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Es kriselt...
Nicht nur im Reichstag weht zurzeit die Krisenlust, auch in einigen deutschen Ländern sind die Gegensätze zwischen den Parteien allmählich so groß geworden, daß mit Schwierigkeiten großen Stils zu rechnen ist. Besonders trüb ist die Lage in Sachsen. Dort hat man am Dienstag zum zweiten Mal den Versuch unternommen, einen Ministerpräsidenten zu wählen. Dieser Versuch ist ebenso kläglich gescheitert wie beim ersten Mal. Die Linkssozialisten zeigen sich in Sachsen als ganz unverbesserliche Kandidaten. Sie wollen anscheinend die Dinge auf die Spitze treiben. Etwas anderes bedeutet kaum die Absage, die der kleinen demokratischen Fraktion in Sachsen von linkssozialistischer Seite erteilt worden ist, als der Führer der Demokraten nach gescheiterter Mini- sterpräftdentenwahl die Initiative zur Regierungsbildung ergriff und an die Linkssozialisten die Frage richtete, ob sie zur Großen Koalition bereit seien. Die Kreise um Meißner, Liebman und wie die Radikalinskis im roten Sachsen alle heißen mögen, spielen mit dem Feuer. Man muß es als reinen Wahnsinn empfinden, wenn den Demokraten höhnisch die Antwort zuteil wurde, es sei im sächsischen Landtag sofort eine Mehrheit für einen Ministerpräsidenten vorhanden, wenn die Demokraten selbst mit den Sozialisten und den Kommunisten für deren gemeinsamen Kandidaten stimmen würden. Aerger kann mans wirklich nicht mehr treiben. Die Linkssozialisten in Sachsen scheinen die Mahnung und den Appell Scheidemanns überhört zu haben, der in München ausdrücklich betonte, die Sozialdemokratie müsse in die Regierungen der Länder und des Reiches. Vorläufig ergeben sich jedenfalls keine Arbeitsmöglichkeiten für den neuen sächsischen Landtag, sodaß die Gefahr einer nochmaligen Auflösung in nächste Nähe gerückt ist.
Zn Württemberg, wo eine reine bürgerliche Regierung besteht, die unter der Führung des deutschnationalen Abgeordneten Bazille feit dem Jahre 1924 am Ruder ist, droht es zu einer Regierungskrise wegen des Gewerbesteuer- gesetzes zu kommen. Nach den Mitteilungen der Rechtspresse und den Aeußerungen eines Rechtspolitikers, welche durch ein Korrespondenzbüro verbreitet werden, scheint je nach dem Ausgang der Beratungen eine Regierungskrise in Sicht zu sein. Wie wir auf Erkundungen an informierter Stelle erfahren, geben die erwähnten Auslassungen die Ansicht eines Teiles der württembergifchen Regierung wieder. Im württembergifchen Zentrum, als der maßgebenden Partei, erklärt man, daß eine Regierungskrise nicht notwendig ist, wenn sich die Regierungsparteien in ihrer Gesamtheit dazu entschließen, ohne Rücksicht auf das demagogische Eebahren eines Teiles der Opposition dem Geseh eine Fassung zu geben, die den Bedürfnissen des Staates, wie den berechtigten Forderungen des Gewerbes Rechnung trägt und dabei den Grundsatz der steuerlichen Gerechtigkeit wahrt. Das »Deutsche Volksblatt" schreibt: „Wenn es den Rechtsparteien angesichts der „Industrie- und handwerkerfreundlichen Haltung" der Demokratie nicht leicht wird, die Verantwortung zu übernehmen, so kann man das psychologisch verstehen. Es ist aber das Schicsal aller Regierungsparteien, von der Opposition mit der unangenehmen Verantwortung für steuerliche Notwendigkeiten belastet zu werden. Diejenigen Wirtschaftskreise, die an die aufrichtige Hilfsbereitschaft der Demokratie glauben, würden eine bittere Enttäuschung erleben, wenn die demokratische Partei durch eine Regierungskrise plötzlich zur Verantwortung berufen würde. Das, was man heute mit so viel sittlicher Entrüstung einem deutschnationalen Finanzminister verweigert, würde ein demokratischer Nachfolger mit allem Nachdruck fordern müssen. Dann würde den demokratischen Anträgen der Herren Roth und Henne kein anderes Schicksal beschieden sein, als heute. Sie würden restlos unter den Tisch fallen und wie im Jahre 1922 müßte ihr Parteigenosse am Regierungstisch die Kassandrarufe über den Ruin der Wirtschaft zurückweisen. Vom Standpunkt der Industrie und des Gewerbes aus könnte also ein Wechsel in der Regierung keine Besserung ihrer Lage bringen, dem Lande aber würde er nur zum Schaden gereichen, weil eine Minderheitsregierung wie im alten Landtag kaum möglich wäre."
Die Deutsche Volkspartei zur Rede von Dr. Scholz Berlin, 9. Dez. Die Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei beschäftigte sich heute Abend ebenfalls mit der Lage, die durch die Rede des Abg. Dr. Scholz geschaffen worden ist. Wie wir erfahren, trat sieeinmütig hinter die Ausführungen ihres Vorsitzenden. Sie stellte fest, daß eine Bindung in der Koalitions
frage nach keiner Seite hin vorliege. Das Ergebnis der Beratungen ist, daß die Fraktion grundsätzlich an der Koalition der Mitte festhält. Sollte eine parlamentarische Situation eintreten, die eine Verbreiterung der Regierungsbasis nötig macht, so wäre die Deutsche Volkspartei auch zu solchen Verhandlungen bereit.
Die Genfer Verhandlungen
Die Botschafterkonferenz macht Schwierigkeiten
Genf, 9. Dez. Di« Besprechung zwischen den Führern der deutschen und der französischen Delegation ging 12.45 Uhr zu Ende. Die Minister unterhielten sich zunächst über Vorschläge der Juristen in Bezug auf die Abänderung des Jn- oestigationsprotokolls und deren Form, wobei sich eine allgemeine Uebereinftimmung ergab. Die weitere Besprechung betraf die Lage innerhalb der Botschafterkonferenz, die nicht befriedigend ist, ziemliche Schwierigkeiten, speziell in der Frage des Kriegsmaterials, aufgetreten sind. Es wird versichert, daß die hier anwesenden Staatsmänner bemüht sind, trotzdem zu einem Abschluß zu kommen. Für den Fall, daß in Paris keine Einigung erzielt werden sollte, erwägt mau, l»ie rein technischen Fragen einem Schiedsgericht zu unterbreiten.
Kommunique der Botschafterkonferenz Paris» 9. Dez. Die Botschafterkonferenz hat heute nachmittag von 5,30 bis 8 Uhr getagt. Nach Beendigung der Sitzung ist das folgende Kommunique ausgegeben worden: Die Botschafterkonferenz hat von dem Ergebnis der Verhandlungen und Unterredungen Kenntnis genommen, die seit der letzten Sitzung abgehalten wurden. Sie hat den Wortlaut des Berichts festgesetzt, den sie morgen an die Minister und Delegierten der in Genf vertretenen Regierungen absenden. Es wird für morgen eine weitere Sitzung der Botschafterkonferenz anberaumt werden.
Besprechung Stresemanus mit Briand
Genf, 9. Dez. Der französische Minister des Aeußern, Briand, und Reichsminister des Aeußern, Dr. Stresemann, dessen Befinden sich gebessert hat, sind heute mittag 12 Uhr am Sitz der deutschen Delegation zu einer Besprechung zu- sammengetreten.
Uebereinftimmung in der Investigationsfrage Genf, 9. Dez. Vor Vertretern der internationalen Presse erklärte Briand inbezug auf seine heutige Besprechung mit Reichsminister Dr. Stresemann, daß über die Jnvestigationsfrage eine Uebereinftimmung erzielt worden sei, an der sich seither auch nichts geändert habe. Inbezug auf die Militärkontrolle bestätige er, daß die Frage der Ausfuhr von Kriegsmaterial und die Rüstungsfrage noch nicht geregelt sind. Die nächste Besprechung der fünf Rheinpaktmächte könnte seiner Meinung nach bereits Freitag vormittag stattfinden.
Ueber die Räumung der besetzten Gebiete befragt, führte Briand aus, daß diese Angelegenheit nur durch direkte Verhandlungen und durch ein Abkommen zwischen den beteiligten Regierungen geordnet werden könne. Ueber die Möglichkeit des Abschlusses eines entsprechenden Abkommens sprach er sich zuversichtlich aus. Die damit zusammenhängende Regelung der Rheinlandkontrolle werde so gestaltet werden müssen, daß das Rheinland vor jedem Truppeneinfall, von welcher Seite er auch komme, sicher sein könne. Briand glaubt, daß diese Angelegenheit bei der nächsten Ratstagung behandelt werden könne.
Zur Beratung des Zuvestigationsprotokolls Genf, 9. Dez. Die juristischen Sachverständigen haben eine ische Interpretation des Jnvestigationsproto-
kolls tp abend in vollkommener gegenseitiger Ueberein- stimmung abgeschlossen. Ihr Bericht, der vor Abschluß dieser Tagung dem Völkerbundsrat zur Beschlußfassung unterbreitet werden wird, wird morgen vormittag den beteiligten Ministern vorgelegt werden. Im Laufe des Freitags werden Vertreter der 5 Rheinlandpaktmächte wahrscheinlich zu einer zweiten gemeinsamen Besprechung zusammentreten.
Einberufung der Wektwirtschaftskoufereuz nach Genf
Genf, i,. ^ez. Der Völkerbundsrat hat in seiner geheimen Sitzung die Weltwirtschaftskonferenz auf den 4. Mai 1927 nach Genf einberufen. Vorsitzender ist der Belgier Theunis.
Neues vom Tage.
Der Reichspräsident beim württembergifchen Gesandten Berlin, 9. Dez. Am Donnerstag abend fand zu Ehren des Reichspräsidenten aus Anlaß der Anwesenheit des württembergifchen Staatspräsidenten Bazille und anderer Mitglieder der württembergifchen Regierung beim württembergifchen Gesandten, Staatsrat Dr. Bosler, ein Herrenessen statt.
Die Lage der Reichsfinanzen Berlin, 9. Dez. Im Haushaltsausschuß des Reichstages führte Reichsfinanzminister Dr. Reinhold u. a. aus, daß im Jahre 1927 und 1928 die Lage außerordentlich angespannt sei. Auf die Dauer könne die deutsche Wirtschaft eins derartige lleberbürdung mit Lasten nicht vertragen. Wir werden damit rechnen müssen, daß in Deutschland für die nächsten Jahre ein außerordentlich starker Steuerdruck sich zeigen wird. Der Anleihebedarf von 1000 Millionen Reichsmark für das Reich steht praktisch genommen, ja nur auf dem Papier. Der Minister könne versichern, daß die Aufnahme einer solchen Anleihe weder in diesem Jahre noch überhaupt in diesem Etatsjahre notwendig sein werde, sofern nicht außerordentliche, unvorhergesehene Ereignisse eintreten. Rein etatmäßig gesehen, müsse der Minister betonen, daß der Reichsetat nicht sich im Jahr 1926 stark verschuldet habe, sondern im Gegenteil, das Reich hat sich durch Rückzahlung verschiedener Schulden im Jahre 1926 nicht unwesentlich entschuldet. Allerdings sei die Finanzlage im Jahre 1927 außerordentlich angespannt, weil die einmaligen Einnahmen für 1926 dann nicht mehr zur Verfügung ständen. Aber es sei gelungen, auch für 1927 das Ordinarium zu balanzieren.
Der neue Mercedes-Motor gestohlen Stuttgart, 9. Dez. Als einzige deutsche Automobilfirmq — neben Bosch — hat Daimler-Benz in Brüssel ausgestellt. L e die „Slldd. Ztg." hört, mußte aber kurz vor der Eröffnung der Ausstellung die Entdeckung gemacht werden, daß die wichtigsten Neuerungen des neuen 2 Liter Mercedes- Benz-Motors, der in Berlin großes Aufsehen erregt hatte, von Fachleuten kunstgerecht ausgebaut worden waren. Dei Verdacht richtet sich auf einige Franzosen. Da der neu« Wagen noch nicht im Handel ist und erst im Frühjahr geliefert werden kann, liegt die Vermutung nahe, daß ausländische Konkurrenzfirmen Mercedes-Benz zuvorkommen wollten.
Deutscher Reichstag
Berlin, 9. Dez.
Am Regierungstisch Reichsinnenminister Dr. Külz.
Präsident Lobe eröffnet die Sitzung um 2 Uhr. Grobe Heiterkeit erregt seine Mitteilung, datz die kommunischen Abg. Schalem. Urbahns, Ruth Fischer. Schütz und Schwan, die bekanntlich aus der kommunistischen Fraktion ausgeschlossen sind, für 10 Tage Urlaub wegen einer Reise nach Rubland nachsuchen.
Die zweite Lesung des Nachtragsetats wird dann beim Haushalt des Innenministeriums fortgesetzt. Es bandelt sich hierbei in erster Linie um das Sofort-Programm für den Osten.
Abg. Dr. Overfobren (Dn.) weist darauf bin, datz Schleswig- Holstein das einzige dur^ Grenzziehung des Versailler Vertrages schwer geschädigte Erenzge'''et sei, für das eine umfassende wirtschaftliche und kulturelle Förderung bisher nicht erfolgt ist.
Abg. Bartschat (Dem.) bedauert, dab der ursprüngliche Gedanke, Schutz und Hilfe für den Osten zu bringen, durch weitere Forderungen anderer Erenzländer in den Hintergrund getreten sei. Der Redner tritt für die Wünsche Ostvreubens ein.
Abg. Ersing (Ztr.) verlangt auch für Baden Zugeständnisse nachdem alle Länder sich gemeldet hätten.
Abg. Kube (völk.) begründet einen völkischen Antrag, der für die östlichen Grenzgebiete Bayerns 2 Millionen Mark verlangt.
Darauf wurden die Anträge angenommen, die re 2 Million-n mehr für Schleswig-Holstein, Bayern und Sachsen verlangen, ebenso der Antrag, der zur Förderung der Sportanstalten in Leipzig und im Erunewald je 200 000 Mark und in Münster 100 000 Mark fordert. Im übrigen fanden die Ausschubanträge Annahme. Es folgte die zweite Beratung des Nachtragsetats für das Auswärtige Amt, wobei Abg. Stampfer (Soz.) die Angelegenheit der Deutschen Allg. Zeitung berührte und das B:r» halten der Reichsregierung kritisierte. Der Abg. Kube (völk.) pflichtete dem Vorredner in seiner Kritik bei, worauf die Weiterberatung auf Freitag nachmittag 3 Uhr vertagt wurde, da kein Negierungsvertreter im Hause anwesend war.
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