800 Mann starke Polizeitruppe aus den sich jetzt im Saargebiet aufhaltenden französischen Truppen ge­bötet wird. Die Anwesenheit eines französischen Truppen- kontingents im Saargebiet ist aber rechtswidrig und wenn der Bölkerbundsrat sich dieser mit einer solchen Lösung ein­verstanden erklären sollte, so würde dies einen neuen Schlag für di« Saarbevölkerung bedeuten. Der Rücktritt des Prä- pdenten der Saarvegierung, des Kanadiers Stephens, steht mit dieser französischen Politik im Zusammenhang, lieber die gespannten politischen Beziehungen zwischen Deutschland «nd Polen ist es etwas ruhiger geworden. Bon deutscher Seite wird auf diplomatischem Wege der Versuch gemacht, zu einer Klärung der Fragen des Niederlaffungs- und Aus- Weisungsrechts zu kommen. Bisher ist Polen in diesen Din­gen aber immer ausgewichen. Bei der am 7. März begin­nenden Tagung des Dölkerbundsrales soll Reichsminist r Dr. Stresemann den Vorsitz führen. Er wird von seinem i Erholungsaufenthalt an der Riviera in San Remo nach ^ Genf reisen. k

Recht bedeutungsvoll waren di« Borgänge in den chine» « fische» Wirren. Zunächst hat England mit der südchinestschen i Regierung in Kanton einen Vertrag geschloffen, der die Chi- ! Wesen gleichberechtigt mit den in der dortigen Kolonie woh- s «enden Engländern macht. Die Rechte der internationalen f Niederlassungen find unter dem Ansturm der national isti« r scheu Bewegung also im Wanken. In Shanghai wollen die s Rächte allerdings diese Rechte noch mit den Waffen ver« ! leidigen. England hat zu diesem Zweck rund 20 000 Soldcrtea s «ack Dkktna aeLÜickt. Die Spille die i» di «ter Woche ist i

Alleusteig, Kamstag -e« 2V. Februar

Shanghai durch Beschießung des Arsenals gesawen Mo, waren nicht ernst zu nehmen, wenn auch einige abgerrrte : Kugeln in di« französische Niederlassung fielen. Den Frau- ° zosen geben sie Anlaß, weitere Kriegsschiffe in die chinesischen j Gewässer zu entsenden. Der Generalstreik in Shanghai ist beendet. Er richtet sich gegen die Hinrichtungspolitik des ? Generals Sun. Unterdessen hat General Sun, der chinesische , Verteidiger von Shanghai, sein Amt niedergelegt und seine demoralisierten Truppen, die teilweise zu den Kantontrup- l pen übergingen, sind durch neuen Nachschub aus dem Nor­den unter General Dschang gefestigt worden. Tschang selbst s ist in Shanghai eingezogen, und man erwartet nunmehr - zwischen den Süd- ud Nordchinesen vor den Toren der Ha- ! fenstadt eine Entscheidungsschlacht, wenn sich nicht zuletzt die j streitenden Bruder einigen und gemeinsam gegen die Frem- ^ den gehen. Auf nordchinesischer Seite sollen auch Russen ; stehe«. Doch kann es sich dabei auch um englische Stim- s mungsmache handeln. >

Die Beziehungen zwischen Rußland und England haben j in den letzten Tagen durch eine englische Rote in drohendem j Ton eine Verschärfung erfahren. Es handelt sich um ein , Schriftstück, das als Protest gegen Moskaus Politik im ssr- i nen Osten aufzufassen ist. England beklagt sich bitter über ^ die englandfeindlichen Tendenzen der Sowjetpolitik. Zn» « gleich droht es mit Aufhebung des Handelsabkommens und » Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Rußland will l ourcy leinen Außenkommiffar Tschitscherin antworten lasiert ! Der englische Schritt ist zunächst als Schreckschuß zu werten, z Auch in Nicaragua ist eine Verschärfung der Lage zu ver- - zeichnen. Der Parteikampf zwischen Liberalen und Konser- > nativen wurde von den Vereinigten Staaten benützt, um in j dieser Republik Fuß zu fassen. Und nun hat der unterlegen« » konservative Präsident des Landes, Diaz, nach Washington ein Bündnisangebot gemacht, ähnlich wie es bereits die mrt- telamerikanische Republik Panama mit Washington hat. Es ist kein Zweifel, daß Amerika mit seinen 50 000 Soldaten in § Nicaragua auf diesen Vorschlag eingeht, sofern nicht durch das Erscheinen eines englischen Kriegsschiffes zum Schutz der britischen Interessen in Nicaragua eine neue Verwicklung der Lage entsteht. Denn nicht nur England, auch die süd- amerrkanischen Staaten fürchten das Uebergewicht der ame­rikanischen Marine, das durch diesen neuen Stützpunkt Mittelamerika verstärkt wird. j

Sie Lage in symgW

London, 25. Febr. Der Sonderberichterstatter derDaÄY Mail" meldet: Angesichts der Tatsache, daß die geschlagenen Truppen Suntschuanfangs und die Truppen Generals Tschangtschungschang sehr nahe bei Shanghai zusammen- gezogen sind und angesichts des dauernden Vorgehens der Kantonesen aus Syanghai ist es klar, daß die Besetzung der militärischen Verteidigungslinie um die internationale Nie­derlassung und um die französische Konzession herum durch britische, möglicherweise auch andere Truppen nicht mehr länger verzögert werden kann. !

Ein nacht» aus Shanghai abgesandtesDaily Mail"- k Telegramm lautet: Es wird berichtet, daß einnördliches ! Schlachtgeschwader" aus 16 Schiffen verschiedener Größen k aus Tsingtau nach Shanghai unterwegs ist. Ein Schiff ist mit Russen bemannt.

London, 28. Febr. Gin um Mitternacht abgesandtes Tele­gramm des Sonderberichterstatters derChicago Tribüne" in Shanghai besagt: Die Schantung-Truppe« «nter de« Befehl des Generals Tschangtsuntfchaugs haben das Reu­se» nach Shanghai gewonnen. 2000 von ihnen find heute abend mit der Bahn aus Nanking eingetroffen. Die Trup­pen wurden sofort nach Sungkiang gebracht, «m Marschall Sans demoralisierte Heere, die sich jetzt vor de« Kanton- Heeren zurückziehen, zu verstärken. Berichten aus Nanking zufolge hat General Dschangtfuntfchang endgültig den Be­fehl der nördlichen alliierten Streitkräfte übernommen.

Deutscher Reichstag

Berlin, 25. Febr.

Vizepräsident Esser eröffnet die Sitzung um 3 Uhr. Die zweite Lesung des Haushalts des Reichsjustizministeriums wird fort­gesetzt. Zunächst nimmt sächsischer Gesandter Dr. Eradnauer das Wort zu einer Aeuherung des soziald. Abg. Fleihner im ! Rechtsausschutz, der erklärt hatte, eine neue Amnestie sei auch ! notwendig, um den Opfern der sächsischen Rachejustiz Hilfe zu t bringen, die nach dem Einmarsch der Reichswehr in Sachsen ein- gesetz habe. Der Redner erklärt, dab diese Behauptung nicht ru- j treffend fei, Vielmehr find Straftaten, die im Zusammenhang '

1927

mit dem Einmarsch der Reichswehr begangen worden sind, erle­digt und zwar entweder durch die sächsische Amnestie vom Avril 1926, oder durch die Reichsamnestie.

Abg. Emminger (Bayer. Vp) spricht dem Justizminister und seinem Staatssekretär das Vertrauen aus. Das ThemaVer­trauenskrise" sei geradezu ein Schlagwort geworden. Er ver­hehle es nicht, erklärte der Redner, dah er im vergangenen Jahre eine ganze Anzahl Urteile in die Hand bekommen habe, bei denen er den Kopf geschüttelt habe. Trotzdem seien die ver­allgemeinerten Angriffe gegen die Rechtspflege ungerechtfertigt. Oie erweiterten Schöffengerichte und die jetzigen Schwurgerichte könnten jeder Kritik standhalten. Unter tausenden von Mit­gliedern eines Standes könne auch einmal ein räudiges Schaf sein.

In der Einzelbesprechung fordert der Abg. Höllein (Komm.) Beseitigung der Abtreibungsparagraphen. Ein kommunistischer Antrag auf Streichung des Staatssekretärs wird abgelehnt.

Der Haushalt des Justizministeriums wird ohne wesentliche Aussprache in 2. Beratung erledigt.

Die Vorlage über die Simultanzulassung der Rechtsanwälte wird in 2. und 3. Beratung in der Fassung eines Komvromih- antrages der Regierungsparteien angenommen, wonach die Zu­lassung unterbleibt, wenn das Präsidium des Oberlandesgerichts Ser Zulassung im Interesse der Rechtspflege widerspricht. Als Da­tum des Jnkraftretens des Gesetzes wird der 1. April 1928 be­stimmt.

Es folgt die zweite Beratung des Haushalts des Reichsar­beitsministeriums, Mit der Beratung verbunden wird die Denk­schrift über die Arbertsbeschatffungsmabnahmen der Reichsregie­rung. Der Ausschuh beantragt in einer Reihe von Entschließun­gen die Vorlegung einer Denkschrift über die finanzielle Lage der Sozialversicherungsträger, ferner die Gewährung eines Zu­schußes von 59 Mark für jeden Wochenfürsorgefall durch das Reich, Gleichberechtigung Deutschlands beim Internationalen Ar­beitsamt usw.

Neues vom Tage

Das Befinden des Reichstagspräsidenten Löbe Berlin, 25. Febr. Reichstagspräsident Löbe hat di« Vlinddarmoperation gut Lberstanden. Sein Befinden ist den Umständen nach befriedigend. Der Reichspräsident hat sich Freitag früh, wie den Blättern mitgeteilt wird, durch Staatssekretär Meißner nach dem Befinden des Reichstagspräsidenten Löbe erkundigen und die besten Wünsche für seine Genesung aussprechen kaffen. Auch der Reichskanzler hat Reichstagspräsident Löbe in einem besonderen Schreiben sein und der Reichsregierung größtes Bedauern zu der schweren Erkrankung ausgesprochen und der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß der Präsident bald wieder in Gesundheit und Frische seines wichtigen Amtes walten könne.

Zur französische« Schulvenregelnng Paris, 26. Febr. Im der Kammer gab Ministerpräsidenr Poincare die mit allgemeiner Spannung erwartete Erklä­rung über die London gegenüber eingegangene Verpflich­tung zur Zahlung von sechs Millionen Pfund ab. Er stellt« fest, daß das vorliegende Abkommen mit der englischen Re­gierung keine Verpflichtungen Frankreichs nach sich ziehe, das Abkommen vom 12. IM 1926 zu bestätigen. Die Hoff­nung, Frankreich könne sich durch eigene Kraft wieder er­holen, habe nicht getrogen, und während der Wiederaus« richtung hätten weder London noch Washington Schwierig­keiten bereitet. Gegenüber dem Vorwurf, daß die jetzt vor­gesehene Summ« sich genau mit dem Abkommen vom 12. IM decke, erklärte Poincare. daß das Schatzamt in der Lag« gewesen sei, die Summ« zu bezahlen und daß durch die Zah­lung Frankreich in keiner Weise für die Zukunft gebunden sei. Bei den Vereinigten Staaten stehe eine Lösung bevor. Cr werde dom Finanzausschuß die notwendigen Aufklärun­gen über die gegenwärtigen Unterhandlungen mit Washing­ton geben. Dem Wunsche des Sozialisten Auriol, die Regie­rung über das Zahlungsabkommen mit London zu befragen, widersetzte sich Poincare und erklärte, daß er die Vertrauens­frage über die Vertagung der Anfrage stellen werde. Der Antrag Anriol geht nmrmehr dem Finanzausschuß zu, der der Kammer einen Bericht vorlegen wird.

Zur englische« Rote an Rußland London, W. Febr. Der dffüoinatische Berichterstatter de« Daily Telegraph" schreibt, der augenblicklich in London befindliche britische Geschäitsträaer in Moskau. Hodosou. iverde vielleicht auf seinen Posten nicht zurückkehren, ehe die Rückwirkungen der britisechn Note sichtbar sind. Daß die Sowjetregierung mit der Möglichkeit eines diplomatischen Bruchs rechne, gehe aus der Zurückziehung ihrer Guthaben aus britischen Banken m Höhe von schätzungsweise 8,6 Mil­lionen Mund hervor.