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Nr. 3V

AltenNeig, Wa1ag

de« 14 Februar

,927

Die deutsch-polnischen Handels- vertragsverhandlungeu unterbrochen.

Berlin» 12. Febr. Der deutsche Bevollmächtigte für die Handelsvertragsverhandlungen mit Polen, Staatssekre­tär a. D. Dr. Lewald, hat dem polnischen Bevollmächtigten Herrn von Pradzynski heute mittag folgendes Schreiben zugehen lassen:

Wie Ihnen bekannt ist, hat die Deutsche Regierung in den letzten Wochen bei der Polnischen Regierung wegen der Ausweisung von vier leitenden Beamten der Oberschlesischen Kleinbahn-Elektrizitätswerke A.-G. Vorstellungen erhoben. Für die Deutsche Regierung handelte es sich bei diesen Vorstellungen nicht nur um die Wahrung der persönlichen Interessen der be­troffenen Reichsangehörigen. Maßgebend war vor allem der Umstand, daß die polnischen Behörden, insbesondere in Polnisch- Oberschlesien, in den letzten Monaten systematisch die Politik verfolgen, Reichsangehörige, die in wirtschaftlichen Unterneh­mungen tätig sind, aus diesen Stellungen durch behördlichen Druck auf die Unternehmungen oder durch Nichtgenehmigung der Aufenthaltsverlängerung zu verdrängen. Der jetzt vorliegende Fall ist nur ein Glied in einer langen Reihe von Fällen ähn­licher Art. Die' Deutsche Regierung hat deshalb ihre Gesandt­schaft in Warschau bereits am 22. Januar d. I. beauftragt, der Polnischen Regierung mitzuteilen, daß dieses Vorgehen der pol­nischen Behörden auf die Handelsvertragsverhandlungen nicht ohne Rückwirkung sein könne, da die Regelung der Frage des Aufenthalts und der Niederlassung von Reichsangehörigen in Polen und von polnischen Staatsangehörigen in Deutschland einen wichtigen Teil dieser Verhandlungen bildet.

Die Polnische Regierung hat trotz der deutschen Vorstel­lungen die erwähnten Reichsangehörigen zum Verlassen des polnischen Staatsgebiets gezwungen. Sie hat damit aufs neue zu erkennen gegeben, daß sie nicht gewillt ist, auf die deutschen Vorschläge in der Frage des AufenHalts und der Niederlassung einzugehen, daß sie vielmehr im Widerspruch mit diesen Vor­schlägen und trotz ihrer seit langen Monaten im Gange befind­lichen Erörterung in weitgehendem Maße vollendete Tatsachen zu schaffen sucht. Die Deutsche Regierung ist der Ansicht, daß bei dieser Sachlage die Verhandlungen in der bisherigen Weise nicht mit Aussicht auf Erfolg fortgefiihrt werden können.

Ich beehre mich daher, Herr Bevollmächtigter, Ihnen mit­zuteilen, daß nach Auffassung der Deutschen Regierung eine vorläufige Aussetzung der in Berlin geführten Verhandlungen geboten ist. In der Zwischenzeit würde zunächst der Versuch zu machen sein, diejenigen Fragen zu regeln, die sich aus den Ausweisungen und Verdrängungen der in Rede stehenden Art ergeben. Ich möchte dabei darauf Hinweisen, daß die Deutsche Regierung es schon bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen nach Weihnachten für zweckmäßig gehalten hat, über die Frage der Ausweisungen direkte Verhandlungen auf diplomatischem Wege in Anregung zu bringen. Die Deutsche Gesandtschaft in Warschau hat einen entsprechenden Antrag bei der Polnischen Regierung bereits gestellt. Ich hoffe, daß diese Verhandlungen unverzüglich ausgenommen werden und zu einem Ergebnis führen, durch das der Wiederholung ähnlicher Zwischenfälle vorgebeugt und, was die Deutsche Regierung sehr begrüßen würde, die baldige Wiederaufnahme der Eesamtverhandlungen ermöglicht wird.

* !

Bekanntlich sind die Handelsvertragsverhandlungen seit zwei Jahren im Gange. Wenn in der deutschen Öf­fentlichkeit in letzter Zeit mehrfach die Ansicht aufgetaucht ist, die Verhandlungen näherten sich bereits dem Abschluß, oder hätten, wie es von polnischer Seite dargestellt wird, nennenswerte Fortschritte gemacht, so ist dies leider unzu­treffend.

Dr. Pradzynski kommt nach Berlin

Warschau, 13. Febr. Der seit einigen Tagen hier wei­lende Bevollmächtigte der polnischen Regierung bei den deutsch-polnischen Handelsvertragsverhandlungen, Dr. Pradzynski, hat den Auftrag erhalten, sich unverzüglich nach Berlin zu begeben, um den Brief des deutschen Bevollmächtigten Lewald zu beantworten, sowie um die Agenden der polnischen Delegation in Berlin angesichts der Unterbrechung der Verhandlungen zu liquidieren.

Manzielle M stMiche Selbständigkeit

Am kommenden Mittwoch w-rrd der neue Reichsfinanz­minister Dr. Köhler im Plenum des Reichstages eine Rede Eber die Grundsätze halten, die er bei der Führung seines klmtes maßgebend sein lassen will. Dr. Köhler war vor einer Berufung nach Berlin stoben Jahre lang Finanz- «inister in Baden. Er hat als solcher in der Front der Län- >erregierungen um eine möglichst hohe Ueberweisungsquote >er Einkommen-, Körperschafts- und Umsatzsteuer gerungen. Jetzt wird dieser Mann die Fmanzlntereffen des Reiches ge- »enülber allen nicht absolut berechtigten Ansprüchen der Län­der verteidigen müssen. Das wird nicht ganz leicht sein, da »er Finanzausgleich noch nicht abgeschlossen ist und Dr. Köh- ier innerhalb weniger Wochen von einer der beiden gegen­ständer ringenden Parteien zur anderen übergehen mutz.

Immer wieder wird gesagt, daß die staatliche Selbständig­keit der deutschen Länder ohne finanzielle Selbständigkeit eine Form ohne Inhalt werden müsse. Wenn daraus gefol­gert wird, daß die Länder das vor der Erzbergerschen Fi- aanzresorm bestehende Maß an Finanzhoheit wiedererhal- ten müßten, so wird man ernste Bedenken gegen eine solche Beweisführung erheben müssen. Dem Reich, das mit ge­waltigen Tributen belastet ist, muß das Maß an finanz­politischer Selbständigkeit, das es heute besitzt, ungeschmälert erhalten bleiben. Ohnehin hat das Reich den Ländern und Gemeinden 76 Prozent der ergiebigsten und steigerungs­fähigsten beiden Steuern, der Einkommen- und der Körper­schaftssteuer, überlassen und erhält somit auch von etwaigen späteren Mehrerträgen dieser Steuern nur ein Viertel. Die Länder und Gemeinden können, besonders wenn ihnen die Lasten der Erwerbslosenfürsorge ab 1. April Ä. Js. zum : weitaus größten Teil abgenommen werden, ohne starke and : plötzliche Einnahmesteigerungen auskommen. Das Reich da­gegen hat während der nächsten drei Haushaltsjahre erheb­liche Steigerungen der Ausgaben für Reparationszwecke zu erwarten. Das Haushaltsjahr 1927/28 ist zu fünf Zwölfteln am dritten Reparationsjahr (mit 1200 Millionen Mart Jahresleistung) und zu sieben Zwölfteln am vierten Repa­rationsjahr (mit 1750 Millionen Mark Jahresleistung) be­teiligt. Das Haushaltsjahr 1928/29 ist zu fünf Zwölfteln am vierten Reparationsjahr (mit 1760 Millionen Mark Jahresleistung) und zu sieben Zwölfteln am fünften Repa­rationsjahr (mit 2500 Millionen Mark Jahresleistung) be­teiligt. Das Haushaltsjahr 1929/30 endlich ist mit der vollen ! Höhe des Normal-Reparationsjahres, d. h. mit 2500 Millio- ! neu Mark belastet. Wir haben also für die nächsten drei Haushaltsjahre mit steigenden Ausgaben des Reiches für Reparationen zu rechnen.

Wenn man also aus übertriebener Sorge, die Selbstän­digkeit der Länder könnte leiden, die Finanzhoheit der Län­der aus Kosten des Reiches allzusehr erweitert, so könnte es geschehen, daß das Reich bei der Abwicklung der über­nommenen Reparationsverpflichtungen in Rückstand gerät, und daß die Länder ihre vergrößerte finanzielleSelbstän­digkeit" schwer büßen müssen. Wir müssen uns darüber klar fein, daß der verlorene Krieg eine gewisse Minderung der einzelstaatlichen Selbständigkeit zur Folge haben mußte. Die wichtigste Sorge muß die fein, daß wir dem Ausland keinen Vorwand bieten, gegen uns wegen vermeidbarer Rückstän­digkeit in der Erfüllung des Dawesprogramms vorzugehen. Nur wenn wir die Finanzhoheit des Reiches der Finanz- Hoheit der Länder überordnen und in dieser lleberordnung belassen, können wir den Beweis liefern, daß der Londoner Zahlungsplan vom 30. August 1924 auf die Dauer die finan- - Stellen Kräfte der deutschen Wirtschaft übersteigt. z

Neues vom Tage. i

Finanzminister Dr. Köhler und die Steuerbeamten ^

Berlin» 13. Febr. Im preußischen Landtag fand heute ( in Gegenwart des Reichsfinanzministers die Einigungs­tagung der Reichssteuerbeamten, in der die Verschmelzung derDeutschen Finanzbeamtengewerkschaft" und des Bundes Oberer Reichssteuerbeamten" mit demBund Deutscher Reichssteuerbamten" zu einem einheitlichen Bund Deutscher Reichssteuerbeamten" vollzogen wurde. Im Verlaus der Tagung ergriff Reichsminister Dr. Köhler das Wort und führte u. a. aus: Unsere Finanzämter stehen tatsächlich vor dem Zusammenbruch. So wie in den letzten Jahren kann es nicht mehr weiter gehen. Was wir heute Veranlagung nennen, ist gar keine Veranlagung mehr, son­dern nur Terminarbeit. Es ist lediglich eine Forderung l der Gerechtigkeit, daß endlich einmal in die Veran- ! lagung und Steuererhebung Ordnung ' einkehrt, die das deutsche Volt verlangen kann. Dr. Köhler kündigt schon für die nächsten Tage entsprechende Maßnahmen an und fuhr dann fort: Die Sperrung der Beamtentaufbahn muß aufhören, weil man sich dadurch ^ lebenswichtigen Nachwuchses beraubt. Man muß wieder qualifizierte Anwärter aufnehmen. Für die nächsten z Jahre können wir kein einziges neues Steuergesetz brau- ! chen, sondern wir werden an die Vereinfachung unserer ! Steuergesetzgebung denken müssen. Unserer Beamtenschaft, so schloß der Minister, gebe ich die Zusage, daß ich alles - tun werde, was in meinen Kräften steht, um ihre mate- s rielle und rechtliche Lage zu bessern. Einmalige Beihilfen ! sind verfehlt. Man muß endlich zu der erforderlichen Be- s soldungsresorm kommen. Auch das Veamtengesetz muß so i bald wie möglich erledigt werden. Die Tagung nahm noch eine Entschließung an, in der der Bundesvorstand aufge­

fordert wird, sich für eine Vesoldungserhöhung und für eine Neugestaltung der Vesoldungsordnung einzusetzen.

Die Aufnahme der Vorschläge von Coolidge in Berlin

Berlin, 12. Febr. Nach Mitteilungen an die Blätter wird der neue Abrüstungsoorschlag Coolidges in hiesigen poli­tischen Kreisen lebhaft begrüßt. Allgemein wird darauf hin­gewiesen, daß Deutschland bereits vollkommen abgerüstet ist, daß aber seine Abrüstung nach dem Wortlaut des Versailler Vertrages als erste Stufe einer allgemeinen Abrüstung gel­ten soll. Jedem Vorschlag, der in dieser Richtung einen Schritt vorwärts bedeute, stehe Imher Deutschland sym­pathisch gegenüber. Das gelte insbesondere auch für den jetzigen amerikanischen Vorschlag, dem voller Erfolg ge­wünscht werde.

Paul Boncour über Coolidges Abriistungsvorschliige

Paris, 12. Febr. Der französische Delegierte beim Völker­bund, Paul Voncour, erklärte zu Coolidges Vorschlägen für Abrüstung zur See: Die Einberufung einer Konferenz zur Behandlung der Abrüstung zur See hieße das Problem, mit dem auch der vorbereitende Entwaffnungsausschuß des Völ­kerbundes befaßt ist, doppelt behandeln. Deshalb kann ich mich, so sagt Paul Boncour, den von dem amerikanischen Präsidenten auseinandergefetzten Standpunkt nicht anschlie- ßen und zwar umso weniger, als die Arbeiten des vorberei­tenden Völkerbundsausfchusses für die Entwaffnung auf cmtem Wege find.

Württembergischer Landtag.

Stuttgart, 11. Febr. Im Landtag fand am Freitag die Sauvt- aussprache über die Abänderungsgesetze zur Landessteuerord- «ung und zum Eemeindesteuergesetz statt. Abg. Winker (Soz.) warf der Regierung vor, daß sie die alte Methode der Abwäl­zung auf andere befolge. Durch den Entwurf würden die Jndu- striegemeinden zugunsten der Landgemeinden benachteiligt. Der Städtetag habe den Gesetzentwürfen nur zugestimmt, weil er bei der städtefeindlichen Haltung der Regierung und des Landtags eine weitere Verschlechterung der Entwürfe befürchten mußte. Der Redner nahm die im Ausschuß abgelebnien soz. Anträge wieder auf und verlangte, daß dem Ausgleichsstock statt 1 Mil­lion 4 Millionen überwiesen werden. Die Angabe des Finanz­ministers, daß das Defizit im Staatshaushalt heute schon 7 Mil­lionen betrage, sei nur richtig, wenn die seit 1. Avril 1926 fäl­ligen, aber noch ausstehenden Steuern von 11 Millionen Mark überhaupt nicht einkommen. Andernfalls ergebe sich ein kleber- schuß von 35 Millionen Mk. und deshalb seien die soz. Anträge die 2,8 Millionen erfordern, für die Staatskasse tragbar. Der Redner beantragte weiter, die Bewilligung von 300 000 Mk. aus dem Ausgleichsstock für die Arbeiterwohngemeinde Böckingen. Abg. Roth (Dem.) sah den Sinn und Zweck des neuen Gesetzes darin, die gröberen Gemeinden bei der Reichssteuer-Rückvergii- tung um rund 3,7 Millionen Mk. zu verkürzen und betonte, daß die Balanzierung des Staatsetats auf Kosten der großen Ge­meinden eine bequeme Sache sei. Finanzminister Dr. Dehlin- ger bezeichnete als den Kern der Entwürfe den Finanzaus­gleich zwischen Staat und Gemeinden, wies den Vorwurf der Städtefeindlichkeit zurück, und erklärte, daß man nicht alles ideal ausgleichen könne, auch dann nicht, wenn im nächsten Jahr nach den Wahlen der Abg. Winker oder der Abg. Roth Finanzminister würden. Die L erbältnisse in Böckingen, Neckarsulm und Ell- wangen seien Ausnahmen, nach denen nicht die ganze Regelung erfolgen könne. Der Abmangel betrage wirklich 7 Millionen. Es s sei jetzt ausgeschlossen, eine grundsätzliche Aenderung des Finanz- j ausgleichs zu treffen. Die beteiligten Gemeinden wehren sich l nicht gegen die Regelung, jede komme auf ihre Kosten. Härten be- ! seitige der Ausgleichsstock. Der Gemeinde Böckingen müsse auf andere Weise geholfen werden. Die Berichte im Staatsanzeiger seien reine Privatarbeiten. Abg. Dr. Häcker (BB.) lehnte die soz. Anträge ab. Abg. Bock (Ztr.) betonte, der Streit drehe sich jetzt darum, ob den Ausfall bei einzelnen Gemeinden nur der Staat tragen solle, oder Staat und Gemeinden zusammen. Die Behauptung, daß die Landgemeinden zuungunsten der Stadt­gemeinden bevorzugt würden, sei falsch. Die Gesetzentwürfe zeig­ten die Unhaltbarkeit des rein mechanischen Finanzausgleiches d'es Reiches. Abg. Albert Fischer (Komm.) begründete An­träge seiner Partei. Abg. Rath (D. Vp.) empfahl, den lei­stungsschwachen Gemeinden zu helfen durch andere Regelung der Schlüsselanteile, andere Verteilung der Umsatzsteuer und durch Garantierung einer gewissen Kovfquote bei der Einkommen- und Körverschaftssteuer. Abg. Mergenthaler (Völk.) be­grüßte es, daß die Entwürfe die Zustimmung des Städte- und des Eemeindetags gefunden haben. Auf weitere Ausführungen des Abg. Winker (Soz.) erklärte Finanzminister Dr. Deb- linger, alle Folgerungen des Abg. Winker seien verkehrt, lleber die genaue Finanzlage des Staates werde er bei Beratung des Nachtragsetats im März Aufschluß geben können. Morgen Fort­setzung der Beratung.

Wie wir hören, wird der Landtag die Beratung des ihm vor­liegenden Stoffes morgen zu Ende führen. Die nächste Sitzung findet dann erst wieder Anfang März statt, wobei ein Nachtrags­etat betr. Stellenoermehrung zur Beratung kommen wird.